Chizza
Gedankenspiele
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 2 Jahren - 09.04.2022
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Independent-Weltreise: USA

Independent-Weltreise: USA

Letztens diskutierte ich mit einem anderen Parfumo, dass manch amerikanische Nischenmarke nur deshalb hier in dieser Parfum-Blase so hoch im Kurs steht, weil die Marke eben von weiter weg stammt, sprich extraordinär ist. Nun stellte sich die Frage ob dem so ist oder ob wirklich die Qualität in den USA herausragend ist und das flächendeckend, gerade wenn man in Relation beispielsweise in Deutschland ansässige Nischenparfumeure setzt, die feinste Ingredienzen nutzen und nicht immer so hochgelobt werden. Eine einfache Antwort haben wir nicht gefunden, ich aber den Gedanken, dass eine olfaktorische Länderreise doch etwas feines wäre, quasi interessante Labels aus einem Land vorzustellen. Heute angefangen mit den USA und zwar vor allem Marken, die ich nicht in meinen bisherigen Independentblogs erwähnt habe und welche nicht jeder kennen mag.

Absolut begeistert bin ich von House of Orpheus, nur nicht von der Haltbarkeit. Die Marke bringt vieles mit, was ich schätze und zwar sowohl an Ingredienzen als auch an Story dahinter. Diese ist für mich nicht immer wichtig. Hier reizt mich allerdings diese mysteriöse, sowohl religiöse als auch rituelle Attitüde bei den Hintergründen zu manchen Düften. Ob Cain Cologne mit seiner Schmiede-Szenerie, Cunning Man mit seiner dunklen Balsamik und der Leder-Oud-Mixtur, The Black Goat mit toller Symbiose aus Oud und Weihrauch etc. Seraph ist ebenfalls klasse, nur leise, Charuto bietet einen tollen, dreckigen Tabakduft und und und. Ich würde mich arm kaufen, wäre nicht die Haltbarkeit überall äußerst bescheiden. Die Düfte werden erst nach Bestellung gefertigt, bleiben aber auch Monate später leider schwachbrüstig.

Kommen wir zu einer anderen Marke, die einem gewissen Konzept folgt und zwar Blackbird mit Sitz in Seattle. Diese Marke mutet futuristisch, mutet kosmisch an, damit natürlich absolut synthetisch und absolut diametral zu anderen, später vorgestellten Marken. Cold Cave - Death roch für mich artverwandt zu Cowboy Grass von Durga. Mizuchi fand ich spannend, für mich an Tinte und altes Papier erinnernd. Targa gefiel mir am besten, evozierte Gedanken an Iron Duke mit Schwefel-Note. Die Pipebombs sind sicher erwähnenswert, waren bei mir nur immer rasch verschwunden.

Alienerkennungsbrille aus They Live von John Carpenter aufgesetzt und Synthetik wird zu Natur! Barnaby Black ruft, die Düfte sind wirklich preiswert, einige nur als Splash erhältlich, einige zusätzlich als Solid. Vorab: tolle Düfte, alle sehr waldnah aber die Haltbarkeit ist auch hier für mich unterirdisch. Deep Slumber Mountain ist für mich ein schöner, ätherischer Waldduft. Desert Resin mit guter Haltbarkeit: take my money! Harzig, teerig, feuchter Nadelboden, einfach genial! Pine Barrens ist eher der kühle, rauchige Waldduft, Mescalito Mundspülung als Parfum, aber extra scharf. Man darf sicher aufgrund des Preises keine enorme Ausdauer erwarten aber Versand und Zoll fallen aus den USA eben auch an.

Gehen wir den Weg weiter und zwar zu Wild Veil. Momentan häufiger in Statements zu lesen, anscheinend wurden ein paar Samplekäufe getätigt, welche nun als Wanderpokale weiterziehen. Ich klage nicht, profitiere doch auch davon. Die Düfte gibt es alle als Solids. Fool gefiel mir ganz gut, bringt Rauch plus Balsamik mit, erinnert mich an ein verloschenes Streichholz. Mein Favorit war aber Winter Leather, hier stimmt alles; ledrige Noten auf kühlem, waldigen Grund sowie dezenter Rauch. Stark gemacht. Beim Schreiben merke ich dass ich mir die zahlreichen, noch nicht getesteten Proben der Marke mal ansehen sollte, wobei ich auch sagen muss, dass man für diese Marke schon ein Faible für botanisch anmutende Parfummarken besitzen sollte. Ich verbinde hier neben Wild Veil von Abby Hinsman auch Marken wie Flore Botanical Alchemy (aus Kanada) oder auch Gather damit.

Chris Rusak ist am ehesten durch sein Werk Io bekannt, offenkundig nach einer Figur aus der griechischen Mythologie benannt respektive in dem Kontext nach dem Jupitermond Io, welcher durch seine Krater und dann wohl auch schwefelhaltigen Noten gekennzeichnet sein soll. Leider längst eingestellt da nach eigenen Angaben die damaligen Ingredienzen aufgrund der kalifornischen Waldbrände ganz besondere Noten besaßen, die er nicht zu reproduzieren imstande war. Schwarz-rauchig, kokelnde Noten, einfach düster; olfaktorischer Soundtrack der Apokalypse. Was es wohl auch trifft. AEOOJ war für mich eine Art Lösemittel, zumindest spannend, 33 ein starker Vetiverduft. Resonance besaß eine starke bittere Waldnote wie aus der Alchemieküche, ebenfalls bemerkenswert. Viele seiner Düfte sind limitiert und werden dann anscheinend auch nicht mehr reproduziert.

Pomare's Stolen Perfume finde ich erwähnenswert aufgrund der Geschichte dahinter: Pomare, tahitianische Königin unter französischer Herrschaft plus der Verweis auf die Flora und Fauna auf Tahiti, welche nur dort existieren kann. Mir gefiel besonders Piano Tuner, da der Mammutbaum mit seinem süffigen Harz hier gut getroffen worden ist. Ähnliches findet man eigentlich nur, und vor allem auch nur ähnlich, bei 07 Tanoke von Odin. Beides längst eingestellt. Den tahitianischen, floralen Background der Marke findet man ganz gut in Rasa Anniversary Limited Edition wieder, hier wurde feines Oud mit Teenoten sowie floralen Nuancen verwoben. Handwerklich klasse.

Bei Providence Perfume handelt es sich um eine weitere natürliche Marke. Tatsächlich kenne ich nur zwei Düfte der Amerikaner, beide sind aber so speziell gefertigt, dass ich alleine aufgrund dessen dieses Label empfehlen möchte. Sicher nichts für jeden, aber interessant zu riechen. Heart of Darkness ist für meine Nase sehr dunkel, holzig, krautig dank dem Lavendel und hat Kaffee auf eine Art verbaut, die gelungen ist und meistens ist das nicht der Fall sondern zuckersüß das Ergebnis. Hindu Honeysuckle fand ich sympathisch denn ich kenne nicht so viele Geissblattdüfte.


Zuletzt gehen wir zu The Rising Phoenix Perfumery: der Inhaber und Parfumeur hat bereits einige Düfte veröffentlicht, darunter viele Oud-Öle, weswegen der Kreis an Interessenten von Beginn an limitiert sein dürfte. Jedenfalls handelt es sich meist um hochwertige Öle aus den bekannten Oud-Regionen. Soweit, so bekannt. Kommen wir zu seinen Düften. Mir gefiel sein Phoenix Frankincense Melange, da hier gut aufgezeigt wird, wie different Weihrauch sein kann. Vom heftigen somalischen Weihrauch bis hin zum omanischen Weihrauch mit seinen grünen Noten. Tutankhamun Blue Lotus Attar gefiel mir gut; schöner balsamischer Weihrauch. Auch bei Notre Dame Fumee findet man in diesem Fall die grüne Variante wieder, hier die harsch-holzigen Noten konterkarierend und insgesamt fein austariert.

Das war es schon; vielleicht ist die ein oder andere spannende Marke dabei. Selbstverständlich existieren in den USA zahlreiche weitere, exzellente Labels und ich werde vermutlich eine Art Weltreise starten, was unbekannte Marken angeht. Vielleicht finden diese dann in einem anderen Blog Erwähnung. Für Empfehlungen bin ich immer dankbar. Ansonsten Brille aus They Live wieder absetzen und konsumieren ;)

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