Chnokfir
Verbale Interaktion chnokfir mit Parfum
vor 6 Jahren - 30.03.2018
22 50

Es ist ein Wort der Warnung angebracht - Teil 2

Fernsehwerbung nervt!

Diese Aussage wird wohl so ziemlich jeder ohne langes Zögern unterschreiben. Da kommt man von einem anstrengenden und stressigen Bürotag reichlich genervt nach Hause und statt erst einmal Frau und Kind zu verprügeln, setzt sich der moderne Mann von heute nach einer Yoga-Stunde mit seinem Baldrian-Detox-Tee auf die Couch und schaut Berlin bei Tag und Nacht, Tüll & Tränen, Das perfekte Dinner oder Curling auf Eurosport. Wenn da nicht immer diese unsäglichen Werbeblöcke wären. Bislang habe ich mich in der Zwischenzeit bestens mit Handy und Tablet abgelenkt, doch seit einiger Zeit schaue ich ganz bewusst TV-Werbung. Denn ich warte auf Amy Sedaris.

Amy Sedaris muss man jetzt nicht zwingend kennen. Ich für meinen Teil musste mich auch erst bei Wikipedia einlesen. Doch als amerikanische Comedia sagt sie mir herzlich wenig und ich kann mich auch nicht entsinnen, sie in den angegebenen Serien oder Filmen wahrgenommen zu haben. In der TV-Werbung hingegen schon. Als Frau knapp über Ende 40 sieht sie noch verdammt attraktiv aus, doch meinem Beuteschema entspricht sie an sich gar nicht. Aber das Aussehen ist es auch nicht. Ebenso wenig wie ihr modisches Statement, wo beim Anblick ihres getupten Kleides Guido Maria Kretschmer sicherlich vehement verzweifelt sagen würde, dass dieses Kleid so gar nichts für sie tut.

Aber nach circa vierhundertmaligem Anschauen der Lenor Unstoppables Werbung fiel es mir dann wie Schuppen aus den Haaren, was mich so sehr an diesem Werbespot fasziniert, dass ich seit Wochen wie gebannt auf den nächsten Werbeblock warte, oft sogar von einem zum nächsten Werbeblock auf den diversen Sendern zappe, nur um diesen Werbespot zu sehen. Es ist dieser Sekundenbruchteil, in dem Amy Sedaris diesen wundervoll entrückten Blick hat, wenn sie an diesen duseligen Frische-Perlen schnuppert oder wie sie entrückt in die Kamera lächelt, wenn die die Verpackung schüttelt.

Es brauchte noch einmal einige Zeit, bis ich zu dem Schluss komme, was mich an ihrem Gesichtsausdruck so sehr fasziniert: Man sieht diesen wundervoll entrückten Gesichtsausdruck nur mehr überaus selten, eigentlich gar nicht mehr. Entweder die Frauen legen überaus viel Aufmerksamkeit darin, wie sie aussehen und wie sie auf ihre Umwelt wirken, dass kein entrückter Gesichtsausdruck mehr zustande kommen kann. Wie auch, wenn man den halben Tag damit verbringt, das möglichst perfekte Duckface in die Smartphone-Kamera zu machen um es 30-50 mal pro Tag entweder selbstverliebt auf dem eigenen Facebook-Account zu posten oder es ebenso oft an alle whatsapp-Gruppen zu senden. Oder aber die Damen sitzen, jeder Orthopäde erschaudert, vornübergebeugt in der U-Bahn, das Smartphone keine 30cm von der Nasenspitze entfernt und texten sinnfrei vor sich hin. Und dabei, man könnte sie wie die Orgelpfeifen eine neben der anderen aufreihen, hat jede von ihnen den gleichen ausdruckslos gelangweilten Gesichtsausdruck, den man bei aller Höflichkeit bestenfalls als grenzdebil bezeichnen möchte.

Gut, es gibt auch diese wenigen anderen Momente, in denen man bei einer Frau einmal einen entrückten Gesichtsausdruck wahrnimmt. Bei IKEA zum Beispiel, wenn die blaue Tüte wahllos mit Handtüchern, Vasen und Duftkerzen vollgestopft wird. Oder, wenn einer Frau direkt nach dem Zahlen ihre neue Handtasche oder ihre neuen Schuhe eingepackt über den Tresen gereicht werden. Oder, wenn sich eine Frau beim ersten Bissen in einem Restaurant bewusst wird, dass ihr Essen zwar weder vegan noch vegetarisch ist und darüber hinaus in tonnenweise Butter und Sahne gekocht wurde ... aber es einfach nur wundervoll schmeckt! Oder aber, wenn mann denn dieses wundervolle Glück geniessen darf, mann auf Tauchstation geht, nach einiger Zeit den Blick entlang des Landing-Strips durchs Dekolleté nach oben in ihr entrücktes Gesicht wirft und mann voller Genugtuung feststellt, dass mann die letzten 35 Minuten richtig gut performed hat. Ja, einen ähnlich entrückten Gesichtsausdruck entdecke ich immer wieder für Sekundenbruchteile bei Amy Sedaris. Das gefällt mir. Das treibt mir ein Lächeln ins Gesicht. Das rettet mir ein Stück weit den Tag. Das ist gute TV-Werbung.

Und dann kommt dieser eine Tag, der eigentlich nichts Besonderes oder Grosses für mich bereit hält, ich mich aber mit der eigenen Frau beim Edeka um die Ecke wiederfinde und wir gemeinsam wie jede Woche den Wochenendeinkauf unternehmen. Irgendwann sind wir auch in dem Gang mit den Waschmitteln angekommen und - Oh, Schreck - unser übliches Flüssigwaschmittel ist aus. Kein Wunder, es ist aktuell im Angebot - 3,99 statt der üblichen 4,49. Skandal! Auch der von mir persönlich zusammengestauchte Filialleiter ist untröstlich, keine Nachlieferung vor dem Ende der kommenden Woche in Sicht. Und weil ich nun mal ein Sensibelchen bin und meine gereizte Haut auf manche Waschmittel unschön reagiert, ist die Wahl eines Ersatzproduktes ein zeitraubendes Unterfangen.An jedem Produkt wird ein Code-Check unternommen. An fast jedem Flüssigwaschmittel wird kurz geschnuppert ... es ist kein Vergnügen! Und dann fällt mein Blick rein zufällig auf die Lenor Unstappables und erstmalig nehme ich sie im Fachhandel wahr. Zuvor habe ich trotz meines leicht nerdigen Werbekonsums nie eine Sekunde darauf verschwendet, dieses Produkt mal zu suchen. Doch jetzt stehen gleich vier verschiedene Geruchsrichtungen davon vor mir. Der noch immer untröstliche Filialleiter signalisiert mir, auch hier dürfe ich gerne eine Nase nehmen, die Drehverschlüsse sind ja schliesslich nicht versiegelt.

Ich erspare jetzt die ganzen schmutzigen Details ... das Zeugs riecht einfach nur widerlich synthetisch. Klar, wer hier natürliche Aromen, Essenzen oder gar Duftöle erwartet, der sollte sich schleunigst in medizinische Behandlung begeben. Aber derart künstlichen und ekligen Geruch hatte ich dann doch nicht erwartet. Das ist Chemie pur, noch dazu von der groben Sorte. Wenn das Zeugs nicht sogar sogar erbgutverändernd ist. Nicht umsonst heisst Lenor Unstoppables in Amerika Downy Unstoppables. Dies vor Augen habe ich dann auch gleich ganz derbes Kopfkino.

Auch eine kurze Erinnerung an den wundervoll entrückten Blick von Amy Sedaris konnte mich nicht zu einem Sponankauf verleiten, statt dessen fand eine Packung Ben & Jerry's Cookie Dough den Weg in den Einkaufswagen und auf meine Hüften.

Den TV-Werbe-Spot sehe ich noch immer gerne. Bisweilen ertappe ich mich sogar, auf youtube nach neuen TV-Werbe-Spots aus den USA zu suchen, und da gibt es ein paar richtig gute mit hinreissendem Blick und toller Mimik. Doch meine Kaufentscheidung kann es auch nicht mehr positiv beeinflussen. Schon krass, zu was für derben Mitteln die Werbebranche greift, um so manchen Plunder an den Mann zu bringen. Aber nicht mit mir! *schmacht*

22 Antworten

Weitere Artikel von Chnokfir