EauSavage
EauSavages Blog
vor 4 Jahren - 20.07.2020
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Mein Ausweg aus der Parfumo-Falle oder 'focusing is about saying no'.

Meine großartige Mutter hat schon früh versucht, mir lässigem Lump, ein bisschen Stil anzugedeihen. Ein Leben als Verkäuferin in der Herrenmode gab ihr reichlich Möglichkeiten und ich kann nur vermuten, wie oft sie bei schönen Textilien an mich dachte, diese aber seufzend wieder weggelegt hat, wohlahnend, dass ich sie eh nicht tragen würde. Ich muss sie mal fragen.

Lang ist's her da begab es sich, dass die kleine Boutique, in der sie arbeitete, zu machte und sie für eine Zeit lang die Branche wechselte und in der Stadtparfümerie Pieper arbeitete. So kam ich zu meinem ersten 'Parfum': Armani 'Eau pour Homme'. Der war gerade erschienen und ich frisch volljährig. Das war vor 36 Jahren.

Als Nachschub wählte ich damals Eau Sauvage und entdeckte auch Pour Monsieur und dazu als dunklen Duft Antaeus. Diese drei Düfte, das war mein Leben. Mehr als dreieinhalb Jahrzehnte. Ich nenne sie deshalb "Lebensdüfte".

Und das sind sie noch immer. Vieles ist passiert in meinem Leben und sollte ich eine Midlife-Crisis gehabt haben, so habe ich sie jedenfalls ohne Porsche und halb so alte Freundin hinter mich gebracht. Okay, mein Kleiderschrank ist explodiert. Früher war mein Mode-Leben so einfach wie der Einkauf eine Qual war: Wenn ich denn mal was gefunden hatte, was mir gefiel, habe ich es direkt mehrfach gekauft und das war es dann. Und immer schwarz. Der Grund warum meine Buddies bei meinem Eintreffen in Anspielung auf den ewig gleich gekleideten Steve Jobs oft bei meinen Eintreffen gewitzelt haben "Da kütt dä Steve."

Ein bisschen davon ist geblieben, manche Jacken und Mäntel kaufe mir zweimal. Hosen bunkere ich auch, aber nun in drei Farben und da die alten Sommerhemden durch waren, habe ich das neue Model der Wahl gleich zwölfmal gesichert. In fünf Farben. Fünf! Wenn ich das meine Mutter erzähle, wird sie vor Glück strahlen.

Und nun bin ich auf Parfumo und aus 5 Düften sind 14 geworden.

(Warum zähle ich hier 5 und nicht wie eingangs 3? Weil ich seit den späten 90ern auch Egoiste und im letzten Jahr Guerlain Vetiver als "Lebensdüfte" trage. Auch Egoiste müsste nach einem Vierteljahrhundert diesen Titel tragen und Guerlain Vetiver wird immer bleiben, aber die eingangs genannten 3 sind eben schon ewig und von Anfang an ... ich. Übrigens denke ich nicht in Flakons, Pour Monsieur EdP (seit 2014 auch bei mir) und Eau Sauvage EdP (seit 2017), so wenig sie intensivere EdTs sind, sind beide Versionen für mich ein Duft.)

Ja, und nun habe ich weitere Düfte, die ich nie mehr missen möchte: Dior Homme Original & Parfum und Guerlain Habit Rouge. Lebensdüfte nach dem ersten Tag schon. Und wohl auch Guerlain Heritage und YSL M7.

Und welche, die ich auch einfach liebe, sprich alle weiteren in meiner kleinen Sammlung: Aqua di Parma Colonia Intensa, Aramis Tuscany per Uomo, Geo F. Trumper Sandalwood und Roger & Gallet Open. In meine Sammlung nehme ich nur Düfte auf, die bleiben.

Aber schon und zunehmend frage ich mich ob ich sie schon alle habe, die Düfte, die ich brauche oder ob ich sie noch alle habe, die Tassen im Schrank.

Open von Roger & Gallet ist ein Vintage, dem werde ich wohl nicht hinterherjagen, sondern einfach mit ihm die Vergänglichkeit des Lebens zelebrieren, bis zu seinem Ende. Trumpers Sandalwood - ich wollte einfach dieses hübsche Flakönchen mit dem Krönchen - werde ich nach dem Aufbrauchen vermutlich nicht nachkaufen, Egoiste ist raffinierter und hat sozusagen Amtsinhaberbonus. Wobei das nette an Sandalwood ist, dass es mangels Zimt ein bisschen 'Egoiste auch an heißen Tagen' ist. Vorsicht, Falle!

Und ich denke auch ein bisschen in Schubladen wie "Duftthemen". Colonia Intensa finde ich nur majestätisch und Tuscany per Uomo unerwartet schön und edel, beide hätten das Zeug zum Sommersignaturduft. Aber - und auch wenn die Düfte nicht wirklich vergleichbar sind - beide bedienen im Grunde das helle Thema "Sommer & Frische", aber da begleiten mich schon immer treu Eau Sauvage & Pour Monsieur und in Kontinuität dazu jenseits des Hochsommers deren beider Parfumbrüder. Und Guerlain Vetiver an allen Tagen, den interessiert das Thermometer gar nicht. Und die liebe ich doch alle so sehr. Und wenn ich wählen müsste, welche bleiben ... keine Frage!

Heute war wieder so ein Tag: Auf einer Webseite sah ich Tuscany per Uomo zur Hälfte des Preises und mein Bunkerfinger zuckte direkt schon wieder, aber ich habe diesen Finger mit schier unmenschlicher Willensstärke besiegt und dieser totale Triumph, hat mich zu diesem Blogeintrag bewogen.

Hier war es der oben genannte Gedanke, dass ich dieses Thema schon irgendwie und auf jeden Fall königlich besetzt habe. Und dieser Gedanke hat mich in den letzten, vielen Wochen erfolgreich vor vielen, sicherlich tollen Käufen abgehalten.

Und jetzt komme ich zu meinem eigentlichen, persönlichen Ausweg aus der Parfumo-Falle, zu dem Gedanken, zu dem Fragen wie 'Habe ich das Thema schon besetzt?' oder generelles Sinnieren, wie viele Düfte ein Mensch tragen kann oder ein Mann braucht (Vorsicht, Klischee!) nur Beiwerk sind ... *TROMMELWIRBEL*:

Jeder Tag mit diesem Duft ist ein Tag ohne meine Lebensdüfte!

Oft lese ich von Herbst- oder Winterdüften und ja, Antaeus und Dior Homme sind keine Düfte für die Serengeti und so denke ich mir, wenn ich über einen hochgelobten und für mich in den Duftnoten interessanten Duft für die weniger wohltemperierte Zeit lese: Ein Tag mit dem wäre ein Tag ohne meinen geliebten Antaeus! Horror!

Oder Gourmands, die ohnehin nicht mein Ding sind: Lese ich von einem Duft mit Vanille, dann wäre das ein Tag ohne Egoiste oder Habit Rouge. Lese ich von Kakao, das wäre ein Tag ohne meine beiden dunkelkakaoigen Dior Homme. So wie - siehe oben - ein Sommertag mit dem intensiven Italiener oder dem toskanischen Amerikaner ein Tag ohne Eau Sauavge oder Pour Monsieur ist.

Auch ein guter Tag, ein vorzüglicher sogar, keine Frage und bereut habe ich noch keinen dieser Tage, aber immer öfter habe ich statt zu einem der vielen neueren Düfte zu einem meiner sogenannten Lebensdüfte gegriffen und mir dann immer gedacht "Mensch, das isses doch!"

Ich muss dafür nicht Sprühen, ich weiß es doch. Eigentlich. Aber die Nase winkt dann sehr freudig erregt mit beiden Flügeln und erinnert mich eindringlich an die duftstofflichen Schätze, die ich habe und bewahre. Jenseits des großen Spaßes, den diese Entdeckungsreise durch das Land der wunderbaren Duftvielfalt mir macht und so dankbar ich bin, dass ich mir diesen Luxus leisten kann, das ist mein Rettungsanker. Dieser Gedanke. Auch wenn er es in einem anderen Kontext gesagt hat, es passt so gut und so kommt noch einmal Steve Jobs hier vor und ich möchte ihn zitieren:

“People think focus means saying yes to the thing you've got to focus on. But that's not what it means at all. It means saying no to the hundred other good ideas that there are. You have to pick carefully. I'm actually as proud of the things we haven't done as the things I have done. Innovation is saying no to 1,000 things."

Dieser Blogeintrag soll mir bestimmt Motivationshilfe sein, mich zu Fokussieren, aber natürlich werde ich meine persönliche Parfumstory fortsetzen. So fokussiert ich heute Tuscany nicht gebunkert habe, so teilfokussiert habe ich Aramis (1964) bestellt. Eines dieser Urgesteine, das ich schon lange auf meiner Liste hatte und in meinem Leben noch erleben möchte. Und vielleicht sollte ich mir noch - sentimental wie dieser Autor ist - Armani Eau pour Homme gönnen. Der Duft mit dem alles begonnen hat, allein deswegen.

Danach ... ihr werdet meine Zeugen sein.

Danke für eure Zeit!

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