Flaconesse
duftende Gedanken
vor 4 Jahren - 15.04.2020
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Mein Blindtest-Fail

Was habe ich mich gefreut, als ich bei Byrds Verlosung ein Blindprobenpaket mit Düften aus ihrer Sammlung gewonnen habe! Die ganze Zeit wollte ich sowas schon einmal selbst erleben, eine gänzlich unbekannte Probe riechen, ja im besten Fall erriechen. Ich denke an die inspirierenden Videos von Duft hoch Zwei. Die beiden haben schon so manche Blindprobe mit viel Herz und Ernsthaftigkeit unter der Nase gehabt. Selbst ging ich einmal im Dunkeln an meine „zu-testen“-Schublade, zog eine verborgene Probe hinaus und schielte nach 5 Minuten doch getrieben von schierer Neugier auf das Etikett, weil ich meinen ersten Eindruck bestätigt haben wollte. Ohne Fremde Hilfe sollte dieses Experiment also nicht gelingen.

Der Brief kam zum Glück schnell an und am nächsten Tag startete ich mit Probe 1:

Patchouli, fegt direkt durch die Nase, grün und baldrianartig, wie ich es liebe. Verzieht sich aber alsbald und gibt süßeren, ja fast fruchtigen Noten Raum. Ich habe kaum die Geduld die Herznote abzuwarten, krame schon in meinem Parfümschrank alle erdenklichen Patch-Düfte raus, noch im Glauben, es könne sich hier um einen Duft handeln, der auch das Wort Patchouli im Namen trägt. Desweiteren vermute ich Rum, Leder oder Tabak oder alles zusammen. Schnell ist jedoch klar, dass es sich um Nische, Tom Ford oder einen sehr gut gemachten günstigen handelt. Unisex für Herbst und Winter.

Atkinsons – Fashion Decree ist es nicht, zu Baldrian und blumig pudrig hintenraus. Zaras Rich/Warm/Addictive zu rumhaltig. Auch Molinards Patchouli Intense ist erdiger. Die Düfte der Zara Emotions-Reihe leichter

Nach einer Stunde gebe ich (leider) schon auf, die blöde Neugier hat gesiegt, ich spioniere Byrds Sammlung aus. Hier stoße ich auf Tom Ford – Noir de Noir und ja irgendwie habe ich den letztens gerochen und ja irgendwie könnte der passen, ich krame meine Probe raus und ja, es ist Noir de Noir, hätte ich doch bloß bis zur aromatischen Basis durchgehalten!

Morgen soll das besser werden, da will ich abwarten, dem Duft Zeit gehen, 2 vielleicht auch 3 oder 4 Stunden. Mal sehen.

Am nächsten Tag bin ich noch guter Dinge, sprühe die nächste Probe auf und bin sofort voreingenommen, ich bilde mir Feige ein, habe ich doch gestern den Fico di Amalfi in ihrer Sammlung erspäht, und ja, nach Feige riecht die Probe Nr.2 auch, eine herrlich grüne, cremige Feige mit leichten Kokosanklängen. Manchmal besteht da Verwechslungsgefahr, aber das ist ganz klar Feige! Fast schon ein Solinote (haha, wie gestern also, Kopfnotenflittchen!) Alle verglichenen Feigendüfte sind nur leider irgendwie anders:

Premier Figuier sehr viel grüner, Fico di Amalfi fast schon mit cassisartigem Kopf, Figue Blanche sowieso von allem mehr: Zitrone und Creme. Nagut, ich warte…genau 30 Minuten, dann muss ich wieder vergleichen. Die Herzen der Blindprobe und von Fico die Amalfi beginnen sich zu ähneln. Was wäre, wenn Byrds Flacon nun schon älter oder aus einer anderen Charge stammt, der es an der zitrischen Kopfnote fehlt? Zwei Feigen von Roger & Gallet sind mir noch in die Hände gefallen, beide marmeladiger. Zur Sicherheit rieche ich an Virgin Island Water, ganz klar, Kokos ist anders! Ok ich gebe auf, die Antwort mit Fico di Amalfi ist gerade zu verlocken und ich logge ein (schon wieder bevor die Basis überhaupt eine Chance hatte). Mein Freund, der den Lösungszettel verwaltet, schüttelt den Kopf und erzählt was von Tieren im Namen. Dann kann es nur Elephant von Zoologist sein, hier ist war keine Feige drin, wohl aber Kokos. Und schon bin auch ich der Verwechslung erlegen. Ein wenig grummelig über den Misserfolg, beschieße ich den nächsten Test auf Stäbchen durchzuführen, jetzt sofort, ich brauche heute noch ein Erfolgserlebnis!

Probe Nummer 2 hat es in sich, und zwar eine ganze Holzkiste voller Erde und Bananen. Ich tippe direkt auf Bat, auch wieder von Zoologist, den die gute Byrdie allerdings nicht in ihrer Sammlung hat, tja wer lesen kann ist auch hier im Vorteil. Wieder rieche ich Rum und/oder Früchte, Rauch, erdige Gewürze, holzige Noten. Der Rauch lässt mich nicht los, ich vergleiche mit by the Fireplace, der weniger bananig und rauchiger ist. Diesmal gebe ich sogar noch schneller auf, spioniere nun alle ihrer Dufte aus, keiner will so recht passen und nun fange ich wild an zu raten, ohne mich auf meine Nase zu verlassen. „Bitte tu mir einen Gefallen und teste alle Düfte“ sagt mein Freund schließlich. Nagut, so sollte das Spiel zwar nicht gehen, wollte ich mir doch genug Zeit für jeden einzelnen Duft nehmen, aber ich bin ja wie schon gesagt neugierig. Ich sprühe Probe Nr.4 und 5 direkt nacheinander auf. Oud Immortel und Archives 69, ist doch glasklar, entwischt es mir, da habe ich wohl etliche Duftpyramiden auswendig gelernt. Beide korrekt zugeordnet und bei Probe Nr.3 handelt es sich um Baraonda, einem Whisky-Duft von Nasomatto, bei dem keine Duftnoten aufgeführt waren, Gemeinheit. Als Antialkoholiker könnte ich bestenfalls Rum erkennen, Whisky riecht für mich dann wohl nach einer bananig-rauchigen alten Kiste voller Erde.

Ein wenig schade ist es schon, dass ich zu neugierig war, alle Basisnoten abzuwarten und den Proben 4 und 5 nicht die Aufmerksamkeit geschenkt habe die sie verdient hätten.

Zu Oud Immortel lässt sich noch sagen, dass dies wohl ein Oud-Duft ohne Oud-Note ist. Mit oder ohne, Oud-Düfte sind nicht meins.

Und Archives 69 hat mir sofort das Gesicht verzogen, zu viel Kunst, die in der Nase brennt. Angewidert legte ich das Stäbchen weg, ob des in der Nase, ja fast schon beißenden Kampfers, den ich sonst nur vom Erkältungsbalsam kenne. Hier schnupperte ich jedoch nach 4 Stunden erneut am Papier und war verzückt: Welch minzig-elegante Cremigkeit! Das ist wirklich ganz große (Parfum)Kunst.

Last but not least gab es eine schöne Lavendelduft-Zusatzprobe. Hier kannte ich den Duft nicht: Oxford & Cambridge, aber das Kraut erkannte ich, immerhin.

Wenn ihr dazu meine Gesichtsausdrücke sehen wollt, bitte hier entlang:

https://www.youtube.com/watch?v=zln10qWmbek&t=195s

https://www.youtube.com/watch?v=o65iiH4bYNg

Ich entschuldige mich bei allen für ein falsch ausgesprochenes Premier Figuier, Maison Margiela und Immortel :D

PS: das wird sicher nicht der letzte Blindtest bleiben, auch wenn ich nicht so geduldig bin wie M3000 und Bookie. Und: Neugier ist die Schwiegermutter der Bananenkiste, oder so ähnlich.

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