Chizza
Gedankenspiele
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 3 Jahren - 27.07.2021
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Vetiver

Vetiver gefällt mir in der Regel gar nicht. Der Duft dieses Süssgrases ist mir in der Summe und in fast jeder Ausgestaltung wenig angenehm, das habe ich das erste Mal bewusst bei Encre Noire à L'Extrême bemerken dürfen. Dennoch gibt es für mich als Vetiver-Kostverächter wenige Ausnahmen und das nicht nur, weil diese Kreationen die von mir beargwöhnte Note so sehr in den Hintergrund drängen sondern weil mir die Balance, die Ausgestaltung ausnehmend gut gefällt und daher möchte ich euch einige Vetiverdüfte vorstellen, die für all diejenigen geeignet sein könnten, die mit dem Süssgras nicht viel anfangen können. Ist das gleichbedeutend mit ideal für Einsteiger? Nein, denn manche Erzeugnisse sind durchaus olfaktorisch extrovertiert. Bevor wir starten, es war gar nicht so einfach, rund ein Dutzend in meinen Augen gelungene Düfte mit dem Protagonisten Vetiver zu finden.

Usar von Euphorium Brooklyn bildet da die erste bewusste Ausnahme was mein Muster anbelangt. Für mich ein rauchiger aber facettenreicher Vetiver, leicht würzig, leicht spritzig. Der Duft wirkt etwas holzig, in Summe für mich ein schöner, tiefgründiger Vetiver. Allgemein ist das Label empfehlenswert, Weihrauch und Konsorten kann man hier.

Meine neuste Entdeckung und Stein des Anstoßes hinsichtlich dieses Blogs ist Neandertal Us. Auch hier habe ich das Süssgras als frisch, wach und ambivalent empfunden. Pfeffer schwang mit, eine kühle Note Eukalyptus nicht unähnlich sowie eine gewisse Dinstiguiertheit. Sehr schön komponiert und vor allem kein Vergleich zu den früheren Machwerken der Marke, hier wurde ein Sprung nach vorne in Sachen Qualität getätigt.

Zwei Düfte habe ich sogar eine Zeitlang in meinem Parfum-Portfolio verzeichnet, es handelt sich um Agua Fresca Vetiver und Tomo Vetiver. Beides eher kostengünstige Kreationen, so habe ich beide gerne zum Sprühen zwischendurch genutzt da mir gefiel, was ich olfaktorisch wahrnahm aber es eroberte mich nicht.

Tomo Vetiver wirkt für mich sehr sanft ledrig, wie ein glattes und absolut nahbares Kunstleder, bei denen man wissen muss, das ist ledern. Oder soll es sein. Ein harmloser Vetiver, irgendwie für den Frühling und Herbst prädestiniert obgleich ich nicht begründen kann, warum ich so fühle. Jedenfalls mag ich Rhabarber, der ist hier enthalten, sehr glatt, synthetisch, was nicht schlimm ist. Insgesamt ein gelungener Duft.

Agua Fresca Vetiver wiederum wirkt verwässert, man erahnt die Intensität, die Stärke, die nun nicht mehr vorhanden ist. Gerade das verhilft dem Duft zu einer besseren Tragbarkeit und einer Tiefgründigkeit. Insgesamt wirkt dieser Vetiver sehr grün, aber eben wässrig-grün. Damals beschrieb ich den Duft als sommerlich, was ich so stehen lassen möchte.

Da ich Freund von Lederdüften bin, kam ich am Flanker Bel Ami Vetiver nicht vorbei. Doch wer nun hofft, hier einen aromatischen, Intensiv-würzigen Klassiker wie das Original zu finden, welches eher in Richtung Vetiver denn Leder geht, der liegt leider falsch. Objektiv ein schöner Duft aber kein Vergleich zum Original, viel zahmer.

Ob nun Flanker oder nicht, der 4711-Ableger Coffee Bean & Vetyver war stark gedacht, schwach umgesetzt. Dennoch wird aufgezeigt, was möglich gewesen wäre. Der Duft ist charakteristisch, eigen, die Stärke der Kaffeebohne paart sich mit kräftigem Vetiver. So die Theorie. In der Praxis sind beide eher moderat, das Resultat zu zahm. Gerade das könnte aber natürlich einen Anreiz darstellen.

Für mich jedoch nicht denn meinen Kaffee benötige ich stark.

Ein weiterer Fall in welchem das Potential des hier abgehandelten Inhaltsstoffs verschenkt wird, ist Sombre Negra. Der Beginn wird von anderen Noten dominiert, es geht rauchig zu, wobei dieser rasch verschwindet. Dann: Bühne frei für den Vetiver. Leider gezügelt und in Kombination mit schalem Rauch dann für mich langweilig. Könnte dennoch für den Einstieg interessant sein.

Beim Schreiben zu Behind the Rain wird mir bewusst, wie ich Vetiver wohl mag. Denn der Schütze-Schützling kommt ebenfalls spritzig daher, leicht pfeffrig. Dann wird es etwas zu grün, danach begleiten helle Harze den Vetiver. Wirklich schön, Paul Schütze ist übrigens Künstler und hat damals einige Parfums veröffentlicht.

Artverwandt funktioniert Fat Electrician, welcher dem Vetiver ebenfalls harzige Elemente beifügt, hier Myrrhe. Auch hier findet man Pfeffer und helles Elemi im Kopf, die absolute Frische fehlt zwar und die Düfte ähneln einander auch nicht aber das Prinzip scheint klar. Für mich funktioniert die Marke EldO sonst nicht, die Namensgebungen stören mich, hier auch, dennoch eine gelungene Veröffentlichung.

Auch Fume von Hendley arbeitet mit moderatem Vetiver, verfeinert mit hellen Harzen. Zwar haben wir hier anfänglich würzigen Rauch, welcher von Teenoten durchzogen wird. Der Vetiver schält sich aber heraus. Für mich duftet es irgendwie einem Aufguss nicht unähnlich.

Kommen wir zu den letzten beiden für mich bemerkenswerten Vetiverdüften: zunächst Fumidus von Profumum Roma. Dieser erinnert mich zunächst nur an torfigen Whiskey. Die geräucherte Birke steuert viel Rauch hinzu. Dieser bekommt dann durch den Vetiver Farbe in dem Sinn, dass der Rauch unterschiedliche Nuancen aufweist, holzig wirkt und torfige Noten erscheinen.

Cowboy Grass von Durga war wohl einer der ersten Düfte des von mir geschätzten Labels, welchen ich nicht vollumfänglich mögen konnte, was am Vetiver lag. Dennoch ist er hochwertig komponiert. Dies liegt an vielen, den Vetiver unterstützenden Ingredienzen wie Wüstenbeifuss, Gras aber auch so aromatische Begleiter wie Thymian. Diese und das Thema lassen Impressionen aufkommen, lassen den Duft gleich in einem anderen Gewand erscheinen und so duftet Cowboy Grass zwar intensiv aber zugleich komplex und spannend.

Das war es auch schon wieder, ein Blog zur Zeder ist in Planung ansonsten aber erst mal nichts. Wie gesagt, wer Vetiver mag, kennt sicher viel bessere und schönere Düfte, vielleicht schreibt ja wer eine Fortsetzung.

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