Franzuschek

Franzuschek

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1 - 5 von 16
Franzuschek vor 4 Jahren 20 10
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Franz Schubert, Trio op. 100-Andante con moto
Lange lies ich mir Zeit für dieses Kommentar. Als ich diesen Duft 2019 erwarb, waren meine Erwartungen aufgrund der Kommentare hier (vor Allem von @Konsalik-danke Dir aber jetzt an dieser Stelle!) sehr hochgeschraubt. Auch aufgrund der sehr kämpferischen Namensgebung...
Es lag wahrscheinlich auch an meiner sehr ungeübten Nase damals, dass ich beim ersten Mal tragen den Duft nur unter die Kategorie "nett und warm" ablegte.. Ich trug ihn nachfolgend in Monatsabständen. Immer dann, wenn ich von den Favoriten in meiner Sammlung gerade diese Nase voll hatte. Meine Umgebung nahm den Duft unterschiedlich wahr. Kommentaresammlung: "altvatrisch", "angestaubt", "für Opas" aber auch "was is das?", "nie gerochen" und "ich würde das auch gern tragen können", "superklassisch". Ich muss zugeben, dass Crowdpleaser nicht wirklich zu meinem Charakter passen. Gern würde ich mich Gaultier Le Male, Chanel Egoiste und ähnlichen einhüllen. Sie riechen ja wirklich nett. Von meinem Lebensweg, Charakter und Alter passt "nett" einfach nicht mehr. Weder für die Menschen die mich gut kennen, noch für mich selber. Mit 45 hat man schon einiges erlebt und auch ein paar Narben vom Leben mitgenommen. Diese Narben sind gleichzeitig auch die Kanten meines Charakters. Und meine Düfte sollen dies durchaus unterstreichen!
Über das letzte halbe Ist Yatagan ein treuer Begleiter geworden. Nicht zu jeder Situation. Nicht zu jeder Stimmungslage. Dafür liegt in dem Duft aufgrund des Alters und der Ingredienzien zu viel Polarität. Die Polarität des Duftes ist für mich mittlerweile die stille Kraft die in ihm ruht. Eine stille Kraft, die mich zu meiner eigenen Lebensgeschichte verbindet und erdet. Er erzeugt einfach eine mächtige Mitte. Und ich möchte beileibe nicht ständig in meiner Mitte ruhen. Sondern das Leben, die paar Jahre noch als Abenteuer erleben. Aber die alten Abenteurer brauchen ab Mitte 40 vermehrt Momente der Mitte und Kongruenz. Im Moment und zur eigenen Geschichte.
Wie ist jetzt dieser Duft zu beschreiben? Wie bei allen grandiosen Kompositionen ist dies auch bei Yatagan für mich äußerst schwierig. Die einzelnen Komponenten sind so meisterlich verwoben, dass keine einzelne Komponente stark hervorsticht, sondern ein olfaktorischen Gesamtkunstwerk liefert. Es riecht für mich einfach nach Yatagan. Sehr große Kunst. Ich versuche es trotzdem..
Am besten mit einem olfaktorischen Erlebnis meiner Kindheit. Freunde unserer Familie war ein Ehepaar. Er war ein Wiener Exdiplomat. Geboren 1910. Sie ein paar Jahre Jünger. Kinderlos. Immer wieder waren wir als Familie Anfang der achtziger Jahre in ihrer Villa im 18. Wiener Gemeindebezirk eingeladen. Die Dame des Hause war eine weltmeistlerliche Köchin und Gastgeberin. Bei den Gedanken an ihren Streuselkuchen rinnt mir immer noch der Speichel. Sie war auch eine sehr gepflegte Damen. Ich kann mich noch erinnern, dass sie immer nach Parfum roch. Ich war damals 1983 8 Jahre alt und mein Bruder 6. Mein jüngerer Bruder, meine Mutter und die Dame des Hauses waren immer gleich im Garten mit dem Yorkshire Terrier beschäftigt. Aufgrund der überbordenden Tierliebe meiner Mutter war mein Vater etwas gesättigt von Haustieren. Ditto der Herr des Hauses bezüglich des Yorkshire Theaters. So waren beide gleich im Wohnzimmer und jeder nahm auf einem Lehnstuhl platz. Und ich als 8 jähriger auch. Ich war unheimlich fasziniert von der Einrichtung dieses Wohnzimmers und den Geschichten des weitgereisten Diplomaten. Ich saß schweigend in der Ecke und verfolgte die intellektuelle Unterhaltung meines Vaters mit diesem Gentleman im Dreireiher. Verstanden habe ich natürlich nichts. Das war mir aber sehr egal. Auf der einen Seite war das Auftreten des Diplomaten ungekannt souverän. Auch mein weltgewandter Vater konnte bei seinen Erzählungen seinen immanenten Redefluss vergessen. Auf der anderen Seite war der Diplomat ein passionierter Pfeifenraucher. Und es war höchst faszinierend für mich dieser Zelebrierung der Tabakauswahl, der Pfeifenauswahl, des Stopfens der Pfeife und des genüsslichen Rauchens beizuwohnen. Das ganze Wohnzimmer war auch mit altertümlichen Artefakten seiner verschiedenen Destinationen als Diplomat geschmückt. Ein Meter hohe afrikanische Statuen mit erigierten Penis, Masken in allen Farben aus Südamerika zur Abwehr der bösen Geister, Grabbeigaben aus dem alten Ägypten, Münzen des alten Roms und eine Menge griechischer Vasen. Auch die umfangreiche Bibliothek trug das seine zu meiner Faszination bei. Der Diplomat rauchte aus seiner Pfeife und erzählte von längst vergangenen Zeiten seines beruflichen Lebens. Der Rauch des aromatisierten Tabaks (Sherry, Whisky?) erfüllte das Wohnzimmer mit einem angenehmen leicht süßlichen Geruch und ging mit der Patina der Artefakte eine höchst wundersame olfaktorische Verbindung ein. Das Wohnzimmer grenzte an die Terrasse. Ich kann mich noch erinnern, dass die Terrassentüren geöffnet waren, die dort aufgestellten Lavendel, animiert durch die laue Sommerbrise, leisteten einen weiteren Beitrag zu diesem olfaktorischen Ereignis. Irgendwann kam dann noch die Dame des Hauses mit dem frisch aus dem Ofen befreiten Streuselkuchen vorbei. In Gefolge des Yorkshire Terriers. So bekam das ganze noch eine leicht animalische Note.
Hätte ich dieses Kindheitserlebnis nicht, zu diesem Duft, würde ich ihn nur unzureichend beschreiben können.
Ein Fazit versuche ich trotzdem:
Kopfnote:
gedämpfte Vanille auf einem Barborshop Bett
Herznote:
Nadelholz wird stärker
Basisnote:
Amber und Moschus in der sanften Form begleiten Kopf und Herz
Haltbarkeit auf Baumwolle und Leinen plus 10 Stunden
Haltbarkeit auf der Haut etwa 6 Stunden
Sillage ist die erste Stunde auf 1,5 m wahrnehmbar. Nachher projeziert der Duft auf der Haut. Erst unter 20 cm wahrnehmbar. Dies aber sehr, sehr angenehm durch den Amber.

Wann ist dieser Duft tragbar? Immer bei Temperaturen unter 25 Grad.
Wann funktioniert der Duft? Am besten mit einem Hemd
Wer kann den Duft tragen? Ein Mann ab Mitte Dreißig. Vorausgesetzt er ist kein Ja Sager und ist selber eine markante Persönlichkeit.
Eine gewisse Geduld sollte man mitbringen um diesen grandios komponierten Duft zu erfahren!
Wann würde ich diesen Duft nicht empfehlen? Nicht für ein Rendezvous und nicht für das Fitnesscenter oder einem Tag im Sommer am See...

Person zum Duft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Slatin
Song zum Duft:
https://www.youtube.com/watch?v=e52IMaE-3As
Getränk zum Duft:
Glenmorangie Nectar d´Or
10 Antworten
Franzuschek vor 4 Jahren 25 3
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Rouge auf deiner Haut
Im Regelfall ist mir der Flakon eines Parfums nicht wirklich beachtenswert. Was nützt die Verpackung, wenn der Inhalt nicht passt? Bei Narciso Rouge ist der Flakon doch etwas besonderes. Nicht nur das das Handling passt und das Design sehr lässig ist. Der Flakon drückt durch Design und Farbe für mich schon aus um was es geht. Spiegelt den Duft und die mögliche Trägerin. Dazu später mehr...
Der Duft beginnt mit einer Rose und Iris. Wobei für mich die Iris die Oberhand hat. Schön gepudert. Nicht brutal im Auftritt, jedoch gut wahrnehmbar.
Nach etwa 20 Minuten betritt dann Madame Moschus die Bühne und Iris und Rose machen artig Platz vor dieser Diva. Ohne diese gänzlich zu verlassen. Hier möchte ich vielleicht anmerken, daß der Duft am Teststreifen kaum etwas von seiner sinnlichen Potenz widerspiegelt. Narciso Rouge braucht anscheinend Haut. Und wie eine Diva lässt Madame Moschus etwas auf sich warten. Das Warten lohnt sich sehr.
Sie bittet dann noch Madame Tonkabohne auf die Bühne. Ein sehr gutes Gespann. Für mich wie ein Duett von Dalida und Mireille Mathieu.
Als Backgroundsängerinnen kommen noch Zeder, Vetiver und Vanille hinzu.
Das Konzert geht dann etwa 6 Stunden. Und dieses Konzert wird für mich nicht fad. Aber auch nicht wirklich laut. Ständig ist bei diesem Konzert ein Spiel mit Sinnlichkeit und animalischer Erotik. Ohne jedoch abzugleiten in die Niederungen von Porno und Plastik und HD.
So und jetzt sind wir wieder bei dem Flakon und der möglichen Trägerin.
Wenn ich mir den Flakon so ansehe, bemerke ich auf der einen Seite eine sehr klare Formensprache. Fast etwas strenges. Diese Strenge und Klarheit wird durch die Unregelmäßigkeiten des Duftreservoirs ausgeglichen. Und durch das erotischste Lippenstiftrot wird die Grundthematik des Duftes visuell transportiert.
Sehr passend finde ich diesen Duft für eine Frau, welche ihre Reize subtil einzusetzen vermag. Älter als 35 und stilsicher in Kleidung und Kommunikation. Flirtgewandt und witzig. Offen und neugierig für die Schönheiten der Welt. Genussfähig und emotional. Ein wenig Diva. Und mit diesem Lippenstiftrot.

https://www.youtube.com/watch?v=sCbzWiJLVhk
#sex #sinnlichkeit #animalisch
3 Antworten
Franzuschek vor 4 Jahren 18 7
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
DER Bückdich Duft
Wenn man so in Parfümerien oder Drogeriehandelsketten shoppt, zahlt es sich immer aus sich zu bücken. Ganz unten sind die Guten. Oben das aktuelle. Dafür wird ja auch gezahlt von den Firmen. In Kopfhöhe ist der beste Vermarktungsplatz. Nur wenn über die Jahrzehnte etwas gut verkauft wird... Dann kommt es in Bodennähe. Aber man nimmt es nicht aus dem Angebot. Weil so viele diese Düfte geil und overwhelming finden.
Kouros ist unten. Paloma Picasso ist unten. Lou Lou ist unten. Und sehr viele. Bück dich!
Vor allem bück dich für Tabac!
Nein knie nieder! Hebe die Hände und bete!
Ein Weltklasse Duft! In allem!
Er ist so Weltklasse, daß es schwierig ist ihn zu beschreiben. Wie riecht er? Naja wie Tabac, so wie Kouros einfach nach Kouros riecht. Das ist die Königsklasse. Wenn Komponenten nicht beschrieben werden können, weil die Komposition selber einen Geruch definiert!
Trotzdem versuch ich es:
Pudrig, seifig. Frisch gewaschen. Animalisch.
Sollte hier irgendwer über was weiß ich für einen Duft nachdenken und hat Tabac nicht in der Sammlung. Solche Männer kann ich tatsächlich nicht ernst nehmen. Der beste Alltagsduft ever! Komplimente auch beim Weggehen. Haltbarkeit top! Sillage genau richtig! Preis Leistung für mich nur geschlagen von Midnight Oud.

7 Antworten
Franzuschek vor 4 Jahren 11 4
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9.5
Duft
Heavy Metal to Salvador Dali
Jetzt habe ich doch ein paar Düfte gerochen in den letzten Jahrzehnten. Bei diesem tue ich mir jedoch sehr schwer.
Die Firma Wiener Blut gibt es jetzt schon ein paar Jährchen und bekam von der Wiener Lifestyle Presse Lob um Lob um Lob. Wiener Blut platziert sich in einem hochpreisigen Segment und kann nur an paar Stellen in Wien erworben werden. Das Konzept ist im groben: die Wiener Duftwelt um 1900 erfahrbar zu machen. Bälle, Monarchie, kuk, Sissy und Konsorten.. Tatsächlich ein gutes Konzept. Für mich als Fan von Zeitreisedüften natürlich sehr ansprechend. Es wäre sogar genial, wenn alte Kreationen wieder aufgelegt werden würden. Grenzgenial!
Leider fehlt mir die Referenz dazu. Es wird nicht auf diese Rezepturen verwiesen. Also kann es sein oder auch nicht. Es werden heutige Parfumeure gebucht. Das Resultat soll auf Wien um 1900 verweisen.
Wie geschrieben, fehlt mir die Referenz zu den damaligen Düften. In meiner Sammlung befinden sich ein paar ältere Kreationen. Caron pour Homme M, Alt Innsbruck, Floid und natürlich "der Duft sie alle zu knechten" Knize 10. Allesamt extreme Düfte. Aber allesamt sehr kleidsam für den richtigen Mann und sollten in keiner Sammlung fehlen.
Nun zu dem Ex Voto…
Dem Preis entsprechend kommt der Flakon in toller Verpackung. Und der Flakon ist sehr, sehr lässig. Handgeblasenes Glas angeblich. Tolle Form. Handlich. Toll.
Nur die Schrift auf dem geklebten Etikett verwischt sich bei Kontakt mit Flüssigkeit..Für mich ein Manko.
Der Duft eröffnet mit einer extremen Kopfnote. Hier empfiehlt es sich tatsächlich sparsam zu agieren. Für einen selber und die lieben Menschen in der Umgebung. Super, super harzig. Dann kommt Gummi zum Harz. Später Holz. Ja Sandelholz. Leute ich tu mir sehr schwer.. Ich kenne mich weder mit Mastixharz aus, noch mit ähnlichen Düften. lch bleibe einfach in meiner emotionalen Welt. Düfte sind ja immer sehr emotional.
Ex Voto ist für mich ein Arschtreter Duft...Mir kommt da nix mystisches und auch kein Siegmund Freud und sicher keine Sissy...Rauch, Harz, Holz, Gummi.
Der Duft passt für mich gar nicht ins Marketing der Wiener Blut. Von einer anderen Firma mit der entsprechenden Vermarktungsschiene wäre dieser Duft ein Ultra Macho. Der Duft den Mann auflegt, wenn Mann einfach nur abviechern will.
Lot of Drugs, Alkohol, Zigaretten und ein heftiges Konzert. Deathmetal, Grindcore, Industrial. Sowas. Die Location ist voll. Das Pissoir verstopft. Edding raus beim Pissen und "Fuck you" auf die Häuselwand schreiben.
Aaaaber:
Er wird stiller. Ex Voto wird zahmer. Und dann ist er der Super Begleiter für eine Vernissage. Da fragen dann die Möchtegern kunstbeflissenen Anwälte "Was ist den das? So interessant! Nie gerochen!"
Sehr schön. Es kommen dann Assoziationen zu einer Werkstätte, die alte Möbel und Antiquitäten restauriert.
Unter dem Strich:
Ein etwas schwieriger Duft. An dem Mann selber wachsen muss. Von Heavy Metal zu Vernissage. Von Brut Art zu
Dali.
Für mich finde ich ihn grandios. Er bekommt in meiner Sammlung genau den Platz neben Knize Ten und Alt Innsbruck.
Und Kinder: keine Komplimente vom Weibsvolk oder Influencern. Lovin it!



4 Antworten
Franzuschek vor 4 Jahren 7 7
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Freitag Mittag in Beaumont
Es ist Freitag. Ein Freitag Mitte Juni. Und wie jeden Freitag kommt Martin gegen 10:00 auf den Marktplatz von Beaumont. Freitag ist nämlich Markttag in Beaumont. Und Martin verbindet seine Einkäufe der regionalen Produkte des Perigords mit einigen Stunden des Schreibens einigen Pastis und dem Studium der vielen Menschen die den Markt besuchen. Die meisten kennt Martin und die meisten kennen Martin. Hat er es doch über die Jahre in denen hier ist zu einer gewissen Popularität gebracht. Obwohl Martin Brite ist. In Beaumont stört das jedoch kaum mehr wen. Hat doch der rege Zuzug von Briten die Stadt belebt. Und die Popularität Martins gründet sich ja vorallem darauf, daß Martin seiner Liebe zum Perigord und Beaumont durch Kriminalromane und Kochbücher huldigt. Obwohl er Brite ist.
Diese Popularität birgt ja auch Nachteiliges in sich. Mittlerweile wird er ja auch immer wieder von Touristen entdeckt und um ein Selfie und oder Autogramm gebeten. Deswegen sucht sich Martin mittlerweile immer einen Platz auf den im freien stehenden Tischchen der Cafés welcher etwas abseits liegt. Und seine alte Ray Ban und seinen Panamahut legt er auch nicht mehr ab.
Eigentlich ist ja Martin vor Jahren hierher gezogen, um einen Hort der Ruhe zu finden. Martin war die ständigen Flugreisen und Termine als Topjournalist satt geworden. Die Hektik von Grossstädten wie New York, London , Tokyo und ähnlicher Metropolen bereitete ihm Kopfschmerzen. Hier im Perigord kam Martin zur Ruhe und zum Genuß. Zum Genuß der vortrefflichen Kulinarik des Perigords, zum Genuß von Zeit.
Martin hat Platz genommen und seinen braven Caran d'Ache Füller mit seinem Schreiblock ritualgleich in der Mitte seines Tischchens platziert. Martin taxiert den Marktplatz. Das geschäftige Treiben beginnt erst. Noch sind nicht alle Stände befüllt. Es wird auf der einen Seite noch ausgeladen und auf auf der anderen Seite werden schon die ersten Einkäufe getätigt. Der Höhepunkt des Betriebs liegt noch in zeitlicher Entfernung. Gegen Abend ist immer das meiste los und geht dann nahtlos in ein geselliges Fest über. Bis dahin hat Martin genügend Zeit. Zeit erstmal zu sehen wer denn aller schon hier ist von den Protagonisten.
Natürlich tänzelt der ewigjungbleiben wollende örtliche Gigolo schon um die eine oder andere der betuchten Brittinnen. Wohlsituiert und zwischen 50 und 60 ist sein Revier. Niemand weiß eigentlich seinen richtigen Namen. Er ist Italiener, viel zu laut und jeder nennt ihn nur "Gio". Martin hofft inständig, daß er sich in ein Opfer verbeissen kann. Dieses Italogeplapper zieht Martin den letzten Nerv. Ähnlich oberflächlich, nur noch anstrengender sehen Martins Augen wie Mr. Creed den Marktplatz betritt. Martin zieht den Panama tiefer. Viel tiefer.. Mr. Creed ist schon über 60. Glaubt aber 35 zu sein. Mr. Creed war sehr erfolgreich mit seiner Consulting Firma. Und das muss ständig zur Schau gestellt werden. Ein alter Mann ohne Tiefgang mit zu viel Geld. Ein Meister des brutalen und sinnlosen Smalltalk. Martin rutscht auf seinem Stuhl tiefer. Viel tiefer.
Fast rutscht Martin vom Stuhl als die nette Kellnerin des Cafés, Viviane Belle ihr Name, die Bestellung aufnehmen will. Viviane ist auch keine Leuchte, nur Viviane ist herrlich frisch. Martin freut sich immer über das etwas zu grelle Geschminke und ihre zwei wirklich gut platzierten Mandarinen... Martin ist zwar auch schon im Ausgedinge, nur nicht gänzlich den Schönheiten des Lebens abgeneigt.
"Einen Pastis, wie immer!"
Mittlerweile ist es angenehm warm geworden. So warm, daß sich die kommende Hitze des Nachmittags erahnen lässt. Auf einem der nächsten Stände werden von einem Lieferwagen Lavendelsträusse ausgeladen. Frisch geerntet. Lavendel wie es ihn nur hier gibt. So kraftvoll und so frisch. Eine leichte Windböe trägt den Geruch, besser eine dichte Geruchswolke zu Martin. Martin vergisst seinen Tarnmodus, richtet sich in seinem Stuhl auf und schiebt den Panamahut nach hinten. Diesen Lavendelgeruch gibt nur hier. Hier im Juni. Martin schliesst die Augen und atmet so tief ein wie es geht. Der Lavendel, die Wärme des Sommers. Die Kraft des historischen Ortes. Wie viele Menschen haben es Martin wohl über die Jahrhunderte gleichgemacht? Im Juni. In Beaumont. Am Marktplatz.
Wie viele Menschen haben sich bei diesem königlichen Duft aufgerichtet und sich so wie Martin königlich gefühlt?
Martin nimmt mit geschlossenen Augen sein Pastis Glas und führt es zu seiner Nase. Wieder ein tiefer Atemzug. Der Lavendel mischt sich mit dem Anis. Mit der Seifigkeit des Pastis. Mit der Wärme des Sommers. Martin fühlt sich tatsächlich wie ein König. König über den Moment des Genuß. Wegen diesen Momenten ist Martin im Perigord. Ist Martin in Beaumont.
Die Windböe ist vorbeigezogen. Martin öffnet nach einem kleinen Schluck die Augen. Der Lavendel bleibt jedoch mächtig bei ihm. Hat seinen Platz gefunden in seinem Leinenanzug. Martin ist bereit. Martin legt seinen Hut zur Seite, schlägt seinen Notizblock auf, nimmt den Füller zur Hand. Martin beginnt seinen neuen Roman zu schreiben.
"Es ist Freitag. Ein Freitag Mitte Juni...."




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