Felicity
Felicitys Blog
vor 6 Jahren - 15.07.2018
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Auch unsere Eltern hatten schöne Düfte - Streiflichter aus dem Radebeuler Parfümmuseum

Dem Osten weine ich keine Träne nach. Zu gegenwärtig sind mir noch die bedrückende Atmosphäre auf Behörden, die ständigen Erfolgsmeldungen im Radio, die unumgängliche Rotlichtbestrahlung in Schule und Studium und natürlich die täglichen Engpässe in Bezug auf die „Waren des täglichen Bedarfs“ …

… von den bestens versteckten Widerlichkeiten ganz zu schweigen.

Das alles ist mir wohl bewusst und gleichzeitig gab es auch noch eine schöne Seite des Lebens in der DDR, die in meinen Augen gewöhnlich zu kurz kommt in der Darstellung der Medien. Und - die dem oft abgewerteten Leben der Generation meiner Eltern im Osten sehr wohl etwas entgegen zu setzen hat.

Düfte, ihre Flakons und die Gestaltung ihrer Verpackung gehören eindeutig dazu. Davon kann man sich in Radebeul bei Dresden überzeugen. Hier hat jemand diese Wässerchen zusammengetragen und liebevoll in Vitrinen so drapiert, dass frau/man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Dabei sind es nicht allein die Masse der etwa 2000 gesammelten Flakons, sondern die vielen liebenswerten, originellen und oft sehr aufwendigen Details der Verpackung. Zusammen mit den kleinen Geschichten der Ausstellerin entsteht das Bild einer eleganten und lebensfrohen Seite der DDR mit Humor und viel Sinn für ästhetische Feinheiten.

Treten wir also ein in das Duft-Gemach. Hier gibt es weniger zu riechen als vielmehr zu sehen. Gut beleuchtet stehen einige Vitrinen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, die der Damendüfte natürlich in der Mitte (1).

Hier haben wir die bereits genannten kleinen Blütenwumser aus der Duftbiografie in stattlicher Anzahl zusammengetragen in der Mitte links, darüber „Berliner Luft“ in Flaschen als Eau de Cologne. Links oben dann die handgedrechselten Dosen für Parfümsprays aus Holz mitindividueller Deckelgestaltung.

Aber auch diese kleinen Kerlchen hier, scheinbar aus einem „Parfümtheater“ entsprungen, bestechen durch ihre Fantasie und Originalität (2)

Und natürlich darf in diesem Theater auch die ganz große Oper nicht fehlen (3).

Ein Hingucker sind auf jeden Fall auch diese Flakons hier mit echten Blüten aus dem Ostblock-Regal. Außer Maiglöckchen gibt es hier auch Kirschblüte und Flieder zu bestaunen. (4)

Schon in den 50ern gab es anzügliche Verpackungen, wer hätte das gedacht. Ziemlich frech, oder? (5)

Etwas Besonderes in Bezug auf eine frühe Form der Kundenbindung ist auf jeden Fall der Contezza-Duftstick mit seinem handschriftlichem Miniatur-Liebesbrief. Hier lesen wir das folgende Gedicht, verziert mit kindlichen Vignetten:

„An Dich! / Ich will dir ein Geständnis machen / doch darfst du nicht darüber lachen / ich möchte – bin ich auch nur klein - / dein ständiger Begleiter sein. / Ich bring dir Glück als Talisman / den man nicht mehr entbehren kann. / Auf deiner Haut erblüht mein Duft / gleich köstlich warmer Balsam-Luft. / Und dieser Charme, der dich umgibt / ist`s, der bezaubert, den man liebt! / Und auch die Anmut, die dir eigen / wird sich in neuem Lichte zeigen! / So möcht` ich immer bei dir sein, / Im Sonnen- und im Mondenschein / damit ich steigere jederzeit / den Zauber der Persönlichkeit. / Glück möcht`ich in dein Leben bringen / mit meinem Duft vor allen Dingen. / Dass freudevoll die Tage rinnen / Versuchs! Du wirst mich lieb gewinnen!! Dein Contezza-Stift“ (6)

Doch treten wir nun zu den Männerdüften – nicht ohne ein zeitgemäßes Konterfei (7).

Tüff! Das Herrenregal. (8)

Schon morgens im Bad kann ER mit Autos und Bussen spielen - so er die passenden Duftsets gekauft hat (9):

Auch findet der fröhliche und wilde Mann hier Anregungen für seine Freizeit: Pferde-Rennen, Wettrennen im Sulky und Wildwasser-Rafting sind als Idee im Angebot, Letzteres klar korrespondierend mit der Nassrasur als solcher (10)

Und wenn ER bei der „Stadtbeleuchtung Dresden“ oder der NVA einen guten oder zweifelhaften Job hat, steht hier im Bad vielleicht eine duftende Erinnerung im Regal, „überreicht vom Kommandeur der Panzerdivision“ (11)

Mit diesem Kleinod männlicher Alltagskultur möchte ich meinen Bericht über den Duft nicht der „großen weiten“, sondern der „kleinen engen Welt“des Arbeiter- und Bauernstaates vorerst beenden. Zu vermuten ist, dass einige der Duftwässer eng an westliche Vorbilder angelehnt wurden – so wie das ja auch in der Schlagerbranche mit Liedern üblich war.

Ein paar ergänzende Fotos lade ich noch in mein Fotoalbum hoch…

Für interessierte Parfumos: Weitere Informationen sind im Internet unter ddr-parfum.de zu finden. Viel Spaß dann und Inspiration :-)

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