Elenasmom
Elenasmoms Blog
vor 3 Jahren - 07.03.2021
67 136

"Parfüm hama grod gnou, aber Humor und Mitgfui hama oft z'weng"

Auf hochdeutsch: "Parfum haben wir mehr als genug, aber Humor und Mitgefühl haben wir oft zu wenig"

Seien wir doch mal ehrlich. Ganz ehrlich jetzt: wir haben fast alle mehr Parfum, als wir in unserem Leben tragen können, jedenfalls bevor es kippt. Ich selbst nehme mich da nicht aus, auch wenn ich mir gewisse Grenzen gesetzt habe und diese auch durchziehen werde. Geht eines kommt ein neues, oder es kommen gleich mehrere neue auf einmal. Es wird getauscht, geschnüffelt, getestet und verkauft, sich neu verliebt und sich getrennt. Das ist ein wunderbares Hobby in einer tollen Community. 

Am wichtigsten sind jedoch die Menschen hinter den Parfums. Wir haben Nicknames, die auf uns schließen lassen oder auch nicht. Wir haben ein Foto von uns als Profibild, auf dem man erkennt, wer wir sind, oder auch nicht. Hinter jedem dieser Menschen steckt eine Geschichte, ein Leidensweg, Schmerzen, herbe Enttäuschungen, bittere Niederlagen, verpasste Gelegenheiten und Tränen. Aber auch fantastische Erfolgsgeschichten, Zähigkeit, Mut, Ausdauer, unglaubliche Glücksfälle und endloses Gelächter. Wir sind nicht nur User XY. Wenn wir den PC ausschalten, das Handy weglegen, sind wir Stefan aus München, der sich den Kopf darüber zerbricht, wann er seine Mutter endlich wieder im Pflegeheim besuchen darf, und ob es überhaupt die richtige Entscheidung war, sie ins Pflegeheim zu geben. Wir sind Anna aus Potsdam, die nur noch auf dem Papier mit ihrem Mann verheiratet ist, und jeden Abend seine Trinkerei mitbekommt, sich aber wegen der Kinder nicht trennen will und kann. Wir sind Michael aus Berlin, dessen hochschwangere Frau im Krankenhaus liegt und jede Sekunde der Anruf kommen kann, dass die Entbindung los geht. Und wir sind Maria aus Hamburg, die sehnsüchtig auf die ganzen utopisch teuren Parfums schaut, und sich von ihrem mageren Lehrlingsgehalt grad mal ein 15€ Drogerieparfum leisten kann, dies aber hütet wie einen Schatz. Wir sind aber auch Lisa aus Dresden, die sich heute ihr Traumauto gekauft hat und gleich noch ne Runde drehen will. Wir sind Lars aus Schwerin, der für seine Freundin gleich ein wunderbares Abendessen kochen wird. Wir sind Romina aus Hannover, die morgen endlich eine neue Arbeit anfängt, schon ganz aufgeregt ist aber sich total darauf freut. Und wir sind Andreas aus Straubing, der heute sein Fahrrad zu einem echt guten Preis verkauft hat und seinem Traum, ein E-Bike zu kaufen, wieder ein großes Stück näher ist. Und so weiter. Setzt gerne hier eure eigene Geschichte ein. 

Die Beispiele und Namen sind natürlich frei erfunden und Ähnlichkeiten zu echten Menschen unbeabsichtigt. 

Manchmal muss man hinter die Fassade eines Menschen blicken, um zu verstehen, warum er sich grad so verhält wie er/sie es tut. Aber viel zu selten machen wir uns darüber Gedanken, weil wir selbst so viele Dinge haben, mit denen wir fertig werden müssen. Wenn uns ein Mensch auf der Straße nicht zurück grüßt, ist das vielleicht gar nicht böse gemeint. Er/sie ist vielleicht tief in Gedanken versunken und fragt sich, was das, was in seinem/ihrem Leben grade passiert, denn eigentlich für einen Sinn hat. Es hat aber auch schon Fälle gegeben, in dem ein freundlicher Gruß, ein aufrichtiges Lächeln, Leben gerettet hat. Menschen waren inbegriff, ihrem Leben ein Ende zu machen, wenn sie auf dem Weg dorthin, wo sie dies tun wollten, nicht wenigstens ein vorbeigehender Mensch anlächelt. Ich möchte nicht wissen, wie viele sich inständig ein Lächeln gewünscht haben und keins bekamen. Und wenn es nicht gleich so etwas Großes ist, wie jemanden vor dem Suizid zu bewahren, so hat man zumindest einem Menschen seinen Heimweg mit einem freundlichen "Hallo", oder den Einkauf versüßt, weil man sie/ihn in der Warteschlange vor gelassen hat. 

Keine/r wird sich am Ende seines Lebens an unseren Duft erinnern (Ausnahmen bestätigen die Regel), sondern wie wir von anderen behandelt wurden. Wir erinnern uns daran, mit wem wir Tränen gelacht haben, Nächte durchtanzten, zu viele Drinks hatten, stundenlang bis in die Nacht  am See sitzen und über Gott und die Welt sinnieren konnten. Wir denken an liebevolle Umarmungen, zärtliche Küsse, Schmetterlinge im Bauch, unvergessliche Kinoabende und Cheeseburger beim Burger K... morgens um halb 6.

In Bayern sagt man: "Seids freindlich!" Und als Antwort kommt: "Jawoi!" Vielleicht gehen wir alle ein bisschen freundlicher und achtsamer in die kommende Woche. Mit ein wenig mehr Mitgefühl, Freundlichkeit und Güte. Man weiß nie, was der Mensch, der einem begegnet, gerade hinter sich hat. Seid aber auch achtsamer zu euch selbst. Nehmt es nicht persönlich, wenn euch jemand ohne Grund böse anschaut. Fragt euch, ob ihr euch wirklich über dieses oder jenes ärgern müsst, oder ob es eure Zeit überhaupt wert ist. Und wenn ihr mitten im Supermarkt über etwas herzlich lachen müsst: Tut es! Und wenn ihr seht, das andere auch schmunzeln müssen, schaut sie an, lächelt und freut euch, dass ein anderer wegen euch und eurer Freude lachen konnte. Ist mir selbst schon so passiert. Macht Komplimente ("schöner Duft!"), sagt etwas nettes ("der passt toll zu dir!") Es tut auch nicht weh, ehrlich!

Und wenn ich wenigstens eine/n von euch berührt und ihm/ihr vielleicht den Tag ein bisschen versüßt habe, laufe ich gerne die ganze nächste Woche ohne Parfum herum. Denn am Ende des Tages ist es nicht der Duft, der zählt, sondern der Mensch, der ihn trägt. Und der ist wertvoller, als alle Parfums der Welt.

67 Antworten