Jung, kreativ und erfolgreich: Ein Parfümeur der nächsten Generation - Ein Interview mit Mathieu Nardin
Mathieu Nardin ist einer der - mittlerweile zahlreichen - jungen, kreativen Geister in der Parfümwelt. Bereits mit 23 fing er, nach seinem Studium, bei der Firma Robertet in Grasse an und hat seitdem eine Vielzahl von Düften für die unterschiedlichsten Branchen kreiert. Heute, 10 Jahre später, stellt er sich neuen Herausforderungen bei einer weiteren Firma aus Grasse, MANE, und kehrt nach einigen Jahren in den USA zu seinen Wurzeln in Frankreich zurück.
Mathieu, da Du im Grunde dein ganzes Leben von Parfüm und der Kunst seiner Herstellung umgeben warst, gab es für dich jemals eine andere Option bei der Berufswahl als Parfümeur zu werden?
Ich habe einmal über die Möglichkeit nachgedacht, in der Rohstoffbeschaffung zu arbeiten. Es ist eine faszinierende Arbeit, bei der der Beschaffer die Welt bereist, am besten dort, wo sonst niemand hingeht, auf der Suche nach neuen Pflanzen und seltenen Materialien, bereit diese in die Parfümkompositionen von morgen zu integrieren. Mehr als täglich neue Gerüche zu entdecken, bewundere ich an diesem Beruf die Berücksichtigung des Rohstoffs in all seinen Aspekten, von seiner Geschichte bis zum Respekt vor der natürlichen Umgebung und der Bewahrung des Wissens der Ureinwohner der indigenen Völker.
Was ist deine Lieblingsmethode, um Düfte zu kreieren? Arbeitest du lieber völlig unabhängig? Oder magst du beispielsweise eher die Herausforderung dich an schwierigen Instruktionen zu versuchen?
Im Allgemeinen beginne ich damit, das Projekt komplett zu übernehmen. Ich analysiere es in alle Richtungen und arbeite an den Projektionen meiner Ideen. Natürlich genieße ich es auch, durch die Entdeckung neuer Geschichten, neuer Menschen oder neuer Dinge angeregt und überrascht zu werden. Alles kann inspirierend sein.
Du hast bereits für eine Vielzahl von Marken Düfte erstellt. Was sind die Hauptunterschiede zwischen „Nischen-“ und „Massen“-Marktkreationen für dich persönlich?
Diese Märkte stellen völlig unterschiedliche Herausforderungen und Arten der Duftkreation dar. Auf dem Nischenmarkt zum Beispiel nehmen wir uns mehr Zeit, um neue Akkorde zu finden und diese mit mehr Rauheit und mehr Kreativität weiter voranzutreiben, fast bis zur Überdosierung. Der Massenmarkt ist ein sehr schöner und ebenso herausfordernder Markt, mit dem Ziel, ein Parfüm mit viel weniger Rauheit zu kreieren, runder und homogener, so dass es einer größtmöglichen Anzahl an Personen gefällt. Für mich ist es sehr lohnend, mit Projekten dieser konträren Märkte jonglieren zu können. Dadurch kann ich meine Reaktionsfreudigkeit verbessern und mein Wissen erweitern.
Ich habe gelesen, dass Rose und Jasmin deine Lieblingsblumen sind, aufgrund deiner Kindheitserinnerungen und den ersten Begegnungen mit der Parfümkunst, und dass Weihrauch und Labdanum zu deinen Lieblingsmaterialien zählen. Aber gibt es Inhaltsstoffe, mit denen Du nicht gerne arbeitest?
Natürlich gibt es immer Materialien, die wir mehr schätzen als andere, mit denen es für uns verständlicherweise einfacher ist zu arbeiten. Dies erlaubt uns zu sagen, dass ein Parfümeur seine eigene "Signatur" hat. Allerdings ist es nicht das Wichtigste. Was wir in jedem Rohstoff suchen, ist seine Wirkung im Parfüm: die Facette, die alles in eine andere Dimension bringt. Und es braucht ein Leben lang (und mehr), um ihre gesamte Komplexität zu verstehen.
Gibt es rückblickend ein Projekt, das Du nicht mehr magst? Oder ist es eher ungewöhnlich, dass ein Parfümeur nicht mehr von einem Teil seiner Arbeit begeistert ist?
Es gibt Parfüms, die sicherlich mehr meinem persönlichen Geschmack entsprechen, aber es gibt auch solche, auf die ich sehr stolz bin, weil ich bei ihrer Kreation einen großen Teil von mir selbst habe einfließen lassen. Dann die anderen, die ich nicht tragen würde, aber die viel Arbeit und Anpassung an ein bestimmtes Markenimage erforderten, und die mir gut in Erinnerung bleiben. Ich muss auch gestehen, dass ich sehr selbstkritisch bin. Selbst am Ende eines Projekts gibt es für mich nie den Moment, an dem ich das Parfüm als vollständig abgeschlossen betrachte. Mit zunehmender Erfahrung verstand ich, dass es einen Punkt gibt, an dem ich einfach loslassen muss und dem Duft den Raum eingestehen muss, den er einnehmen sollte. Damit er an den Menschen wirken kann, die ihn tragen werden.
Welche Düfte trägst Du gerne? Gibt es in deiner Sammlung etwas Herausragendes?
Generell trage ich kein Parfüm. Jedoch trage ich hin und wieder einige meiner eigenen Kreationen, um festzustellen wie sie sich auf der Haut zu entwickeln. So kann ich mir eine genauere Vorstellung von ihnen machen, sie besser verstehen. Es ist ein ziemlicher Unterschied einen Duft auf einem Teststreifen oder auf der Haut zu riechen. Ansonsten mag ich Zitrusdüfte sehr, besonders klassische Colognes, die geprägt sind von holzigen Noten. Diese transportieren mich an andere Orte, hin zu unbekannten Zielen.
Unter dem Aspekt sich ständig ändernder Trends, Massenanreizen und dem großen Einfluss, den die sozialen Medien mittlerweile haben… Was ist deine persönliche Wahrnehmung von Parfümkunst heutzutage? Verhält es sich anders als zu deiner Kindheit?
Sofortiger Internetzugriff ist eine schräge Gegebenheit. Unabhängig davon, wo sich die Verbraucher gerade befinden, können sie jederzeit auf fast jede Frage Antworten finden. Abgesehen von dem erweiterten Wissensstand, den sie verlangen (und haben), sorgt diese Tatsache für einen größeren sozialen Ausgleich, der jedem die Möglichkeit bietet, die verborgene Welt der Parfüms zu genießen. Dieser Effekt hat die Rückkehr zu einer Parfümkunst der Besonderheiten, nahe der zu Beginn des letzten Jahrhunderts, ermöglicht. Wir sehen immer mehr aufstrebende Marken, die "achtsame Parfüms" oder "100% natürliche Parfüms" für sich geltend machen. Seit einigen Jahren arbeite ich mit diesen Marken. Es ist eine andere Herangehensweise an die Formulierung von Düften, die ich wirklich mag, nahe an der traditionellen Art (als synthetische Moleküle nicht so viel Platz in der Palette einnahmen wie heutzutage). In dieser authentischen Parfümherstellung ist auch Platz für bewusste Rohstoffbeschaffung und ein erneut engeres Verhältnis zur Natur, welches auch dem Erbe der Menschen, die auf den Feldern arbeiten, zuträglich ist. Ich würde sagen, etwas, dass menschlicher für den Menschen ist, obwohl die Extraktionsprozesse große Fortschritte gemacht haben!
Abgesehen von der Rückkehr zu einer authentischeren Parfümerzeugung, habe ich immer noch eine Nostalgie für die provokative Werbung der 80er und 90er Jahre, die sich in unserer kollektiven Vorstellung kristallisiert hat. Es war eine hyperaktive Zeit, und rückblickend fragt man sich, wie sie damit durchgekommen sind! Als Musen noch starke Markenbotschafter und Einflussnehmer waren und jemandes Parfüm seine/ihre eigene Identität prägte.
Wie wichtig ist das Reisen für Dich persönlich und beruflich?
Persönlich hilft es mir, den Kopf frei zu bekommen, mir Zeit zu nehmen, um Dinge mit größerer Entfernung zu betrachten, während ich meinen Geist durch die Erlebnisse in fremden Orten bereichere. Darüber hinaus ist das Reisen eine sehr große Inspirationsquelle, die die Kreativität in meinem Alltag fördert.
Wie sieht ein Tag aus, an dem Du nicht arbeiten musst?
Reisen, wenn ich kann! An den Wochenenden gehe ich regelmäßig zum Haus meiner Eltern in Grasse, um mich um unsere Olivenbäume zu kümmern. Die restliche Zeit verbringe ich damit, neue Orte zu erkunden - alleine, mit Freunden oder mit der Familie, auf der Suche nach neuen Überraschungen, die mich verblüffen. Indem ich mir die Städte und ihre Straßen, ihre Restaurants, die Bars, Museen, Parks und Boutiquen zu Eigen mache. Außerdem ist es eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, wenngleich es sehr simpel klingt, mich einfach hinzulegen und einige Seiten eines faszinierenden Buches zu lesen.
Was können wir 2019 von Mathieu Nardin erwarten?
Er lernt weiter, aber dieses Jahr mit einer neuen Palette an Inhaltsstoffen! Der momentane Zeitpunkt ist meine liebste Schaffensperiode, so als würde ich mit der Parfümherstellung neu beginnen. Ich lerne neue Rohstoffe kennen und wie man mit ihnen umgeht, aber ich freue mich auch sehr darauf neue Parfüms in Partnerschaft mit neuen Marken zu entwickeln. Nach einigen Jahren in den Vereinigten Staaten bin ich endlich wieder in Frankreich. 2019 ist auch ein Jahr voller persönlicher Herausforderungen, in denen ich Paris neu entdecken werde, und das freut mich!
Diese Düfte von Mathieu Nardin kreiert.