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Verbale Interaktion chnokfir mit Parfum
vor 6 Jahren - 14.03.2018
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Zusammenleben mit einem Parfummuffel - Teil 11

Zusammenleben mit einem Parfummuffel - Teil 11

Einmalige Wandlung

Welcher Mann kennt das nicht? Nicht nur das Wochenende naht, sondern auch der Frühling steht vor der Tür, der heimliche Haushaltsvorstand mag weder Mütze, Schal, Mantel, Stiefel noch Handschuhe auch nur noch einen Tag länger tragen und der verzweifelte Blick in den Kleiderschrank offenbart, dass dort in Bezug auf Frühlingsmode gähnende Leere herrscht. Schnell kommt man(n) überein, dass ein samstäglicher Shopping-Ausflug in die grosse, weite Stadt angesagt ist und nicht die beste Freundin wird zur Beratung auserkoren, sondern der Mann wird als Sherpa und Finanzdienstleister eingespannt. Doch dann die Frage der Fragen: Wohin?!

„Hierhin?“ – „Waren wir doch erst?!“

„Dahin?“ – „Nicht schon wieder!“

„Dorthin?“ – „Da gibt es doch nix!“

Also muss Mann das mal wieder in die Hand nehmen und mit einem „Lass mich mal machen … Überraschung!“ packe ich Samstag früh die Frau ins Auto, wohl wissend, dass meine, zugegebenerweise nicht ganz uneigennützige, Entscheidung ebenso richtig wie komplett falsch sein kann. Rein zufällig hat mir doch ein kenntnisreicher Parfumo von einer neuen und kleinen, aber feinen Nischenparfumerie in Nürnberg vorgeschwärmt, die ich doch auch tatsächlich noch nicht kannte. Also nix wie hin da, ist ja von München nur ein Katzensprung über die Autobahn.

Doch den ersten fatalen Fehler bemerke ich, kaum dass ich auf der Autobahn auf die linke Spur gelenkt habe. Hinten blau, vorne grau. Der Föhn schafft seine Frühlingstemperaturen und den blauen Himmel noch nicht mal ansatzweise bis zur Donau, in Franken hingegen herrscht tristes und kaltes Grau. Egal, Frau freut sich schon auf Frühlingsmode!

Ich erspare die ganzen belanglosen Details, wie man aktuell welche Farben wie kombiniert, welche Kragenform gar nicht mehr geht und wieso Absätze bei der einen Schuhform jetzt höher sind, bei einer anderen überaus ähnlichen Form hingegen flacher getragen werden. Ich habe es nämlich nicht verstanden. Dass in der Damenmode eine wahre Revolution stattgefunden haben muss, erkenne ich an der Anzahl und dem Gewicht der zahllosen Tüten, die ich wie ein mittelalterlicher Wasserträger links und rechts balanciere. Wohl der Grund, wieso eine Shoppingstrasse Nürnbergs Breite Gasse heisst.

Irgendwann meldet sich mein Pansen, die gesammelten Tüten werden im Parkhaus in den Combi verfrachtet und weil SIE nicht unbedingt mit dem allerbesten Orientierungssinn gesegnet ist, schaffe ich es doch tatsächlich unbemerkt vom Parkhaus zum auserkorenen Restaurant vom rechten Weg abzukommen und in einer unscheinbaren Gasse zu landen, in der ich dann rein zufällig eine neue und kleine und, wie sich bewahrheitete, feine Nischenparfumerie erspähte. Und wie sich die Bilder ähneln, ich gehe hinein und SIE bleibt draussen. Was in München kein Drama wäre, weil SIE in der Zwischenzeit in einer nahen Buchhandlung oder Boutique stöbern würde. Diese neue, kleine, feine Nischenparfumerie lag zum Zeitpunkt des Geschehens jedoch in einer eher unbelebten Gasse ohne wirklich erwähnenswerte Schaufenster und Geschäfte. Also blieb SIE draussen vor der Tür stehen, der Wind blies unangenehm kühl, es nieselte deutlich. Und ich wusste, so glückselig ich in dieser neuen, kleinen, feinen Nischenparfumerie sein würde, so ungehalten würde SIE sein. Ich würde jeden einzelnen getesteten Duft bitter büßen müssen. Aber egal, mein Tod war sowieso schon besiegelt.

Und dann kommt das fast schon biblisch zu bezeichnende Wunder. Ich stehe also ganz formstabil alleine mit der Inhaberin in dieser neuen, kleinen, feinen Nischenparfumerie, teste hier, schnüffel da, da geht hinter mir die Tür auf und SIE kommt rein. Man möchte fast vermuten, SIE würde jetzt mit einem liebevoll zärtlichen und doch unzweideutigen „Na, ham‘m wa‘s langsam!?“ zur Eile und zum Aufbruch mahnen. Aber, nein, nicht doch! SIE stellt sich auch nicht interessiert neben mich, um einen der fächerartig ausgebreiteten Teststreifen zu beschnuppern und ihren Kommentar abzugeben. Stattdessen wird erst einmal vehement die tropfende Nase geputzt, dann schaut SIE sich in dem Ladengeschäft um, nimmt aber ein paar Minuten lang keinen Flakon in die Hand, bedankt sich auch freundlich bei der Inhaberin für angebotene Hilfe. Dann, irgendwann nimmt SIE einen Flakon zur Hand, schnüffelt am Sprühknopf, sprüht dann zweimal davon auf den Handrückeb, reibt kurz und schnüffelt erneut, zweimal, dreimal. Darauf wird der Tester wieder hingestellt, stattdessen die orginalverpackte Ware aus dem Regal genommen, kurz der Preis gecheckt und mir die Packung mit einem alle weiteren Worte überflüssig machenden „Der gefällt mir!“ in die Hand gedrückt.

Ich muss gestehen, dass es danach mit meiner Konzentration hinüber war. Meine Duftstreifen wurden relativ schnell entsorgt, getestet habe ich auch nichts weiter, stattdessen ging ich mit „A l'Iris“ von Le Cercle des Parfumeurs Createurs / Fragrance Republic zur Kasse, zahlte, sackte noch ein paar Pröbchen ein und verließ mit meiner Frau die neue, kleine, feine Nischenparfumerie.

Glücklich. Nicht nur SIE, sondern auch ich. Zum einen, weil SIE glücklich ist. Aber auch, weil ich zum ersten, und in über acht Jahren auch einzigen, Mal miterleben durfte, wie sich meine Frau einen neuen Duft kauft. Nicht, dass die Findungsphase jetzt so irre spannend gewesen wäre, aber Ihre zielstrebige und pragmatische Art beeindruckt mich auch heute noch immer wieder. Das ist jetzt auch schon wieder ein paar Jahre her. Neben „Noa“ ist „A l'Iris“ der einzige Duft meiner Frau, den SIE sich selber gekauft hat und noch heute trägt. Es ist ein Duft, der gefällt. Uns beiden. Ein Duft, der bleibt.

Ist auch schon ein paarmal nachgekauft worden, jedes Mal wieder in Nürnberg. Die neue, kleine, feine Nischenparfumerie ist nicht mehr neu, sie ist nicht nur in eine deutlich bessere und schönere Lage umgezogen, sie ist glücklicherweise auch gewachsen. Und irgendwie ist es für mich ein besonderer, weil einzigartiger Ort geworden.

To be continued ...

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