Carpintero
Carpinteros Blog
vor 3 Jahren - 10.09.2021
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Family Business: Oud Wood und seine Klone

Vorwort.

Eigentlich sollte der Titel „Oud Wood und seine Geschwister“ heissen. Eigentlich. Denn de Facto sprechen wir selten von einem „Oud-Wood-Bruder“ oder einem „Oud-Wood-Papa“, sondern von Düften, die Oud Wood ähneln — oder halt eben ein Klon des Duftes sind. 

Und dennoch: Die Klone, die ich untersucht habe, verhalten sich zu Oud Wood wie dessen Familie. Wieso? Das möchte ich im nachfolgenden Blog-Eintrag genauer erörtern. 


Der Star der Familie:
OUD WOOD.

Er strahlt eine distanzierte Kühle und gleichzeitig eine wohlige Wärme aus. Kühles, unnahbares Gehölz mit subtilen Nuancen von Oud. Beruhigender Kardamom. Edles Sandelholz. Abgerundet durch die Wärme der Tonkabohne und die zurückhaltende Süsse durch das dezent eingesetzte Amber. Ein Traum.

Eigentlich alles perfekt. Aber Oud Wood hat eine grosse Schwäche: Die Haltbarkeit. Schon nach kürzester Zeit verwandelt sich der überaus mächtige Oud Wood in einen Skin-Scent, ist wirklich nur noch hautnah wahrnehmbar und das ist bei dem Preis mehr als nur eine Schande. Ich besitze glücklicherweise auch noch einen älteren Batch, den ich hier ersouken konnte: 6 bis 7 Stunden hält der durch ohne dabei hautnah zu werden, danach ist auch dieser „High Performer“ nur noch ein Skin-Scent, hält aber dafür insgesamt sicher 10 Stunden - und auf dem Hemd sogar bis zum nächsten Morgen. 

Liest mich sich die Rezensionen zum Duft durch, stösst man häufig auf ähnliche Bewertungen: Gigantischer Duft, miserable Performance. Quasi die Achillessehne des Meisterwerks. 


Der grosse Bruder:
CAMBODIAN OUD by SweDoft.

Darf ich vorstellen: Cambodian Oud aus dem schwedischen Nischendufthause SweDoft — Oud Woods erwachsener Bruder.

Er ist weitaus tiefer, dunkler, komplexer und verruchter. 

Schon die Präsentation des Duftes ist einmalig: Er kommt in einer mächtigen und nahezu schon dekadenten Umverpackung aus echtem Holz (das unglaublich gut riecht), einem Siegel aus rotem Wachs auf der Aussenhülle. Die Holzschatulle ist ausgefüllt mit purpurroten Samt, darin platziert ein wunderschön edler Flakon, ebenfalls dekoriert mit einem Siegel aus rotem Wachs, einer grossen Aufschrift und einem farblich sehr interessanten Sprühkopf: Gold und Silber. 

Der Duft selbst startet in den ersten zwei Minuten tatsächlich 1:1 wie Oud Wood. Verführerisch und gleichzeitig distanziert, eine leicht medizinische Oud-Note. Kühle und wohlige Wärme. Ein bisschen Unnahbarkeit hier, ein bisschen Pick-Me dort. Wie ein ganz eleganter Aufreisser, der weiss, was er will, aber nach Aussen hin den Unnahbaren markiert. Abweichung: Statt der süssen Tonkabohne bei Oud Wood setzt Cambodian Oud auf würzigen rosa Pfeffer. Das in Kombination mit den wunderschönen Hölzern, den Kardamom und dem medizinischen Oud gibt eine perfekte Melange aus unglaublich verführerischen Duftnoten. Später stösst Patchouli hinzu, eine weitere Duftnote, die im Oud Wood fehlt. Allerdings kein kellerlastiges Patchouli, sondern erdig und staubtrocken. Dieses erdige, staubtrockene Patchouli verleiht dem Duft eine unglaubliche Tiefe und Dunkelheit. Sexy? Ja. Verrucht? Unbedingt. Verspielt? Möglicherweise. Süsse? Nein, definitiv nicht. Hier gibts Ecken und Kanten. Und die machen ja bekanntlich interessant, sexy und begehrenswert. Am Ende kommt auch kein Amber zum Einsatz, sondern trockene und hochwertige Vanille, die nicht süss, sondern sehr herb und maskulin den Duft abrundet und ihn zum sexy grossen Bruder des Oud Wood macht. 


Der kleine Bruder:
BOIS OUDH by Dua Fragrances.

Ich weiss nicht, was soll es bedeuten… 
Nein, im Ernst: Was soll ich sagen? Bei diesem Duft spalten sich die Meinungen: Während die eine Fraktion dem Duft einen performanteren Oud-Wood-Charakter nachsagt und ihm damit zum perfekten Klon des Meisterwerks deklariert, legt die andere Fraktion dem Duft einen zu „öligen“ und „weniger eleganten Charakter“ zur Last. Es ist von nasaler „Überlastung“ die Rede: Er habe eine brachiale Sillage, sei aber im Endergebnis unrund. Andere Stimmen lassen verlauten, der Duft sei zu leise und ein Hauch von Nichts. 

Ich persönlich geniesse Bois Oudh sehr, bin aber nach drei Flakons zu folgendem Verdikt gekommen: 

Der Duft ist weitaus stärker, performanter und lauter als das Original, dadurch fehlen ihm aber tatsächlich die feinen Nuancen, die ich an Oud Wood so sehr liebe. Der sogenannte Beast Mode ist zwar gigantisch und hält über mehrere Stunden an, die Sillage ist dabei so stark, dass man eine riesige Duftwolke hinter sich herzieht. Jedoch merkt man aber auch, dass der Duft im Inneren Kern nicht ausgereift genug ist, um es mit Oud Wood selbst aufzunehmen. 

Der kleine Bruder eifert seinem grossen Vorbild hinterher und führt dabei viele Oud-Wood-Fans hinters Licht. Allerdings schreit der kleine Bruder dabei oftmals so laut, dass man bei genauerem Hinsehen bemerkt, dass die Ähnlichkeiten zwar durchaus vorhanden sind, die feinen Nuancen aber überhaupt nicht zur Geltung kommen. 

Empfehlung für all diejenigen, denen Oud Wood im Club, beim Konzert oder beim Festival berechtigterweise zu leise oder zu wenig performant ist. 


Der komische Cousin:
ICON ABSOLUTE by Dunhill.

Was wäre eine Familienfeier ohne die komische Verwandtschaft? Jeder kennt sie, keiner mag sie: die verhaltensauffällige Tante, der ewigstudierende Grossonkel, der komische Cousin. 

In Relation mit Oud Wood kann sich Icon Absolute als letzteres durchaus und berechtigterweise verstehen. Als eigenständiger Duft allerdings nicht. 

Der Duft startet in Richtung stärkeres Oud Wood, nimmt dann aber die Ausfahrt in den frisch abgeholzten Wald, dreht dort ganz durcheinander um und endet bei authentischem Oud. 

Als eigenständigen Duft liebe ich Icon Absolute von Dunhill: Zuerst die feinen OW-Nuancen, dann der frisch abgeholzte Wald mit herrlich duftenden Holzscheiten und traumhaft riechenden Harzen, begleitet von feinstem Safran — auf dem Wege zu bodenständigem, authentischen Oud. 

Aber als Dupe von Oud Wood? Keine Chance. Bestenfalls ein entfernter Cousin, von dem man jahrelang nichts hört und der dann uneingeladen auf Familienfeiern aufkreuzt, nur um dort eine bizarre Stimmung zu schaffen indem er nichts, aber auch gar nichts sagt. 


Der grosse Patriarch: 
CARVED OUD by Thameen.

Für mich ganz klar der bessere Oud Wood.

Simplifizierung auf höchstem Niveau: Startet wie Oud Wood, verläuft wie Oud Wood, endet wie Oud Wood — nur mit einer viel ausgereifteren Performance und auf einem weitaus höherem Niveau. Auch hier spielt der Duft eine herrliche Symphonie aus heissem Verführer und distanziertem Pick-Me-Boy, wobei der Junge hier eher ein gestandener, reifer Herr ist, der weiss, dass er mit beiden Beinen im Leben steht. Wo Oud Wood schnell in Richtung hautnah abdriftet, fährt Carved Oud seine Leistung dank herrlich frischem Vetiver steil nach oben. Der Duft wirkt viel reifer und mondäner dank staubtrockenem Patchouli, ähnlich wie beim Cambodian Oud, nur kommt hier auch die blumige Süsse der Iris zum Einsatz, die sich aber wunderbar gekonnt zurückhält und den Ton nur aus dem Hintergrund begleitet und nicht angibt. 

Wie im Cambodian Oud kommen pinker Pfeffer im Kopf, verruchter Patchouli im Herzen und luxuriös-herbe Edel-Vanille in der Basis zum Einsatz, jedoch werden diese Komponenten stets von wunderschönen Hölzern getragen und von blumigen Nuancen verfeinernd begleitet. 

Highlight ist für mich aber eindeutiger der Vetiver, der dem Duft einen ganz unerwarteten Twist verleiht und ihn damit den nötigen Kick Frische und „Hier-bin-ich-was-kostet-die-Welt“-Charakter verleiht. 

Das südindische Oud, das in diesem Duft eine tragende Rolle spielt, wirkt unglaublich rein, hat absolut nichts von Stall oder Dung und riecht herrlich luxuriös und bodenständig zugleich.

Die Performance ist im oberen Mittelfeld, auf der Kleidung hält der Duft eine gefühlte Ewigkeit. 


VERDIKT.

Abschliessend möchte ich sagen, dass ich alle genannten Düfte liebe, jedoch tendenziell zu einem ganz bestimmten Duft am öftesten greife: Carved Oud von Thameen. 

Ich liebe Oud Wood — Für mich ist es Aura zum aufsprühen, ein Seelentröster und ein Wunderwerk. Für mich ist es Liebe. Die ganz grosse, wahre Liebe, die einmal im Leben kommt.

Carved Oud hingegen vereint all diese Komponenten, wirkt aber performanter, stärker und - in meinen Augen - auch viel luxuriöser und eleganter als Oud Wood. Die meisten Komplimente erhielt ich bislang für Carved Oud: Ich  wurde selten so häufig auf einen Duft angesprochen. „Schuld“ daran hat daran vermutlich die Vielseitigkeit des Duftes: Oud Wood in der Basis, verruchter dank staubtrockenem Patchouli, frischer dank frischem Vetiver, sexyer dank saftig-herber Vanille und bodenständiger dank der Komposition aus feinsten Hölzern und ganz dezent blumiger Süsse. 



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