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vor 5 Jahren - 11.05.2019
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​Die Duftpyramide des Todes

Hier schreibe ich quasi die Fortsetzung von „der Geruch der Trauer“ und schließe die Thematik damit auch (erst mal) ab.

Ich versuche das Ganze so stark wie möglich zu komprimieren damit es den Ramen nicht sprengt.

Während es bei den „Trauerdüften“ hauptsächlich tatsächlich um Parfum ging, geht es hier ans eingemachte, die Gerüche, die entstehen wenn ein Leben endet (und kurz davor).

Davor? Wir haben doch bestimmt alle schon mal davon gehört oder gelesen, dass Tiere den Tod voraussagen können (und einige Menschen auch). Ein ganz aktuelles Beispiel ist der Kater eines Seniorenheims, der sich bevorzugt bei den Menschen aufhält, die bald sterben werden.
Dr. Arnaud Wisman hat in Studien nachgewiesen, dass vor dem, was wir unter Tod verstehen, bereits der Prozess des Sterbens beginnt. Zellen sterben ab, Fettdepots lösen sich auf usw. Hierbei entsteht insbesondere eine chemische Verbindung: Putrescin.
Dieses kann geruchlich wahrgenommen werden und ist höchstwahrscheinlich das, was Tiere viel eher wahrnehmen als wir.

Wenn das Leben dann tatsächlich endet riechen wir erst einmal nichts. Der Tod riecht neutral, hat keinen Eigengeruch. Das bleibt aber leider nicht so.

Vorweg: Jeder Tod riecht etwas anders und doch haben alle gleiche Komponenten und sind spätestens in der fortgeschrittenen Herznote sehr eindeutig. Auch darum werden die Verstorbenen gekühlt, denn Kälte hält sie Prozesse auf. (Darum frieren wir z.B. ja auch Lebensmittel ein um sie haltbar zu machen)

Die ersten Gerüche der Duftpyramide, die Kopfnote, sind eigentlich keine speziellen Gerüche die nur mit dem Ableben in Verbindung stehen. Erst einmal leeren sich in den meisten Fällen Blase und Darm. Die „Duftbandbreite“ ist hier riesig und richtet sich nach unendlich vielen Faktoren. Wurde wenig getrunken ist der Urin konzentrierter und riecht strenger. Verschiedene Erkrankungen, z.B. der Bauchspeicheldrüse, sorgen für unterschiedlich intensive und strenge Gerüche beim Kot.

Werden diese Ausscheidungen entfernt bleiben nur noch leichte Spuren zurück und sind oft kaum noch wahrnehmbar.
Die nächste Nuance sind Körpersekrete und Blut (bei Unfällen natürlich auch direkt). Tiere verlieren durch die Maulschleimhäute mehr Sekrete als der Mensch, Die Durchlässigen Schleimhäute sind stark durchblutet und lassen dieses nach wenigen Stunden durch. Die Kopfnote unserer Pyramide erhält hier einen Cremigen Geruch durch die Sekrete und vermischt sich mit dem metallischen Kupfer von Blut und ggf den Resten von Kot und Urin.

Im Großen und Ganzen ist unsere Kopfnote in diesem Stadium aber noch gar nicht so unangenehm und sehr gut auszuhalten bzw. auszublenden, und wird mit Trocknung der Sekrete immer leichter.

Diese Gerüche halten sich nicht lange und sind sehr leicht durch Lüften oder Putzen zu entfernen. Wäsche kann gewaschen werden und riecht danach nicht mehr.

Jetzt nähern wir uns langsam der Herznote, die ja nach Umgebungstemperatur und Liegefaktoren unterschiedlich spät einsetzt.

An dieser Stelle hole ich kurz mal Luft und muss zum besseren Verständnis den weiteren Prozess wenigstens kurz anreißen. Das, was Landläufig Verwesung genannt wird ist streng genommen Fäulnis, welche anaerob (ohne Sauerstoff) abläuft. Verwesung ist aerob (mit Sauerstoff), setzt erst zum Ende der Fäulnis ein und riecht kaum noch.

Zurück zur Herznote. Diese beginnt ganz leicht, fast zart und ich würde sie als leicht süßlich-metallisch beschreiben. Gar nicht mal unangenehm aber sehr eindeutig, denn diese Süße habe ich sonst noch nirgends sonst gerochen.

Im Körper werden die Zellen nicht mehr mit Sauerstoff versorgt und lösen sich im folgenden auf, die Autolyse setzt ein. Gewebe verflüssigt sich dadurch und es entstehen Fäulnisgase (Schwefelwasserstoff, Amoniak etc.) Die Veränderungen im und am Körper interessieren uns hier jetzt nicht weiter, da sie mit den Gerüchen nicht mehr viel zu tun haben. Mit steigender Gaskonzentration im Körper werden nun die Verflüssigten Zersetzungsprodukte durch den Druck aus dem Körper gepresst. Dabei werden auch die typischen Fäulnisgerüche freigesetzt, die man eigentlich nie mehr vergisst. Unsere Herznote schwenkt jetzt von süß-metallisch um zu einem stechenden Ammoniak in Verbindung mit dem Schwefeligen, ätzend fäkalen mit leichten Spuren von Kupfer.

Diese Mischung ist nicht wirklich zu Beschreiben, man muss sie einfach erleben- wobei ich das jetzt wirklich niemandem wünsche. Am ehesten könnt Ihr Euch vielleicht eine Biotonne nach einer Woche bei 30 Grad im Schatten vorstellen. Das ganze mal 100 dann, kommen wir so langsam in die Richtung.

Kleine Info am Rande: Weil diesen Geruch nicht viele kennen wird es möglich, dass es immer wieder vorkommt das Verstorbene erst nach sehr langer Zeit in ihren Wohnungen gefunden werden. Es riecht wiederlich, aber der Geruch kann nicht zugeordnet werden und wird am ehesten auf die Mülltonnen geschoben.

Dieser Geruch breitet sich sehr schnell aus und hält sich in Räumen Wochenlang.(Und lässt sich nicht überdecken) Um das zu verdeutlcihen: Wir bekommen auch Totfunde von der Stadt. Diese sind in der Regel in „CadaverBags“ . Wir versuchen bei Haustierfunden zuerst einen Chip durch den Bag auszulesen, gelingt das nicht, öffnen wir den Bag und schauen ob das Tier noch identifizierbar ist (Tattoo im Ohr) oder ob Fotos gefertigt werden können.

Dieses meist kurze öffnen des Bags reicht aus um den Geruch mindestens 2 Wochen im Raum wahrzunehmen.

Kommen die Zersetzungsflüssigkeiten mit Textilien in Berührung, können diese nur noch entsorgt werden, waschen hilft hier gar nichts.
Dringen diese in Böden und Wände ein, müssen diese entfernt und neu gemacht werden, da die Gerüche immer wieder durchkommen.

Jetzt kommen wir so langsam auch schon zur Basis. Diese setzt ein wenn die eigentliche Verwesung beginnt. Dazu ist es nötig, dass Sauerstoff in den Körper gelangen kann.Das passiert in der Regel wenn durch den Gasdruck im Inneren die Haut aufreißt. Bei der Verwesung ist eher trocken und nicht so feucht wie die Fäulnis. Es entstehen hauptsächlich Phosphat, Harnstoff, Wasser und Kohlendioxid die eigentlich gar nicht riechen. Da Verwesung und Fäulnis aber meistens parallel ablaufen bleiben immer noch (stark) abgeschwächte Spuren unserer Herznote. Die Basis endet erst, wenn kein Gewebe mehr vorhanden ist. Dann ist aber tatsächlich auch kein Geruch mehr wahrnehmbar.

Was alle Tode gemeinsam haben ist der Geruch von Desinfektionsmitteln. Alle Transport und Arbeitsgeräte müssen nach jeder Anwendung desinfiziert werden und auch die Handdesinfekion etc. gehört natürlich dazu.

Beim Menschen kommen in der Regel noch andere Nuancen hinzu. Soll der Verstorbene aufgebahrt werden, wird er in der Regel mit Duftölen behandelt (Rose, Lavendel, Jasmin) um die Anfänge der Herznote zu überdecken. Das gleiche ist es mit der „letzten Ölung“
Mitlerweile gibt es aber auch die Möglichkeit dem Bestatter das Lieblingsparfüm des Verstorbenen mitzugeben.
Beim letzten Gang kommen dann die Gerüche der Blumen in Kränzen und Gebinden bei der Andacht und Beisetzung dazu. Meist sind es schwere Rosen, Lilien, Gerbera. Dazu kommt die (feuchte) Erde des Grabes. (Die Gerüche eines Friedhofes sind eigentlich ein eigenständiges Kapitel und durchaus spannend)

Damit schließe ich das Thema ab, bedanke mich bei Euch falls Ihr es bis zum Ende geschafft habt und hoffe Euch nicht zu sehr gelangweilt zu haben.

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