Fabistinkt

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Fabistinkt vor 19 Tagen 11 14
Gestern Nacht träumte ich, ich sei wieder in Manderley
Mrs. Danvers: Sie brauchen nicht heimlich hier herumzuschleichen. Warum haben Sie nicht gesagt, dass Sie das Schlafzimmer von Mrs. De Winter besichtigen möchten? Ich zeige es Ihnen gerne, wann immer Sie wünschen. Kommen Sie. Heute Morgen habe ich erst ihre Hausschuhe vors Bett gestellt, wie sie es mochte. Jeden Tag mache ich das, so, als wäre sie noch hier.
Hier habe ich sie morgens angekleidet. „Dannie“, sagte sie oft, „ich vertraue ganz auf Ihren Geschmack. Was immer Sie für mich auswählen, es wird das Richtige sein“. Sie vertraute mir blind. Und ich schätzte sie sehr. Jeder schätzte Mrs. De Winter. Sie war die interessanteste und schönste Frau, die man sich nur vorstellen kann. Niemand wird Sie je ersetzen, auch Sie nicht.

Mrs. De Winter II: Oh, das möchte ich auch gar –

Mrs. Danvers: Und sehen Sie her, hier habe ich sie täglich frisiert. Sie saß am Frisiertisch – setzen Sie sich doch! – und ich bürstete ihr Haar. Genau so. - Bleiben Sie doch sitzen! - Viele Male. Es war lang und brünett. Mr. De Winter war ganz verrückt nach ihrem Haar.
Wenn ich sie fertig frisiert hatte, so verlangte sie nach ihrem Parfum. Das hatte ihr Mr. De Winter aus Monte Carlo mitgebracht. Sehen Sie die vielen kleinen Sterne auf dem Flakon? Sie erinnerten ihn an ihre Augen, meinte Mr. De Winter.
Mrs. De Winter liebte das Parfum sehr. „Passen Sie gut darauf auf, Dannie!“ meinte sie immer, „Es ist von unfassbarem Wert für mich!“. Natürlich war ich schrecklich vorsichtig damit, sodass ihm nichts geschah.
Möchten Sie es einmal versuchen? Ich werde es Ihnen auftupfen.

Mrs. De Winter II: Oh nein, danke, das wird nicht nötig sein –

Mrs. Danvers: Ich nahm den Deckel und tupfte es auf ihren Hals, genau so. Jetzt zeigen Sie mir Ihre Hände! Ich steckte den Deckel erneut auf den Flakon und träufelte wenige Tröpfchen auf ihre Handgelenke. Sie tragen nie Parfum, nicht wahr? Reiben Sie sanft Ihre Handgelenke aneinander, so tat es Mrs. De Winter immer. Sie liebte den Duft. „Dannie, wissen Sie was?", sagte sie manchmal, "Mich erinnert der herbe Duft an unsere schöne Küste vor Manderley. Finden Sie nicht auch?“. Ich empfand ihn dagegen als süß. Riechen Sie die Nelken, die Rosen und die Iris?

Mrs. De Winter II: Ich –

Mrs. Danvers: Natürlich nicht, Ihre Nase ist sicherlich nicht fein genug. An Mrs. De Winter roch er sensationell. Alle liebten den pudrigen Duftschleier, den sie im Haus hinter sich her zog. Man roch immer, wo sich Mrs. De Winter zuletzt aufgehalten hatte. Mr. De Winter folgte manchmal ihrer Duftspur durch Manderley. Er konnte nie genug davon bekommen. Sehen Sie hier, der Duft heißt „Je Reviens“. Wissen Sie, was das bedeutet?

Mrs. De Winter II: Mein Französisch ist etwas eingerostet, aber ich denke, es –

Mrs. Danvers: Ich kehre wieder. Ein bedeutungsvoller Name, finden Sie nicht? Ich bin mir sicher, dass Mrs. De Winter noch im Haus ist. Ich spüre ihre Präsenz jeden Tag. Sie ist nicht glücklich. Noch nie mochte sie es, wenn ihr jemand den Mann streitig machen wollte. Sie konnte rachsüchtig sein. Sie wird das nicht einfach so hinnehmen. Fühlen Sie sich wohl in Manderley?

Mrs. De Winter II: Lassen Sie mich gehen!

Sie streift versehentlich den Flakon. Wie in Zeitlupe fällt er zu Boden.
14 Antworten
Fabistinkt vor 2 Jahren 34 18
10
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Eau Tannenbaum
Ein Landhaus, idyllisch vergraben unter dem österreichischen Schnee. Zwei ältere Damen, Omama Mitzerl und Lilibeth, sitzen am Küchentisch nach der Bescherung. Beide sind sichtlich mitgenommen von den heiligabendlichen Ereignissen.

Omama: Des woa des furchtbarste Weihnachten, wos i je derlebt hob! I brauch jetzt an Nußschnops, um des zu derpacken. Mogst ah an?

Lilibeth: Bloß nicht, danke, nein. Aber vielleicht ein winziges Stamperl Eierlikör?

Omama: I bring da ans… Des is a Schaund, eine richtige Schande. A Freid hob i eich mochn woin. Seit da Fruah bin i in da Kuchl gstaundn und hob für eich kocht. Wie friehra, wie sich’s gheat. Und wos is da Daunk? Des Luiserl betrinkt sich, die Kinder laufen Amok und da Christbam brennt. Des is kah Heiligobmd! Wie guat, dass da Papa des nimmer derlebm muass. Oiwei hob i drauf gschaut, dass da Papperl und da Hansi schäne Weihnachten haum. Vü Göd haum ma ned ghobt. Vom Mund abgespart hob i ma ois, damit olle glücklich -

Lilibeth: - du hast ja recht, Mitzerl. Undank ist der Welten Lohn. Das sagt auch die Maureen aus London immer. Einen eigenen Klavierlehrer hat sie angestellt für ihre Kinder und ihnen ein teures Internat bezahlt, weit weg auf dem Land. Und rufen sie je an? Nein! Ich sage es dir, am Ende, da müssen wir Alten zusammenhalten. Und deshalb habe ich dir auch etwas mitgebracht, liebes Mitzerl. Ich wollte es bis nach der Bescherung aufheben, damit die Kati und das Luiserl nicht neidisch werden.

Omama: Des is owa liab. Mah, jetzt hob i goanix für di. Waunnst wüst, gib i da zwa von meine söber gestrickten –

Lilibeth: - um Gottes Willen, nein, danke. Das ist schon in Ordnung, Mitzerl, mach dir keine Gedanken. Ich weiß ja, dass deine Mittel sehr begrenzt sind. Ich erwarte nichts im Gegenzug. Hier, nimm!

Omama: Do bin i owa gspaunnt! Mah, so a teures Geschenkspapier, wos für a Verschwendung... Jö, wos is denn des für a liabes Flascherl?

Lilibeth: Das ist ein Parfüm aus Frankreich, Nuit de Noël!

Omama: Nüde – wos?

Lilibeth: Nuit de Noël. Das bedeutet Weihnachtsabend, weißt du noch?

Omama: Französisch haum ma in da Schui ned glernt, nur Deitsch. Und laung durtn blieben bin i a ned: I hob hackln miassn, damit ma wos zum Essn ghobt haum.

Lilibeth: Das ist ganz dumm, wenn du mich fragst. Fremdsprachen erweitern den Horizont. Die Maureen zitiert immer Sir Peter Ustinov: „Bildung ist nicht auf die Schule begrenzt. Sie geht unerbittlich weiter bis ans Lebensende.“ Und damit hatte er zweifelsohne recht. Besonders in unserem Alter ist es wichtig, dass wir geistig fit bleiben. Man wird so schnell senil, nicht wahr, Mitzerl?

Omama: Deppat bin i nu ned, heast. Wie kriag i denn jetzt des Barfah auf?

Lilibeth: Das ist ganz einfach. Hier, wir öffnen vorsichtig den Draht, dann ziehst du langsam den Deckel heraus und tupfst es dir auf. Ein Tröpferl hinter die Ohren, je eines auf die Handgelenke und eines aufs Dekolletee. Und wage es ja nicht, es auf ein Taschentuch zu träufeln. Das ist schließlich nicht Tosca!

Omama: Moch da kane Surgen. So epas Nobles wie Tosca hob i eh nie ghobt, nur Kölnisch Wasser.

Lilibeth: Kölnisch Wasser, diese dünne Suppe? Putzfrauenparfüm haben wir das früher genannt. Riechst du schon etwas? Das Parfum enthält Rosenöl aus der Provence. Sehr fein und pudrig, dazu leicht herb durch die Iriswurzel. Mir kommt auch vor, als wäre etwas Nelke mit drin. Und echtes Eichenmoos transportiert metaphorisch die Dunkelheit des Abends. Riechst du die Düsternis, Mitzerl?

Omama: Na. Owa des riacht wirklich guat, des Zeig, wie die Salbe vom Interspar!

Die beiden wunderbaren Anti-Weihnachtsfilme mit Mitzerl und Lilibeth könnt ihr auf YouTube anschauen. Schöne Feiertage!
Single Bells: https://www.youtube.com/watch?v=sjWBEHvtLAk
Oh Palmenbaum: https://www.youtube.com/watch?v=F_Iw81dZPPw
18 Antworten
Fabistinkt vor 3 Jahren 47 27
5
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Wo die Adriawellen trecken an den Strand
Verleden Week weren wi in Urlaub.
Ja, du hest richtig höört:
Wi weren weg!
An de Küst, in Istrien.
De Inzidenz daar weer leeg.
Keen Risikogewest.
Keen Quarantäne.
Daar nich un tohuus daarna ook nich.
Wi sünd mit’n Auto fohrn.
Lüttje Wohnung, AirBnB.
Midden in de Oldstadt.
In Pula.
Balkon, Spöölmaschien, super Matratz.
Wat wullt du mehr?
Un Sünn. Veel Sünn.
Un Wind. Veel Wind.
Tominnst direkt an'n Strand.
Un wat hebb ik daar dragen?
Dune vun Dior.
Du denkst nu villicht:
‘n Amber-Parfüm in de Sünn, dat geiht nich!
Ik segg di:
Doch, dat geiht, sogaar allerbest!
Stell di vör:
Felsen, Sünn, Vögels.
Wied ünner di breken sük de Wellen.
Un Wind.
An de Kimm seilen witte Schepen.
Enerwaar hörst du Kinner ramentern.
Un anners nix.
Blot Free un Ruh.
Du büst tofree un glückelk.
De Wind tuustert.
Up dien Huut spöörst du de köhlige Lücht.
Un de Sünn.
‘n Röök stiggt di in de Nöös:
Aldehyde.
Man nich retro, nich düüster, keen Rook.
Sünnern mooi warm.
Binah dröög.
As Sünnenstrahlen up dien Huut.
Un denn kummt de mooiste Deel:
Dat Hart vun Sandelholt un Vanille.
Keen vun beid steckt herut,
man se förmen‘n neje Heel.
De Göör is stuur to beschrieven.
Mehr en Geföhl denn en Röök:
Fründelk, inladend, as‘n Umarmen.
Holterg un doch week.
‘t warmt di vör de Bries as‘n Jack.
Ik will weer torügg.
Dune brengt mi daarhen.

....
Übersetzung aus dem Plattdeutschen:
Letzte Woche waren wir im Urlaub. Ja, richtig gehört, wir waren weg. Am Meer, in Istrien. Niedrige Inzidenz, kein Risikogebiet, keine Quarantäne. Weder dort noch zuhause. Wir sind mit dem Auto gefahren. Die Wohnung war klein, mitten in der Altstadt von Pula. Mit Spülmaschine, Balkon und toller Matratze. Was will man mehr! Und Sonne. Viel Sonne. Und Wind. Zumindest am Strand. Und was trägt man dort? Dune.
Falls du dir denkst, Orientalen in der Sonne gehen nicht, weit gefehlt. Stell dir nur vor: Fels, Sonne, Möwen. Unter dir brandet das Meer. Und Wind. Am Horizont weiße Segelschiffe. Irgendwo schreien Kinder. Und sonst nichts. Nur Friede und Ruhe. Du bist zufrieden und glücklich. Der Wind pustet kräftig. Auf deiner Haut die kühlende Luft. Und die Sonne. Ein Geruch steigt dir in die Nase: Aldehyde. Aber nicht retro, nicht düster, kein Rauch. Sondern schön warm, fast trocken. Wie Sonnenstrahlen auf deiner Haut. Dann kommt der schönste Teil: Das Herz aus Sandelholz und Vanille. Keiner der beiden sticht heraus, sie bilden vielmehr eine neue Einheit. Der Geruch ist schwer zu beschreiben. Mehr ein Gefühl als ein Geruch. Freundlich, einladend, wie eine Umarmung. Holzig und doch weich. Es wärmt dich vor der Briese wie eine Jacke.
Ich will wider zurück. Dune bringt mich dorthin.
27 Antworten
Fabistinkt vor 3 Jahren 62 44
7
Flakon
6
Sillage
2
Haltbarkeit
7.5
Duft
Mein Name ist Lohse
Renate und Heinrich gehen einkaufen. Der 80. Geburtstag von Renates Muttter steht an und sie gönnt sich ein neues Outfit für die Feier. Nun möchte sie noch ein passendes Parfüm dazu finden.

Verkäuferin: Guten Tag, Sie wünschen?

Heinrich: Guten Tag, wir möchten gerne ein Parfüm erstehen.

Verkäuferin: Suchen Sie ein Parfüm für sich selbst?

Heinrich: Nein, es ist für den Geburtstag ihrer Mutter.

Verkäuferin: Meiner Mutter?

Renate: Nein, es ist für den Geburtstag m-e-i-n-e-r Mutter.

Verkäuferin: Welche Duftnoten bevorzugt Ihre Mutter?

Renate: Mutter trägt gerne Lavendel. Aber der Duft ist für mich, ich möchte ihn auf ihrer Geburtstagsfeier tragen –

Heinrich: Ich hörte, Gerbera symbolisiert Lebensfreude. Führen Sie Düfte mit Gerbera?

Verkäuferin: Da müsste ich schauen. Aber wir führen Parfüm mit Nelken. Trägt Ihre Mutter gerne Nelke?

Heinrich: Meine Mutter trägt Rose.

Renate: Es geht um meine Mutter. Und die trägt Lavendel. Aber wie ich sagte, der Duft ist für mich. Und ich trage –

Heinrich: Gelbe Nelken stehen für Verachtung.

Verkäuferin: Ich dachte, die stehen für Verfügbarkeit?

Heinrich: Nein, das sind weiße Nelken. Weiße Nelken stehen für Verfügbarkeit.

Renate: Ich hätte gerne einen Duft, der möglichst natürlich –

Verkäuferin: Und rote Nelken?

Heinrich: Die stehen für Leidenschaft.

Renate: Ich möchte keine Kopfschmerzen davon bekommen.

Verkäuferin: Ich dachte, das sind Rosen. Rosen stehen doch für Leidenschaft, nicht?

Heinrich: Nein, die symbolisieren Liebe.

Renate: Manchmal trage ich Bergamotte, vielleicht haben Sie etwas in der Richtung?

Verkäuferin: Und was ist mit Tulpen?

Heinrich: Rosa Tulpen bedeuten Zuneigung. Weiße Tulpen dagegen stehen für Verschlossenheit.

Renate: Verachtung. Welche Blume steht für Verachtung?

Verkäuferin: Trägt Ihre Mutter Tulpe?

Heinrich: Gelbe Nelken. Gelbe Nelken stehen für Verachtung. Hör mir doch zu!

Verkäuferin: Das ist ja einmal interessant. Wir führen Düfte mit Nelken.

Renate: Ich mag den Duft von Nelken nicht besonders.

Verkäuferin: Es geht ja auch um die Mutter Ihres Mannes.

Renate: Es geht um meine Mutter!

Heinrich: Mutter trägt Rose.

Verkäuferin: Schauen Sie, ich hätte hier etwas mit Rose.

Renate: Aber ich hätte gerne etwas ohne Blumen –

Verkäuferin: Darf ich es Ihnen aufsprühen?

Heinrich: Nein, halt! Mutter trägt Rose. Ich selbst trage für gewöhnlich nichts.

Verkäuferin: Ich dachte, Ihre Mutter trägt Lavendel?

Renate: Meine Mutter. Meine Mutter trägt Lavendel.

Verkäuferin: Ich sprühe Ihnen etwas mit Lavendel auf. Krempeln Sie einmal den Ärmel nach oben.

Heinrich: Lavendel symbolisiert die Abwehr des Teufels. Aber auch Reinheit.

Verkäuferin: Der Teufel?

Renate: So hören Sie doch auf zu sprühen!

Heinrich: Ja, die Abwehr des Teufels, aber auch Erinnerung.

Verkäuferin: Das ist ja interessant.

Renate: Ich hätte wirklich gerne einen Duft ohne Blumen.

Verkäuferin: Aber Sie sagten doch, Ihre Mutter trägt Lavendel. Lavendel ist eine Blume, nicht?

Heinrich: Lavendel ist ein Lippenblütler.

Renate: Ja, sie trägt Lavendel.

Heinrich: Mutter trägt Rose.

Verkäuferin: Ich packe es Ihnen ein.

Heinrich: Wird es günstiger, wenn wir 50 Flaschen nehmen?
44 Antworten
Fabistinkt vor 3 Jahren 44 21
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Have yourself a merry little Christmas
Ruhe. Kerzen flackern, ihre Windlichter stehen auf einem Bett aus Tannenzweigen, Zapfen und Hagebutten. Dazwischen ein paar Glaskugeln. Drei Tropfen Duftöl im Verdampfer, Zeder. Ohrensessel, die Füße hoch.

„I’m dreaming of a white Christmas“ – Michael Bublé im Duett mit Shania Twain. Und das Wichtigste: Ein kleines, weißes Schächtelchen von Chanel. Ich nehme vorsichtig den Flakon heraus. Er ist noch original verschlossen. Dünnes Papierhäutchen unter der Kordel mit dem Siegel. Cuttermesser. Wird es klappen?

„…just like the ones I used to know. Where treetops glisten and children listen to hear sleigh bells in the snow… “

Dieses Jahr habe ich es mir zum Ziel gesetzt, meine Sammlung von Masse in Richtung Klasse zu transformieren. Sie soll künftig aus edlen Extraits und meinen Lieblingsklassikern bestehen. Ich liebe das Gefühl von sinnlichem Luxus, das nur ein pures Parfum zu verströmen vermag. So kam es, dass ich diesen Herbst ca. 10 Düfte verkauft habe. Vom Erlös wollte ich mir ein einziges, wunderbares Extrait leisten. Fast schicksalshaft tauchte dann im Souk genau das auf, was ich schon lange wollte: Das Parfum zu Bois des Iles. In meinen ersten Parfumowochen vor fast drei Jahren hatte mir Turandot eine erlesene Auswahl von Duftabfüllungen geschickt, darunter Bois des Iles als Eau de Toilette. Von seinem chanelligen Glanz fasziniert, musste bald ein Restflakon davon bei mir einziehen.

„Have a holly-jolly Christmas, that’s the best time of the year. I don’t know if there’ll be snow but have a cup of cheer… “

Und als Parfum soll es nun mein Weihnachtsgeschenk an mich selbst werden. Über den richtigen Zeitpunkt habe ich lange nachgedacht. An Heiligabend öffnen, mit der Familie? Zu viel Ablenkung, zu wenig Aufmerksamkeit für den Sandeltraum. Beim Nachfeiern mit dem Schatz ein paar Tage später? Auch hier ist zu viel Rambazamba mit Essenkochen und Katze bespaßen. Nein, mein Bois des Iles soll einen besonderen Moment bekommen. Intim, nur mit mir allein. Ich möchte mich voll auf den Genuss einlassen können.
Und heute ist der richtige Abend dafür. Michael ist mittlerweile bei „Silent Night“ angekommen, unterstützt von einem Kinderchor. Auf YouTube habe ich gesehen, dass man nicht zwingend die Kordel mit dem Siegel durchtrennen muss, um den Stopfen herausziehen zu können. Vorsichtig in das dünne Papierhäutchen ritzen. Noch ein bisschen. Am Fetzen ziehen.

„Sleep in heavenly peace, sle-he-p in heavenly peace…”

Es bewegt sich. Und schon ist es raus. Die erste Hürde ist genommen. Nun gilt es, beim Drehen die richtige Balance zwischen Kraft und Fingerspitzengefühl zu finden. Langsam bewegt sich der Stopfen. Und lässt sich herausziehen. Die Kordel und das Siegel sind intakt. Geschafft!

„I’ll be home for Christmas. You can plan on me. Please have snow and mistletoe and presents by the tree…”

Der Duft steigt aus dem Flaschenhals. Golden, leicht, etwas ernst. Und teuer. Tupfen, ein paar Tropfen aufs Handgelenk. Vertraut. Und doch ein neuer Eindruck. Mehr Aldeyhde als beim EdT, feierlich, grün. Eine erwachsene Rose badet im Champagner. Leichter Rauch liegt über der Szene.

„Sleigh bells ring, are you listening? In the lane, snow is glistening. A beautiful sight, we’re happy tonight, walking in a winter wonderland… ”

Cremig kommt das Sandelholz zum Vorschein. Silbern strahlt es in all seiner Chanelligkeit. Pudrig, warm-einhüllend und kühl-distanziert zugleich.
Einatmen. Eine Ahnung von Vetiver als Kontrast zum Sandelstrahlen, Luxus pur. Weihnachten kann kommen.

„Feliz navidad, feliz navidad. Prospero año y felicidad… ”
21 Antworten
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