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vor 7 Jahren - 12.10.2017
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Neues Feuer für alte Liebe! - Ein Plädoyer fürs Layern

Als Parfümliebhaber hat man's nicht leicht. Nicht nur die alltäglichen Gerüche [z.B. in Tiefgaragen, Unterführungen, Geschäften und im Straßenverkehr und vor Gebäuden (billiger Zigarettenrauch)] und aufdringlichen Drogeriemarkt-Parfüms können uns Duftsensibelchen ganz schön auf die Nerven gehen.

Auch die guten oder sehr guten Parfüms, die uns zunächst das Herz aufgehen lassen, laufen allesamt Gefahr, in ihrem Reiz nachzulassen oder gar ins Unangenehme umzuschlagen. Beschleicht uns nicht alle während der Freude über eine Duftentdeckung die Furcht, dass diese Freude nicht von Dauer sein könnte?

Diesen Niedergang ursprünglich als toll empfundener Düfte habe ich schon zig mal durchlitten. Es ist ein Elend. Bei jedem auch noch so tollen Duft kommen mit der Zeit gewisse Ecken und Kanten zum Vorschein und dann zum Tragen. Die meisten Duftfans neigen daher dazu, ihre Lieblingsdüfte zu schonen, also nur selten zu tragen. Denn mit jedem Tragen steigt die Gefahr, dass er in Ungnade fallen könnte.

Natürlich ist nichts perfekt in dieser Welt, und damit muss man einfach klarkommen. Ein großes Duftarsenal kann eine Abhilfe darstellen. Aber auch da findet eine kollektive Erosion der Bewertung statt: "Ach, dieser Duft ist auch nicht so toll wie gedacht. Ähnliche gibt es wie Sand am Meer.", "Ach, dieser Duft ist ja ganz nett, aber auch nichtssagend.", "Ach, dieser Duft riecht interessant und ungewöhnlich, aber ist dafür so gut wie untragbar (mit Rücksicht auf die Mitmenschen)." und "Ach, dieser Duft ist interessant und markant, aber so möchte ich nicht stundenlang riechen."

Langfristig ist es also unausweichlich, sich auf die Suche nach noch besseren Düften zu machen.

1.) Dazu kann man den ständig wachsenden Markt im Auge behalten. Klar, das machen wir alle mehr oder weniger konsequent. Und neue Düfte sind für uns alte Hasen auch selten (positiv) überraschend. Wann knallt ein neuer Duft denn so richtig rein? Alle paar Monate einer vielleicht.

2.) Einen Duft komplett selbst zu komponieren, böte freilich den größten Gestaltungsspielraum. Das ist aber sehr zeitaufwändig, kostenaufwändig und daher ineffizient. Wohl dem, dem diese Handlungsoption offensteht. Ich zähle trotz gewisser chemischer Kenntnisse auf absehbare Zeit nicht dazu.

3.) Doch eine unaufwändige und kostengünstige Lösung liegt so nah: Wir haben doch alle gute, brauchbare Düfte im Regal stehen. Hier und da fehlt ihnen etwas, hier und da ist etwas zuviel. Aber wir haben die Möglichkeit zu mischen, d.h. sie übereinanderzulegen, zu schichten, zu layern. Allein die Kombinationsmöglichkeiten für Layering-Päärchen (also zwei Düfte gemischt) steigt quadratisch mit der Anzahl der Düfte. Genau gesagt beträgt bei N Düften die Anzahl der 2er-Kombinationsmöglichkeiten 1/2 x N x (N-1). Dabei kann das Mischungsverhältnis auch frei gewählt werden. Und es wären auch Mischungen von mehr als zwei Düften denkbar, aber das wird schon sehr gewagt (Gefahr der Überladung mit Duftnoten).

Nicht jeder Duft eignet sich zum Layern, und nicht alle grundsätzlich Layering-fähigen Düfte passen zusammen. Lasst es mich bildlich so ausdrücken: Manche Combos lassen sich zu einem Orchster zusammenlegen. Layering-fähige Düfte müssen also schlank sein, sie müssen noch in der Lage sein, weitere Duftnoten zu verkraften. Und so können Lücken im Duftraum geschlossen werden, was derzeit keinem käuflich zu erwerbenden Parfüm gelingt.

Heute wollte ich einen maskulin-herben, aber zugleich rosenroten (fruchtig-rosigen) Duft tragen. Also habe ich "Royal Vintage" von Micallef (Zypresse, Leder, rosa Pfeffer) mit "Rose de France" von Harry Lehmann (eine voluminöse, intensive, frische, leicht grüne, leicht fruchtige Rose, welche mich an Taif-Rosen erinnert) kombiniert. Und zwar im Verhältnis 1:1, wobei ich nachher nochmals einen Sprüher "Royal Vintage" nachlegen werde, da die Rose sehr haltbar ist.

Et voilà, schon habe ich einen holzig-ledrigen Rosenduft. Er kommt ganz ohne Oud aus und wird nicht so nervig süß, wobei er durch die Rose auch nicht komplett unsüß ist, aber in erster Näherung als unsüß durchgehen kann. Zu Beginn vereinen sich der rosa Pfeffer (der schon fast wie Wacholder daherkommt) und die rosenrote Fruchtigkeit zu einem intensiven Eindruck von "Rot". Der Duft ist also rot, braun (bitters Holz) und schwarz (Leder). Für sich allein genommen ist "Rose de France" fast untragbar. Aber es ergänzt den etwas anämischen "Royal Vintage" exzellent. So entsteht ein mutiger, runder (aber nicht langweiliger) und einigermaßen gefälliger Duft.

Eine weitere Möglichkeit, das schöne, aber auch etwas einseitig-langweilige "Royal Vintage" aufzupeppen, ist die Cranberry von Harry Lehmann, also "Potosi". Diese rote Fruchtigkeit, die irgendwo zwischen Johannisbeere und Wacholder liegt, kann der Rosa-Pfeffer-Rotfruchtigkeit von "Royal Vintage" eine markante Aufwertung verleihen. Dann hat man einen rotfruchtigen, holzigen Lederduft. Also das bessere "Chambre Noire".

Wie Ihr seht, ist mein eingangs herrschender Frust einer spielerischen Begeisterung gewichen. Durchs Layern kann ich meinen alten Lieben wieder neues Feuer verleihen. Zurück zur ersten Liebe, könnte man sagen!

Wenn's Euch ähnlich geht bzw. ergeht, wünsche ich Euch viel Vergnügen und Begeisterung bei Layering-Experimenten! So blickt man mit einer ganz neuen Perspektive auf den Duftschrank. Ungeahnte Möglichkeiten warten auf uns! In alter Trekkie-Manier rufe ich Euch zu: Der Duftraum - unendliche Weiten! Dringt dort zu Düften vor, die noch nie ein Mensch zuvor gerochen hat!

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