Duesenduft

Duesenduft

Rezensionen
Duesenduft vor 3 Jahren 46 8
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Warum 40 Knots unter falschem Namen segelt und eigentlich Naxos heißen müsste
Ich gebe zu, ich habe lange mit mir gerungen, ob ich XerJoffs 40 Knots testen soll. Irgendwie hatte ich beim Lesen der einschlägigen XerJoff-Besprechungen immer den Eindruck, dass die Marke sich eher an jüngere bis mittlere Semester wendet, die wuchtig dreinschlagende Düfte bevorzugen. Ich, der ich aus dem Club-Live-Alter so langsam raus bin – naja, Jazzclubs mal ausgenommen – ordne mich eher im klassisch-konservativen Teil des Duftuniversums ein, bin aber Experimenten und avantgardistischen Ausreißern durchaus nicht abgeneigt. Und mit ein bisserl Segelerfahrung in der türkischen Ägäis und in der dänischen Südsee schien mir das maritime Glückseligkeitsversprechen von 40 Knots durchaus eines Reinschnupperns wert. Auch wenn die angedeutete Geschwindigkeit im Namen eher auf ein Speedboot verweist …

Damit es überhaupt dazu kam, vorab mein herzliches Dankeschön an Mit-Parfumo Sergio0908, der mir eine angemessen dimensionierte Probe überließ. Was eine witzige Begebenheit war, denn es stellte sich heraus, dass wir fast Nachbarn sind. Tja, manchmal liegt das Gute eben nah. Danke Sergej!

Zurück zu XerJoffs 40 Knots …

In der Kopfnote begrüßt mich eine heftige, frische Brise. Statt auf Zitrustöne gestützt wird sie von Minze und Pfeffer hereingeweht. Hui, das geht ja schon mal gut zur Sache! In der folgenden halben Stunde geht sie nahtlos über in einen Zimt-Muskat-Mix, zu dem sich fast sofort ein Jasminton gesellt. Eine sehr angenehme süß-salzige Note baut sich auf.

Frage: Ist das noch ein Aquat oder schon nicht mehr? Ich bin mir uneins. Ich versuche mir von mediterraner Sonne gebleichte Teakholzplanken auszumalen. Das salzige Meerwasser, das bei der letzten, reichlich sportlichen Wende vor dem Einlaufen in den Yachthafen noch übers Deck sprühte, ist längst verdunstet. Reste von Salz haben auf den Planken auskristallisiert. Hm. So wirklich wollen mir die seefahrerischen Assoziationen nicht gelingen, es fehlt an Plastizität. Nein, 40 Knots ist kein Popeye-Aquat, nicht wirklich. Aber vielleicht spiegelt dieser XerJoff-Duft ja stattdessen einen entspannten Abend am Kai einer kleinen Marina auf irgendeiner Kykladen-Insel wider, kaum Wind, die Dünung schwappt träge um die knarzigen, von Muscheln zerfressenen Holzpfosten, die den Bootssteg abstützen. Draußen dümpelt eine 38“ Beneteau, erwartet ihre vom Ouzo beduselte Mannschaft zurück vom Landgang …

Nach, wie mir scheint, Stunden geht die Herznote sanft über in die Basisnote. Vanille, Amber, Moschus und eine Brise Zedernholz dominieren nun. Gleichberechtigt, kein Kapitän zu sehen, scharen sie sich würzig um einen Rest süßer Salzigkeit und lassen den langen, sonnigen Tag Revue passieren, bis es Zeit wird, sich in die Kojen zu verziehen. Allerdings, bis es so weit ist, das dauert und dauert und dauert …

Kategorische Bewertung:
Würzig-holzig-süß

Olfaktorische Bewertung:
Kopfnote: Marokkanische Minze und grober schwarzer Pfeffer
Herznote: Zimt, Muskat, Jasmin
Basisnote: Vanille, Amber, Moschus, frisches Zedernholz

Assoziative Bewertung:
Farblich: Smaragdgrün, hellblau, reinweiß, waldhoniggelb
Taktil: ausgebleichtes Treibholz, poliertes Teak, Messingbeschläge
Musikalisch: Mikis Theodorakis „Canto General“
Literarisch: Nikos Katzantzakis „Alexis Sorbas“
Bildende Kunst: Sokratis Evgenidis „Santorini Magic 14“ (2020)
Architektur: Traditionelle Kykladen-Architektur

Fazit: Ein formidabler Duft, der eigentlich alle Versprechen einlöst, für die XerJoff steht – feine Komposition, hohe Qualität, exzellente Haltbarkeit, sehr gute Sillage. Das alles in einem opulenten Flakon präsentiert. Und zu nahezu jeder Gelegenheit tragbar. Ein Platz auf meiner Wunschliste ist ihm somit sicher.

Nur: Vielleicht hätte für diesen Duft der Name Naxos besser gepasst als die 40 Knots? ;-))
8 Antworten
Duesenduft vor 3 Jahren 21 4
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Perfume Creedentials – oder wie ich lernte, die Birne zu lieben
Zwischen irischen Tweed-Klassikern, metzelnden Wikingern und fanatischen Aventus-Apologeten tummeln sich im Portfolio des Hauses Creed auch wahrhaftige Royals. Les Royales Exclusives genannt überqueren sie mit der nonchalanten Schamlosigkeit britischen Hochadels jede monetäre Schmerzgrenze. Zumindest, wenn man wie ich bürgerliche Maßstäbe heranzieht. Wie kann es also angehen, dass ich für meine erste Rezension auf Parfumo ausgerechnet einen Vertreter der Creed’schen Hoch-Olfaktokratie wähle?

Nun, es liegt an der Birne. Genauer: An der Winterbirne Pyris communis, auch „Pastorenbirne” genannt. Eine nur in den Wintermonaten erhältliche Variante, die all den belanglos süßfruchtigen Sommersorten von William’s Christ bis Gellerts Butterbirne eines voraus hat: eine überaus feine, geradezu schwebende Säure, die nie ins profan Zitrischsaure abgleitet und sich genauso wenig zur klebrigen Süße beispielsweise einer reifen italienischen Abate Birne herablässt. Seit 1760 wird diese alte Birnensorte in Mittelfrankreich kultiviert. Und Creed Les Royales Exclusives Pure White Cologne ist meinem Nasenschein nach das erste und womöglich einzige Parfum, dass diesen einzigartigen Birnenton authentisch einfängt. Anders, radikaler als Miller Harris‘ Coer de Jardin, das synthetische Birnen-Monster Arte Profumi Carpe Diem oder Jean Paul Gauthiers Clubbing-Bombe Ultra Mâle. In Creeds Interpretation ist weniger tatsächlich sehr viel mehr. Dies mag auch im Namen anklingen, ist Weiß doch im additiven Modell der Farblehre die Summe aller Farben. Schnuppern wir mal rein …

Lässig die verklingenden Zitrone-und Bergamottetöne der Kopfnote umarmend, steigt die feinfruchtige Birne in der Herznote empor, um dort lange, sehr lange zu verharren. Deutlich die Nerolinote überlagernd, Galbanum nur angedeutet, um dann nach Stunden in einen Berg duftigem Lalquilla-Reis und dem klassischen Creed-Mix aus Ambra und weißen Moschus zu diffundieren. Was nach Stunden einen Duft zurücklässt, der vielleicht an einen Stapel Bettwäsche aus weißer, ägyptischer Baumwolle erinnert, der soeben frisch gewaschen und gebügelt vom Wäscheservice "The Empress of Smooth" am Peabody Square in London ausgeliefert wurde. Nicht sauber, sondern rein. Und ein klein wenig mehr als das. Denn selbst über dieser Basisnote schwebt irgendwo noch ein Hauch der Winterbirne und nimmt ihr jeglichen Waschmittel-Appeal. Fabulous! In der Summe ist Pure White Cologne faszinierend und in dieser Duftkomposition zumindest für mich noch nie gerochen. Ein Gentleman’s und Gentlewoman‘s Sommerduft vom Allerfeinsten, sehr unique, sehr dezent, sehr selbstbewusst und trotz eines Augenzwinkerns vollständig unkokett. Auf Textilien verblüffend lange haltbar. Auf der Haut etwas weniger. Meine geschätzte Gattin vermochte ihn ebenso wie ich über gute acht Stunden hautnah zu erschnuppern. Dass die Sillage da kaum mithält, ist zu verschmerzen. Pure White Cologne ist kein olfaktorischer Nebelwerfer und will das auch gar nicht sein.

Der Preis? Gar nicht erst fragen. Schließlich erhält auch der Interessent einer in Crewe gebauten Luxuskarosse auf die Frage nach der Leistung des ins Auge gefassten Gefährts lediglich die schmallippige Antwort: „Genug“.

Kategorische Bewertung:
Aristokratisch-zitrisch-frisch

Olfaktorische Bewertung:
Kopfnote: Saftige gelbe Zitrone (Bergamotte, Grapefruit, Zitrone)
Herznote: Winterbirne (Birne, Galbanum, Neroli)
Basisnote: Lalquilla Langkorn-Reis und weißer Moschus (Ambra, Reismehl, weißer Moschus)

Assoziative Bewertung:
Thermisch: kühl wie frisch gefallener Schnee
Farblich: Leuchtendes Weiß (canditus), von frostigem Reinweiß bis zum sonnigen Warmweiß, in einem nebligen Lichtgrau endend
Taktil: luftiger Batistleinen
Musikalisch: Das „White Album“ der Beatles (1968)
Literarisch: Peter Høeg „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“
Bildende Kunst: Kasimir Malewitsch „Das weiße Quadrat“ (1917)
Architektur: Le Corbusier mit einem Schuss Taj Mahal

Fazit: Für mich, der ich bei Düften eher (aber nicht ausschließlich) klassisch-konservativ ausgerichtet bin, neben Royal Mayfair das Highlight von Creed. Highly recommended!

Und um abschließend noch einmal auf die Headline zurückzukommen: Macht mich die Liebe zur Birne nun zu einem Dr. Strangelove?
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