Fahitty93

Fahitty93

Rezensionen
Fahitty93 vor 3 Jahren 24 4
Bitte der spinnt jo.
Warum kauft man denn Sorcinelli Düfte? Sicher nicht, weil sie so alltagstauglich, diskret und unaufdringlich sind.
Warum dann?
Als ich die Werbung für Reliqvia sah, ging es mir ähnlich mit seinen Poppersfläschchen, die er als Roll-On Düfte vermarktet.
Erster Gedanke (in Wiener Dialekt): "Naa...naa..geh bitte...der spinnt jo...der is jo krank."
Zweiter Gedanke: "Klingt jetzt aber gar nicht so übel, der könnt sogar was sein, den könnte man vielleicht tragen."
Also: Blindkauf, is ja wuascht, wenn er nichts ist, dann hübscht er das Parfümtischchen auf, das können die Sorcinellis von Haus aus ja ganz gut.

Heut ist er gekommen und ich hab ihn mir aufgesprüht und der erste Gedanke war "Bist gscheit, wie Montana Haustropfen" (Eine Kräuterlösung, die bei Magenbeschwerden eingenommen wird).

Tatsächlich entwickelt sich dieser Duft immer mehr zu einem absolut tragetauglichen Sorcinelli (ich bin selber etwas überrascht), den man am ehesten mit einem Frisch Umgeholzten Wald, in dem ein Griller steht und Holzkohle verglüht, während ein Ministrant mit einem Weihrauchfass ordentlich schwingt und man selber Johannisbeeren isst, verbindet.

Was der Duft kann: Faszinieren, Anziehen, Nerven, Abstoßen.
Entweder man kann mit diesem Kontrastreichen, sich ständig wandelnden Duft, oder eben nicht, denn überfordernd kann er auch sein.

Sehr dominant ist das Elemiharz und der Rauch, was es natürlich etwas stechend machen kann und die Johannisbeere auch etwas sauer.
Nach und nach klingt das aber ab und er wird weicher, holziger.

Die Faszniation, die Parfumeur und Marke auf mich und viele andere ausüben ist sicher mitunter ein Grund, warum ich diese Parfums blind kaufe und mich drauf verlasse, dass er unkonventionell wird.
In diesem Fall hat sich der Blindkauf auf jeden fall gelohnt, weil er etwas zurückhaltender als seine Vorgänger sind.
Und dazu auch noch dieses leicht klerikal Anrüchige. Das ist auch schön.
Aber sonst bleib ich dabei: Bitte der spinnt jo.
4 Antworten
Fahitty93 vor 3 Jahren 18 10
Das Tiroler Alpenmodel
"Wonach riechst du denn da?"
"Des is a Murmeltier, des hab ich mit bloßen Händen erwürgt und mich dann damit eingerieben"
SO animalisch riecht dieser Duft, dass man ihn ohne weiteres so bezeichnen könnte, ohne, dass er tatsächlich ins grausliche gezogen wird.
Die Liquides Imaginaires und ich haben eine komische Geschichte hinter uns, ein etwas skurriler Bekannter hat mal sehr intensiv nach Weihrauch gerochen und auf die Frage, was das denn sei wurde nur Augenklimpern: "Jaaaaaa, Fortis" geantwortet.
Die gibt es in Wien aber nur in einer Parfümerie und bis dato habe ich es nicht geschafft, tatsächlich eines zu probieren.
Bei einem Florenzurlaub bin ich dann in einem Kaufhaus an dem LI Regal vorbeigekommen und die Verkäuferin hat gemeint: Wir lassen den Bestand auf, die gibts derzeit minus 30%.
Meine Augen hätten einen Tunnel ausleuchten können, so gestrahlt haben sie und schon hab ich mich durchprobiert.
Neben den Anderen LI, die ich gekauft habe, hinterlässt aber dieses den nachhaltigsten Eindruck.
Warum?
Muss an den Bestandteilen liegen.
Zibet, Bibergeil, Skatol - alles dinge, die etwas fremd klingen und die es so nicht gibt.
Das Bibergeil - ein Pheromon, das andere Biber wuschig machen soll.
Zibet - aus der Zibetkatze extrahiert
Skatol - der Duft der Exkremente.

Tatsächlich ist Peau de Bete der ausdruck des Animalischen, man kann es am Besten mit einem Pferd, nach einem langen Rennen vergleichen, das dann schwitzt.
Auch wenn es nicht aufregend, laut und schrill ist, ist es umso dünkler, animalischer und wilder.
Es impliziert einen gewissen Urinstikt, etwas Raues, etwas Sauberes, aber etwas ungewaschenes - als ob man eine gewisse Patina hätte.
Selten ist es mir so schwer gefallen, einen Duft zu beschreiben, in Worte zu fassen - genau so selten ist es mir aber bis jetzt gefallen, die Faszination für diesen Duft einzuordnen.
Ich, der Normalerweise perverse Mengen an Parfum verwendet, bin mit 4 Sprühern davon schon überfordert und mein Umfeld noch mehr.

Keine Frage - in der richtigen Menge und richtig angewandt übt der Duft eine gewisse Anziehung auf das Gegenüber aus, ein gewisses Geheimnis, was man nicht fassen kann.
Und eben etwas raues, wildes - vielleicht wirken die Biberpheromone auch auf den Menschen.
An einer Biberburg in der Nacht würd ich damit jedenfalls nicht vorbeigehen.
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Fahitty93 vor 3 Jahren 6
Liebe urplötzlich!
Geplant war dieser Kauf ja nicht - aber als meine Stammparfümerie meine Achillesferse entdeckte - nämlich mir möglichst viele Pröbchen mitgeben und hoffen, dass zumindest eine dabei ist, die dann am nächsten Tag gekauft wird, muss ich einfach sagen: Burlington Arcade, das ist mir passiert!

Die Düfte des Hauses Atkinsons enttäuschen nämlich nie - so auch bei diesem.
Ich hab zu Hause einen Sprüher davon aufgesprüht und mich hats metaphorisch auf den Boden gesetzt. Augen zu, Nase auf - und ich war verliebt.
Frische, aber bisschen stehengelassene Zitrone fahren mit einer opulenten Würze und Süße gleichzeitig ein, aber derart subtil und edel, nicht aufdringlich oder störend, ganz im Gegenteil.
Haltbarkeit und Sillage sind top.
Wenn die anfängliche Würze abklingt, bleibt ein leicht orangig anmutender Süßholzduft zurück, der einfach nicht langweilig wird - chapeau.
Ich bin den ganzen Abend an meinem eigenen Oberarm gehangen und als ich am nächsten Tag dann das Hemd in die Schmutzwäsche gelegt habe, hat mich nocheinmal der Duft eingeholt, so dass ich ihn direkt gekauft habe und mittlerweile die zweite Flasche davon besitze.

Tatsächlich übt dieser Duft bei jedem Mal neu aufsprühen, tendenziell Herbst/Winter, erneut Faszination aus, weil Atkinsons mal wieder genau das schafft, was kaum eine andere Marke schafft: Traditionelles neu aufbereiten, ohne gekünstelt zu wirken.
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Fahitty93 vor 3 Jahren 2 1
Wir schreiben den 3.5.2021....
..und es hat bei mir knackige 12 Grad. Im Mai.
Er steht noch in der Ecke, vielleicht hat die Kappe schon ein wenig Staub angesetzt und wartet gebannt und geduldig.
Worauf?
Auf den Sommer, dort gehört er nämlich hin.
Mir ist dieser Duft damals verkauft worden mit den Worten: "Sie müssen sich vorstellen, wenn sie den auflegen und sie sind in der Sonne oder Schwitzen ein wenig, dann verändert er sich - und zwar grundlegend"
Ich war so angetan davon, ich MUSSTE ihn - mal wieder, die meisten Parfums MUSSTE ich einfach haben -kaufen und siehe da - ein Zitriger duft, wenn ich ihn aber mit einer Farbe assoziieren würde wäre es dunkelgelb - vielleicht mit einem kleinen Rotstich. Eine Dunkle Zitrone, wo dann die würze des Chilli relativ bald - auch durchaus aggressiv- reinfährt.
Alles in allem bleibt dieser Duft interessant und wird im Laufe des Tragens -und nachlegen muss man kaum, selbst bei einem sommerlichen, wie ihm - immer interessanter.
Er hat mittlerweile meinen Sommerclassic ab-gelöst, was mich auch ein wenig wehmütig macht, aber er ist ein würdiger Ersatz.
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Fahitty93 vor 3 Jahren 5 3
Hättest du gerne Poppers, Mason?
Warum höre ich Hannibal Lecter diesen Satz sagen, wenn ich den Schaumstoffverschluss, der als Kunstwerk des werten Herrn Sorcinelli verkauft wird, herunterschraube?
Warum habe ich das Bedürfnis, mir mit einer Scherbe aus einem Spiegel das Gesicht runterzuschneiden und an die Hunde zu verfüttern, während ein älterer Mann daneben steht und "noch nicht genug" sagt?

Mir war schon bei dem Namen und vor allem schon bei dem Überbegriff dieser Kollektion durchaus bewusst, dass dieser Duft vielleicht ein wenig unorthodox werden könnte.
Dass er aber untragbar wurde - damit habe ich so nicht gerechnet.
Es ist - wer bitteschön Erfahrung hat oder haben möge - wirklich dem Namen "Poppers" gerecht geworden.

Netter, teurer Gag, der ein Hingucker in der Parfumsammlung ist, aber für den Nächsten leider unzumutbar!
Aber danke, Filippo Sorcinelli, dass du dir nichts scheisst und mal was innovatives rausbringst - auch wenns halt nicht tragbar ist.
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