Floyd

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1 - 5 von 450
Floyd vor 4 Tagen 52 45
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Duft
Mit den Geistern vergangener Zeiten
Magst Du mit mir in die Wälder kommen? Ich hab noch ein halbes Kräuterbonbon, das könnten wir uns teilen. Du kannst mir vertrauen. Es gibt dort ganz viele Tannen, sie nadeln wie im Regen nach den Weihnachtstagen. Du brauchst keine Angst zu haben. Sind Rosengeranien, die sich darin ranken, weshalb dort scharfe Nebel wabern, wie die silbernen Wolken aus den Haaren um meine kalten Augen. Willst Du wie ich einen Moosmantel haben, den selben, den unsere Großväter trugen? Geh weiter und er wird Dir wuchern. Siehst Du die dunklen seifigen Spuren wie weiche Furchen in den erdigen Böden zwischen den dürren feuchten Stämmen? In deren langen braunen Schatten noch schleichen Moschusfährten, unsichtbar zwar und doch verflochten mit den Geistern vergangener Zeiten.
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Erst seit 2017 kreiert der kalifornische Autodidakt Manuel Cross Düfte für sein eigenes Rogue-Label. Wer ein paar seiner Parfums gerochen hat, wird dessen ureigene DNA blind erkennen können, sind es doch zumeist schwere, erdige, eher Vintage-orientierte Moose, die in Verbindung mit balsamischen Noten seine Düfte tragen, so auch in "Targhee Forest", der sich dem gleichnamigen National Forest im Nordwesten der USA widmet.
Man betritt diesen Wald durch einen schroffen, kühlen Nebel aus ätherisch grünem Wüstenbeifuß, feuchten Koniferennadeln und scharfer, leicht Haarspray-artiger Rosengeranie. In Verbindung mit Nuancen von Tannenbalsam kann man entfernt auch bald mal an ein Kräuterbonbon denken, jedoch eher eines der schärferen Sorte, bevor das Cross-typische Eichenmoos schwer erdig, dezent seifig und in Kombination mit dem Moschus auch minimal animalisch wirkend sich dominant unter die hellen Aromen schiebt. Ein Retro-Moos, wie man es noch von den Düften der Väter und Großväter kennt. Patchouly trägt dabei seinen Teil zum feucht-erdigen Gesamtcharakter bei, Zeder färbt dunkel-holziger, das Tannenbalsam ist ein vergilbter, harziger Film, durch welchen man diesen Wald betrachtet, der deutlich bis moderat und auf meiner Haut überdurchschnittlich lange seine Bilder projiziert. Eine herrliche Zeitreise in die Vergangenheit.
45 Antworten
Floyd vor 9 Tagen 43 36
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8.5
Duft
Buch der ätherischen Schatten
Vollmondlichter scheinen Schemengesichter. Aus der Anderwelt huschen eukalyptische Schatten an ätherischen Schnüren aus scharfen Kräutern wie Salbeiblätter in die Brennnesseln. Ein flackerndes Zischen. Bengalische Flammen in den Wipfeln des einsamen Joshua-Baums irgendwo in der Kälte der nächtlichen Wüsten. Helle Stimmen in den grünen Nebeln, die nur langsam im Minzstaub der Erde verglühn in von Tabak vergilbten vanillebleichen Büchern. Hab zwischen moosbewucherten Wänden wohl ein Grimoire gefunden.
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Abby Hinsman stellt ihre pflanzlichen Düfte in Handarbeit her. Die meisten Materialien dazu baut sie entweder selbst an, oder sie erntet sie in ihrem zweieinhalb Hektar großen Wald in Vermont. Entsprechend schwanken sowohl ihre Düfte als auch ihre Lieferzeiten, da sie eben nur sehr kleine Batches produziert.
"Grimoire" (ein Zauberbuch mit magischem Wissen) erinnert mich mit der Mischung aus Salbei, Kräutern, Harzen und minzigem Patchouly stark an Abbys "Joshua Tree". Von Beginn an ist hellgrün-würziger, krautig-scharfer Salbei dominierend. Eukalyptus und Kampfer lassen ihn jedoch hier noch ätherischer wirken, ehe im Herzen zunächst zitrische Elemiharze und minzig-erdiges Patchouly den Eindruck allmählich in Richtung Moos verschieben, ein Moos das zunächst im harzigen Nebel treibt, welcher nach und nach durch bräunlich weiche Tabaknoten und zarte Vanillearomen die Schärfe dimmt, ohne aber die ätherisch-grünen Obertöne gänzlich zu verlieren. Der Zauber wirkt moderat über etliche Stunden.

(Mit Dank an Marieposa)
36 Antworten
Floyd vor 16 Tagen 48 42
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Duft
Ein kleiner Antiquitätenladen
Da ist ein kleiner Antiquitätenladen. Du betrittst ihn im Licht alter Jugendstillampen mit Schirmen heller Angelikablüten, die mintgrüne Fäden ins Dunkel streuen, als würden sie dort wurzeln. Da ist der Duft von Myrrhewachskerzen, sie zerfließen auf alten Ledereinbänden, die im schwarzen Schein süßer Erinnerungen in den Furchen von Zedernholzsekretären allmählich zu Erde zerfallen. Jemand hat irgendwo Kaffee gemahlen und bittet dich zu verweilen.
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Dark Tales Artisan Factory aus Schweden erscheint selbst etwas wie ein Antiquitätenladen. Neben handgemachten, Öl-basierten Düften finden sich auch 'historisch inspirierte Artefakte' wie Schmuck, Korsetts oder Kerzen im Sortiment.
Der kleine Antiquitätenladen empfängt den Träger mit dezent ätherisch-minzigen Angelikanoten, die nur minimal durch die Birne unterstrichen werden und welche im Herzen in erdig-wurzelig hellen Vetiveraromen ihre Fortsetzung finden. Schon früh macht sich eine wachsig-harzige Basis bemerkbar, zunächst eher waldhonigartig-lieblich (Myrrhe), später zunehmend ledrig-erdig (schwarzer Moschus). Tief in den wächsernen Harzen finden sich auch Nuancen von gemahlenem Kaffee und dunkler Zeder, die dem warmen Duft etwas mehr Kante verleihen. Der Aufenthalt duftet zunächst moderat und bald hautnah und lässt uns über einige Stunden in dem Laden verweilen.

(Mit Dank an Gandix)
42 Antworten
Floyd vor 21 Tagen 48 47
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9
Duft
Kōdō 香道 - Der Weg des Duftes
Trage festliche Kleidung und lasse Dich nieder auf Matten zwischen Wänden aus weißem Papier. Betrachte den Zeremonienmeister, dann schließe langsam die Lider. Schärfe die Sinne, da sind Aniskräuter, erst wehen sie sanft mit Blüten einher, sie tragen Pilzlamellenblätter, werden allmählich grüner und bitter. Bald merkst Du milde Sommerbilder von Currygelb und griechischem Heu, tropft Honigtau auf würzige Felder, ziehn scharfe kühle Nebel vorbei, wie Gewürznelken-Fähnchen an den Bäumen der Wälder. Dort atmen die Böden Pfefferminzblätter, durch jede moderig weiche Faser der fallenden Rinden uralter Hölzer, die da schimmern im ätherisch harzigen Schleier, dem kontemplativem Klang der Natur.
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"Spirit of Japan" thematisiert die japanische Kōdō-Zeremonie, die im 14. Jahrhundert entstand und bei welcher die Teilnehmer mit einem Zeremonienmeister dem "Klang des Duftes" lauschen, seine Qualitäten vergleichen und sie mit poetischen Assoziationen verknüpfen oder dabei traditioneller Literatur zuhören. Weil das Gehirn Düfte im limbischen System wahrnimmt, dem „primitiven“ Teil des Gehirns, welchem Instinkt und Erinnerung angehören und Poesie einen anderen Teil des Gehirns aktiviert, eröffne beim Kōdō die Kombination dieser beiden Aktivitäten neue Denkweisen und Bewusstseinsebenen. Kostbare Ouds (Jinkō) und Sandelhölzer (Byakudan) nehmen dabei beim Verräuchern auf Holzkohle eine zentrale Rolle ein, Zimtrinde, Gewürznelke, Anis, Patchouli, Blüten und Kräuter gehören ebenfalls dazu.
Ahmed Mostafas Interpretation erinnert zunächst für einen Moment an getrocknete Kamillenblätter, grün und weich, zart rauchig, ehe sie eine dezente, würzig-bittere Schärfe von Anis entfaltet, Gewürznelken-, Kreuzkümmel- und Zimtblattaromen unterstützen den Charakter und tragen ihn bis in die Basis fort. Nach einem kurzen Anflug von Curry-ähnlichem Kurkuma-Staub werden würzige Heunoten des Bockhornklees, dem sogenannten griechischen Heu, deutlich, an welchem honigsüße Labdanumharze winzige Perlen treiben, auch marzipanähnliche Noten des Heliotrop glaube ich darin wahrzunehmen. Während das Heu in der Basis in weichen, mulchigen Rindennoten des Adlerholzes ihre Fortsetzung findet, mündet die würzig-bittere Schärfe in minzig-erdigem Patchouly sowie in ätherisch-klebstoffartigen-Aromen des Sandelholzes. Styrax und Benzoe mildern das Ätherische in Richtung von Baumharzen ab, Ambra und Hirschmoschus halten sich eher zurück, verleihen mehr Tiefe.
"Spirit of Japan" bleibt dabei, getreu der Zeremonie, eher zurückhaltend in der Projektion, fein-grün-rauchig sowie holzig-würzig kontemplativ und natürlich ist es bestimmt von der Qualität seiner edlen Rohstoffe.

(Mit Dank an Cfr)
47 Antworten
Floyd vor 28 Tagen 39 42
8
Flakon
6
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Haltbarkeit
8.5
Duft
In einem Moment der Klarheit
Manchmal erfasst man die Realität, das Wesen der Natur in einer Geringfügigkeit, die sich gleißend bitter manifestiert, wie ein Licht, das durchs Fleisch einer Grapefruit fällt, ätherisch im Reif an Schalen und Zweigen unreifer Orangen gefriert und eine Lichtung im Wald eröffnet, dort herbe Zypressennadeln schneit, helle Weihrauchkristalle verweht wie einen Nebel vergangener Zeit, den Frost in den Wurzeln der Gräser taut und darunter Boden aus Lehm freigibt, der Dich erdet in einem Moment der Klarheit.
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Kevin Peterson von Sfumato aus Detroit, Michigan, ist der Überzeugung, dass die Menschen im Laufe der Evolution eine Art kollektives olfaktorisches Gedächtnis angelegt haben, wodurch natürliche Duftstoffe in der Lage seien, subtile Reizreaktionen über Jahrtausende zu entwickeln und zu transportieren. Seine natürlichen Düfte, die er zu 100% aus natürlichen Rohstoffen von Hand fertigt, seien somit Zeitkapseln.
Der Begriff "Epiphany" beschreibt in seiner ursprünglichen Bedeutung eine plötzliche intuitive Einsicht in die Realität durch ein einfaches alltägliches Ereignis. Peterson erzeugt diesen Moment der Klarheit zunächst mit herb-frischer Grapefruit und bitter-kühlem Petitgrain, deren Noten man wie einem blendend-grünen Lichtstrahl in die zitrischen Obertöne von hellem Weihrauch und Zypressennadeln folgt. Krautiger Lavendel sowie Rosmarin unterstützen den Eindruck einer hellen Waldlichtung, wo zwischen frisch-grünen Hölzern (Katrafay, Zypressse) frost-knirschende Gräser (Vetiver) und herb-feuchte Erde (Galbanum, Vetiver, Katrafay) sich in der Basis auftun. Ein lichter Augenblick des Durchatmens, aufgrund seiner Natürlichkeit moderat bis hautnah zwar aber doch einige Stunden überdauernd.
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