Chizza
Gedankenspiele
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 3 Jahren - 16.12.2020
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Der Duft der Wälder - Versuch einer Kategorisierung

Der Wald...ein vielseitiger Ort, manchmal mysteriös, dunkel, manchmal klar und hell. So wird er dann auch olfaktorisch dargestellt. Dieser Blog soll sich nach meinen Lederblogs und dem Thema Rauch dem Gebiet Wald widmen. Ich selber habe hier vieles getestet und gemerkt, Wald kann ganz unterschiedlich interpretiert werden. Es geht dabei nicht nur um dunkle und kühle Wälder, welche man mit diversen Bäumen und Pflanzen darstellen kann, sowie dazu diametral toskanische Zypressenwälder. Nein, Wald kann auch als das Moor im Wald interpretiert werden. Ebenso animalisch, denn Wildtiere sind Bestandteile der Wälder. Darüber hinaus unterscheiden sich Wälder auch geografisch. Diese werden selten plakativ zur Schau gestellt, manchmal aber dann doch, wie beispielhaft Taiga von Pryn Parfum. Untenstehend versuche ich, einige Gruppen zu definieren und Beispiele zu nennen. Düfte, welche eher Wälder räuchern bleiben dabei außen vor. Das hatten wir ja schon.


Nun hatte ich das Thema Temperatur bereits angedeutet als ich die Taiga nannte, welche ja einer bestimmten Klimazone zugehörig ist. Diesen respektive auch einzelnen Kontinenten und Ländern liegen unterschiedliche Bäume zugrunde. Wald ist hier also nicht gleich Wald. Dies wurde beispielhaft gut durch D. S. & Durga herausgearbeitet welche da Amber Teutonic und Amber Kiso aufgelegt haben, was unterschiedliche Walddüfte meint. Kiso, da sind wir in Japan und haben ganz oft die Hinoki-Scheinzypresse vor uns. Dieser Duft wirkt warm, wirkt leicht rau und so ganz anders als sein nordischer Verwandter, der Amber Teutonic. Der wirkt da eher kalt. Ein gutes Beispiel für die Hinoki-Scheinzypresse ist auch Monocle Scent One: Hinoki von Comme des Garcons. Der wirkt warm, dabei ätherisch, hat was von Badeaufguss. Amber Teutonic arbeitet auch mit frischer und unreifer Mandarine um den Duft kühler zu gestalten, die verwendete Zeder, die Tanne und Lärche, das sind eher rauere Bäume, das sind oft einsame Wipfel, die Hinoki ist dichter und so vielleicht auch wärmer.


Beliebt sind ebenfalls mediterrane Wälder, welche zum einen wärmer duften als viele andere Walddüfte, zum anderen aber so gar nicht Richtung Hinoki tendieren. Das liegt an der dort wachsenden Zypresse. Diese hat einen zitrischen Beiduft, der Düfte alleine deshalb in Richtung Sommerwald tendieren lässt. Kombiniert man dies dann mit Lavendel, Salbei oder allgemein Hesperiden, so entsteht ein ganz anderes Waldszenario. Vielleicht auch eins, in dem die Wälder auch eher staubig sind, in dem Sträucher auf sonst leeren Flecken wuchern. Hier kann man tatsächlich die blaue Reihe von Acqua di Parma anführen, u. a. Cedro di Taormina, Cipresso di Toscana oder auch Ginepro di Sardegna. Sehr authentisch und naturnah sind da die Düfte von Bravanariz, an trockenen und sommerlichen Wald muss ich bei Landscape Scents: Bosc denken.


Jetzt gibt es natürlich auch Düfte, die einen Wald möglichst naturgetreu nachbauen wollen ohne nur Blattwerk, Boden o.ä. Inszenieren zu wollen. Das geht entweder verklärt indem ich manche Eigenschaften wie ätherische Noten verstärke. Ein gutes Beispiel ist Arso von Profumum Roma. Hier verhilft der Weihrauch in der Untermalung den Harzen und den genannten Bäumen zu mehr Tiefe, zu mehr Facetten und lässt den Duft quasi dahingleiten. Sehr schön aber nicht so nah an purem Wald.

Da denke ich eher an Hwyl oder Arborist. Letzterer wirkt nicht nur balsamisch-ätherisch aufgrund der Harze sondern er geht auch auf den Waldboden ein, welcher hier durchnässt duftet. Ebenso auf die Umwelt sprich pilzige Noten. Ist weitaus tragbarer als das klingen mag. Insgesamt ein recht realistischer Waldduft nach dem Regen.

Hwyl ist nun spannend denn auch hier haben wir die Hinoki-Scheinzypresse, kühlen den Duft aber direkt durch das Moos herunter und geben kalten Weihrauch dazu respektive die Reminiszenz an Räucherwerk. So verharren die starken, intensiven und charakteristischen Noten im Duft, sind dabei aber zugleich frischer, kühler. Das lässt Hwyl realistischer in puncto Authentizität wirken. Aber: dieser Duft ist nicht gefällig, denn die klaren und trockenen Harze schaffen eher die Impression eines Waldes bei Wind und Regen sowie etwas Kälte.

Ach, an Wald von Euphorium Brooklyn denke ich ebenfalls. Auch hier ein schöner olfaktorischer Nachbau eines Waldes, aber eher trocken und knorrig, eher der verwunschene Märchenwald.


Nun gibt es ebenso eher Düfte die auf Moore oder Wälder die teilweise unter Wasser stehen, abzielen. Die Eigenheit hier ist die olfaktorische Vertonung des nassen Bodens und der Duft eines mannigfaltigen, da die Umgebung verschlingenden Bodens. Hier mag es viele geben, der Meister ist für mich in dieser Hinsicht Prin Lomros, der regelmäßig auch Tiere in Mooren verschwinden lässt, sinnbildlich gesprochen. Hier riecht es gerne animalisch, dank der Pilze und zum Beispiel Safran ebenso gerne strenger-schlammig. Man baut also eine sehr nahe Vorstellung eines nassen Waldbodens bis hin zum Moor auf. Aran wäre ein Beispiel für ein Moor, Mriga eher für den Wald bei Nacht wenn sich die Hirsche bei Nacht versammeln. Der Wald wird durchzogen von Grün und Wildtiergeruch.



Gewöhnungsbedürftig aber gar nicht so selten sind Parfums die in Richtung Badedas-Wald tendieren. In Ihnen ist mindestens eine Ingredienz enthalten, welche an Entspannungsbäder, Massagen oder Salben denken lässt. Mein neuer Favorit, der zugleich für mich dann aber auch nicht tragbar ist, ist Gather von Ann Ringstrand. Sehr ätherisch, zu nah an Latschenkiefernöl, sehr schön aber nicht unbedingt als Parfum. Geht in die Richtung Esprit du Tigre plus Wald.

Eine Empfehlung welche ich nirgendwo unterbringen könnte, habe ich noch: Liquides Imaginaires mit Sancti Eau Dela. Tannenwald durchzogen mit zitrischem, hellem Weihrauch. Aufgrund der prominenten Rolle des Räucherharzes lässt sich nur schwer von einem mediterranen Wald sprechen.

Das soll es gewesen sein, die Triologie Leder-Rauch-Wald steht ja nun. Ab und an lasse ich einen Teil nachfolgen und freue mich auch über Empfehlungen. Was noch wichtig zu erwähnen wäre: Baum ist nicht gleich Harz. Man kann also den Duft von Harzen natürlich ausmachen, wenn es grüner und herber wird, ist es aber nicht (nur) Harz. Ebenso sind die begleitenden Noten enorm wichtig. Natürlich duften toskanische Zypressen anders als ihre Artgenossen aus Japan oder den USA. Oft wird der Geruch aber auch von der Umwelt mitverantwortet.

Edit: aufgrund mehrerer Antworten, die wahr sind, möchte ich auch Norne erwähnen, ein sehr intensiver, zähflüssiger Waldduft, dessen Harze wirklich für Kopfkino Sorgen und man sich automatisch in einen Wald versetzt fühlt. Norne, eine nordische Schicksalsgöttin, fängt den kühlen Wald zusammen mit dichtem Weihrauch ein und was auch immer sonst im Duft enthalten ist, hier habe wir ein sehr gutes Wald-Exempel.

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