Eboolas

Kennt ihr diese Menschen? Nun - wahrscheinlich seid ihr es inzwischen selbst. Ein Freund von mir gab mir Proben, nachdem wir einmal über Düfte sprachen. Und eine dieser Proben war eine kleine Abfüllung - wahrscheinlich ca 1-2ml - von Tobacco Vanille. Ich möchte seine Motive nicht hinterfragen... Aber er muss es doch gewusst haben! Wenn man einmal einen Duft wie diesen schnuppert, ist man gefangen. Wenn man zu seinem eigenen, billigen Kram geht, bleibt immer der Gedanke: Dieser Duft von diesem Freund ist so unglaublich geil. Und leide fiel dann die Entscheidung für den nächsten Nischenduft, und plötzlich entwickelt man seinen eigenen Geschmack, und plötzlich fühlt man Situationen, bei welchen der eine Duft mehr passt als der andere, und es muss immer stimmen - gleichzeitig ist man auf der Suche nach dem nächsten neuen Erlebnis, das zu einer Explosion der eigenen Emotionswelt führt, weil man schlicht etwas komplett Neues und auf der eigenen Art und Weise Vollkommenes erlebt. Danke Parfumsucht. Danke, du Freund, der mir diese Probe gab. Du hast mir so viel Geld gekostet und ich bereue bisher keinen Cent. ;-)

Im ersten Moment war ich von der Süße ein wenig erschlagen, inzwischen erlebe ich diesen Duft als extrem eleganten Duft. Ich habe einige Tabakdüfte und vanillige Gourmanden inzwischen probiert, doch komme ich immer wieder auf diesen Duft zurück. Und leider vermiest er es mir immer noch... wenn mir ein Duft gefällt, der in diese Richtung geht, kann ich nicht anders als ihn mit Tobacco Vanille zu vergleichen. Heißt, auf das linke Handgelenk kommt der neue Duft... meistens begeistert er zuerst, bis Tobacco Vanille auf das andere Handgelenk kommt. Sorry Bro, aber ich bin Perfektion, sagt mir Tobacco Vanille dann, und ich sag dann nur: F** dich, aber ja, du hast recht.

Was mir dabei auffällt ist, dass Tobacco Vanille nicht unbedingt der interessanteste Duft ist - er ist für mich sehr linear und eindimensional, aber für mich ist er gleichzeitig einzigartig und unglaublich rund. Damit meine ich, dass die Komponenten ein durchgängiges und vollkommenes Dufterlebnis schaffen, ohne dabei besonders anspruchsvoll zu sein. Vorsichtig dosiert geht er zu jedem abendlichen Anlass und bisher ist es mein Compliment Getter NO1 - mit Abstand. Kein Duft hat es bei mir geschafft die Worte "was trägst du, du riechst gut" häufiger zu provozieren, als dieser Duft.

Gleichzeitig fühle ich mich nicht so, als würde ich mich einem reinen Compliment Getter und Crowd Pleaser hingeben, denn dieser Duft riecht einfach edel. Und das ist der Punkt, weshalb ich meistens für diesen Duft entscheide, wenn die Situation nach solch einem Duft ruft - während andere Tabak- und Gormanddüfte für mich auch durchaus etwas Erschlagendes haben können, ist dieser Duft ein durch und durch angenehmes Erlebnis - was gleichzeitig auch ein Kritikpunkt sein könnte, denn es fehlt die Provokation.

Wer diesen Duft trägt, möchte nicht spielen - er braucht Sicherheit, so komisch es klingt. Wenn an einem Abend alles stimmen muss, dann ist jede Provokation potenziell zu viel, ein Stolperstein. Dann nimmt man einen Duft, bei dem einfach alles stimmt - und das ist dieser hier! Aber aufgepasst mit der Sillage, und wenn man doch provozieren will, dann kann es trotzdem ein Sprüher mehr werden. ;-)

Ich war skeptisch – doch war es Liebe auf den ersten Riecher. Was sich hinter diesem Duft verbirgt, ist das Geheimnisvolle. Es ist kein tiefes Geheimnis, das dieser Duft trägt – aber es ist das Mysteriöse, es ist der Nachdenkliche, er repräsentiert für mich den facettenreichen und zugleich komplizierten Menschen. Wer diesen Duft trägt, möchte nicht unbedingt gefallen – und tut es dennoch. Dieser Duft ist wortwörtlich ein Schleier, ein dunkler und romantischer Begleiter. Und mit der Romantik meine ich nicht die Erotik eines Kuschelduftes, es ist die Romantik der Ambivalenz des Menschseins. Der Mensch, der auf der Suche nach dem Sinn ist, und dabei nicht verzweifelt – nein, er fühlt sich auf dieser Suche wohl.

Der Duft besteht aus unglaublich geschmackvollen Rosendüften – und auch diese sind umhüllt, und ich mag nicht zu erklären, was es ist. Sandelholz? Oud? Patchouli? Inzwischen habe ich so viele Düfte getestet, dabei ist es häufig einfach, die Schönheit einzelner Komponenten zu extrahieren. Hier ist es anders: Das Zusammenspiel der Komponenten erzeugt etwas Wundervolles und ganz Einzigartiges und für mich Unbeschreibliches.

Ich muss dabei an ein dunkles Violett denken – und immer dann, wenn ich ein elegantes Hemd trage – das nicht so ganz schwarz ist, sondern ganz vorsichtig in dunkle Rottöne eintaucht, passt dieser Duft perfekt. Wisst ihr, welches Hemd ich meine? Bei meinem Hemd heißt die Farbe offiziell Pflaume. :-) Und zu genau diesen Situationen passt dieser Duft, dann, wenn es das gewisse i-Tüpfelchen braucht, ohne zu laut zu schreien oder extravagant zu sein. Genauso wie das Hemd, das zwar auf dem ersten Blick schwarz wirkt, aber noch etwas ganz anderes verbirgt. Das ist die elegante Seite des Duftes, doch trägt der Duft für mich noch eine weitere Facette.

Kennt ihr diejenigen, womöglich noch spätpubertären, jungen Menschen, die sich in der Poesie der Philosophie verlieren – und in ihrer Art ganz geheimnisvoll sind, nicht wirklich anecken aber auch nicht so ganz hineinpassen in dieser Welt. Auch hier: Dieser Duft trägt genau diese mysteriöse Komponente einer geheimnisvollen aber – für mich – jungen, männlichen Person. Kein Macho. Es ist der Duft des geheimnisvollen und eher zurückhaltenden Denkers.

Eigentlich dachte ich – das war’s mit Tom Ford, ich habe so viel probiert, meine Reise muss weitergehen. Und dann erhalte ich eine Probe und es macht wieder BOOM. Der Duft ist so unglaublich rund und erzählt eine Geschichte, sie ist linear aber unfassbar interessant. Mein Konflikt mit Tom Ford ist das Image der Marke, protzig – ein richtiger Bonzenladen. Doch die Parfümeure die hinter diesen Kreationen stecken schaffen mit Düften wie Oud Fleur eine fantastische Flucht aus dieser Welt und geben unseren Geschichten einen passenden Duft – und wir den Düften eine Geschichte.

Düfte? Vor einigen Jahren dachte ich dabei noch an AXE Werbung und penetranten Schokoladendüften diverser Duschgels, die sich selbst plakativ als sinnlich bezeichneten. Das, was eben übrig bliebt, wenn sich die Jungs nach dem Sportunterricht in der Umkleidekabine mit Deos einsprühten. Ehrlich gesagte konnte ich mit Parfum damals noch rein gar nichts anfangen. Eines Abends - es war ein besonderer, persönlicher Anlass - wollte ich jedoch, dass einfach alles stimmt. Es ging um die "Rückeroberung" einer Frau (nun, im nachhinein war es vergebene Lebensmüh, aber das lag sicherlich nicht am BdC... :-)).

Im Nachhinein war ich mir in meiner Person unsicher und suchte dringend etwas zum festhalten! Also ging es ab in den Douglas, ganz schüchtern. ich wusste nicht so recht, was ich wollte und was ich dort eigentlich tat. Ich war eher ein verlorenes Rehkitz, das sich auf einer Autobahn verwirrt hatte, so erlebte ich die Reizüberflutung. Und was strahlte dort in einem Regal: Bleu De Chanel. Zunächst auf einem Teststreifen hatte es für mich etwas von der typischen Idee eines "unauffälligen, männlichen aber ganz und gar besonderen Duftes" - hey, das riecht einfach gut, dachte ich! Es war für mich mehr, als der klassische Saubermann Duschgelduft, aber eben auch nicht too much. Genau das, was ich wollte. Sicherheit.

Es war halt schon "irgendwie ein Zitronenduft" aber selbst meine naive Nase dachte sich, da wäre doch noch etwas ganz Besonderes und Elegantes! Natürlich war Chanel mir ein Begriff - eben ein ikonisches Symbol des Luxus, ohne prollig oder provokant zu sein. Mann, hatten mich damals diese Goldbarren in den Parfümerien verwirrt!

Also ab damit auf den Hals, dachte ich. Eben, zum testen. Für mich war BdC die Einstiegsdroge in ein zukünftiges Hobby, das ich mir damals noch gar nicht leisten konnte. Immer wieder flog mir ein überwältigender Eindruck in die Nase, und es war einfach eine unglaublich interessante und komplexe sinnliche Erfahrung. So wird mir Bleu De Chanel EDP in Erinnerung bleiben. Ich habe ihn in einer Phase kennengelernt, in der ich einige persönliche Veränderungen durchgemacht habe. Die Phase war schwierig und kompliziert und teilweise verletzend. Ich suchte einen festen Stand und Bleu De Chanel war dabei mein treuer Begleiter.

Im Nachhinein würde ich sagen: BdC ist gar nicht meiner. Also kein Duft, der wirklich zu mir passt. Ich empfinde die zitrischen Noten im gewissen Maße als zu schwergewichtig und zu konsequent, als hätten andere Komponenten kaum Platz zum spielen. Immer wieder versuche ich ihn Mal wieder: Einerseits weckt er einige Erinnerungen in mir, andererseits suche ich verzweifelt eine Tiefe, die ich schlichtweg nicht finden kann. Wenn es um zitrische Alltagsdüfte geht, finde ich Bleu De Chanel EDP immer noch sehr gut, er ist elegant und wirkt hochwertig. BDC ist kein Proll, sondern durch und durch erwachsen.

Und damit war Bleu De Chanel genau das, was ich damals brauchte. Ein Anker, an dem ich mich festhalten konnte. In seiner Konsequenz bietet Bleu De Chanel Stabilität und Halt - er erlaubte es mir, diesen hochwertigen Duft zu tragen, ohne eine zu schwere Last auf den eigenen Schulter zu sein. Und in dieser Konsequenz ist Bleu De Chanel genial und aufrichtig, ohne arrogant zu wirken. Stattdessen gab mir Bleu De Chanel einen sicheren Halt. Heute suche ich jedoch das Spiel - Ablenkung, Provokation, Aussagekraft, das Verspielte im Spiel des Lebens... :-)

Wenn man durch den Elbstrand in Hamburg läuft, werden die Füße schmutzig. Dieseltanker pumpen Abgase in die Luft, der Hafen ist ständig am Schuften. Es ist rauh, möchte man meinen – doch, so weiß ich, fühlt man sich unglaublich wohl, in dieser Stadt. Denn in all der Routine ist eine Ruhe und ein Selbstverständnis des Miteinanders, das gar nicht plakativ liebevoll ist, aber respektvoll und wahrhaftig.

Selbst die Straßen voller Glanz tragen in ihrer Erscheinung etwas sehr Gesetztes, Schickimicki gibt es nicht oder kommt nicht gut an, und ist ganz und gar nicht Hamburg. Doch habe ich noch nie einen Duft gerochen, der so sehr nach Hamburg schrie, wie dieser. Mit diesem Duft fühle ich mich in Hamburg wohl, dann wenn es regnet, wie so oft. Denn er ist das Destillat dessen, was ich an der Stadt so schätze. Maritime Noten gesellen sich einer sanften und zurückhaltenden Eleganz – der Duft schreit nicht: Ja, hier bin ich! Guckt mich an! Stattdessen strahlt er eine Ruhe und unglaubliche Kraft aus, er ist vielfältig und interessant, er ist rauh und trägt die Seele des Meeres.

Es ist der Duft für all diejenigen, die einen gesetzten, ruhigen und damit umso geheimnisvolleren Eindruck machen wollen. Wer mit den Standard-Designer-Aquaten und spritzigen Zitrusdüften meint, er würde zu viel schreien ohne zu wirken, ist hier genau richtig. Oud Minérale oder wie ihn nenne: Tom Ford Hamburg. Er wirkt einzigartig und bleibt dabei bodenständig, er ist einerseits gemütlich und gefällt, und ist gleichzeitig rau und windig und trägt ein stürmisches Herz.

Wie schade, dass dieser Duft eingestellt wird - habe ich mich doch gerade erst in diesen Duft verliebt.