FioreMarina

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FioreMarina vor 1 Jahr 30 17
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Duft
Iris und ich
Auf irgendeinem Forum, ich erinnere mich nicht mehr, auf welchem, gibt es den Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. Ziemlich genau so würde ich mein Verhältnis zu der Iris beschreiben. Falls ihr nun denkt, das muss an mir liegen: tut es nicht, das schwöre ich. Denn natürlich liebe ich sie: ich liebe sie wirklich. Wenn sie bloß nicht so schwierig wäre!

Ein bisschen fühle ich mich mit ihr wie auf der Suche nach dem heiligen Gral: ich habe ein Bild von ihrem Wesen, ich weiß, wie sie sein müsste, ach was: wie sie tief drinnen ist (nämlich genau so, wie ich sie mir wünsche) und ich jage ohne Ermüdungserscheinungen der Erfüllung meiner Vision einer königlichen, sanften, strahlenden, lippenstiftigen, frischen, süßen, verführerischen, pudrigen, verspielten, boudoirigen, eleganten Iris nach: wer sich die Mühe machen möchte, kann ja mal meine Sammlung checken: ihr werdet sehen, sie fehlt in kaum einem Duft. Und ratet mal? Sie ist nicht dabei, die Iris- Vision, meine ich. Annäherungen, ja. Wirklich schöne Düfte, in denen sie aufblitzt. Und dann ist sie wieder weg. Oder sie ist zu staubig oder zu schmuddelig oder zu künstlich oder zu kalt. Oder in der falschen Gesellschaft.

Letzteres zumindest kann man Molecule 01 + Iris nicht im übertriebenen Ausmaß zum Vorwurf machen, denn es ist außer der Iris dort nur Iso E Super gelistet und das ist, nun ja, eine schmale Begleitung.

In M+, wie es minimalistisch-großkotzig fett auf Verpackung und Flakon zu lesen steht, wird sich ohnehin nicht mit Überflüssigem aufgehalten: Kopf, Herz, Basis, überhaupt flankierende Inhaltsstoffe: Das ist so 2005! Hier kommt es mir eher vor, als würde Geza Schön sagen: „Alter, willst du Iris, ja? Willst du jetzt echt Iris oder was? Kannst du haben, Alter. Und zwar jetzt und zwar sofort.“

Und zwar voll auf die Zwölf.

Ich muss die Sache an dieser Stelle ein bisschen strecken. Denn wenn man anfängt, den Duft an sich zu beschreiben, wenn man sich also anschickt, die bereits erwähnten Kopf, Herz und Basis der geneigten Leser*in anschaulich vor die Nase zu führen, tja… dann ist man halt eben auch schnell wieder durch.

Aber eigentlich muss man ja, um den Spirit dieses Werks vollständig zu erfassen, wirklich schon bei der Verpackung beginnen. Die erinnert nämlich, in metallicblau und mit der großen weißen M3 Aufschrift eher an ein Nahrungsergänzungsmittel für Bodybuilder als an ein Duftkunstwerk. Man könnte auch an eine Großpackung Viagra denken, der Farbe wegen und auch wegen des Mangels an Poesie: Es ist nämlich so, dass Performance Poesie nicht ersetzen kann. Die Funktion allein macht nicht das Erlebnis.

Denn, das muss man ihr lassen, die M+ Iris performt. Sie funktioniert. Sie stößt beim ersten Drücken des Sprühknopfes ansatzlos durchs Nasenloch direkt hinauf in den Frontallappen wie ein übermotiviertes Coronateststäbchen. Und was im Hirn ankommt, ist das Bild einer 3D Iris an einem Frühlingstag im Metaverse: nicht exzentrisch, nein. Sondern massengängig, übergroß, glasklar, kalt. Und tot.

Es gibt nichts, was diesen Eindruck mildert, nichts, was die molekulare Monster-Iris umschmeicheln, was sie weicher, schöner oder irgendwie lebendig machen würde. Vielleicht ja dieses Iso E Super, für die drei begnadeten Nasen, die da etwas anderes riechen können als Säure. Mir katapultiert sich diese Iris einfach unvermittelt und faustschlagartig ins Duftbewusstsein. Und dort bleibt sie und verändert sich nicht. Vergesst das mit dem Duftverlauf, sie macht keine Entwicklung durch, gar keine, wenn man davon absieht, dass sie in der immer gleichen penetranten Intensität irgendwann nachlässt und dann halt weg ist.

Zu diesem Zeitpunkt taumele ich zwischen der Erleichterung über ihr finales Entschwinden und Ratlosigkeit: ist das jetzt Kunst? Wie das pechschwarze Viereck, das damals dieser Russe, ich hab seinen Namen vergessen, auf die Leinwand gebracht hat, gewissermaßen als die Verkündigung des Letztgültigen, des Ultimativen, des Endes aller Kunst. Bin ich einfach nur altmodisch, dass ich mir wünsche, es möge diese Sache mit Kopf, Herz und Basis geben und ein bisschen Phantasie?
Vielleicht bin ich das ja wirklich. Aber ich kann mir nicht helfen, ich mag auch gar nicht: ich werde diesen apokalyptisch ausgerufenen Gruselklon von einer Iris nie, niemals als meinen Gral akzeptieren. Dann irre ich lieber weiter durchs Duftuniversum, von seelenlosen Weltraumdüften, exzentrisch, molekular, was weiß ich was gejagt, aber unverzagt und hoffnungsfroh: Irgendwann, Iris meiner Träume, irgendwann finde ich dich. Und dann liebe ich dich. Für immer.
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FioreMarina vor 2 Jahren 23 17
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Duft
Luciano oder: Warum Postkarten nicht sterben dürfen
Es ist eine Schande, sagt Luciano. Eine Schande, dass es Cartoline, die Postkarten bald nicht mehr geben wird.
Er klemmt sich die Zigarette in den Mundwinkel, weil er die Hände zum Reden braucht und macht eine ausladende Geste hin zu dem Ständer mit Postkarten, die er verkauft. Sie sehen ausgebleicht aus, was mich nicht wundert, denn die Sonne in Porto Sabina ist heiß. Und in der Sonne stehen sie wohl schon seit längerem.
Für Luciano ist das kein Unglück, jedenfalls kein finanzielles, denn abgesehen von den Karten verkauft er noch so allerhand mehr an die Leute im Dorf und natürlich an die Römer, die Mailänder und Florentiner, die jeden Sommer kommen und dem Ort zu einem bescheidenen Wohlstand verholfen haben: Zeitungen, Gummitiere und Badelatschen, und seine Frau vermietet die Zimmer oben im Haus, mit Blick auf den kleinen Hafen und die schaukelnden Fischerboote.
Man wird davon natürlich nicht reich, sagt Luciano. Aber wen stört das, solange die Sonne scheint und der Cafè nicht ausgeht und die Azzuri gewinnen?
Luciano trifft man übrigens nur ausnahmsweise in seinem Geschäft. Meistens bezieht er Stellung am immer selben Tisch der Bar nebenan, wo er Cafè in absurden Mengen konsumiert, ohne dass es jemals seinen Blutdruck hebt, und den Laden ebenso im Auge behält wie das Treiben im Hafen. Wer vorbeikommt, bleibt stehen oder setzt sich dazu: so wie ich an diesem späten Nachmittag, an dem Luciano mit weit ausholender Geste sein Bedauern über das Ende der Postkarten kundtut.
Die Leute schreiben keine Postkarten mehr, klagt er. Sie schreiben diese Dings, äh… What’s App – Nachrichten. Aber: Ma dai, bittesehr, das kann doch jeder, so eine Nachricht schreiben und dann ein schlechtes Foto dazu schicken.
Er fixiert tadelnd das Glas mit Limoncello auf Eis, das ihm Piero, der Barista und sein Freund seit mehr als 50 Jahren, vorhin gebracht hat: Aber so eine Postkarte, ah, das ist etwas ganz anderes! Du wählst sie aus, du denkst dir: Dieses Foto da, das mit dem Meer und dem Sonnenaufgang, das ist etwas für die Schwester, die ist doch so romantisch. Und dem Nonno schicke ich die Karte mit der Flasche Wein auf dem Tisch vor dem Olivenbaum. Verstehst du, verstehst du mich, was ich meine? Du schreibst, du wählst deine Worte sorgfältig, denn es ist nicht viel Platz und das Wesentliche soll ja auf der Karte stehen. Dann musst du zum Tabaccaio, die Briefmarken kaufen, dabei wirst du ein Schwätzchen halten und dich nach der Gesundheit seiner Frau erkundigen. Und dann geht die Karte auf die Reise, die weite Reise zu deinen Lieben nach Hause. Das braucht Zeit, un po ‘ di pazienza, es braucht Hingabe, sì, ohne jeden Zweifel.
Er nimmt einen Schluck Limoncello und sagt nach einer emphatischen Pause fast zärtlich: So eine Cartolina, so eine Postkarte, das ist Poesie. Er schaut mir in die Augen, ergriffen von der Wucht seiner Worte, und fügt hinzu: È amore, es ist Liebe, Cara, die du auf Reisen schickst, auf den langen Weg von Dir zu mir. Und dann, während er mit den Händen einen imaginären Schlussstrich durch die Luft zieht, sagt er, was alle Italienerinnen und Italiener sagen, wenn sie ihren Worten Letztgültigkeit verleihen wollen: Basta.


Ich bin nie nah genug an Luciano gekommen, um sein Parfum zu riechen und deswegen weiß ich nicht, ob er New Study / Postcard benutzt. Aber ganz sicher würde es ihm gefallen: Miller & Bertaux scheinen seine Auffassung zu teilen, dass die Postkarten nicht sterben dürfen - wohl deswegen haben sie ihnen ein Denkmal gesetzt. Und Lucianos Vorstellungen davon, was eine Postkarte bedeuten kann, auf wundersam poetische Weise in einem Duft interpretiert.
Das Herz des kleinen Labels schlägt im Pariser Marais, was an sich schon malerisch genug für ein Postkartenmotiv wäre. Ihre olfaktorische Postkarte verschicken Miller & Bertaux allerdings aus dem Süden, was vorrangig an dem Zitrusakkord liegt, mit dem der Duft startet: sehr frisch, sehr spritzig und ein wenig herb, wohl weil die beigesteuerte Orange nicht ganz reif ist und, wie ich glaube, der Abrieb der Schalen mit verwendet wurde. Der Duft wirkt an dieser Stelle transparent auf mich, fast ozonisch, wie ein wohltuendes Schattenfleckchen unter einem Zitronenbaum an einem sehr, sehr heißen Tag. Es muss wohl jemand das Gras an dieser Stelle frisch geschnitten haben, denn schon nach ein paar Minuten wird der Duft grüner, die Frische verändert sich, wird tiefer, ernster, ohne an Leichtigkeit einzubüßen. Manche riechen hier frische Minze: ich nicht. Aber es ist, als könnte ich von fern einen Rasenmäher summen hören.
In dieses sommerliche Bild tupft ein Künstler Weißblüher mit leichter Hand: Ich glaube, Jasmin und Tiaré zu erkennen, vielleicht aber nur, weil das die üblichen Verdächtigen wären. Sie zerstören den Eindruck der Frische nicht, aber sie geben dem Duft ein kleines Bißchen mehr Körper zu seiner flirrenden Transparenz, auch eine Spur zurückhaltende Süße. Fast zeitgleich wird es fruchtig, erst leise, dann tritt die Fruchtnote in den Vordergrund: frische Feigen, deren weiche Haut beim Aufbrechen einen hellgrünen, zartbitteren Duft verströmt, bevor die Früchte ihre Süße freigeben.
Bis dahin ist das Postkartenmotiv in seiner Schlichtheit und zurückgehaltenen Schönheit auf mühelose Weise elegant wie ein gut formulierter Urlaubsgruß, der es schafft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und gleichzeitig auf zärtliche Art persönlich zu sein. Aber würdet ihr mir zustimmen, dass eine Postkarte, um wirklich eine zu sein, noch mehr braucht für das gewisse Etwas, sagen wir: eine Brise Kitsch? Wie ein Strand, der, egal wie schön er ist, erst dann zu Urlaub wird, wenn einer darüber läuft und mit sonorer Stimme „Coco bello“ anbietet?
Bitte sehr: Kein Problem. Denn im Ausklang des Duftes stielt sich eine winzige augenzwinkernde Kokosnote ein, so als würde jemand sagen: Ma dai – ein Sommerparfum ohne Kokos? Was bitte soll das sein? Ich glaube ja, Miller & Bertaux haben Sinn für Humor. Und schenken dem Duft in seinem Abgang eine lächelnde Kusshand mit auf die Reise.
New Study / Postcard hat alles, was eine gute Postkarte braucht: es wirkt ungezwungen und ungekünstelt, fast impressionistisch hält es die Leichtigkeit eines Sommerurlaubes fest. Und da Postkarten kein Geschlecht haben, hat auch das Parfum keines: Es steht Männern so gut wie Frauen und allen Menschen, vorausgesetzt, dass sie den Sommer lieben.
Es ist ein unaufdringliches, aber ein eindrucksvolles Plädoyer dafür, dass die Postkarten nicht sterben dürfen. Und wenn das nicht Poesie ist, dann weiß ich’s auch nicht. Ecco, und wie Luciano sagen würde: Basta.

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FioreMarina vor 2 Jahren 47 20
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Duft
Phoenix oder: Der Sieg der Rose
Vorbemerkung: Liebe Alle, die Ihr Euch fragt, ob Ihr das Folgende lesen sollt: es ist wahrscheinlich keine gewöhnliche Rezension. Aber es sind auch keine gewöhnlichen Zeiten. Wer sich vor allem eine sachliche Analyse des Dufts wünscht, wird vielleicht enttäuscht sein und ist besser bei den wunderbaren Rezensionen meiner Vorgänger und Vorgängerinnen aufgehoben. Aber ich möchte mit jedem, der mag, diesen sehr persönlichen Zugang zu „Moonlight Patchouli“ teilen; wenn Ihr wollt, hört beim Lesen „The Light behind your Eyes“ von My Chemical Romance, so wie ich beim Schreiben. Es passt zum Text und es ist ein schöner Gedanke, mich Euch auf diese Weise verbunden zu fühlen.
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Ich tue mich gerade schwer mit dieser Seite hier. Mit Düften im Allgemeinen. Vielleicht einfach mit dieser Zeit. Es ist, als hätte das Schöne keinen Platz mehr in meinem Jetzt. Es ist banal geworden, unpassend irgendwie. Ich denke mir: wenn ein alter Mann nationalesoterische Allmachtsphantasien in sein aufgeblähtes Ego sickern lässt, bis es ein Loch in die Mitte Europas sprengt, in die Mitte all der Dinge, die ich für gegeben gehalten habe, in unsere Mitte, und niemand, niemand hält ihn auf, dann riecht das einfach nicht nach Rosen. Sondern nach Eisen, Schweiß, Dreck und Tod. Darf man in so einer Zeit über Duftverläufe nachdenken? Darf man Texte über Parfums schreiben? Darf man das?
Ich bin nicht sicher, nicht mal jetzt, während ich schreibe. Seit Wochen war ich nicht auf Parfumo. Ich sitze vorm Fernsehen, aber die Nachrichten gleichen sich. Ich lese Zeitung, kluge Menschen, die mit Worten Bilder ihrer Ratlosigkeit malen. Ich stehe vor meinem Parfum-Schränkchen, Kirschholz, Biedermeier. Der Gedanke hat mir früher gefallen: ein kostbares altes Möbelstück als Gefäß für meine Sammlung. Jetzt finde ich das dekadent. Während ich durch die geöffneten Glastürchen auf die Schachteln und Flakons starre, spüre ich Widerwillen. Was soll das denn? Ich will nicht riechen, nach gar nichts. Und dann, während ich schon im Begriff bin, die Türen wieder zu schließen, fällt mein Blick auf einen glatten, schwarzen Flakon, „Moonlight Patchouli“, und ich denke: Schwarz, passt irgendwie, und überhaupt, es ist doch gleich, ein paar Spritzer auf die Handgelenke und hinter die Ohrläppchen.
Die nächste Tagesschau, der nächste Brennpunkt. Ich denke mir: Nicht Mariupol, bitte nicht Mariupol, ich kann die Bilder nicht ertragen. Aber natürlich kommt Mariupol. Die Kamera schwenkt über Ruinen, über Berge von Schutt. Wenn sie auf die Toten hält, werden die Bilder verpixelt, man will uns das nicht zumuten. Dann die Trecks der Geflüchteten, sie zeigen eine junge Frau, die blass und vor Müdigkeit schwankend ein Kind auf dem Arm hält, während sie in die Kamera spricht, dass sie sich für unsere Unterstützung bedankt. Erst sehe ich es nicht, aber dann bemerke ich, dass auch das Kind etwas in seinen Armen hält: ein kleines Kätzchen.
An diesem Punkt vergrabe ich das Gesicht in den Händen: Keine Bilder mehr. Es wird dunkel. Und es riecht nach Dreck. Nach schwarzer, feuchter Erde, nach Vergänglichkeit. Wenn Dunkelheit riechen kann, dann riecht sie wohl so. Ich erinnere mich, dass ich vorher Moonlight Patchouli aufgetragen hatte und jetzt ist es mir recht. Mit geschlossenen Augen atme ich ein: Patchouli also, na klar. Patchouli riecht nach Dunkel und das Dunkel riecht nach Patchouli und es passt zu all dem hier.
Nur bleibt es nicht dabei: etwas in diesem Dunkel leuchtet, so zart, dass man es nicht gleich bemerkt, und doch konturiert, deutlich, präsent und unnachgiebig: eine Rose, nein nicht einfach nur irgendeine. Für mich ist es eine der schönsten Rosen, die es je gelungen ist, in einem Duft einzufangen. Immer wenn ich sie rieche, erstrahlt sie in meiner Vorstellung in einem tiefen, leuchtenden Rot und ja, es ist Iris dabei, die ich gleichfalls liebe, hier ist sie nicht mehr als ein bläulichweißes Strahlen, wie ein Glorienschein, nur dazu da, die Schönheit der Rose noch zu unterstreichen. Es gibt auch Pfeffer. Er stört mich ein bisschen, aber nur zum Anfang. Wie feine Nadelstiche in diesem Bild aus Dunkel und Licht.
Mir fällt ein, dass Blumen überall wachsen. Und immer aus dem Dunkel. Sie machen nicht viel Aufhebens darum, aber sie gewinnen immer. Selbst auf einem Trümmerfeld. Ich muss plötzlich an das Bild von vorhin denken: die Mutter, das Kind, das Kätzchen. Sie hatten, wie sich gegenseitig umfangende Blütenblätter, etwas von dieser Rose: das Zarte, das das immer noch Zartere schützt. Das aus dem Dunkel kommt, buchstäblich aus dem Dreck. Aber da ist und lebt. Und gewonnen hat. Und da plötzlich kann ich lächeln.
Seltsam, wohin uns Düfte bringen: dieser hier zu einer Ahnung, ja, auch zu einer Hoffnung. Und deshalb glaube ich, wir dürfen Düfte tragen. Und sogar jetzt, manchmal: vor allem jetzt, sollen wir auch darüber schreiben.
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FioreMarina vor 2 Jahren 39 22
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Duft
Warum es nicht Helen war, die den Abend verdarb
Helen, Herrgott! Jetzt werden sie sich wieder die Mäuler über dich zerreißen. Und, nein, schau mich nicht so an mit deinen rauchblauen Augen. Als wüsstest du nicht ganz genau, worüber ich spreche.
Warum nur, warum musstest du auf den Ball von Lady Borerich gehen? Du weißt doch , dass dich solche Veranstaltungen zu Tode langweilen! Du hättest dich in die Kaschmirdecke kuscheln können, von der später noch die Rede sein wird, ein gutes Buch lesen und die Gelegenheit verpassen, deinen Ruf noch weiter zu ruinieren, als er es ohnehin schon ist.
Aber nein, für Helen of Noheartat Hall ist das natürlich keinen Option. Du konntest nicht widerstehen, stimmt's? Der Versuchung nämlich. Du wolltest Lady Borerich mit dem rauchblauen Seidenkleid ärgern, das du dir hast machen lassen. Nicht wegen der Farbe, obwohl die wirklich wunderbar zu deinen Augen harmoniert, nein. Des Ausschnitts wegen. Und das ist dir ja dann auch gelungen.
Aber der Reihe nach.
Natürlich warst du der Glanzpunkt auf diesem Fest von dem Augenblick an, als der Butler deinen Namen verkündete. Und das war Pech für dich, denn das bedeutete, dass nichts dort auch nur annähernd so interessant war wie du. Sogar der Champagner schmeckte langweilig (erwartbar nach Champagner halt), weshalb du den Butler angewiesen hast, die Mandarinen aus der Obstschale des fünften Earls of Borerich auszupressen und gemeinsam mit einigen zerstoßenen zartrosa Pfefferkörnern dem Champagner beizufügen. Das sah hübsch aus, denn die rosa Pfefferkörner perlten frivol in dem nun aprikosenfarbenen Getränk, und außerdem entfaltete es ein interessantes, weil säuerlich - spritziges und leicht aromatisch-scharfes Bouquet. Der Cocktail wurde der Renner auf dem Ball, der bedauernswerte Butler musste pausenlos nachpressen und Lady Borerich ließ sich zu der Bemerkung hinreißen, die liebe Helen sei eben überaus originell (was sie ein wenig so klingen ließ, als sei es etwas unerfreuliches und möglicherweise sogar ansteckend).
Jedenfalls sprachen alle dem Champagner Cocktail zu; ganz besonders der Marquess of Havenofun, der ein Glas nach dem anderen leerte und schließlich mit deutlich vertiefter Gesichtsfarbe und leider in Hörweite seiner Gemahlin an Helen gewandt verkündete, dass ihre Augen die Sterne beschämten.
Das war nun wirklich geschmacklos, fand Helen. Nicht wegen der Gemahlin. Sondern weil es so abgedroschen klang.
Und deshalb fordertest du ihn auf, anstelle der Augen doch lieber die Blumen an deinem Mieder zu besingen: Tuberosen und Jasmin, die, üppigen Duft verströmend, am rauchblauen Decolté genau dort angeheftet waren, wo der hoffnungsvolle Betrachter zuversichtlich war, mehr zu erblicken als sich ziemte.
Und als ob das noch nicht gewagt genug gewesen sei, untermaltest du deine Aufforderung mit einer Geste, indem du mit der Fingerspitze von den Augen über das gerade Näschen, die Lippen, das Kinn und den langen Hals hinunter bis zu der seligkeitsversprechenden Stelle mit den Blumen fuhrst. Die Fingerspitze des gestreckten Mittelfingers übrigens, aber eventuell ist der englische Adel nicht so deutungsfest in dieser Art der Symbolik, jedenfalls schien niemand dieses Detail zu bemerken, ganz besonders nicht der Marquess of Havenofun, der das Ganze als Einladung verstand.
Das war nun zu viel für die tugendhafte, wenn auch bedauerlich vorgealterte Gemahlin des Marquess, die, das letzte ihr verbleibende Register ziehend, mit dem Ausruf "Skandal!" in Ohnmacht sank.
Und das war wirklich dumm von ihr, denn der Marquess nutzte die Verschiebung der Aufmerksamkeit zu seiner bedauernswerten Gemahlin hin augenblicklich, um, Helens Aufforderung folgend, den Kopf tief in Richtung der süß cremig duftenden Blütenpracht zu senken.
Und dort verweilte er, verweilte er lange und immer länger, denn unglücklicherweise hatte er, übermütig vom Champagnercocktail, seine Neigung vergessen, in bestimmten Situationen einen steifen (was denkt ihr euch denn? Es handelt sich um einen älteren Herren!) Hals zu bekommen. Und das war geschehen, weshalb er nun gezwungen war, im Dunst von Champagnercocktail und Weißblühern mit dem Gesicht an Helens cremeweißen Busen zu verharren, als hätte ihn der liebe Gott persönlich zur Strafe dort einfrieren lassen.
Weshalb seine Gemahlin, unter der liebevollen Fürsorge der Hälfte aller Anwesenden im Saal (die andere Hälfte hatte sich gut positioniert um das nun erwartbare Folgende zu beobachten), zu den Lebenden zurückkehrend mit dem ersten Blick der flatternd aufgeschlagenen Lider den Gemahl in kompromittierender Position vorfand und sofort einen hysterischen Anfall erlitt. Und Helen, ich gebe zu, dass das irgendwie lustig ist. Aber hättest du es nicht vermeiden können, gar so laut und schallend zu lachen?
Der Rest des Abends verlief irgendwie ungeordnet und Lady Borerich äußerte, es sei das Letzte Mal gewesen, dass sie Helen of Noheartat Hall eingeladen habe. Aber niemand glaubt das, denn du bist ein Garant dafür, zum Tagesgespräch zu werden und dieser Versuchung widersteht keine Gastgeberin.
Du allerdings bist nach Hause gefahren, bist zu Bett gegangen und hast dich in deine Kaschmirdecke geschmiegt, was du von Anfang an hättest tun sollen. Unter dieser Decke trugst du, nicht ganz den sehnsuchtsvollen Phantasien des Marquess of Havenofun entsprechend, durchaus nicht nichts. Sondern einen Hauch dieses extravaganten unbescheiden und absolut fantastischen Duftes von Penhaligon`s hinter jedem Ohrläppchen. Rauchblau und herzlos. Wie du, liebe Helen. Wie du.
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FioreMarina vor 2 Jahren 25 18
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Duft
Stille Nacht
In dieser stillen Nacht/
fall‘‘n Flocken leise nieder/
Und Glocken läuten wieder/
Von ferne und ganz sacht.

Aus Moschus, Holz und Zeder hab ich mein Bett gemacht/
Sie schicken duftend leise/
Mir Träume auf die Reise/
Wenn ich schlaf ein zur Nacht.

Durch Moschuswolken gleitend wird es mir dann sein/
Als läge ich im Bade/
Voll warmer Schokolade/
Sie hüllt mich gänzlich ein.

Von den Sternen fallen Schaumflocken in das Bad/
Milchsahnige Rochade/
Tauscht mit der Schokolade/
Lait et Chocolat.

In all die Süße duftet Jasmin jetzt ahnungsschwer/
Als schneiten Blüten nieder/
Dazwischen hin und wieder/
Sehr leis‘ und von weit her.

Und über all dem leuchtet ein Stern mit großer Pracht/
Und läßt mit seinem Strahlen/
Licht in mich sickernd fallen/
In dieser Stillen Nacht.

Frohe Weihnachten Euch allen!
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