DerOlfaktor

DerOlfaktor

Rezensionen
DerOlfaktor vor 3 Jahren 20 5
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Das Veilchenpflaster
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
dass ich so traurig bin;
ein Duft aus alten Zeiten,
der kommt mir nicht aus dem Sinn.

Und auch dem Schiffer gleich aus dem Gedicht „Die Lore-Ley“ ergreift mich bei diesem Duft die Wehmut - Wehmut darüber, was einmal war und was scheinbar für immer verloren sein wird.

Green Irish Tweed war der erste Duft, der das Preisgefüge meiner kleinen Sammlung nach oben erweiterte – quasi die Aufhebung der Parfumpreisbindung. Ich weiß noch, als ob es heute gewesen wär‘, in welchem Geschäft ich diesen Duft das aller erste Mal erschnüffelte und mich dazu entschied, diesen zu kaufen. Es war eine kleine Drogerie in dem kleinen Städtchen Baden, in der Schweiz.
Auf meinen beiden Schultern saßen der kleine, weiße Engel und der kleine, rote Teufel, die beide über die Meinungshoheit stritten und ihr jeweiliges Für und Wider dem anderen Brüderchen an den Kopf schleuderten. Als der Engel sah, wie ich die Kreditkarte zückte, um gleich der Verkäuferin mein Einverständnis zum Kauf zu quittieren, vergaß er alle Sitten und Anstand: „Bist Du des Teufels, soviel Geld für ein so kleines Glasfläschchen! 170 Franken für 75 Milliliter und ein Verstoß gegen die 5. Todsünde, die Völlerei (Gula)! Schäm Dich!“ Ich glaubte zu erkennen, dass der kleine Teufel ob der Ausfälle seines Brüderchens noch ein ganz klein wenig dunkelroter wurde.
Wir konnten ihn dann beide besänftigen und ihm versichern, dass er bei jeder Besprühung mit einem extra Sprühstoß bedacht werden würde. Daraufhin fing er wieder an: „Ich will dieses Teufelszeug nicht …, usw. usf..“

Seit dieser Zeit war Green Irish Tweed einer meiner Spezialisten, den ich vorrangig auf Dienstreisen mitnahm. Wenn die Krawatte frühmorgens gebunden war, gab es ein paar kräftige Sprüher hinter die Ohrmuscheln, auf die Hemdkragen und den Krawattenknoten. Selbst in den müdesten Sitzungen, nach dem Mittagessen, wenn der Organismus in sein Tagestief absackt und wenn die Luft im Raum stickig wird und die Temperaturen hoch sind, hatte ich immer die Frische weiter Wiesen und Auen direkt vor der Nase und gedanklich vor den Augen.

Was mich an diesem Duft immer so begeistert hat, war seine Kopfnote mit dieser leicht stechenden Frische. Vielleicht kennt der eine oder andere das Gefühl, wenn man an einem heißen Sommertag einen Mentos-Kaubonbon isst, dazu eine eiskalte Cola trinkt und anschließend tief durch den Mund einatmet. Dann steigt – zumindest bei mir – der Wasserspiegel in den unteren Augenliedern und vermittelt einem das Gefühl totaler Erfrischung. Ich vermute, es ist die Kombination aus Eisenkraut und Pfefferminz, die diesem Duft so einmalige Wahrnehmung aufprägt. Wenn ich mir auf der Parfumo-Seite die Düfte anzeigen lassen, die Eisenkraut als Ingredienz besitzen, steht an zweiter Stelle, nach Green Irish Tweed, der Colonia von Acqua di Parma, den ich auch besitze. Da dieser nun aber überhaupt nicht mit dem Green Irish Tweed zu vergleichen ist, muss es die Kombination aus Eisenkraut und Pfefferminz sein, die den Briten so einzigartig macht.

Fast einzigartig macht!

Die lange Liste der Kommentare zu diesem Duft deutet es an, es gibt einen Zwilling: Cool Water von Davidoff. Und in der Tat, beide Eau de Toilette/Parfum gehen - was die Ausrichtung der Düfte anbelangt - in die gleiche Richtung, was vermutlich auch nicht verwundert – immerhin haben beide denselben Parfümeur als Schöpfer.

Aber irgendetwas hat mir den Cool Water immer verleidet. Ich habe die Rosengeranie im Verdacht – oder eine Variante von Pelargonien. Schon in meiner Kindheit und Jugend habe ich einen weiten Bogen um diese Pflanzen gemacht, ich konnte diesen eisenartigen und erdigen Ton nie leiden. Schon im Garten meiner Eltern habe ich mich gefragt, wie die Bienen im Sommer freiwillig zu den Blüten fliegen konnten. Und nicht umsonst machen Hunde, Katzen und Vögel einen Bogen um diese Blumen und Blüten. Der Geruch hält viele Vertreter aus der Fauna fern. Dieser Duft hat meiner Meinung nach dem Cool Water immer einen Geruch von feuchter Pappe beschert. So ein leichter muffiger Duft drückt während der gesamten Tragedauer das Eau de Toilette zu Boden. Ich würde zu gern wissen, wie Cool Water ohne Rosengeranie duften würde.

Die Kunst bei Green Irish Tweed bestand darin, Abwechslung in den Duftverlauf einzuweben. Zum Ende hin roch Green Irish Tweed immer leicht pudrig-geschmeidig – fast süßlich. Und dennoch hielt sich immer der Auftaktton bis zum Schluß.

Und heute?
Green Irish Tweed wird heute in diesem schwarzen, undurchsichtigen Flacon angeboten. Die große Abfüllung hat 100 Milliliter Fassungsvermögen und durch viele Sonderangebote bekommt man ihn im Verhältnis zu anderen Creeddüften relativ günstig. Wenn ich ihn in der Testerversion bekomme, zahle ich nicht mehr als für mein damaliges 75 Milliliter Fläschchen im vollen Ornat.

Aber er ist nicht mehr derselbe. Sicher, Creeddüfte sind vermutlich die Düfte, deren geruchliche Wahrnehmung von Charge zu Charge unter den vielen Anbietern mit am stärksten schwanken. (Beim bekannteren Aventus haben sich inzwischen ganze Glaubenskonfessionen gebildet.)
Im Vergleich zum Cool Water hat sich der Green Irish Tweed diesem nach meiner Auffassung angenähert. Ich habe hier das Veilchenblatt im Verdacht. Auch Veilchen gehören wir Geranien und Perlagonien zur Gewächsfamilie der Rosiden bzw. Eurosiden. Der gleiche dumpfe, leicht modrige Pappdeckelduft klebt jetzt auch diesem Duft an. Ganz klar, Green Irish Tweed ist immer noch der Stärkere der beiden Düfte, aber er hat seine Frische, seine Spritzigkeit eingebüßt. Ein schweres Veilchen-Heftpflaster deckt alles ab. Ich habe noch einen kleinen Rest des alten Duftes besessen und konnte daher 1:1 zu vergleichen. Ja, die Grundausrichtung ist noch die gleiche, aber die Details sind verändert.

Und so ergriff mich die Wehmut und die Panik, dass nun auch dieser Duft den Weg vieler seiner Artgenossen gehen musste. Es ist wie nach einem langen nicht getätigten Besuch oder Anruf: „Nein, der Herr Greed arbeitet hier nicht mehr. Der ist bereits vor Jahren gegangen.“

Ich habe den gestrigen Abend damit verbracht, das Internet nach noch verfügbaren Varianten meines ursprünglichen Schatzes abzugrasen. Eine kleine Parfümerie im Rheintal, im Kanton St. Gallen hatte ihn tatsächlich heute Mittag noch im Angebot. Der kleine, weiße Engel hat aufs dringlichste insistiert, dass ich noch heute dorthin fahre und ihn direkt kaufe. Als ich meinte, das könne doch noch warten, haben Teufelchen und Engelchen eine Protestnote verfasst- besonders scharf formuliert. Ich habe dann dort angerufen und mir die beiden letzten Flacons zuschicken lassen. Wenn jetzt der Kurierfahrer noch schön vorsichtig zu Werke geht, habe ich Dienstag mein Schätzchen wieder in den Händen – 2 x 75 Milliliter und in einem durchsichtigen Glasflacon.

Ich werde daher Green Irish Tweed mit der Note 9,5 bewerten – allerdings die ältere Variante. Dem neuen Vertreter würde ich nur ein Zeugnis gleich seinem Pappkameraden ausstellen. Aufgrund des heutigen Kauferlebnisses verharre ich in Erinnerungen und nicht in Enttäuschung.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
ergreift es mit wildem Weh;
er schaut nicht die Felsenriffe,
er schaut nur hinauf in die Höh.
5 Antworten
DerOlfaktor vor 7 Jahren 7 2
7
Flakon
5
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Heute morgen führte mich mein Weg ...
... in den Osten des Kantons St. Gallen. Und immer, wenn ich in dieser Richtung und Region unterwegs bin, verbinde ich diesen Aufenthalt mit einem kleinen Schlenker zu meiner Leib-und-Leben-Parfümerie.
Bevor die Welle der schweren und süßen Düfte irgendwann abebben wird - und dies wird sie bestimmt, wollte ich auf diesem Wege mir noch einmal ein spezielles Geschenk machen.
Im Geschäft angekommen, stand ich vor einem Tischchen mit Flakons der Fa. Reyane Tradition. Bisher kannte ich die überhaupt nicht - und nun auf einmal ein kleiner Berg mit ca. 10 - 12 verschienden Parfüms dieses Herstellers. Ein Griff und die Entscheidung war gefallen: Du kommst mit!

Wen hat es erwischt? Genau, Acqua di Parisis Porto Fino pour Homme. Gut, dass ich mit dem Kombi unterwegs war, da konnte ich das Wässerchen mit so einem langen Namen einladen.

Zum Start sticht es ordentlich in der Nase. Ingwer, aber noch stärker der Pfeffer sind die ersten Akteure auf der Bühne. Die ersten 5 Minuten sind dann etwas zwiespältig. Wer die nicht aushält, bekommt die Furcht, dass er hier in ein Töpfchen mit Wasserpumpenfett gegriffen hat. Aber hier muss man etwas Geduld zeigen, denn danach wird der Duft richtig gut. Es sind die Pfefferkörner, die dann durchgehend die Regie übernehmen. Dieser leicht säuerliche Unterton - fast wie ein bisschen Gurkenwasser - verschwindet dann sukzessive. Und wenn man über eine lange Zeit keinen Jasmin gerochen hat und die Erinnerung schon fast erloschen ist, hier kann man sich sein Gedächtnis wiederauffrischen. Es ist der Jasmin, der diesen leicht öligen, ätherischen Charakter dem Parfum verleiht. Ob das jetzt noch echter Jasmin ist oder ein Derivat aus den Erlenmeyerkolben der Fa. Givaudan, weiß ich nicht. Aber es ist gut gemacht. Nach ca. 1 bis 2 Std. kommen dann Weihrauch, ein wenig Leder und auch Moschus hinzu. Aber keine Bange, wer Weihrauch hört, muss jetzt nicht an weihrauchgeschwängerte Tabernakel oder den Botafumeiro von Santiago de Compostela denken. In manchen Parfums benehmen sich ja die Ingredienzien wie Autos in der Hauptverkehrszeit. Hier ist dies anders, hier kommen die Dinge nach einem Drehbuch, nach einem Plan auf die Bühne. Um in einem Bilde zu sprechen: Ein aus Pfefferkörnern und mit Ingwer zusammengeklebter und leiser Flieger startet ziemlich zügig und setzt dann zu einem Flug über eine dünne aber geschlossene Wolkendecke aus Weihrauch- und Jasminwölkchen an.
Leider hat die Sache einen Haken: Der Flieger ist nur im Mittelstreckenflug unterwegs. Dafür, dass Acqua di Parisis Porto Fino pour Homme als Parfum dargeboten wird, fliegt er nicht sehr lange. Ca. 5 bis 6 Std. Flugzeit sind es wohl, mehr ist leider nicht drin. Und der Duft ist ein bisschen sehr hautnah. Eine stärkere Variante wäre schön; macht aber vielleicht auch wiederum alles kaputt. Es bleibt insgesamt ein leiser Duft, sofern Düfte überhaupt Töne von sich geben.
Insgesamt würde ich diesen Spontankauf als erfolgreiches Experiment verbuchen; zudem der Preis kein allzu großes Risiko darstellt. Wer also ein bisschen abseits der großen Routen etwas anderes sucht, findet hier vielleicht, wonach er sucht.

Was das übrigens mit meinem Wunsch nach einem schwereren, süßen Duft zu tun hat?
Nichts! Es ist der Beweis für die alte Weisheit: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Aber keine Bange, es waren zwei Düfte, die die Heimreise antraten. Denn so leicht lasse ich mich von meinen Vorhaben nicht abbringen - auch nicht von Pfefferfliegern.
2 Antworten