Fengaraki

Fengaraki

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1 - 5 von 14
Fengaraki vor 4 Jahren 38 11
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Flakon
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Haltbarkeit
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Duft
Vive la révolution!
In Brillengeschäften wird lange nicht mehr nach Damen- (linke Wand) und Herrenmodellen (rechte Wand) unterschieden. Selbstbewusst trägt die Frau ebenso selbstverständlich einen grauen Einreiher wie der Mann einen pinkfarbenen Pullover. Die namhafteren Hersteller von Nischen- und Exklusivdüften verwenden nur noch eine Flaschenform für alle Düfte – wo es früher eine optische Unterscheidung gab (etwa bei Parfums de Nicolaï), wurde sie irgendwann abgeschafft.

Der Parfüm-Massenmarkt scheint eine der letzten Bastionen des im Untergang begriffenen alten Gender-Denkens zu sein. Wann immer in den letzten zwanzig Jahren ein Damenduft lanciert wurde, war die Frage nur, welche in süße Blüten eingebettete süße Frucht diesmal im Mittelpunkt stehe. Zuwiderhandlungen gegen das Geschmacksdiktat wurden umgehend geahndet: Als 2011 das staubig-zartbittere Shalimar Parfum Initial angepriesen wurde, das so gar nicht ins pseudomädchenhafte Muster passen wollte, sondern, leicht altjüngferlich, irgendwo zwischen Mundgeruch und Bordellbesuch changierte, dachte ich: »Na, Guerlain traut sich ja was!« – das Parfüm war, zusammen mit seinem einzigen Verzweiflungs-Flanker, schneller wieder aus den Verkaufsregalen verschwunden als man »L’Eau« stöhnen konnte.

Kommen wir zu No. 19. Nein, es handelt sich nicht um einen Chypre-Duft, denn ein Anklang an den charakteristischen hesperidisch-moosigen Akkord ist zwar durchaus vorhanden, hält sich aber, anders als bei tatsächlichen grünen Chypre-Parfüms (vgl. Alliage) im Hintergrund. Woher kommt dann aber jene bittere Frische, die sofort an ein Chypre denken lässt? Es ist, neben der großen Dosis Galbanum (vgl. (schon wieder) Aliage), wohl vor allem die Qualität der Rohstoffe des floralen Zentrums. Ja, No. 19 ist ein blumiger Duft – aber alles Süße, Weiche, Schmeichelnde ist dieser Komposition fremd, stattdessen sorgt die gnadenlose Betonung des scharf-grün-bitterfrischen Aspekts aller Blüten dafür, dass No. 19 bar jeder Lieblichkeit erstrahlt. Dieser Eindruck ist im eau de toilette am deutlichsten, am extremsten ausgeprägt; zu diesem sollte also greifen, wer nicht für halbe Sachen zu haben ist.

No. 19 ist kein Duft des Herzens, sondern des Verstandes, er verführt nicht, sondern macht klare Ansagen. Er verhöhnt das primitive Frauenbild des ganzen aufgeschicksten Beauty-Departments. Hätte Chanel als tonangebendes Haus am Markt (statt des in jeder Hinsicht unfassbar mittelmäßigen Gabrielle) diesen Duft von 1971 heute als Interpretation eines zeitgemäßen weiblichen Ideals lanciert, wäre dies einer dringend nötigen Revolution gleichgekommen.
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Fengaraki vor 4 Jahren 2
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Flakon
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Sillage
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Haltbarkeit
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Duft
Der eleganteste Turnschuh der Welt
Unter allen sportlich-würzigen Herrendüften der jüngeren Vergangenheit ist »Bleu de Chanel« der mit Abstand raffinierteste – und eben dieses Raffinement ist sein Kardinalfehler. Ja, die kaum isolierbaren zitronig-holzig-würzigen Aspekte des Duftes verbinden sich zu einem harmonischen Ganzen. Der Brückenschlag zwischen hochgestochenem Konzept und profanem Gegenstand allerdings schlägt fehl – der eleganteste Turnschuh der Welt passt weder zum Frack noch zum Jogginganzug.

Während das verwandte »Cool Water« ungeschlachte Lebensfreude versprüht, erstarrt »Bleu« in ausgefeilter Banalität. Ziselierte Verfeinerung führt diesmal in die ästhetische Sackgasse und der Duft gerät so zu einem Mahnmal der Hybris eines führenden Parfümhauses, welches gedankliche Originalität durch technische Perfektion ersetzen zu können glaubt.

Und mit den Varianten Eau de Parfum und Parfum wird die Situation nicht besser.
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Fengaraki vor 8 Jahren 10 3
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Flakon
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6
Haltbarkeit
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Duft
Maskenspiel
Die rosa Farbe der Flüssigkeit in der uninspirierten Flasche mit schwarzem Trauerrand lässt »Les Folies de Fath« wie die uneheliche Tochter von »La petite Robe noir« und »Miss Dior Chérie« erscheinen und verheißt damit wenig Gutes – aber hinter der Maske (die bei meinem Flakon leider gar nicht vorhanden ist) verbirgt sich ein überraschend emanzipierter Duft, der um die zentrale Note des Pfeffers herum komponiert ist und dessen peripherer Dreiklang aus (pfeffriger) Rose, (pfeffrigem) Weihrauch und (pfeffriger) Frucht dieses Mysterium subtil in weichem Dämmerlicht umwabert, sodass die bis zur langsamen Verflüchtigung kaum abnehmende Schärfe sperrig bleibt ohne je unangenehm zu werden. Interessant ist der Duft allemal, gefällig nicht.

Im Film »The Addams Family« schneidet Morticia Addams den Rosen die Blüten ab, um bloß deren dornige Stengel in der Vase zu drapieren – »Les Folies de Fath« gefiele ihr bestimmt.
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Fengaraki vor 8 Jahren 20 3
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10
Duft
Legenden
Manche Legenden strahlen den Schein der Göttlichkeit bloß aus solange man sie von fern auf ihrem Podest bewundert – ein Nähertreten kann ernüchtern. Nur echte Größe hält auch der genauen Betrachtung stand. Das berühmteste Parfüm der Welt hat sich über die Jahrzehnte, trotz allgegenwärtiger Verfügbarkeit, die Aura des Begehrenswerten bewahren können.

Den großen Guerlain-Parfüms ist wegen der harmonischen Ausgewogenheit ihres barocken Prunks deutlich anzumerken, dass sie aus einer anderen Zeit stammen – »No. 5« fällt genauso aus der Gegenwart heraus, doch überspielt bei ihm farblos schimmernde Leichtigkeit eine darunter erahnbare melancholische Tiefe, wodurch seine formvollendete Zurücknahme als Gestaltlosigkeit missverstanden werden mag. In einer Welt, deren Schnelllebigkeit sich der geduldigen Auseinandersetzung verweigert, braucht gerade diese Legende den prüfenden Blick, um jenseits der medialen Bedarfsweckung für das wertgeschätzt werden zu können, was sie tatsächlich ausmacht: Die höchste Parfümkunst.

Erstaunlicherweise ist das parfum in seiner beinahe fruchtigen Reife schwebender Blüten sogar noch heller und strahlender als das ihm sehr ähnliche, aber insgesamt etwas schlichter gestaltete, eau de toilette. Das eau de parfum weicht insofern von ihnen ab, als es dunkler und holziger anmutet. Alle drei Varianten gehören zu den vollendetsten Düften, die eine Parfümsammlung enthalten kann.
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Fengaraki vor 8 Jahren 14 2
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Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Ach, so brich auch meine Ketten!
»Opium pour Homme« ist pure männliche Erotik – nicht diejenige eines kultivierten Schönlings, sondern diejenige eines gefesselt für den römisch-dekadenten Triumphzug geschmückten Barbarenkriegers, der vor lauter Muskelmasse kaum weiß wohin mit seiner ganzen Kraft – und von dessen schierer Präsenz tiefe Vibrationen übersüßer Schwere ausgehen wie eine lockende Drohgebärde. Halbnackt im Purpursamt-Lendenschurz, kündigt das dumpfe Dröhnen seiner Schritte ein Erdbeben an, das am Ende wider Erwarten ausbleibt. Die Ketten halten stand.

Der Duft wirkt, als konzentriere sich in ihm der gesamte Schwulst dessen, was ein französischer Parfümeur für orientalisch halten könnte. Dabei ist die eigentlich geradlinig erscheinende Komposition von fruchtig eingedämmter Vanille so dicht und drückend, dass man glückselig von ihr berauscht nach Luft schnappen möchte.

Und im gewaltigen Schatten dieses eau de parfum schlurft die dürre Jammergestalt des eau de toilette als leere Drohung einher. Die nirgendwo mehr als bei »Opium pour Homme« angeratene Ausdünnung verwandelt leider in diesem Fall geballte Schlichtheit in verwässerte Banalität.
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