Fegefeuer

Fegefeuer

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Fegefeuer vor 2 Jahren 11 11
8
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Layering Inklusive!
Als ich einen schwarzen DIN A5 Umschlag in meinem Briefkasten vorfand, war ich erst verängstigt. Welches Amt legt denn so viel Wert auf Ästhetik und wie hoch wird die Rechnung sein? Aber nein, ich hab mich wohl irgendwann für eine Probe dieses Dufts eingetragen! Was in sich verwirrend ist, weil auch wenn man im Laden sehr teure Seife kauft und dann nach einer Duftprobe für zuhause fragt, einem gesagt wird, dass das nicht nachhaltig wäre und sich auch garnicht lohnt. Zwingt einem dann aber 2ml Gesichtscreme in einem kleinen Retortenbeutel aus Kunststoff- und Metallfolien auf.

Meine Handgelenke waren noch frei von Düften und somit probierte ich es direkt aus. In meinem Kopf bildeten sich Assoziationen zu etlichen Parfüms, weil ich so wohl mein olfaktorisches Gedächtnis geschult habe, anstatt mir einzelne Duftnoten einzuprägen.

Der erste Eindruck war pudrig wie "Concrete | Comme des Garçons" und staubig wie "Odeur 71 | Comme des Garçons" . Das Sandelholz ist stark ausgeprägt und erinnert sehr an "Santal 33 (Eau de Parfum) | Le Labo" . Danach habe ich mir die Duftnoten online angesehen und die Fahndung begann.
Der Pfeffer ist kaum bemerkbar, gibt nur eine unterliegende Würze und verstärkt das Sandelholz. Weihrauch kann ich bei bestem Willen nicht finden, denn auch hier gibt es nur hintergründig eine leicht rauchige Qualität. Die Hölzer sind der Vordergrund und Sandelholz der Protagonist, während Zedernholz nur der comedic Relief in Form des besten Freundes ist. Der Vetiver, wenn man ihn denn im späteren Verlauf wahrnimmt, wirkt wie ein Sprühstoß "Encre Noire (Eau de Toilette) | Lalique" der gelayert wurde.
Insgesamt ein sehr linearer Verlauf, der aber erstaunlich lange hält, weil ich noch abends den Duft auf dem Handgelenk riechen konnte, wenn auch sehr hautnah. Die Sillage konnte ich durch Belästigung der Öffentlichkeit leider noch nicht testen.

Wenn ich den Duft auf den Punkt bringen müsste, dann wäre es ein deutlich weniger intensives "Santal 33 (Eau de Parfum) | Le Labo" ohne die Dill-/Gurkennote mit der Würze aus "Blackpepper | Comme des Garçons". Geradlinig und alltagstauglich mit Potenzial zum Signaturduft, aber man wird sicherlich schon etwas ähnliches zuhause haben.
11 Antworten
Fegefeuer vor 2 Jahren 3
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
Ein Parfüm aus Lovecrafts Feder
Die Sonne nähert sich dem Horizont und ich blicke ungeduldig auf die Uhr. Es ist Zeit, gleich ist er da. Wir treffen uns immer außerhalb der Stadt, weil er leider nicht so gern gesehen ist. Tesfaye winkt mir aus der Ferne zu und ich rufe erkennend seinen Namen. Ich bin der Einzige hier der sich die Mühe macht, seinen Namen nicht mit unserem texanischen Akzent zu schänden.

Er legt seinen knochenfarbenen Rucksack auf der Schotterstraße ab und holte kurz Luft, bevor er anfing wild in seiner gewachsten Tasche zu wühlen. „Muss toll sein, jeden Tag die Meeresluft zu atmen.“ Das Leben hier ist mein Ruf, gewählt habe ich es so aber nicht. „Wenn da nur nicht die Eimer voll Fisch am Hafen wären.“, erwiderte ich mit einem müden Lächeln. Er lacht in sich hinein und verschluckt sich fast an seinen Worten. „Lehre einen Hungernden das Fischen und du ernährst ihn für sein Leben, oder?“
Er reicht mir wie jede Woche 22 Pfund Weihrauchharz aus Eritrea in einem amerikanischen Jutesack, der mal für Kartoffeln bestimmt war, im Austausch für 10 $ aus meinen Spenden und in Zeitungspapier gewickelten geräucherten Fisch, den er so gerne mag. „Ein bisschen Meeresluft für dich.“ Er schnuppert kurz an den Headlines letzter Woche und schluckt, damit ihm der Speichel nicht aus dem Mund läuft. Er geht zügig in die Hocke und gräbt einen kleinen Beutel aus seinem Ranzen. „Versuch das nächste Mal etwas hiervon. Den hab ich von einem Freund aus Madagaskar bekommen.“ Ich öffne den Beutel und das scharfe Aroma springt mir ins Gesicht. „Das ist nicht das gängige Zeug, was ihr sonst benutzt. Dieser Pfeffer wird in manchen Ländern als Medizin benutzt. Jetzt stell dir vor, was das mit deinem Fisch macht!“, preist er an. Dankend strecke ich meine Arme für eine Umarmung aus, als hinter mir jemand wütend meinen Namen ruft: „Ey, Bartholomew!“ Unsere Arme senken sich, Tesfayes Mundwinkel werden schwer. „Gott hat für solche Menschen einen Platz in der Hölle reserviert. Es tut mir Leid. Hab Dank und pass auf dich auf.“, verabschiede ich mich tröstend. Er schwingt seinen Rucksack um die Schulter und geht landeinwärts.

Mit meinem Sack voll Weihrauch und einem Beutel schwarzem Pfeffer in meiner Hosentasche, gehe ich Richtung blauem Horizont, wo die Sonne bereits den Ozean küsst. „Dein geräucherter Fisch ist zu gut, als dass du ihn so verschwendest.“, sagt Elijah Tabak schmatzend als ich ihn passiere. „Das selbe kann man von Gottes Vergebung behaupten, aber die schmeißt du mit deinem Verhalten direkt in die Tonne, Elijah. Grüß deine Mutter von mir und God bless.“ Ich höre hinter mir seine schleimige Spucke, die den Schotter trifft und gehe Richtung Hafen. Ich muss dort sein, bevor die Sonne im Meer untergeht, weil meine Albträume mich dazu peinigen. Ich möchte glauben, dass es Gott ist, der mich warnen will, aber es ist diese verdammte Stadt. Es gab schon immer einen Heidenrespekt vor dem Meer unter den Dorfbewohnern. Nur die Dümmsten trauen sich tatsächlich mit ihren Booten raus, versorgen damit aber das ganze Dorf. Außer Fisch haben wir nämlich nichts anzubieten und sind von Mooren umgeben, weswegen wir nichts anbauen können. Handwerklich begabt ist hier auch keiner und die filigranste Arbeit, die die Leute hier gemeistert haben, ist das Beladen der Trommel eines Revolvers.

Ich träume ständig von etwas am Boden des Meeres und ich habe aufgehört, meine Bettwäsche täglich wegen dem kalten Schweiß zu waschen. Es hat Flügel aus schuppiger Haut, Tentakel die aus dem Gesicht sprießen, es umhüllen und so viele purpurfarbene Augen, die scheinbar zu jeder Zeit in jede Richtung blicken. Weder Mensch noch Tier und auch keiner biblischen Beschreibung gleich. Algen umranken seine grotesken Gliedmaßen, Seepocken verschlingen seine pulsierende Haut und Fische kreisen um es herum, wie Geier um Aß. Doch ich weiß, dass es auf etwas wartet und wenn es aus dem Schlund emporsteigt, unser Dorf verschlingen würde. Je öfter die Albträume mich aus dem Schlaf rissen, desto weniger Angst hatte ich und habe mich an das Gefühl gewöhnt. Nach und nach konnte ich es besser aushalten, die Bilder in der Nacht genauer studieren. Es war ein Ungetüm, dass meine Fantasie nicht erfinden konnte. So wurde mir klar, dass es keine normalen Träume sein können. Es kann kein Zufall sein, dass ausgerechnet ich gewählt worden bin diese furchteinflößenden Visionen zu haben.

Ich gehe den Steg entlang. Die fischige Meeresbrise, die Tesfaye so liebt, weht salzig durch den Wind. Die algenbedeckten Holzpfähle die mühsam den Steg unter meinen Füßen tragen, sind schon lange überfällig. Ich muss zwischendurch am Pfeffer aus Madagaskar riechen, damit mir von der Gischt nicht all zu übel wird. Am Ende der Anlegestelle liegt eine Metallschale, die ich seit Beginn meiner Träume aufgestellt habe. Ich leere den Jutesack mit dem Harz hinein und zünde es mit meinen Streichhölzern an. Tesfaye hat mir nicht immer Weihrauch gebracht. Eigentlich kenne ich ihn für seinen exzellenten Kardamom, den ich als Gewürz für meinen geräucherten Fisch benutze. Dass er auch Harze besorgen kann, war gottgewollt.
In der Ferne geht eine Lampe an und spiegelt sich in den sanften Wellen. Es ist eines der Fischerboote und eine raue Stimme, die nur von Jonah stammen kann, ruft aus der Ferne: „Hey Priester, sollen wir den Gottesdienst nicht einfach zum Hafen verlegen?“ Dreckiges Gelächter schallt aus dem grellen Scheinwerferlicht. Jonah beichtete mir mal, dass er seine Aggressionen nur schwer unter Kontrolle hat. Es ist nicht selten, dass seine Frau Dolores Sonntags mit blauem Auge in meiner kleinen Kapelle sitzt.
Während ich dem glimmernden Harz zugucke, schmeißt mir jemand ein Seil zu Füßen. „Knote das Mal fest, Padre.“, sagte Gideon. Seine gelbe Schürze ist mit Blut und Fischinnereien bedeckt, weil er den ganzen Tag die Fischköpfe mit seiner Keule zu Brei zerschlägt. Wenn er nicht wäre, könnten wir die Fische viel besser verkaufen. Die beiden springen aus dem Boot, dass sie Tempest getauft haben und Jonah trägt die Wanne voll totem Fisch an mir vorbei. Gideon bleibt kurz neben mir stehen, seine Hand am Revolver im Holster. Sein Atem stinkt nach selbstgebrannten Moonshine und er wie ein verschwitztes Tier. „Ich hasse Weihrauch. Du hast Glück, dass Gott dich schützt. Bis Sonntag, Bartholomew.“, sagte er und ging weiter, noch bevor er fertig gesprochen hat. „Bald, bald“, flüstere ich mir zu.

Der kalte Weihrauch verdrängt die Seeluft und gibt mir ein Gefühl der Geborgenheit, während ich sehnsüchtig in die Ferne blicke. Der dunkle Himmel verschmilzt mit dem Meer und ich sehe nur noch Mitternachtsblau. Es macht keinen Unterschied mehr, wenn ich meine Augen schließe. Irgendwo schläft er und wartet, dass er dieses Dorf endlich erlösen kann. In seinem Haus in R'lyeh wartet träumend der tote Cthulhu.
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Fegefeuer vor 2 Jahren 22 3
9
Flakon
4
Sillage
5
Haltbarkeit
9
Duft
Guccis Absolution
Wer auch immer Guccis Düfte tauft, mag ein wahrer Poet sein, aber die Werbetexter treten ihn mit Füßen. Wie ein überanalysiertes Gedicht im Deutschunterricht der sechsten Klasse, wurde dem Author die Stimme genommen und man kann mich nicht vom Gegenteil überzeugen.

I Loved You At Your Darkest ist nicht nur ein grandioses Album der polnischen Death Metal Band Behemoth, sondern auch eine Phrase, die der Bibel entspross. Nun kommt der Satz trotz zahlreichen Zitaten auf bestickten Kissen garnicht in der heiligen Schrift vor, bezieht sich aber zusammenfassend auf Roemer 5:8. Eine für sich düstere Passage über den Tod Jesus Christus, welcher nicht für den Menschen starb, weil er würdig ist, sondern weil er sündigt. So war der Mensch an seinem tiefsten Punkt und wurde dennoch mit Liebe überschüttet. Die fleischgewordene Absolution, wenn man denn daran glauben mag. Das Opfer für die Unwürdigen.

Es wäre eine wundervolle sakrale Analogie zum Duft. Der zeremonielle Weihrauch, der blasphemische Pfeffer und das hölzerne Kreuz. Meine Deutschlehrerin wäre jetzt stolz darauf, wieviel Bedeutung ich mir aus der Nase ziehen konnte. Ob das Kreuz aus Zeder war, sei mal dahingestellt. Nur was schreibt Gucci auf ihrer Webseite? Liebe scheint durch die Finsternis, wie ein Falke, der durch den Himmel schneidet? Da hat aber jemand krampfhaft versucht, etwas tiefsinniges zum Namen des Parfüms zu erfinden und ich bin kein Fan. Gott sei Dank ist der Duft besser, als die versäumte Chance imposanten Storytellings.

Nach Erhalt meiner Abfüllung habe ich ketzerische Mengen auf meinen linken Unterarm versprüht. Direkt einen Milliliter fehlen zu sehen, schmerzte wie Nägel durch Hand und Füße. Als ich meinen überdimensionierten schlesischen Riecher gegen meine Haut presste, zeigte sich zuerst der Pfeffer. Leider bei weitem nicht so authentisch wie ich es von "Armani Privé - Bois d'Encens | Giorgio Armani" kenne. Der Pfeffer ist sehr scheu und mild, zeigt eher die minzigen Facetten, die er frisch gemahlen haben kann und ist stumpf. Der Weihrauch gesellt sich mit seinem ätherischen Qualm zügig hinzu, als wäre er einem leuchtenden Stern zur Krippe gefolgt. So leicht und kühl, dass er zu jeder Jahreszeit passt und erinnert stark an "Series 3: Incense - Kyoto | Comme des Garçons" . Der Pfeffer gibt allem eine gewisse Tiefe, ordnet sich aber unter und bleibt im Hintergrund.
Kurzweilig zeigt sich eine liebliche Seite, präsentiert einen flüchtigen floralen Akkord bevor es plötzlich in Kernseife, Weichspüler und frisch gewaschene Wäsche mündet, was ich nie erwartet hätte. Das Parfüm weiß scheinbar nicht, was es sein will, wandelt seine Gestalt durchgehend, hält meine Nase aber gespannt auf der Haut. Ein aufregendes olfaktorisches Kino und das war gerade mal die erste Stunde!
Die eigentliche Erwartung an die Duftpyramide zeigt sich erst mit voranschreitender Zeit. Der Pfeffer wird deutlich schärfer, das Zedernholz zeigt sich endlich und aus dem Nichts kommt verbrannte Butter, aber wahrscheinlich nur, weil ich den Pfeffer so sehr mit Essen assoziiere. Jedes Mal, wenn ich diesen Duft inhaliere, rieche ich etwas Neues, bleibt aber durchweg rauchig-würzig.

Müsste ich es bildlich beschreiben, dann wäre es eine kleine steinerne Kapelle in den italienischen Bergen mit hölzernen Sitzbänken. Die Tür ist offen, die kalte Erinnerung des Weihrauchs liegt in der Luft. Der Pfarrer hat draußen Wäsche aufgehangen und mahlt schwarzen Pfeffer in einem Mörser, weil er später für sich und ein paar Dorfbewohner Cacio e Pepe macht. Sorry, mehr ist schreiberisch gerade nicht drin.

Den Duft kann man idealerweise zur Beichte tragen, weil er sehr hautnah ist und mit viel Glück und Gottes Segen nur den Klaustrophobie induzierenden Beichtstuhl erfüllen würde. Nach 5 Stunden ist er auch nicht mehr wirklich wahrzunehmen, aber damit sollte ein fruchtvolles Jahr an Sünden abgedeckt sein, bis der Priester uns vergebend nach Hause schickt. So ist der Preis des wunderschönen Flakons eine Ohrfeige ins Gesicht, aber da halte ich die andere Wange hin. Love at your Darkest ist eine bildschöne Komposition, aber wird wegen der Haltbarkeit und Sillage für die Allgemeinheit unwürdig sein. Ich liebe ihn trotzdem, weil ich so gütig bin.
3 Antworten
Fegefeuer vor 2 Jahren 17 7
8
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Kernseife und Weltschmerz
Auf einem Trip durch Frankreich machten wir Halt in Marseille. Die mediterranen Altbauten rekelten sich in der Sonne, als wir einfuhren. Das Leben spross aus jeder Ecke, Autos verstopften die Straßen und die Unruhe war ansteckend. Wegen der Erfahrungsberichte von Diebstahl und Gewalt verbargen wir unser Hab und Gut im Auto, aus dem wir die letzten Tage lebten vor fremden Blicken. Wir markierten unseren Parkplatz auf der Karte, damit wir es im asphaltierten Labyrinth wiederfinden.

Menschen murmelten sich ihre Tagespläne zu oder torkelten bei Rot über die Ampel, während wir nur zögerlich die Straße überquerten, weil wir nicht von lebensmüden Mopedfahrern gerissen werden wollten und eine grüne Fußgängerampel hier keine Jurisdiktion hat. Es gehört wohl zum Savoir-vivre, dass die Verkehrsregeln nur eine reine Empfehlung sind. Die Personen, die in jeder Sicht nüchtern schienen, strahlten eine Grundaggressivität aus, trugen ihren Weltschmerz nach außen und kontemplierten die nächste Schlägerei oder spurteten hektisch über die Schlaglöcher, damit sie keine Motorhaube schmücken. Bilder haben wir nur wenige gemacht, weil das Handy zu zücken jedes Mal das Risiko barg, es zu verlieren. Dabei war die Stadt eine alternde Augenweide und so schön anzusehen.

Es war Hochsommer und die imposante Architektur bot Zuflucht in ihrem Schatten. Es wurde so hoch gebaut, wie es der technische Fortschritt zur Zeit der Errichtung erlaubte. Man starrte stetig in den Himmel, um nicht das Zeitgefühl in den von den Häusern verdunkelten Wegen zu verlieren. Es war den ganzen Tag Abend, während man in den Gassen versucht hat, seinen Weg zu finden. Alles, was man mit gestreckten Armen erreichen konnte, war in Graffiti gehüllt. Die Gehwege waren abgenutzt und müde, weil sie zu viel gesehen haben. An einer Ecke blickte man in eine scheinbar endlose, kerzengerade Straße, welche sich gen Horizont hinabwölbte und von den verzierten Bauten umrahmt war. So war die französische Großstadt auf ihrem Sterbebett mit vielen dieser Lichtblicke bestückt, die den Atem raubten.

Eine unvergleichbare urbane Aussicht, aber wir wussten, dass wir nicht allzu viel Zeit in Marseille verbringen wollten. Nicht nur, weil wir uns nicht willkommen fühlten, aber auch, weil der Schweiß sich mit dem Dove Deo vermengt hat und die Dusche im nächsten Airbnb unseren Namen rief. Deswegen ist dieses Eau de Toilette von Comme des Garçons wahrscheinlich die näheste Sommererinnerung für mich, weil ich nie viel gereist bin und ich die von mir besuchten Sandstrände an einer Hand abzählen kann. Es ist der Hitzschlag in der Dachgeschosswohnung inmitten einer Beton-Metropole und die kalte Dusche mit Kernseife auf der mit Deodorant besprühten, verschwitzten Haut. Ebenso wunderschön wie die namensgebende Stadt mit einem dreckigen Unterton, weil unter all der Schönheit doch eine Anstrengung liegt zu sein.
7 Antworten
Fegefeuer vor 2 Jahren 9 2
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
6.5
Duft
Wonderwood trifft Concrete
Null ist der universelle Ausgangspunkt, bevor sich unsere Existenz in Jahren addiert, wir unsere Einnahmen monatlich multiplizieren oder simpel ausgedrückt - hinzufügen, was vorher nicht war. So soll Zero von Comme des Garçons die Grenzen zwischen maskulin und feminin verschmelzen, weil die jeweiligen Attribute der Männlichkeit und Weiblichkeit auch nur von uns hinzugefügt wurden. Vorher war es Null.

So ist der Flakon, der sich in der Mainline findet, von jeglicher Identität befreit. Keine abhebende Farbe, kein besonderes Packaging. Einfach nur Glas in einem weißen Karton, kein suggestiver Colorcode. Einfach.

Der Duft selbst ist eine Anhäufung gegensätzlicher Stereotypen. Der erste Spritzer auf der Haut ist seifige Chemie, die unverzögert vaporisiert. Danach offenbart sich süßes Holz, welches eine starke Vanillenote hat. Über dem würziger werdenden Holz legt sich ein floraler Puder, die Rose ist nur suggeriert, und die Synthetik kehrt zurück. Die Konzeption der Reduzierung ist der rote Faden, deswegen gibt es leider nicht viel mehr zu entdecken oder in lyrischen Ergüssen zu vergleichen.

Die erste Assoziation, die ich hier hatte, war tatsächlich die Kreuzung aus Wonderwood und Concrete. Nur nicht so schön, wie es sich liest. Leider eine verschwendete Idee, weil die Umsetzung hätte interessanter sein können. Im Drydown geht die DNA von Comme des Garçons verloren und ist somit von anderen Designern nicht mehr zu unterscheiden - synthetisch, holzig, pudrig. Die Haltbarkeit ist typisch für die Marke überdurchschnittlich.
2 Antworten
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