Caligari

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1 - 5 von 75
Caligari vor 1 Jahr 24 7
"Seeing the values. Spotting smokes too. Between the darks and the lights. That's what catches our eye."
Keiner konnte sich daran erinnern, ob er jemals so kahl rasiert dastand. Ihm selbst waren diese "Oberflächlichkeiten" reichlich egal. Ein Wimpernschlag im Dasein eines Berges, eine Katastrophe für den Menschen.

Lage Wernstedt fluchte. In der trockenen Luft fand weitaus mehr Asche, die er mit seinen Stiefeln aufwirbelte, in seine Nasenhöhlen, als ihm lieb war. Ach hätte er doch nur genügend Taschentücher mitgenommen. Da musste er über sich selbst schmunzeln. Denn sicherlich war das hier der letzte Ort, an dem derartige Eitelkeiten angebracht waren. Kein Mensch, kein Tier, kein Geräusch. Trostlos und verlassen. Daraufhin hielt er sich schließlich nacheinander die Nasenlöcher zu und prustete jeweils aus dem anderen das hinaus, was ihm schon viel zu lange das Atmen erschwerte.

Die Schritte wurden Stunde um Stunde kürzer und Lage geriet in dem unwegsamen Terrain zunehmend ins Taumeln und Straucheln. Mittlerweile fragte er sich, ob es nicht viel angenehmer wäre von Schwärmen von Insekten geplagt zu werden, anstatt auf völlig entkleideten und somit unbeschatteten Berghängen wandern zu müssen. Es tröstete ihn nicht besonders, dass es ihm das zeitgleiche Ableben aller Bäume jetzt ermöglichte, fortwährend sein Ziel im Blick zu behalten. Denn andererseits war die Fläche nun jedem Windschatten beraubt, der wenigstens einen großen Teil der umherwirbelnden Asche von ihm ferngehalten hätte. Da oben, da wo sich die pechschwarze Kuppe kontrastreich vom hellblauen Himmel abgrenzt, da lag sein Ziel.

Es ist mitnichten so, als hätte er die dramatischen Auswirkungen nicht bereits vom Tal aus erkannt, aber die fortwährende Monotonie, in der er sich nur langsam bewegte und die Abstinenz jeglicher Farbe in seinem Blickfeld, zehrten mehr an seiner Psyche, als er sich das zugestehen wollte. Nur selten durchfurchten dunkelgrüne Gräben die endlos schwarze Fläche. Sie heben sich ab wie pulsierende Adern. Das letzte Anzeichen von Leben in dieser Wüstenei und gleichzeitig seine Lebensversicherung, die ihm regelmäßig den Nachschub an frischem Wasser bescherte.

Oben angekommen, hielt er zunächst inne. Seit langer Zeit fächelte ihm der Wind endlich wieder frische Luft zu, die nicht nach Rauch und Asche roch. Er atmete tief ein. Immer und immer wieder. Mit kurzen Schritten bewegte er sich langsam am Rande der Kuppe im Kreis, um das gesamte Ausmaß zu erfassen. Immer wieder musste er anhalten und seine Hände auf die Oberschenkel stützen. Es war so schrecklich. Bis zum Horizont. So weit das Auge reicht. Seine Ergriffenheit warf ihn fast zu Boden. Was für eine Apokalypse! Es könnte schlimmer nicht sein. Desolation Peak!

Seeing the values. Spotting smokes too. It's how we spot smokes. There are highest points of contrast out there. Between the darks and the lights. That's what catches our eye.

Vielen Dank an N•O•A•M für die Exkursion in die Nadelwälder der nördlichen Kaskadenkette. Ich habe die grandiose Aussicht sehr genossen. Begleitet von deinen Gedanken und deinem olfaktorischen Roadtrip zu dieser unvergesslichen Szenerie.
7 Antworten
Caligari vor 1 Jahr 15 2
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft
Anna on Fire
Selten so einen weit gespannten Bogen über das Thema "Feuer" gerochen. Anfänglich eher technisch, mechanisch anmutend. Als wäre Qualm aus einer Fabrikation entwichen, in der die ölgeschmierten und riemengetriebenen Maschinen heiß gelaufen sind. Unglaublich spannend ist hierbei das unerwartete Erlebnis, gehörige Schwaden von Bibergeil zu detektieren. Allmählich übernehmen dann aber natürlicher anmutenden Protagonisten die Bühne. Der Rauch setzt sich nun stark aus Kräutern und Gewürzen zusammen. Nicht scharf, sondern mit einer leichten Heunote abgelöscht. Erinnerungen an die wunderbaren Düfte von Bravanariz oder Kamila Aubre werden geweckt. Innerhalb eines Kosmos aus fahlem, trockenem Grün blitzen warme, seidige Facetten auf, die den Duft dankenswerterweise wegrücken vom esoterischen Touch einer reinen Kräutermischung aus dem Reformhaus.

Anna beweist einmal mehr ein glückliches Händchen, wenn es um das stimmige Auswählen von und herzhaften Botanicals geht. Sicherlich eine der ersten Adressen in diesem Metier.
2 Antworten
Caligari vor 1 Jahr 27 12
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Klasse, statt Masse! High-End Botanicals und Artisanerie made in CH
Es kommt nicht häufig vor, dass wir einem Parfümeur begegnen, der mit so viel Herzblut seine Lebenslinien in die eigenen Kreationen zeichnet. Zu wissen, mit welcher Verve und Akribie er die Auswahl und Beschaffung der Ingredienzien vornimmt, machen einem zweifeln, ob Derartiges im Nebenerwerb überhaupt leistbar ist. Die Antwort kann hier nur mit einem eindeutigen "JA!" erfolgen, auch wenn einem Laien das nicht begreiflich erscheint.

Ich stelle mir gerade vor, wie erfüllend es doch für den Künstler sein muss, wenn sein Werk, im wahrsten Sinne des Wortes, "vollendet" ist und nun all die geistigen, handwerklichen und logistischen Anstrengungen aus seinem Duft sprechen? So was gelingt nicht im "Vorbeigehen". Bei so einer engen und persönlichen Verbindung wird weder "an der Oberfläche gekratzt", noch lässt man sich durch externe Zwänge leiten oder gar beschränken. Die sehr gründliche und extrem tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich kann erst dann Ruhe finden, wenn die Projektion von Erinnerungen, Gefühlen und Erlebnissen vollständig in den Flakon gelangt ist.

Auf der Suche nach den passenden "Farben" für das Abbild der eigenen Gedankenwelt auf seiner "flüssigen Leinwand" musste der Créateur Strecken zurücklegen, die um ein Vielfaches weiter waren, als die lange zurückliegende initiale Reise. Selbstverständlich kann der Abgleich zwischen den Bildern vor dem geistigen Auge und den Ingredienzien aus aller Herren Ländern nicht durch Dritte, durch Fotos, durch Worte und Beschreibungen, sondern nur mit der eigenen Nase gelingen. Unter anderem ist es dieser Teil der Schöpfung, welcher von N•O•A•M so hoch priorisiert wird, wie von kaum einem anderen Parfümeur.

"Essences - Dr. Bengal's Spiced Temple Essence | N•O•A•M" ist das Abbild eines entfernt liegenden Ortes, aus längst vergangenen Tagen, zu dem kein irdischer Weg mehr führt. Das Extrait nimmt unseren Geist mit in dieses kleine, abgelegene Städtchen Südasiens. Aus den engen Gassen, die in kurzen Abständen in die breitere Hauptstraße münden, wehen würzige und säuerliche Schwaden von den Kochstellen über offenem Feuer. Auf dem Marktplatz vermengen sich diese mit unzähligen Aromen, die von den exotischen Kräutern und Gewürzen ausgehen, welche dort von den Bauern, Jägern und Sammler aus dem Umland feilgeboten werden. Einige davon finden wir in dem kleinen Tempel am Ende der Straße wieder. Flammen und Glut entlocken ihnen hier die letzten Aromen. In bedächtiger Stille inhalieren wir den energischen Rauch in Verbindung mit der kühlen Luft des, durch die großen umstehenden Bäume, beschatteten Tempels. Der rotbraune Altar hebt sich kaum vom tonigen Boden ab, weswegen man meint, die darauf befindlichen goldenen Figuren und Schalen schwebten im Raum. Generationen von Einheimischen haben hier ihre Spuren hinterlassen. An den eng stehenden Säulen im Inneren des Tempels ist an vielen Stellen schon die Farbe abgewetzt, wodurch das uralte Holz noch immer vermag, dem Raum seinen Odem einzuhauchen.

"Essences - Dr. Bengal's Spiced Temple Essence | N•O•A•M" ist der rotbraune Bruder vom dunkelgrünen "Essences - Millefleures Dark | N•O•A•M". Auch hier wird man von zitrischen Noten begrüßt, die noch wenig von dem erahnen lassen, was da noch auf einen zukommen und einwirken wird. Denn tatsächlich ist "Essences - Dr. Bengal's Spiced Temple Essence | N•O•A•M" ein waschechter und nicht gerade zurückhaltender Oud-Duft mit einer ungewöhnlichen und einzigartigen südasiatischen Säuerlichkeit. Der Duft ist so tief und potent, dass er qualitativ den hier bekannten und verbreiteten Artisan-Marken in nichts nachsteht. Was er diesen jedoch voraus hat: Innovation und Mut. Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen und qualitativ keine Zugeständnisse zu machen.

Man kann nur hoffen, dass die würzige Reise von N•O•A•M hiermit noch kein Ende gefunden hat. Bitte nimm uns noch weiter mit an die Orte deiner Erinnerung und erzähle uns davon!
12 Antworten
Caligari vor 2 Jahren 29 15
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Seine Gedanken in Flaschen gießen
Ein Duft und sein self taught Parfümeur, die der sogenannten NischenINDUSTRIE den Spiegel vorhalten.

Abgekoppelt von der Vorstellung, irgendjemanden da draußen gefallen oder beeindrucken zu wollen, gibt sich der talentierte Createur seinen Gefühlen, Erinnerungen und Sehnsüchten hin, fängt diese ein und gießt sie in kleine Glasfläschchen.

Bewundernswert, wie leichtfüßig, vielfältig, geerdet und vor allem natürlich ihm dies alles gelingt. Er verbindet Literatur, Philosophie, Kunst und Handwerker in einer ganz unaufdringlichen Weise. Mit sehr viel Liebe zum Detail, ohne auch nur im Geringsten die Aufmerksamkeit von den dicht fermentierten Düften zu lenken. An die dickwandigen Glasflakons hat er mit kleinen Jutestricken handbeschriebene Kärtchen befestigt, in die Samen von Wildblumen eingearbeitet sind. Die Etiketten sind auf schwarze und weiße Flächen und Buchstaben reduziert und unterstreichen den ursprünglichen Charakter der Düfte. Das ist alles andere als oberflächlich. Das ist Hingabe.

Auf "Essences - Millefleures Dark | N•O•A•M" haben wir seit der Zusendung der Preview-Probe zwar mit einiger Ungeduld, schlussendlich und vernünftigerweise natürlich aber sehr gerne gewartet, um dem Duft auch die Reifezeit zu geben, die er beansprucht und sein Schöpfer umsichtigerweise vorgesehen hat. Wir schätzen uns sehr glücklich, dass es nun nicht bei diesem kleinen "Versuchsballon" geblieben ist. Die Vorfreude war groß und die Erwartung hoch. Was uns jetzt jedoch vorliegt, übertrifft all das.

Die Eröffnung ist eine Explosion an scharfen, säuerlichen und rauchigen Noten. Harze und Bio-Gülle. Man fühlt sich an vergärenden Kompost und frisch gewonnene Hackschnitzel erinnert. Lösemittel und Säuren werden noch schärfer und man wähnt sich in einer alten Werkstatt, in der rostige Dosen mit Beize auf einer alten Werkbank aus mittlerweile ergrautem Holz stehen. Die Sonne scheint durch die verdreckten Fenster, in deren Ecken sich die Spinnweben zu dunklen Tüchern verdichtet haben. Der bedächtig nach unten segelnde Staub glitzert von ihr bestrahlt, wie kleine Kristalle. Von diesen auf den ersten Blick kaum unterscheidbar, heben sich etwas entfernt, gelbliche Funken ab, die von einem Feuerstein in kurzen Bögen in den Zunder aus trockenen Holzspänen springen. An deren Oberfläche entwickeln sich kleine Wölkchen aus Qualm, der in seiner weiteren Entwicklung als Rauch den Raum erfüllt. Die Späne glimmen, ohne sich jedoch zu entzünden. Die Dämpfe legen sich langsam und schwere, zähe Tropfen aus dunklem Harz, das die Hitze dem Holz entlockte und auf seiner Oberfläche Blasen wirft, tropft auf das frische Tannenreisig mit seinen verharzten Zapfen. In diesem Stadium des Duftes fühlt man sich an Ikonen wie "Norne (2012) | Slumberhouse" und "Jeke | Slumberhouse" erinnert. Man schwelgt dahin im Einklang mit der Natur.

Diese oben beschriebene Entwicklung verläuft, den Duft auf die Kleidung gesprüht, wesentlich langsamer als auf der Haut. Vor allem die ätzende Vergorenheit und die Schärfe der Säuren bleiben länger präsent, was die Verwegenheit und Kompromisslosigkeit dieses Duftes noch länger offenbart. Auf erhitzter Haut und unter der Dusche züngelt vor allem der satte und dunkle Vetiver angenehm und wohlig in die Nase.

Für mich ist "Essences - Millefleures Dark | N•O•A•M" so ziemlich das Beste, was man mit natürlichen Ingredienzien überhaupt machen kann. Vor allem, wenn man, wie hier dankenswerterweise geschehen, Früchte und Blumen weitestgehend ausschließt. Die Wandlungsfähigkeit ist famos und für mich in dieser Form nahezu unvergleichlich. In Textilien setzt er sich fest, wie eine Klette.

Vielen Dank an N-O-A-M, dass es nicht beim Versuchsstadium geblieben ist und du daraus einen so wunderbaren, energischen, energiegeladenen und kompromisslosen Duft entwickelt hast.

Das ist mehr als ein Statement. Das ist ein Meilenstein!
15 Antworten
Caligari vor 2 Jahren 15 3
8
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Zweite Chance für einen ersten Eindruck
Eher selten, hier aber im besonderen Maße, erhält man bei einer wiederholten, intensiveren Auseinandersetzung, den vollständigen Blick auf das Strahlen, Wirken und die Komplexität eines guten und ausdauernden Duftes.

Tatsächlich hat mich die erste Begegnung mit "Hajar Aswad 2021 | Ensar Oud / Oriscent" nicht gänzlich vom Hocker gerissen, was zugegebenermaßen bei mir auch nicht sehr leicht gelingt. Zumal Ensars Düfte nach meinem Dafürhalten und persönlichen Geschmack den Zenit der Schaffenskunst schon seit geraumer Zeit überschritten haben.

Auch wenn bei den untenstehenden Statements ausgerechnet und überdurchschnittlich oft die Himbeere strapaziert wird, mochte mir die weder bei der ersten Begegnung, noch im Zusammenhang einer intensiveren Nutzung in den Sinn kommen. Tatsächlich erachte ich sie als zu nebensächlich, um gerade darauf eine besondere Betonung zu legen, auch wenn sie möglicherweise die einzige Note ist, die man realistisch zu detektieren vermag… neben dem Oud.

Wie bei den meisten Düften von EO fällt es auch hier schwer, am Oud "vorbei zu riechen". Und dennoch entfaltet sich die volle Bandbreite erst bei einer entsprechenden Portion des goldbraunen Elixiers. Ich habe noch bei keinem Duft eine so ehrliche Zigaretten-Tabak-Note im durchgesessenen Ledersessel erlebt. Den gesamten Tag über wabert einem diese gediegene Ruhe von der Brust in die Nase und vermittelt dabei Gelassenheit, Frohsinn, Sicherheit und Freiheit. Ein probates Mittel zum Abstand gewinnen, in dieser schnelllebigen Welt.

Mutmaßlich wäre es eine zu trockene, dröge, mitunter enervierende und damit konstant nicht erträgliche Partie geworden, würde die eingangs erwähnte Himbeere in Verbindung mit Rose und Safran, nicht die dunkelbraunen Fasern und den aschfahlen Staub aufwirbeln. Leuchtend rote, glühende Schlieren durchziehen den Qualm und werden dabei ständig durch das bittere und rauchige des Ouds genährt.

Ein wahrlich erwachsener, erhabener, ebenmäßiger und zeitlos schöner Naturduft, der seinesgleichen sucht. Für diese brillante Komposition ziehe ich meinen Hut. Chapeau!
3 Antworten
1 - 5 von 75