5 Sinne
Welche Daseinsberechtigung hat Parfum?
Eine Frage vor deren Hintergrund ich die Welt der Düfte, die Parfumindustrie und nicht zuletzt mich selbst in letzter Zeit kritisch hinterfragt habe. Im Angesicht stetig wachsender Parfumsammlungen wurde die Frage nach dem Warum immer präsenter. Einige meiner Gedanken dazu möchte ich mit euch teilen.
Die Erfindung des Parfums (angeblich 3000 v. Chr. durch die alten Ägypter) war offensichtlich der Start einer nachhaltigen Erfolgsgeschichte. Menschen mögen es, begeistern sich dafür, erfreuen sich daran. Das Ausmaß variiert natürlich. Manch einer verbindet gar seine eigene Person damit, während es für andere nur Nebensache ist. Dennoch, jeder kann sagen, ob ihm gefällt wie jemand oder etwas riecht. Auch wenn es meistens schwer fällt zu definieren, was genau einen Geruch ansprechend macht.
Aber woher kommt dieser natürliche Bezug zu Parfum?
Eigentlich eine obsolete Frage. Viel merkwürdiger wäre es doch, diesen Bezug nicht zu haben. Das wäre gleichbedeutend damit, den Bezug zu einem der menschlichen Sinne zu leugnen. Dem Riechen. Parfum stimuliert die olfaktorische Dimension unserer Sinne. Wir kennen für jeden unserer Sinne Wege, diesen anzusprechen und haben auf jeder Sinnesebene Möglichkeiten gefunden, um uns zu stimulieren. Das Auge erfreut sich an Kunst, Gemälden, eindrucksvollen Landschaften. Das Gehör erfreut sich an Musik die gefällt, an Klängen der Natur und vermittelt Emotionen über die Stimmlage eines einfühlsamen Gegenübers. Der Gaumen erfreut sich an den nahezu unbegrenzt erscheinenden Geschmäckern der Küchen dieser Welt. Wir lassen uns Massieren, liebevoll berühren und kleiden uns tagtäglich in Stoffe, die uns ein gutes Gefühl auf der Haut geben. Da ist es nur natürlich, dass es auch den Geruchssinn danach sehnt, befriedigt zu werden.
Was viele nicht wissen ist, dass Schmecken eigentlich mehr Riechen als Schmecken ist. Klingt im ersten Moment befremdlich. Aber wie sonst sollten wir so unterschiedliche Geschmäcker wahrnehmen? Süß, sauer, salzig, bitter, scharf, umami. An diese Richtungen denken die meisten wenn es um Geschmack geht. Aber mit jedem Bissen riechen wir unser Essen auch. Dieser Geruch ist mindestens genauso wichtig für das Geschmackserlebnis. Nicht umsonst schmecken Dinge oft so wie sie riechen. Und nicht umsonst schmeckt alles blass wenn man erkältet ist. Statt nur sechs Richtungen, wie sie der Geschmackssinn kennt, steht dem Geruchssinn eine schier endlose Zahl an Duftnoten zur Verfügung. Gerüche sind durch und durch komplex. In ihrer Beschaffenheit, wie auch in ihrer Wirkung.
Tragen wir also Parfum um uns selbst zu stimulieren? Mit Sicherheit. Aber bei weitem nicht ausschließlich. Denn, wie sicherlich die meisten bereits zur genüge erfahren durften, ist jede noch so positive Emotion, die ein Duft, der einem selbst gefällt, hervorruft nur allzu schnell vergessen, wenn das Umfeld einem eindeutig signalisiert, dass diese positive Emotion ein einseitiges Vergnügen ist. Natürlich haben auch solche Düfte ihre Daseinsberechtigung. Sei es im kleinen Kreis, für sich selbst, oder sei es auch nur, dass es sie nach dem richtigen Umfeld, den richtigen Voraussetzungen, dem passenden Träger verlangt.
Wäre es nicht dennoch schön, wenn ein Duft nicht nur den olfaktorischen Vorlieben des Trägers zusagt, sondern auch denen des Umfeldes von besagtem Träger? Die stumpfe Attitüde, man trage einen Duft zu allen Zeiten nur damit er einem selbst gefällt, empfinde ich als wenig zielführend. Es ist natürlich einfach und verlockend sich einzureden es sei einem egal wie man auf sein Umfeld wirke. Eventuell gelingt es dadurch sogar, eine oft nicht in diesem Ausmaß tatsächlich vorhandene, Charakterstärke vorzutäuschen, oder, fast noch schlimmer, sich selbst diese vorzugaukeln. Sie scheint mir umso eindimensionaler, je länger ich darüber nachdenke.
Wenn man so möchte, kann Parfum also auf zwei Ebenen seinen Träger beflügeln. Indem es die eigenen Vorlieben erfüllt und indem es bei dem Umfeld des Trägers etwas bewirkt, was dann wiederum dem Träger selbst zugutekommt. Dieses Etwas kann dabei verschieden sein und vom Träger selbst gestaltet werden. Harmonie, Gelassenheit, Provokation, Professionalität, um nur einige Beispiele zu nennen.
Vor diesem Hintergrund erfüllte ein guter Duft also zwei Kriterien. Er förderte auf direktem Wege, über den Geruch, positive Emotionen beim Träger selbst und hälfe diesem gleichzeitig positive Emotionen, aus der Interaktion mit seinen Mitmenschen, zu generieren.
Ein Duft definiert sich zugegebenermaßen nicht ausschließlich über den Geruch. Zusätzlich interferieren Haltbarkeit, Projektion, Präsentation, Prestige und viele weitere Dimensionen miteinander, bis sie letztlich in der hochgradig subjektiven Bewertung des Duftes als solchem münden.
Was einen guten Duft ausmacht, empfindet sicherlich jeder anders. Ebenso das Zusammenspiel der verschiedenen Dimensionen. Eine interessante Richtung, in die sich meine Gedanken beim Schreiben dieses Beitrags entwickelt haben, ist die, dass unsere Düfte tagtäglich etwas für uns leisten. Vielleicht findet sich hierin auch ein Weg zu mehr Wertschätzung in der schnelllebigen Welt rund um Parfums…