Eisbaer

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Eisbaer vor 1 Jahr 15 2
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Duft
Abschiedsbrief
Liebe Daisy,

es sind nun weit mehr als zehn Jahre vergangen, seit wir das letzte Mal miteinander Kontakt hatten und unsere Liebe in die Brüche ging. In einem heftigen Streit sind wir auseinander gegangen, konnten den jeweils anderen nicht mehr ertragen und es lag Wut, Trauer und Kummer in der Luft. Du sagtest mir, Du wollest mich nie wieder sehen und dass ich aus Deinem Leben verschwinden soll. Dies waren die bisher letzten Worte, die Du mir entgegenbrachtest. Inzwischen ist sehr viel Zeit ins Land gegangen.

Das Jahr 2009 war für uns ein ganz besonderes. Wir standen kurz vor dem Abitur. Bis über beide Ohren waren wir ineinander verliebt; viel mehr, als uns gut tat. Wir haben unser Herz am jeweils anderen verloren, haben uns so oft gestritten und so oft wieder versöhnt. Im Herbst und Winter 2009 brachen wir aus. Wir schauten uns das Nachtleben an, die Welt außerhalb unseres Dorfes. Wir besuchten die Hauptstadt mit ihren Acarden, Weihnachtsmärkten, Restaurants, Bars und Kinos und schlenderten die Spree entlang, während Du Dich ganz fest an mich klammertest, weil Dir so kalt war. Während dieser ganzen Zeit trug ich Miro Cabal pour Homme.

Sag mir Daisy, erinnerst Du Dich noch an diesen Duft? Rein zufällig entdeckte ich ihn um 2007 herum und war begeistert von seiner Kraft und seiner Würze. Damals kosteten 100 Milliliter gerade einmal zehn Euro, sodass ich ihn mir auch als Schüler von meinem Taschengeld leisten konnte. Als ich Miro Cabal damals das erste Mal roch, schossen sofort Bilder in meinen Kopf. Le Mâle von Jean Paul Gaultier war Anfang der 2000er Jahre das erste teure Parfum, das mein Bruder sich zu diesem Zeitpunkt leistete - und ich weiß noch, wie morgens das ganze Haus nach ihm roch, wenn er zur Tür hinausgegangen war. Diese wunderbare Mischung aus Zimt, Holz, Kardamom und Minze; eine Komposition, die mich damals schon als Kind faszinierte und in ihren Bann zog. Da Le Mâle und Miro Cabal quasi Brüder sind, schließt sich hier auf eine meiner Meinung nach sehr schöne Art und Weise der Kreis.

Miro Cabal war nicht nur eines meiner allerersten Parfums überhaupt, sondern auch eines meiner wichtigsten. Ich weiß noch, als ich ihn das erste Mal in Deiner Nähe trug, warst Du sofort hin und weg. Von Anfang an brachtest Du Miro Cabal mit mir in Verbindung und ich glaube, dass er damals unbewusst zu meinem Signature-Duft wurde. Dies umso mehr, als dass ich ihn zeitweise jeden Tag in der Schule trug. Weißt Du noch, als unsere Mathematik-Lehrerin plötzlich die Augen schloss und den Kopf drehte, als ich im Klassenzimmer an ihr vorbeiging und sie unbedingt wissen wollte, wie denn dieses tolle Parfum heißt? Und weißt Du noch, als wir für eine gewisse Zeit räumlich voneinander getrennt waren und ich Dir einen langen Trostbrief schrieb und ihn mit Miro Cabal besprühte? Wie Du mich angerufen hast und mir unter Tränen der Rührung berichtet hast, dass Du sofort nach dem Öffnen des Briefkastens wusstest, dass etwas von mir darin liegen würde? Wie wir Arm in Arm in meinem Bett lagen, die Musik von Mumford & Sons hörten (die damals noch niemand kannte) und Du immer wieder Dein Gesicht in meinen Pulli vergraben musstest? Miro Cabal war unser Begleiter und unser Seelentröster. Wann immer ich ihn trug und Dich ansah, wusste ich, dass in diesem Moment die Welt für uns in Ordnung war.

Der wunderbare Glasflakon mit seiner flachen Form und der schlichten Schriftart darauf sprach damals nicht nur mich sehr an, auch Du hieltest ihn immer wieder in deinen Händen, nahmst den schwarzen Deckel ab, um am Sprüher zu riechen, ließest lange Deine Augen auf ihm ruhen. Jeden Tag verschönerte er meinen Kinderzimmerschreibtisch und jeder Moment, in dem ich ihn auftrug, war erfüllt mit Freude, Genuss, Wohlgefallen, und auch mit Stolz, da ich ihn ja noch immer stets zu gewissem Teil mit meinem großen Bruder in Verbindung brachte.

Obwohl Miro Cabal mittlerweile für mich in erster Linie ein Katalysator ist, um ein Kopfkino in mir auszulösen und mich in der Zeit zurückzuversetzen, so trage ich ihn auch heute noch gerne ganz simpel im Alltag - einfach, weil mir die Duftkomposition gefällt. Inzwischen konnte ich mir natürlich auch den "großen Bruder" Le Mâle leisten, muss aber tatsächlich sagen, dass die ursprüngliche Miro Cabal DNA sogar ein wenig tiefer geht, als es beim heutige Le Mâle der Fall ist, bei dem ich beispielsweise die Hölzer und die Würzigkeit stark vermisse. Auch ist leider die Kraft und Ausstrahlung fast völlig aus dem Matrosenflakon gewichen. Man erkennt zweifellos noch die Herkunft, aber es wurde wohl kräftig an den Schrauben gedreht.

Wusstest Du, dass es auch Miro Cabal in seiner ursprünglichen Darreichungsform gar nicht mehr gibt? Vor einiger Zeit wurde der edle durchsichtige Flakon durch einen tiefschwarzen mit silbernem Deckel ersetzt. Heute sieht er durch diesen vermeintlich "modernen" Look aus wie ein Spielzeug und hat nichts von seinem ursprünglichen schlicht-eleganten Stil behalten. Auch wurde klammheimlich bei gleich gebliebenem Preis die Füllmenge von 100 Milliliter auf 75 Milliliter reduziert. Zu guter Letzt litt wohl leider auch die Qualität, da Sillage und Haltbarkeit nicht mehr mit früheren Zeiten vergleichbar sind. Ich besitze noch mehrere Flakons der alten Edition und Du kannst Dir sicherlich vorstellen, dass ich sie hüte wie einen Schatz.

Weißt Du, Daisy... ich finde heute unsere Trennung absolut richtig und notwendig. Dieses bittersüße Jahr, in dem wir uns dem jeweils anderen hingaben, war so voller Höhen und Tiefen, dass es mit uns auf lange Sicht niemals gut gegangen wäre. Und obwohl ich nach unserem letzten bitteren Streit durch die Hölle gegangen bin und dachte, dass ich nie wieder im Leben eine neue Liebe finden und Lebensfreude empfinden würde, zeigten mir die darauffolgenden Jahre, dass es das Leben gut mit mir meint. Ich bin nach dem Ende unserer Beziehung meinen Weg gegangen: Ich habe das Abitur beendet, habe studiert, viele neue Freunde kennengelernt und stehe heute in Lohn und Brot. Meine Hobbys betreibe ich noch immer mit großer Leidenschaft. Und: ich bin inzwischen glücklich verheiratet.

Natürlich tauchen nach einer so langen Zeit noch immer gelegentlich Fragen in meinem Kopf auf. Ob es Dir wohl gut geht. Welchen Beruf Du inzwischen ergriffen hast. Ob Du vielleicht schon Mutter geworden bist. Aber auch, wie Du Corona erlebt hast und wie Du die Politik und die Welt heute siehst. Und ob Du wenigstens hin und wieder noch an meinen Namen denkst, ohne ihn zu verfluchen. Aber: Ich habe Deinen Wunsch, nie wieder mit Dir in Kontakt zu treten, von Anfang an respektiert und werde es auch weiterhin tun. Und hiermit möchte ich mich nun auch in meinem Inneren friedlich von Dir verabschieden und werde Dich gehen lassen. Eines jedoch werde ich mir bewahren: Ich erhalte mir die positiven Erinnerungen vergangener Zeiten und versuche, die schlechten Erinnerungen ruhen zu lassen. Das heißt nicht, dass ich sie vergesse. Aber die vielen glücklichen Momente, die wir beide im Jahr 2009 vor allem in der kalten Jahreszeit hatten, und die Erinnerungen daran, möchte ich weiterhin in mir tragen. Hierbei wird mir mein damaliger täglicher Begleiter Miro Cabal pour Homme - der Duft, der mich stets an Dich, an meine erste große Liebe erinnern wird - treu zur Seite stehen, wann immer ich ihn brauche.

Lebewohl, Daisy. Und bleib gesund.
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Eisbaer vor 4 Jahren 31 6
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Duft
Das Leben von Arthur Rosepetal
Dies ist die Geschichte von einem Musiker namens Arthur Rosepetal. Während der zweite Weltkrieg wütete, wurde er in den USA geboren und ging im Staat New York zur Schule. Als er elf Jahre alt war, explodierte in dieser Schule ein Ofen. Das Feuer tötete mehrere seiner Mitschüler, ihm selbst wurden am ganzen Körper schwere Brandwunden zugefügt. Noch im Krankenhaus erhielt Arthur seine erste eigene Gitarre und begann darauf zu spielen. Mehr und mehr von der Folkmusik der 60er Jahre eingenommen, reiste Arthur Rosepetal im Jahr 1965 schließlich nach England, um dort ein eigenes Album aufzunehmen.

Noch im Dezember desselben Jahres erschien ein nach ihm benanntes sehr melancholisches Folkalbum. Fast ausnahmslos nur seine Gitarre und sein Gesang sind darauf zu hören. Leider verkaufte sich das Album nicht sehr gut und schon im nächsten Jahr fiel Arthur in tiefe Depressionen, die sich über lange Zeit hinweg nicht besserten. Sehr bald war er in die USA zurückgekehrt, heiratete und wurde Vater eines kleinen Sohnes. Leider wurde dieser Sohn schwer krank und verstarb sehr früh. Arthurs Depressionen verschlimmerten sich daraufhin so sehr, dass er sich einweisen lassen musste. Die 1970er Jahre waren nicht leicht für ihn. Seine seelischen Probleme und seine Mittellosigkeit machten ihm zu schaffen.

In den 1980er Jahren wurde Arthur Rosepetal obdachlos. Fälschlicherweise wurde bei ihm eine Schizophrenie-Krankheit diagnostiziert, die ihn mehrmals in geschlossene Einrichtungen brachte und ihn durch die Hölle gehen ließ. Erst zu Beginn der 1990er fand er endlich einen engen Freund, der sich um ihn kümmerte und sich seiner Probleme annahm. Er organisierte Arthur ein Dach über dem Kopf. Während dieser eines Tages auf einer Bank auf seinen Freund wartete, schossen plötzlich einige Halbstarke mit Luftgewehren wahllos auf Passanten. Sie trafen Arthur am linken Auge, woraufhin er auf ebendiesem erblindete.

Mitte der 1990er Jahre - das erste Mal seit vielen, vielen Jahren - begann Arthur Rosepetal wieder mit dem Schreiben von Songs und dem Gitarrespielen. Zu mehr kam es jedoch leider nicht mehr. Arthur Rosepetal wurde krank und starb einen Tag nach seinem 56. Geburtstag. Was er hinterlässt, sind melancholische Kompositionen - traurige Melodien mit ernsten und nachdenklichen Songtexten.

Warum schreibe ich diese Geschichte in einem Kommentar zu Amouages Duft "Lyric Man"? Zunächst einmal: Die erzählte Geschichte ist keine Geschichte, sondern Fakt. Arthur Rosepetal war eine reale Person - nur war sein richtiger Name Jackson Carey Frank. 2011 lernte ich ihn, seine Musik und seine traurige Biographie kennen. Sein Album "Jackson C. Frank" aus dem Jahr 1965 strahlt eine ungeheure Schönheit und Melancholie aus. So wie es auch der Amouage "Lyric Man" zu tun vermag. Ich fühle mich umgeben von den rotesten, schönsten und frischsten Rosenblättern - seifige, etwas holzige und fruchtige Noten runden den Duft ab. Er verzaubert mich, er nimmt mir die Sprache. Er lässt mich innehalten und dankbar sein für die Dinge, die ich habe. Die ich erlebt habe und noch erleben werde. Der "Lyric Man" zeigt mir meine eigene Stärke - aber führt mir auch die Stärken meiner Mitmenschen vor Augen, die teilweise so viel mehr Lasten im Leben zu tragen haben als ich und trotzdem niemals aufgeben. Sich selbst einfach niemals aufgeben.

Eigentlich bin ich seit Jahren schon in den "Interlude Man" verliebt und habe mir lange Zeit geschworen, dies würde der erste Amouage-Duft sein, der als Flakon bei mir einziehen würde. Doch dann roch ich "Lyric Man" und er ließ mich nicht mehr los. Noch nie zuvor und nie wieder danach habe ich einen so wundervollen und frischen Rosenduft vernommen. Und noch nie habe ich Traurigkeit, Melancholie und Hoffnung in einem Duft wahrnehmen können. Ich behandelte die 2ml-Probe mit größter Sorgfalt, trug den Duft nur zu ganz besonderen Anlässen - nicht nur in Gesellschaft, sondern auch dann, wenn ich ganz alleine und für mich war. Dann wirkt er für mich besonders stark. In diesem Sommer war es so weit und ich konnte dem "Lyric Man" nicht mehr widerstehen und kaufte mir einen 100ml-Flakon. Nun ist also er der erste Amouage, den ich mein eigen nennen darf und es fühlt sich unglaublich gut an. Ich kann mir gut vorstellen, dass es im Himmel so riechen muss.

Ich wünschte, Jackson C. Frank hätte diesen Duft kennenlernen dürfen. Vielleicht hätte er auch ihm neuen Mut gegeben und ihm seine unglaublich große Stärke und Willenskraft vor Augen führen können. Meiner Meinung nach gibt es für "Lyric Man" keinen schlechten Zeitpunkt. Er macht immer eine gute Figur - im Frühling, Sommer, Herbst und Winter. In traurigen und aufwühlenden, aber definitiv auch in lustigen und fröhlichen Zeiten. Bei schwerem Gewitter und bei strahlendem Sonnenschein. Zu einem Morgenkaffee und zu einem guten Whisky am Abend. Wenn er gebraucht wird, ist er da - und das auch noch sehr lange. Etwa zehn Stunden bleibt er meiner Haut treu. Die Sillage ist genau richtig - wahrnehmbar, aber nicht raumfüllend. Der tiefrote auf einer Säule ruhende Flakon und die mit Rosen bedruckte Umverpackung - wunderschön. Ich liebe "Lyric Man" und er liebt mich.

"Like a rose trellis in the wind of winter
shaking out the dry petals to the ground
it takes a man from his woman to tear
the world destroyers down."

Dies ist ein Gedicht von Jackson C. Frank, das er in seinen späteren Lebensjahren auf einer alten Schreibmaschine schrieb. Er hatte geplant, eine Melodie dazu zu komponieren, kam aber leider nicht mehr dazu. Ich verneige mich vor diesem Mann. An meinem eigenen Leben und meinem eigenen Glück arbeite ich seit einiger Zeit. Auch daran, dass ich wieder gesund und glücklich werde. Amouages "Lyric Man" begleitet mich dabei. Und es bleibt mir nur, danke zu sagen.

Musik zu Amouage "Lyric Man":

"Blues Run The Game" von Jackson C. Frank
"Milk And Honey" von Jackson C. Frank
"Cover Me With Roses" von Jackson C. Frank
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Eisbaer vor 4 Jahren 17 8
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Duft
Prontos Möbel-Balsam mit Bienenwachs - verleiht neuen Glanz!
Es ist immer wieder spannend, welche Assoziationen die Menschen mit bestimmten Düften teilen. Aber es ist verständlich, denn schließlich kann es als Bestandteil unseres gemeinsamen Dufthobbys große Freude mit sich bringen. Wie schön ist es allein, wenn ein Duft uns an einen fernen Ort, eine bestimmte Zeit oder sogar an ein ganz konkretes Ereignis erinnert? Ich habe das schon mit vielen Parfums erlebt, aber "Number One" von Hugo Boss ist einer der stärksten Kandidaten für eine solche Verbindung.

Zunächst einmal: Ich kann dem allgemeinen Tenor zustimmen, dass der Duft ein absoluter Grower ist und eine gewisse Zeit der Eingewöhnung braucht. Am Anfang war ich auch etwas skeptisch, ob ich ihn wirklich mag oder ob er nicht doch weiter wandert. Ich hatte das bei einem Whisky auch einmal: Den Glenmorangie Quinta Ruban fand ich beim ersten Dram scheußlich, nach dem zweiten Probieren dann in Ordnung, nach dem dritten Verkosten sogar richtig gut und spätestens nach dem vierten Glas stand fest, dass er nachgekauft wird. Und nein, natürlich wurden diese Gläser nicht alle hintereinander weg getrunken. Ähäm. :-) Jedenfalls ging es mir beim "Number One" genauso. Je öfter ich ihn probierte, desto mehr mochte ich ihn. Und aus dem Mögen ist inzwischen eine leidenschaftliche Liebe geworden. Lange hat dieses Prozedere übrigens nicht gedauert - ein bis zwei Wochen waren vergangen, da wurde er auch schon einer meiner Favoriten.

Die beiden Hauptzutaten, die für mich sofort herausstechen, sind zweifelsfrei die fruchtige, reinliche Frische und der Honig. Ja, er riecht tatsächlich ein wenig nach Möbelpolitur, aber nicht unbedingt so, dass man den Duft nicht gerne an sich hätte. Manche erinnert diese Note eher an WC-Stein, wie ich gelesen habe - ich fühle mich vielmehr an das Möbel-Balsam von Pronto erinnert, das ich ganz gerne nutze, um meine Holzmöbel zu pflegen. Daher auch die spaßig gemeinte Überschrift. Der süße Honig gefällt mir in Kombination mit der Frische richtig gut, muss ich sagen. Er rundet das Gesamtbild perfekt ab. Und auch wenn "Number One" nun schon 35 Jahre alt ist, so ist er meiner Meinung nach sehr gut gealtert. Er riecht angenehm klassisch und braucht sich hinter neueren Frische-Düften nicht zu verstecken. Man merkt ihm die 80er Jahre an - in positiver Hinsicht.

Ein besonderer Grund, warum ich diesen Duft nicht nur mag, sondern liebe: Ich kann nicht genau erklären warum, aber "Number One" von Hugo Boss verkörpert für mich strahlenden Sonnenschein. Für mich ist er ein richtiger Urlaubsduft. Ich glaube, das liegt daran, dass er mich an fröhliche Kindheitstage der frühen 90er Jahre erinnert, als meine Eltern, Geschwister und ich hin und wieder einen Sommerurlaub bei meinen Verwandten verbrachten - beispielsweise an der mecklenburgischen Seenplatte oder ganz unten in Bayern nahe der Alpen. Fast alle meiner Verwandten wohnten oder wohnen in ländlichen bis sehr ländlichen Gebieten und ich habe es als Kind immer sehr genossen, wenn wir alle zusammen bei Sonnenschein draußen gefrühstückt haben, während im Hintergrund die Kaffeemaschine gurgelte und das tragbare Radio unentwegt Lieder der 70er- und 80er Jahre spielte. Ich glaube, die Grapefruit, der Apfel und die Zitrone im "Number One" erinnern mich im Unterbewusstsein daran, dass es bei meinen Verwandten immer sehr sauber und sehr frisch im Haus roch. Jetzt im Nachhinein denke ich - klar, die werden für den Besuch saubergemacht haben. :-) Auch die angenehmen Gerüche der wäldlichen und grünen Umgebung und des Gartens kommen in meine Erinnerung zurück. Das passt - schließlich sind im "Number One" auch dezent Blumen und Kräuter zu vernehmen. Und der Honig? Der passt für mich perfekt zur Assoziation des Honigglases auf dem Frühstückstisch.

Für meine Lebensgefährtin und mich fängt der zweisame Sommerurlaub (den wir immer sehr genießen) stets schon im Auto an. Gepäck hinten rein, Navigation einstellen, eine Folge "Die drei ???" anschmeißen und gemeinsam gemütlich über die Landstraße Richtung Urlaub fahren. Vielleicht sogar zu eben jenen Verwandten. Nur dass diesmal die Kaffeemaschine für uns gluckert, das Radio eher die "Hits von heute" spielt und die kindliche Sorgenlosigkeit leider fehlen wird. Nichts desto trotz weiß ich ganz genau, dass "Number One" von Hugo Boss mein Urlaubsduft für die Reise sein wird. Sollte es dann draußen bewölkt sein, spielt das keine Rolle. Im Auto wird trotzdem die Sonne scheinen.

Wenn Hugo Boss "Number One" Musik wäre:

"Julia" von Chris Rea
"Far, Far Away" von Slade
"In The Summertime" von Mungo Jerry
"It Never Rains In Southern California" von Albert Hammond
"Stumblin' In" von Suzi Quatro und Chris Norman
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Eisbaer vor 4 Jahren 9 3
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Duft
Bei Mozart im Billardraum und bei Scrooge im Schlafzimmer
"Encre Noire" gehört zu jenen Blindkäufen, für die ich überaus dankbar bin. Jeder Mensch und insbesondere jeder Parfumo trägt seine Düfte aus ganz persönlichen Beweggründen. Alltagsdüfte für das Büro, Anschmiegsames für den romantischen Abend oder sogenannte Clubbing-Düfte für das laute Party-Wochenende. Meine Düfte trage ich größtenteils für mich, um Zeit- und Bildreisen unternehmen zu können. Ich liebe es, wenn Düfte mir Bilder im Kopf verschaffen und mich an einen anderen Ort versetzen können. Die Kommentare und Statements zu Laliques "Encre Noire" habe ich schon sehr lange auf Parfumo verfolgt und war mit jedem Eintrag neugieriger auf den Duft, bis ich es nicht mehr aushielt und ihn schließlich im 100ml-Flakon kaufte - ohne ihn vorher probegerochen zu haben. Am besten immer dran denken: Es kann eine neue Duftliebe entstehen - es kann aber auch gewaltig in die Hose gehen. Daher würde ich meine Vorgehensweise nicht unbedingt weiter empfehlen. Denn ich gebe zu, dass dieses schwarze Gold alles andere als alltäglich ist.

Der Flakon ist würfelförmig und, zumindest in der 100ml-Version, auch sehr wuchtig und schwer. Was mir besonders gut gefällt ist seine Schlichtkeit - komplett in schwarz, "ENCRE NOIRE" steht in bahnschriftähnlicher Type auf der Vorderseite und bis auf der üblichen Beschriftung auf dem Flakonboden findet sich keinerlei Text. Der schwarze Deckel im Holzdekor rundet das Gesamtbild ab. Das äußere Erscheinungsbild trifft genau meinen Geschmack, zumal es meiner Meinung nach optimal zum Inhalt passt. Wie viele hier schon geschrieben haben, bedeutet "Encre Noire" übersetzt "schwarze Tinte", weshalb man den Flakon als Tintenfass konzipiert hat.

Und der Duft selbst? Holz und Erde trifft als ganz kurze Fassung durchaus zu. Ich rieche kein Moos, keine grünen bzw. "waldigen" Bestandteile. Ich rieche vor allem altes, schweres Holz - und ja, auch ein wenig Tinte. Ich habe vor einigen Jahren aus reiner Freude selbst des Öfteren mit einem Federkiel Texte aus schwarzer Tinte geschrieben - eine olfaktorische Ähnlichkeit kann ich nicht bestreiten. Auch ist mir als gelernter Bibliothekar der Geruch alter Bücher nicht fremd, welchen ich ebenfalls in "Encre Noire" ausmachen kann. Zu guter Letzt fühle ich mich ein ganz klein wenig an Polaroid-Fotos erinnert. Immer, wenn ich unser altes Fotoalbum aufschlage, kommt mir ein ähnlicher Geruch entgegen. Im Gegensatz zu allen anderen holzigen Düften, die ich bisher getestet und/oder in meinem Besitz habe, enthält "Encre Noire" keinerlei Süße. Im Gegenteil - er ist genau das, was ich als holzig-würzig bezeichnen würde.

Mein Eindruck zum Duft: Ich liebe ihn sehr. Ich stimme durchaus der Meinung zu, dass er nicht unbedingt (!) etwas für das Büro oder zum Ausgehen wäre. Nicht umsonst tauchte hier schon mehrmals die Frage "Wer will denn so riechen?" auf. Der Versuch einer Antwort: Ich möchte so riechen - um mich selbst mit diesem wohligen puren Holzduft einzuhüllen, der mich in eine andere Welt entführt. Der Salzburger Komponist Wolfgang Amadeus Mozart hatte auf dem Höhepunkt seiner Karriere ein Jahreseinkommen von etwa 10.000 Gulden, was heute rund 125.000 Euro wären. Seine Wohnung in Wien hatte einen eigenen Billardraum; vergleichbar mit heute wäre das etwa eine Garage, in der ein Ferrari steht. Wenn ich "Encre Noire" rieche, sehe ich mich mitten in diesem Raum stehen, wie ich Mozart über die Schulter blicke und ihm dabei zuschaue, wie er Wein trinkt und bei Kerzenlicht ein Stück nach dem anderen komponiert. Die vielen schweren Holzmöbel, die unzähligen Bücher, die sich in Regalen und quer durch das ganze Zimmer verstreut finden sowie natürlich das Tintenfass, in das er immer wieder seine Feder hineintaucht - das ist für mich "Encre Noire" in bildlicher Darstellung.

Selbstverständlich muss es nicht unbedingt auf Mozart allein gemünzt sein. Nehmen wir gerne auch die Pariser Domizile von Frédéric Chopin auf. Die Wohnung der Gebrüder Grimm in Kassel. Das Schlafzimmer von Ebenezer Scrooge. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass zur Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts nahezu sämtliche Gebäude so gerochen haben. Mich faszinieren sie von Kindheitstagen an. Wie gerne besichtige ich Schlösser, Burgen, alte Archive und Bibliotheken. Gebäude können so viele spannende Geschichten erzählen. Lalique ist es gelungen, mit "Encre Noire" einen Duft zu kreieren, der mich auf eine Reise in andere Zeiten mitnimmt. Genau dafür liebe ich Parfum.

Wenn Lalique "Encre Noire" Musik wäre:

"Ave Verum Corpus" (KV 618) von W.A. Mozart
"Lacrimosa" (aus III. Sequenz Requiem) von W.A. Mozart
"Nocturne Op. 15, No. 2 in Fis-Dur" von Frédéric Chopin
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Eisbaer vor 4 Jahren 22 8
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Duft
"Time keeps on slipping, slipping, slipping..."
Verklärung kann etwas wunderschönes sein. Waren die Sommer als Kind wirklich sonniger? Waren die Weihnachten wirklich weißer? War das Leben wirklich so viel unbeschwerter? Ich habe mir lange darüber Gedanken gemacht. Als Kind der 1990er Jahre bin ich sehr wohl der Meinung, dass wir damals noch regelmäßig weiße Weihnachten hatten. Fotos aus der Zeit können das belegen. Was aber die Sommer angeht: Die sind heute mit Sicherheit genauso heiß und genauso sonnig wie damals. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Sommerzeit der 90er eine besondere war. Vermutlich größtenteils wegen fehlenden Internets. Das Treffen mit Freunden wurde über das Telefon vereinbart, wenn überhaupt. Meistens traf man sich aber einfach spontan - entweder im Hinterhof der Neubausiedlung, auf dem Spielplatz oder auf dem Basketballfeld. Und wenn an besonders heißen Tagen der Eismann klingelte, dann gab es ein Wettrennen, wer als erster seine Wohnung erreichen, seinen Eltern 50 Pfennig für eine Kugel Vanille abschwatzen und sich anschließend die vordersten Plätze in der Schlange vor dem Eiswagen sichern können würde.

Ich liebe diese Erinnerungen. Im Laufe der Jahre wurde mir nach und nach klar, dass ich mit Sicherheit verklärt bin. Meine Eltern beispielsweise empfanden die 90er Jahre als sehr anstrengend und nervenaufreibend. Ich glaube ein bisschen, dass jeder, der von sich behaupten kann, eine wunderschöne Kindheit gehabt zu haben, verklärt ist. Leider ist das Wort eher negativ behaftet. Ich jedoch halte Verklärung für etwas ganz wunderbares - es ist eine der tollsten Funktionen, die unser Gehirn hat: Bewahre Dir das Positive und sortiere das Schlechte bestmöglich aus. Diese Fähigkeit ermöglicht uns Zeitreisen. Reisen in jene Lebensabschnitte, die wir unbewusst jeden Tag in uns tragen - und wie schön ist es, wenn wir uns gezielt jener schönen Erlebnisse besinnen, die wir einst hatten. Zumal wir dies optimal triggern können: Durch Fotografien und Filme, durch Musik - und durch Gerüche. Hier kommt "CK Be" von Calvin Klein aus dem Jahr 1996 ins Spiel. Zufällig ausgewählt? Nein, ganz bewusst. "CK Be" ist einer dieser Düfte, die den angesprochenen Trigger-Effekt innehaben. Er katapultiert mich zurück in die Sommerzeit der 90er Jahre.

Ich nehme "CK Be" als einen sehr frischen Duft wahr. Zwei bis drei Sprüher aus dem tiefschwarzen Flakon und sofort eröffnet sich eisgekühltes Minzwasser mit einer leichten Mandarine im Hintergrund. Nach etwa zwei bis drei Minuten kommt dann die Wacholderbeere zum Vorschein und der Duft entwickelt sich in eine tief-holzige Richtung. Allerdings reden wir hier nicht von frischen Wacholderbeeren auf einem edlen Esstisch als Stillleben serviert - vielmehr entsteht der Eindruck, als sei in der Baustoff- und Holzabteilung im Hornbach eine Flasche Gin zersplittert. :-) Allerdings ist das gar nicht negativ gemeint, denn diese Kombination hat wirklich etwas eigenständiges und überaus angenehmes. Die Frische der Minze, die stets erhalten bleibt, gefällt mir dabei am besten. Dies macht den "CK Be" sehr spritzig und leicht. Nun steht natürlich irgendwie die Frage im Raum: Den hast Du doch aber nicht als Kind getragen oder? Die Antwort lautet jaein. Mein Bruder (knappe fünf Jahre älter) trug damals als Sportler hin und wieder ein leichtes Eau de Toilette. Die ganze Palette von AXE war dabei, "Cool Water" von Davidoff war dabei - und eben auch "CK Be". Bewusst aufgetragen habe ich ihn nicht, das stimmt - aber ich habe (wie das wohl sehr viele Parfumos als Kinder gemacht haben) mir hin und wieder einen kleinen Sprüher geklaut, wenn niemand hinsah. Bemerkt wurde dies vermutlich nie, denn schon damals war der "CK Be" von der allerleisesten Sorte: Er hält auf der Haut keine halbe Stunde durch, eine Sillage gibt es nicht einmal kurz nach dem Aufsprühen.

Die genannten Faktoren stören mich in diesem Fall jedoch nicht, denn Calvin Kleins "CK Be" ist für mich kein Duft zum Tragen. Er dient mir als kleine halbstündige Zeitreise in meine Vergangenheit. Er verursacht ein Kopfkino bei mir. Mein Bruder gehörte damals zur Fußballfraktion, ich tendierte viel stärker zum Basketball. Wenn ich heute CK Be rieche, denke ich an Spiel- und Bolzplätze, auf denen Fußball und Basketball gespielt wird. Ich denke an brütend heiße Sommertage, an meine aufgeklebten Tattoos, an meine gelb-schwarze Gum Watch von Crazy Planet (wer kennt die noch?), an das Bimmeln der Glocke des Eiswagens mit dem Aufdruck von Bugs Bunny vorne drauf. Speaking of Bugs Bunny: Auch Erinnerungen an den Film "Space Jam" weckt der "CK Be" in mir. Und natürlich Erinnerungen an meinen Bruder. Am gemeinsamen Herumrennen auf den Sportplätzen und im Hinterhof, an unzählige Schürfwunden, an seinen Ghettoblaster, mit dem er sämtliche Ballspiele zu untermalen pflegte. :-) Aber auch an die ruhigeren Sommerabende, wenn wir als Familie zum Grillen draußen saßen oder wenn mein Bruder und ich im Kinderzimmer gemeinsam ganze Städte aus Legosteinen bauten. Ich liebe es, wenn Düfte es schaffen, mir die unterschiedlichsten Bilder ins Gedächtnis zu holen. Leider dauert beim "CK Be" das Erlebnis wie gesagt nur sehr kurz an. Aber dies verzeihe ich ihm. Ich bin sehr happy, dass es ihn heute noch gibt und ich freue mich immer, wenn er mich für ein paar Minuten in der Zeit reisen lässt.

Wenn Calvin Klein "CK Be" Musik wäre:

"Fly Like An Eagle" von Seal
"Ready Or Not" von Fugees
"Lonely" von Nana
"Don't Let Go" von En Vogue
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