Foxear

Foxear

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1 - 5 von 22
Foxear vor 2 Jahren 42 27
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Flakon
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Duft
Totentanz
Patou pour Homme - um dieses Wässerchen ranken sich zahlreiche Mythen – so liest man von sicher verwahrten Flakons in bombensicheren Tresoren, Bankschließfächern, versteckten Azteken-Tempeln und die Amerikaner sollen sogar fässerweise Restbestände in Area 51 und auf dem Mond gebunkert haben – daher rühren auch die horrenden Mondpreise, zu denen dieses mittlerweile eingestellte Wasser gehandelt wird.

Parfumos rätseln unschlüssig, ob es sich hierbei um den besten Herrenduft aller Zeiten handelt – die Exklusivität dieses raren Duftwassers befeuert natürlich den Legendenstatus. Unvoreingenommen und objektiv betrachtet stellt sich die Frage – wird dieses Wasser seinem ikonischen Status gerecht? Ein Grünschnabel auf der Suche nach der Wahrheit.

Geschaffen wurde dieser Brocken 1980 vom Ausnahmetalent Jean Kerléo, der von 1967 bis 1999 für Jean Partou tätig war und insgesamt nur eine Handvoll Männerdüfte kreiert hat – nämlich genau fünf, darunter auch Patou pour Homme als Eau de Toilette und After Shave. In den 80ern sprießten Chypre Düfte wie Pilze aus dem Boden- auch Kerléo versuchte sich daran. Sein Experiment war geglückt, das Ergebnis war mehr als nur das: ein widersprüchlicher orientalischer Fougere-Chypre mit einer so wandelbaren Transformation, wie es nur Christian Bale ihm gleichtun könnte.

Preislich war das Parfum in der oberen Kategorie der Designerdüfte angesiedelt, heutzutage vergleichbar mit Dior oder Chanel, da laut eigener Aussage ausschließlich hochwertige Duftstoffe verwendet wurden. Wann genau Patou Pour Homme eingestellt wurde, konnte ich nicht herausfinden.

2013 wagte sich das das Haus Jean Patou, inzwischen unter Leitung von Parfumeur Thomas Fontaine, an einer Neufassung des Dufts mit gleichem Namen. Allerdings konnte der vielbesagte heilige Gral nicht geborgen werden – der Duft hatte außer dem Namen mit dem Vintage-Kracher nichts gemein – zum Verdruss vieler Anhänger. Das Haus erklärte dies damit, dass man wegen Verboten diverser Inhaltsstoffe (u. a. Eichenmoos) durch die IFRA nicht mehr den gleichen Duft kreieren könne, mit synthetischen Alternativen erreiche man nicht das gleiche Ergebnis. Daher beten noch heute Jünger der Kirche des Olfaktismus in Patou pour Homme getränkten Roben während geheimnisvoller Zeremonien unter hellem Mondschein zu den Duftgöttern, dass ein Messias Ihnen die Erlösung in Form eines identisch riechenden Zwillings offenbart.

Muskatellersalbei, Lavendel, Basilikum, schwarzer Pfeffer, Estragon, Pimentsamen, Patchouli, Vetiver, Geranie, Tanne, Zeder, Leder, Zibet, Vanille, Tonkabohne, Sandelholz, Ladanharz – so die Duftstoffe laut gängigen Internetforen dieses Duftfeuerwerks. Wer beim Lesen dieser 17 Inhaltsstoffe noch nicht ohnmächtig geworden ist, erwartet jetzt sicherlich keine konkrete Aufschlüsselung eines Parfumo Grünschnabels. Das wäre so, als würde Rocky Balboa Quantenmechanik erklären– kurzweilig und amüsant, aber verstehen tut weder er noch man selbst etwas.

Freilich versuche ich meine Eindrücke zu schildern. Der Duft startet kräftig herb und staubtrocken, ich würde sogar behaupten: rauchig. Zitrusfrüchte kannte man damals wohl noch nicht, oder diese gehen im staubtrockenem und dunklem Holz unter. Danach tut sich sehr viel Würze auf, die fortwährend von derbem Leder umschlungen wird. Zuweilen kam mir der Duft spontan leicht seifig vor – nur um dann im nächsten Moment wieder zu wechseln. Im gesamten Verlauf ist der Duft sehr warm und wird abklingend sogar leicht süß – allgegenwärtig ist eine intime, dunkle zugleich jedoch wärmende und vertraute Aura. Rundum ein fein abgestimmter Männerduft, der viele Facetten hat: grün, holzig, würzig, ledrig, süß und womöglich rauchig. Dass ich nicht eine Duftnote gezielt herausriechen kann, spricht entweder für die komplexe Genialität dieses Wassers oder meine stümperhafte Nase – entscheidet selbst.

Ein Beispiel aus dem Alltag zur Veranschaulichung meiner Bewunderung für diesen Duft: höre ich als Laie Beethovens „Die Ode an die Freude“, „Nocturnes“ von Chopin oder „Zarathustra“ von Strauß –bin ich verwundert von dem, was sich mir auditiv offenbart. Musik, welche die Zeit überdauert – geschaffen aus Freude, Leid und Hoffnung. Was da genau passiert, kann ich nicht erklären. Ein Experte auf dem Gebiet könnte die Musikstücke sicherlich analytisch aufschlüsseln und den Zauber erklären. Eines jedoch haben der Laie und Connaisseur gemeinsam: beide sind vollends fasziniert.

Mein Fazit: Die Exklusivität und die Nostalgie vieler Anhänger dieses Wässerchens befeuert womöglich bewusst oder latent das Verteilen von Bestnoten. Lässt man die Ikonisierung und den Legendenstatus außen vor, erhält man einen vielseitigen und erstklassigen Männerduft mit Powerhouse-Charakter. Für mich ist es nicht der heilige Gral, einen Platz im Äther der besten Herrendüfte aller Zeiten hat er indes sicher.

Ich schnapp‘ mir jetzt meine in Patou pour Homme getränkte Robe und bete unter hellem Mondschein zu den Duftgöttern – und ihr?

Passende Musik: Camille Saint-Saëns - Danse Macabre
27 Antworten
Foxear vor 3 Jahren 37 27
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Haltbarkeit
8
Duft
Im Rausch der Nacht
Bebende Bässe berauschten sorglose Seelen, die in fleischlichen Figuren flirrten. Zu den tosenden Trommelschlägen tanzte das Publikum wie in Trance unter dem Stroboskoplicht. Massenweise Menschen, dicht an dicht. Die körperliche Ertüchtigung ließ die Herzen donnern und pumpte das kochende Blut durch die Adern; in der Luft machten sich die Ausdünstungen der schwitzenden Scharen breit – in der Atmosphäre lag wallende Wollust. Rosenparfum faunischer Frauen vermengte sich mit dem Duft menschelnden Moschus-Schweißes. Individuen gefangen im Sog der Geilheit; hingebungsvoll erlagen sie ihre natürliche Triebhaftigkeit und gaben den sexuellen Impulsen nach. Sie küssten und leckten sich – Körperflüssigkeiten kollidierten. Von der Decke regnete es plötzlich süßen Puderregen, der sich zu der horrenden Hitze hinzugesellte. Die Melange aus Rose und Puder dominierte die Luft, während der Schweißgeruch fortan eine untergeordnete Rolle einnahm. Der Zeiger drehte sich unablässig fort; die Zeit jedoch schien nicht zu existieren.

Passende Musik: Schwefelgelb – Es Zieht Mich
27 Antworten
Foxear vor 3 Jahren 51 40
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10
Haltbarkeit
9.5
Duft
Tabula Rasa
„Atme die Luft der marokkanischen Wüste – darin findest Du dich selbst.“. Mit Spiritualität konnte ich nie viel anfangen, neugierig war allerdings schon immer. Was gibt es Schöneres, als Unbekanntes auszuprobieren und dabei positiv überrascht zu werden – trotz anfänglicher Bedenken? Deswegen stehe ich in der Wüste; wie ein Beduine gekleidet, über mir die sengende Sonne.

Vor mir erstrecken sich endlose Dünen goldenen Wüstensands, darüber der azurblaue klare Himmel. Allein und ziellos schreite ich voran. Wiederholt rauschen trockene würzige Winde an mir vorbei, gleichzeitig sind sie erfrischend zitrisch. Könnte es sich um lieblichen Koriander und Kreuzkümmel handeln? Gewürze – mitten in der Wüste, Zitrusfrüchte und trockenes Holz meine ich auch zu riechen? Unmöglich. Jedoch ist es eine willkommene Begrüßung der Wüstenseele.

Wie ich voranschreite frage ich mich, was es heißt, mich selbst zu finden. Mit mir im reinen sein? Meinen Frieden machen? Akzeptanz meiner selbst? Selbstliebe? Glück? Ist das überhaupt wichtig? Ich weiß es nicht, weißt Du es? Aus meinen Gedanken reißt mich plötzlich ein Schemen in der Ferne – ist das eine Person? Eigenartig, bis just sah ich nichts außer Wüstensand. Beginnt die Hitze sich schon auf meinen Geisteszustand auszuwirken?

Unerwartet höre ich ein leises Flüstern: „Finde mich…“. Der Ursprung der Stimme ist eindeutig unter meinen Füßen – träume ich? Hastig beginne ich mit meinen Händen den Wüstensand wegzuräumen. Die Zeit rinnt gleichgültig dahin, wie der Wüstensand zwischen meinen Fingern. Raubt mir die Zeit meine Zeit? Nutze ich sie sinnvoll? Wer urteilt überhaupt darüber? Ich selbst, mein Umfeld oder gar eine höhere Instanz? Carpe diem? Dann stoße ich auf die Quelle der Stimme: ein verziertes Amulett, das nach harzigem Labdanum riecht. „Du hast mich gefunden – nun finde dich.“, flüsterte es. Völlig perplex zögere ich und schweige.

Der Duft des Amuletts betört meine Sinne, im Zusammenspiel mit den würzigen Wüstenwinden ergibt sich eine olfaktorische Offenbarung – balsamisch-harziger Rauch, auf edlen Hölzern gebettet – merkwürdigerweise süßlich, zeitgleich herb als auch trocken? Magisch mirakulös. Für einen Augenblick meine ich, ich verweile nicht mehr auf dieser Erde, sondern auf einem exotischen Planeten, Lichtjahre entfernt von unserem Sonnensystem - wie sonst ist diese Fantastik zu erklären? Ist überhaupt alles rational und logisch? Gibt es nicht auch unerklärlich wundervolles? Die Entstehung von Materie aus dem Nichts? Die Existenz an sich? Liebe? Bevor ich mich weiter in Richtung des Schemens bewege, lege ich das duftende Amulett um meinen Hals.

Jedes Sandkorn ebnet im Zusammenspiel mit Millionen anderen den Weg zu meinem Ziel. Meine schweren Schritte sind es, welche die in Ordnung ruhenden Sandkörner ins Chaos der unkontrollierten Bewegung stürzen. Ist die Erde nicht auch nur ein Sandkorn im Universum? Wer hat ihr den Anstoß gegeben? Der Urknall? Ein allwissender Uhrmacher? Viele Geschöpfe glauben, wir seien so zentral wichtig im unendlichen Universum, dass höhere Wesen über uns wachen. Sind wir das wirklich? Ich schmunzle.

Nach Stunden des Wanderns bricht die Nacht herein, es wird bitterkalt und finster. Plötzlich beginnt das Amulett amberfarben zu leuchten und duften. Die ausstrahlende wohlig weiche Wärme dicht an meinem Herzen bestärkt mich in meinem Bestreben, trotzend der vor mir liegenden Ungewissheit. Es scheint fast so, als spendet das Amulett mir Trost: „Keine Angst, Du bist nicht allein auf Deiner Suche.“. Als ich endlich die schemenhafte Gestalt im Lichtkegel vor mir erreiche, rufe ich: „Wer bist Du?“. Sie hält kurz inne, ehe sie sich zu mir umdreht. Ein Mann, wie ein Beduine gekleidet, sein Gesicht wettergegerbt. Um seinen Hals hängt das gleiche Amulett, wie ich es trage, jedoch völlig verschlissen. Er wirkt wie mein Spiegelbild, nur… älter? Seine zerfurchten Lippen fangen zu sprechen an: „Ich bin niemand, wer bist Du?“.

Sein Atem riecht hölzern-erdig. Er wirkt erfahren wie ein Jahrhunderte alter Zedernholzbaum, dazu geerdet wie trockener tief verwurzelter Vetiver. Die Zeit scheint zu rasen und gleichzeitig still zu stehen – das Funkeln ferner Sterne am Himmel zieht zigmillionenfach vorüber. Tag und Nacht wechseln unbeständig im Zeitraffer. Inmitten dieses surrealen Umstands sind alle meine Sinne wie betäubt, nur riechen kann ich noch. Herb-süße Amberwölkchen auf trocken-erdigen Holz rauschen ewig durch die bizarre Nichtzeit und spenden mir als einziger Anker meiner mir bekannten Welt Zuversicht. Der Duft ist so undurchsichtig und geheimnisvoll, wie die Situation, in der ich mich befinde. Nur einen Augenblick später – oder waren es Jahre? – antworte ich: „Ich weiß es nicht, weißt Du es?“ – „Wen meinst Du? Zweifle nicht an Dir, Selbstzweifel sind meistens unbegründet. Du weißt vielleicht noch nicht wer Du bist, allerdings bist du wer. Antworten auf alle Deine Fragen wirst Du nicht finden – entscheidend ist, Du findest Dich. Das hier ist mein Lebewohl, doch in meinem Ende keimt Dein Neuanfang.“. Abrupt beginnt er sich in Sand aufzulösen und wird eins mit der Wüste. Gemeinsam mit dem Amulett verweile ich auf der Stelle, selbst das kleinste Licht gibt Orientierung in der Dunkelheit. Überraschend höre ich jemanden hinter mir rufen: „Wer bist Du?“. Ich halte kurz inne, ehe ich mich umdrehe und antworte: „Ich bin Du.“

Passende Musik: Takeshi's Cashew – Sterndüne
Danke an den Traumtänzer Chizza!
40 Antworten
Foxear vor 3 Jahren 42 37
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Haltbarkeit
8
Duft
Transzendenz
Fernab von Großstadtlichtern und unsteten Uhren, lebe ich mit meinen Glaubensbrüdern in einem kleinen Tempel mitten in einer Steppe. Dort widmen wir unser Leben dem Erwachen und reduzieren unsere Lebensführung auf das Notwendigste. Wir bestellen Äcker und züchten Vieh, Wasser schenkt uns der Himmel und ein naher gelegener Brunnen. Die Natur gab den Menschen alles, was sie jemals benötigen würden – alles darüber hinaus ist verspielter Überfluss.

Der Tempel wurde vor Dekaden von den einstigen ansässigen Brüdern aus massivem Holz erbaut. Den Hof ziert eine feinst aneinandergereihte Zypressenallee. Wenn wir nicht unser Tagewerk verrichten, meditieren wir im Tempel. Gemäß unseres großen Vorbilds Siddharta Gautama, der im Wald nach langer Askese die Erwachung erreichte, versuchen wir es ihm gleich. Zur Zeremonie zündet der ranghöchste Bruder mit glühender Kohle Weihrauch im Tempel an – das soll Dämonen vertreiben und den Geist besänftigen.

Ich verharre im Lotussitz und meditiere mit dem Ziel der Überwindung des unendlichen Kreislaufs aus Leid und Wiedergeburt des Daseins. Umhüllt von licht wirbelnden Weihrauchschwaden sitze ich auf dem kräftigen Holzboden. Mein Körper wiegt wuchtig, doch mein Geist ist schwerelos. Jäh spalten wir uns voneinander und ich beginne durch die Steppe zu sausen.

Meinen irdischen Avatar lasse ich kilometerweit hinter mir. Just erreiche ich einen mir unbekannten Wald. Das Holz und das Süßgras sind feucht, womöglich hat es vor meiner Ankunft geregnet. Tief atme ich den frischen holzigen und leicht grünen Geruch ein, während meine in meditativer Trance versetzte fleischliche Hülle den Geruch des lichten Weihrauchs, der nahegelegenen Hofzypressen und des kräftigen Holzbodens einfängt.

Die Zeit scheint stillzustehen. Allmählich verblassen die Farben und die Materie des Diesseits verliert ihre Konturen – weder schwarz noch weiß – farblos und immateriell. Meine Umwelt bleibt gleich, ich hingegen verändere mein Bewusstsein und sehe mit geschlossenen Augen den Strom allen Lebens klarer, als Adler es jemals könnten. Wie ich meine Augen öffne, befinde ich mich wieder im Diesseits meines Körpers. Heute kam ich dem Nirwana ein kleines Stück näher.

… Kyoto – der Weihrauch wirkt nicht sakral und ist kaum wahrnehmbar. Beinahe wie ein Nebendarsteller, der kühl und hell omnipräsent um die anderen Duftnoten flirrt. Namentlich sind das Zedernholz, Vetiver und Zypresse. Den Duftverlauf empfinde ich als strikt linear – er verharrt wie ein Mönch im Lotussitz, was aber keinesfalls negativ konnotiert ist. Monothematische Meisterklasse. Das Bild eines dichten Waldes nach einem Regen mit lichten Weihrauchschwaden könnte man vor Augen haben: mehr holzig-würzig denn rauchig-grün. Kyoto erfüllt seinen Zweck: im Ergebnis wirkt die Melange erfrischend und besänftigend.

Passende Musik: Raimu – Botanicals
Vielen Dank Ergoproxy für die transzendentale Erfahrung!
37 Antworten
Foxear vor 3 Jahren 136 52
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Flakon
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Haltbarkeit
10
Duft
Sinnliches Sommermärchen
„Männer, zeigt Ihnen, was verheerend heißt!“ – die gewaltige Streitmacht der Animaliker warf zahlreiche Zimtspeere auf Geheiß des Heerführers Kouros in die Reihen der orientalischen Vanillaner. Diese wehrten mit Lavendel- und Bergamotteschilder die Salven gekonnt ab, sodass es zu wenigen Verlusten kam. Als Kouros erkannte, dass sein Schachzug nicht den gewünschten Effekt erzielte, blies er mit seinem Zimthorn zum Angriff.

Unter der prallen Hitze der sengenden Sonne stürmten die Armeen Zähne bleckend aufeinander und stießen laut krachend zusammen. Bewaffnet mit Nelkensäbeln und Zimtäxten, lieferten sich die Soldaten im umkämpften Tal Malle ein glorreiches Geplänkel. Klaffende Wunden ließen den süßen Lebenssaft der Vanillaner auf die kochende Haut der Animaliker spritzen und umgekehrt – in der Atmosphäre des Getümmels lag eine balsamische Melange aus Zimt und Nelke. Das Ganze wurde durch den ungestümen Eigengeruch der Animaliker um eine sinnliche Facette erweitert.

Die Anzahl der kampfbereiten Soldaten sank innerhalb mehrerer Stunden rigoros ab; das Kampfgeschrei und die Motivation zum Sieg indes blieben auf beiden Seiten beständig. Inzwischen waren die nackten Oberkörper der Vanillaner vollkommen von nach Moschus riechenden Schweiß bedeckt.

Als nur noch wenige Dutzend standen, trat Kouros hervor und forderte den gegnerischen Heerführer zum Duell – der Sieger würde zugleich die Schlacht gewinnen. Vor stolz geschwellter Brust trat Ambra, Heerführer der Vanillaner, hervor. „Tanzen wir!“, brüllte Kouros und stürmte mit seiner Sandelholzhellebarde voran. Damit attackierte er wild und ungeniert Ambra, der stets gewieft auswich oder parierte. Die Luftzüge der schnell schwingenden Sandelholzhellebarde paarten sich mit dem Geruch von Ambra und seinem Schweiß. In der Luft flirrte eine samtweiche und cremige Vanillewolke mit Moschusnuancen. Als Kouros seinen turbulenten Tanz beendet hatte und außer Kräften war, nutze Ambra die Gelegenheit und durchbohrte mit einem präzisen Stich seines Guajakholz Rapiers Kouros‘ Herz. Die Schlacht um Tal Malle war geschlagen, die Vanillaner brüllten lautstark und feierten ihren Sieg.

… Musc Ravageur ist eine feine Melange warmer und weicher Duftnoten mit sinnlichem Einschlag. Das würzig-süße Zweigespann aus Nelke und Zimt ist lange Zeit federführend, ehe die samtweiche Basis aus ambrierter Vanille und Moschusnuancen freigelegt wird. Über Stunden kämpft sich die Vanille aus dem Holzkokon heraus und verzaubert Nasen in ihrem Umfeld. Das Holzbett aus Zedern- und Guajakholz dämpft die Süße insgesamt ab; daher keine Angst, es wird nie klebrig süß. Nachtisch gibt’s bei passender Atmosphäre trotzdem.

Persönlich ordne ich Musc Ravageur mehr orientalisch denn animalisch ein. Mir hat sich die animalische Tendenz tatsächlich nicht erschlossen. Er riecht sinnlich und verführerisch, gewiss. Vermeintlich anwesende wilde Tiere haben sich vor mir gut versteckt – sind Füchse so einschüchternd?

Beim erstmaligen Testen im Februar hat sich mir der Zauber nicht vollends erschlossen. Erst auf Anraten einer tollkühnen Parfuma versuchte ich den Test unter lebensbedrohlichen Bedingungen: bei hochsommerlichen 30°C. „Der ist verrückt“, mag sich mancher denken. Zu Recht! Mein Testament hatte ich kurz vorher geschrieben. Doch das Ergebnis war erstaunlich: der Duft hat sich bei der Hitze weitaus besser entfaltet, als er es aus meiner Erinnerung im Winter tat. Die Wärme meiner sonnengebadeten Haut, der eigene Körpergeruch und das Parfum ergaben eine wundersame Melange, bei dem die Vanille wie ein Phoenix aus der Asche gen Himmel hinaufgestiegen ist.

Normalerweise empfiehlt man süße Düfte für kältere Jahreszeiten - „vorzugsweise an kälteren Tagen zu tragen“. Doch hier nicht: viel mehr appelliere ich an alle Parfumixe – lasst Musc Ravageur auf eure Haut, auch bei hochsommerlichen Temperaturen. Sprengt die olfaktorischen Konventionen, wagt den Sprung ins Ungewisse – vielleicht werdet ihr am Ende reich belohnt. Lasst euch verzaubern vom sinnlichen Sommermärchen.

Passende Musik: Murlo – Primal
Vielen Dank Notausgang für dieses sinnliche Elixier!

Addendum: Gleiches Wagnis mit Oud-Düften im Sommer kann ich nur eingeschränkt empfehlen – das Ergebnis ist trotzdem spannend, oder anders gesagt: verheerend.
52 Antworten
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