Zu Asche, zu Staub - 6 Düfte für Babylon Berlin
Altes Retrokind das ich bin, habe ich sehnsüchtig die Ausstrahlung von „Babylon Berlin“ in der ARD erwartet, schon seit ich 2017 davon erfahren hatte. Die 20er Jahre üben von jeher eine ungemeine Faszination auf mich aus und ziehen mich mit ihrer Ästhetik in Design, Musik, Mode, Film und Duft wie magisch an. Eine Serie, die 1929 in Berlin spielt und mit gigantischem Aufwand und viel Können gedreht wird, musste mir folglich fast zwingend zusagen. Und was soll ich sagen, sie übertrumpft tatsächlich meine bisherigen Lieblinge wie Miss Fisher’s Mystery Murders, The Great Gatsby und sämtliche Agatha Christie-Verfilmungen. Die Geschichte um den Kölner Exilkommissar Gereon Rath (Volker Bruch) und die hellwache Stenotypistin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) ist vielleicht von den Handlungssträngen etwas unübersichtlich geraten, ist ansonsten aber ein wirkliches Meisterwerk, wie ich es bisher noch nie aus deutscher Feder gesehen habe. Kein Wunder stürzte ich mich also wie besessen auf die 3 Babylon-Berlin-Parfüms, kaum dass die Müllerinnen sie im günstigen Regal eingeräumt hatten. Und was soll ich sagen, die Enttäuschung war groß, allerdings war das fast zu erwarten gewesen. Während in die Produktion der Serie Unmengen an Können, Wissen und finanzielle Mittel geflossen sind, haben sich die Verantwortlichen für die Düfte allenfalls über Flakons und passende Parfümnamen, nicht aber über den tatsächlichen Inhalt Gedanken gemacht. Statt sündig-rauchigen Kopfverdrehern sind drei sterbenslangweilige und austauschbare Wässerchen in die bunten Flakons geflossen. Extrem schade. Deshalb habe ich mir so meine eigenen Gedanken gemacht, wie Babylon Berlin denn riechen könnte. Wie schon bei meinem Blogbeitrag zu „8 Frauen“ müssen die Düfte schon im Jahr der Handlung erhältlich gewesen sein, in diesem Fall also 1929.
4711 Kölnisch Wasser, 1792:Eine der Hauptfiguren, Kommissar Gereon Rath, stammt ursprünglich aus Köln und wird in die „Sitte“ bei der Berliner Polizei versetzt. Seine Ermittlungen drehen sich anfangs um einen harmlos wirkenden Fall im Porno-Milieu (ja, es gab tatsächlich Porno-Stummfilme), bevor die ganze Chose immer weiter ausufert. Als Kölner hat Gereon Rath garantiert immer eine Flasche des Eau-de-Cologne-Klassikers auf seinem Waschtisch stehen, genauso sein Apotheker und wahrscheinlich auch seine Geliebte – Helga Rath, die Frau seines gefallenen Bruders, die ihm bald nach Berlin folgt.
Fougère von Bernoth, 1925:
Bleiben wir noch etwas bei deutschen Parfümeuren. Bernoth ist eine kleine Parfümfabrik, die es als eine der wenigen bis in die Gegenwart geschafft hat und stammt aus einer Zeit, als es in größeren und kleineren Städten noch eigene Parfümhersteller gab, die meist eher einfach gestrickte Eau de Colognes produzierten. Fougère ist ein solches. Wie der Name schon sagt, basiert es auf einem Lavendel-Bergamotte-Geranium-Gemisch, bringt jedoch den typischen, dichten Rauch der 20er Jahre mit. Garantiert ist es eine große Portion Aldehyde, die für den Räuchercharakter sorgt. Wie heute war Fougère auch 1929 wahrscheinlich recht erschwinglich und eignete sich somit als Alltagsduft für Charlotte, ihre Freundin Greta und vielleicht auch für den süßen Stephan, die alle jeden Pfennig dreimal umdrehen müssen. Für eine Eau de Cologne-Konzentration ist Fougère übrigens erstaunlich haltbar. Ich rieche es gerade während des Schreibens und habe es 8 Stunden zuvor aufgetragen.
Tosca Parfum von 4711 (jetzt Mäurer & Wirtz), 1921:
Tosca teilt sich mit Chanel N°5 nicht nur das Geburtsjahr, sondern hat mit der Pariser Schwester auch denselben überproportionalen Aldehydanteil und ein bezauberndes, pudrig-würzig-florales Herz gemein. Meiner Meinung nach das meist-unterschätzte Parfüm aller Zeiten, fristet es doch dank verkorkster Marktpositionierung ein Schattendasein in den untersten Reihen der Billigregale, wo es eigentlich in den Reigen der alten Carons, Guerlains und Chanels gehören würde. Heutzutage erhältlich sind noch das ursprüngliche Eau de Cologne von 1921 und die späteren Konzentrationen des Eau de Toilette und Eau de Parfum (wahrscheinlich beide 1980er Jahre). Das pure Parfum wurde leider im Laufe der Zeit vom Markt genommen. Alle haben sie ihren Reiz, wobei mir persönlich das EdP zu kräftig ist. Da Tosca nach einer Oper benannt ist, kann ich sie mir wunderbar an Travestiekünstler Ilja Tretschkow (Tim Fischer) vorstellen, der in der verborgenen queeren Bar „Der Holländer“ das Lied „Meine Rose“ aufführt und dabei wie eine phänomenale Mischung aus Zarah Leander und Max Raabe klingt. (Hab Tim Fischer erst dadurch entdeckt und bin seither ernsthaft begeistert, hört mal in „Wodka für die Königin“ rein.)
Eau My Sin/Mon Péché von Lanvin, 1924:
Ähnlich wie Tosca ist Eau My Sin ein pudrig-floraler Traum, wird aber im Gegensatz dazu leider nicht mehr produziert. Anfangs duftet es sehr sanft und seifig, wird danach würziger durch die Nelke und einen Ticken animalisch. Durch das zuerst Sauber-Seifige und später Tierische kann ich es mir perfekt als Arbeitsduft für Charlotte vorstellen, wenn sie zu später Stunde ins In-Lokal „Moka Efti“ geht und Kunden wie Herrn Wolter auf persönlichste Weise im Kellersèparèe bedient. Da ein Lanvin damals sicher unerschwinglich für sie gewesen wäre, steht für sie und ihre Kolleginnen möglicherweise im Boudoir ein Fläschchen davon zur Verfügung, um beim Nebenverdienst entsprechend verführerisch zu duften.
Fetisch von Schwarzlose, basierend auf Spanisch Leder, 1921:
Fetisch ist ein rauchiger Lederduft aus dem wieder auferstandenen Parfümhaus Schwarzlose aus Berlin und soll auf dem Duft „Spanisch Leder“ von 1921 basieren. Unisexy wie er ist, passt er wie angegossen zu Schmugglerin/Sängerin Swetlana Sorokina, die als „Psycho Nikoros“ in der ersten Folge im Moka Efti auftritt und den legendären Titel „Zu Asche, zu Staub“ singt.
Tabac Blond Parfum von Caron, 1919:
Was an Babylon Berlin sehr auffällt, ist das ständige Rauchen. Immer und überall haben die Darsteller Zigaretten im Mund und schmauchen, was das Zeug hält. Auch Charlotte Ritter hat des Öfteren eine Fluppe im Mundwinkel. Ihre Vorliebe für Zigaretten zeigt sich möglicherweise auch in ihrem Ausgehduft: Tabac Blond kann ich mir gut an ihr vorstellen, wenn sie nur zum Feiern ins Moka Efti geht und in einer Wolke von Rauch und Caron die Nacht durchtanzt.
Was denkt ihr, kennt ihr die Serie? Wie riecht Babylon Berlin für euch?