FvSpee
FvSpees Blog
vor 5 Jahren - 10.04.2019
13 27

Berliner Duftspaziergänge. Teil 6: Davos die teuren Düfte gibt

Mit der Wiederkunft der Frühlingssonne geht das Wiedererwachen der Flanierlust einher, und so beginnt eine zweite Staffel der Berliner Duftspaziergänge.

Sie führt uns zurück in (oder jedenfalls an) den Mommsenkiez, von dem schon in den Folgen 1, 2 und (mit Einschränkungen) 3 und 4 gezeigt wurde, dass er das wahre olfaktorische Gravitationszentrum Berlins, wenn nicht der Republik ist. Auch in Folge 7, so viel darf verraten werden, wird er uns wieder begegnen.

Die südliche Grenze des Mommsenviertels bildet der Kurfürstendamm zwischen Adenauerplatz im Westen und der Kreuzung mit der Knesebeckstraße im Osten und mittendrin, nämlich an der Ecke zu der uns schon aus früheren Folgen bekannten Bleibtreustraße, auf der nördlichen, zum Mommsenviertel gehörigen Seite des Flanier- und Einkaufsboulevards, liegt die feine

Parfümerie Delfi, Kurfürstendamm 46
https://parfuemerie-delfi.de/

In der ersten Etage des Etablissements befindet sich eine - uns heute nicht weiter interessierende - "Beauty Suite", im gut beleuchteten, modern eingerichteten Erdgeschoss stehen die Duftschätze zum Verkauf. Der relativ kleine Verkaufsraum wird gut genutzt, sodass eine Menge Düfte Platz haben, ohne dass es vollgestopft wirkt.

Es wird eine sehr gezielte Auswahl an (vorwiegend Nischen-) Duftmarken geboten, wobei die meisten geführten Marken zwar nicht mit dem Gesamtportfolio, aber doch mit einem ordentlichen Sortiment vertreten sind. Dabei überwiegen, sicher auch dem Standort mit einer entsprechend kaufkraftstarken und prestigebewussten Laufkundschaft aus dem In- und Ausland geschuldet, teure und sehr teure Nischenmarken mit bekannteren (z.B. Creed, Amouage, Montale, Xerjoff, Kurkdjian, Roja, Micallef) und (mir) weniger bekannten Namen (z.B. Kilian, Marly, Simimi, Sospiro, Stephane Humbert Lucas), auch die unvermeidliche Jule mit ihrer noch unvermeidlichen Knarre ist mit von der Partie. Interessanter Weise sind auch einige wenige Marken aus dem Mainstream-Segment vertreten, so Chanel (nicht aber Guerlain, Dior und Givenchy) und Acqua di Parma.

Mir scheint, dass das Angebot des Hauses einem gewissen Wandel unterworfen ist, denn ich meine mich zu erinnern, bei einem Besuch vor etwa einem Jahr noch Marken angetroffen zu haben, die mir diesmal eher nicht aufgefallen sind (außer mit dem Namenszug am Regal), wie Annick Goutal, Houbigant und Penhaligon's.

Hat die Angebotspalette einen gewissen Zug ins Abgehobene, so gilt dies mitnichten für die Atmosphäre. Diese wird maßgeblich geprägt durch sehr freundliche und zugewandte, nicht im geringsten blasierte, stets die richtige Balance zwischen Beratungsfreudigkeit und Zurückhaltung findende Parfümeriefachverkäuferinnen alter Schule. Zu vermuten sind übertarifliche Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen; wie auch immer, das Ergebnis sind ausgeglichene Menschen, die sich Zeit für eine gute Beratung nehmen, ohne je Kaufdruck auszuüben. Man erfährt dabei viel Wissenswertes über die einzelnen Duftmarken und die dahinter stehenden Parfumeure.

Und auch wenn man kein Ölscheich oder Filmstar ist und sogar wenn man zu erkennen gibt, dass man nur schnuppern will wird man hier bestens behandelt, vortrefflich bedient und durchaus auch mal mit einer Gratis-Probe bedacht. Ich präzisiere das dahingehend, wenn man zu erkennen gibt, diesmal nur schnuppern zu wollen. Denn meine etwas altmodische Ansicht, dass man nirgendwo die Berater belästigen sollte, wenn man nicht mindestens ernstlich erwägt, beim nächsten Besuch etwas zu kaufen, habe ich ja schon an anderer Stelle geäußert.

Meine Frage, ob man denn hier (womöglich als Bückware) nicht doch auch etwas von Dior erstehen könne (der Duftflaneur war auf der Suche nach dem aktuellen Diorissimo, um ihn mit der Vintageversion vergleichen und bei akzeptablem Ergebnis käuflich erwerben zu können), wurde abschlägig beschieden, nicht ohne auch eine plausible Erklärung dafür zu liefern: Der Kurfürstendamm sei so übervoll von Flagshipstores der großen Modehäuser, dass man sich hier auf die Düfte konzentriere, die nicht einer der draußen schon anderweit vertretenen Marken affiliiert seien. Ich möge doch einfach nebenan zu Dior gehen! Nun gut, sagte ich, aber sei es denn nicht ein wenig, sagen wir, anstrengend, als Normalsterblicher in die Konsumtempel der Reichen und Überreichen zu spazieren, und überhaupt, führten diese überhaupt auch Parfüms, denn was die Auslagen in den Schaufenstern angeht, hatte ich da stets nur die Mode in Erinnerung.

Aber gewiss doch, wurde mir versichert, auch die Duftwässer seien dort im Angebot, und ich möge mich da doch nicht abschrecken lassen, das Personal sei durchweg sehr freundlich, selbst wenn nur die Aussicht bestünde, dass der Kunde statt der schönen Kleider aus der neuen Frühjahrskollektion für 25.000 Euro bloß einen Duftflakon für 150 erwerbe.

Gehört, getan, machte ich mich auf den Weg nach draußen und erforschte zunächst einmal etwas systematischer die Welt der Mode- und Schmuckhäuser dort. Eine bemerkenswerte Konzentration derselben war mir schon viel früher aufgefallen, aber erst mit dem Blick des Forschers wurde mir das Ausmaß der Monokultur deutlich: Auf maximal fünf Spazierminuten Südseite und ebenso vielen Minuten Nordseite des Ku'damms finden sich, im Wesentlichen zwischen Olivaer Platz und Ecke Ku'damm / Schlüterstraße, die Filialen von Yves Saint Laurent, Bally, Armani, Dior, Valentino, Hermès, Bottega Veneta, Jil Sander, Cavalli, Burberry, Gucci, Bulgari, Cartier, Rolex, Chanel (sic! obwohl es die ja nun auch bei der Parfümerie Delfi gibt!), Dolce&Gabanna, MCM, Ermengildo Zegna, Prada, Louis Vuitton und Versace. Das ist schon heftig.

Eines der größten Geschäfte ist das von Dior, und da ich ja auf der Suche nach Diorissimo war, nichts wie rein in die gute Stube. Hier erwiesen sich allerdings beide Auskünfte der freundlichen Dame von "Delfi" als unzutreffend. Denn nachdem ein (der Statur nach auch für Sicherheitsfragen zuständige) Lakai mir die Tür geöffnet hatte, taxierte mich eine (in meiner Wahrnehmung jedenfalls, halten zu Gnaden) recht blasiert wirkende, nach Physiognomie und Brillenmodell frappant an Mister Moto erinnernde Person abschätzig und teilte mir nach Mitteilung meines Begehrs mit, hier gäbe es keine Düfte, da möge ich zu KaDeWe gehen. Vielleicht war es auch nett gemeint und kam bei mir nur hochnäsig an. Wer weiß. Nun, dieser Versuch war jedenfalls im Ergebnis fehlgeschlagen.

In dem festen Willen, das Feld der Ehre nicht geschlagen zu verlassen und sowohl noch irgendeinen Duft, auf den ich neugierig bin, zu testen, als auch für diesen Blog ersatzweise ein anderes Beispiel für die Flagshipstores des Ku'damms zu besuchen (pars pro toto, die anderen könnt ihr selbst probieren!), startete ich einen zweiten Versuch bei Bulgari (aka Bvlgari, aber man sagt ja auch nicht Avgustvs), denn auf meiner Merkliste steht seit langem ungetestet Eau Parfumée au Thé Bleu:

Bulgari, Kurfürstendamm 190-192
https://www.bulgari.com/de-de/storelocator/germany/Berlin

Die Nummer mit dem breitschultrigen Lakaien als Türöffner kannte ich inzwischen schon, nur dass es mir diesmal schon technisch nicht möglich gewesen wäre, die Tür selbst zu öffnen, denn die ist, wie bei teuren Juwelieren üblich, verschlossen: man muss klingeln. Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass der Doorman den Kunden - ein wenig italienische Restaurants erinnernd - aus vollem Halse auf italienisch begrüßt (und später verabschiedet). Vorsichtig geworden, erkundigte ich mich diesmal gleich bei ihm danach, ob es hier neben Bulgari-Geschmeiden denn wohl auch Bulgari-Düfte gäbe, und siehe da, es gab. Hier die ersten Düfte, Signore, und da kommt auch schon die Verkäuferin, gleich wird sie Zeit für Sie haben, Signore, va bene.

Um es vorwegzunehmen, es war sehr fein bei Bulgari, ich habe mich sehr wohl gefühlt. Von der soignierten Verkäuferin wohl chinesischer Herkunft in ihrem Chefstewardess-artigen Kostüm, die sonst eher teuren Schmuck an eine andere Klientel verkaufen dürfte, wurde ich aufs Beste beraten und überaus korrekt behandelt, obwohl ich (zu den allerdings impekkablen rahmengenähten Schuhen und zu meinem inzwischen durch ausreichend Lebenserfahrung gefestigten Selbstbewusstsein) bloß ein Hemd von C&A und eine Five-Pocket-Hose von VANS trug und sogleich deutlich machte, dass ich mich nur für Düfte interessiere. Dass die Beratungsintensität, was das Eingehen auf einzelne Duftnoten und dergleichen betrifft, nicht übermäßig hoch war - geschenkt: die Düfte stehen hier ja nicht im Vordergrund. Aber nachdem die mir entgegengebrachte Freundlichkeit zunächst noch etwas geschäftsmäßig wirkte, wurde die Dame, nachdem ihr offenbar mein Humor gefiel, später dann phasenweise fast schon verschwörerisch - und nahm sich viel Zeit für die Beratung.

A propos "die Düfte stehen nicht im Vordergrund": Rein technisch betrachtet tun sie dies doch, indem nämlich an markanten Stellen der weitläufigen, edel eingerichteten, etwas dunkel gehaltenen Räumlichkeiten, z.B. an Ecken und in Durchgängen, kleine Podeste mit der Duftkollektion GEMME aufgebaut sind, auf die ich zuerst stieß und um die sich die Tests und das Beratungsgespräch zuerst drehten. Ich konnte etwa ein halbes Dutzend dieser Düfte testen (wenn ich gewollt hätte, sicher auch noch mehr), und es waren auch ein paar ganz nette dabei. Allerdings muss ich sagen, dass die Flakons für meinen Geschmack dermaßen ungeschlacht und protzig sind, dass ich mir keinen dieser Düfte zulegen würde, auch wenn sie statt 250 Euro (in dieser Liga spielen wir hier) nur 25 kosten würden.

Dann, auf meine Frage, wurde mir auch die (in vollem Umfang vorhandene) Eau-Parfumée-de-Thé-...-Kollektion präsentiert, die (vermutlich weil deutlich preiswerter) an weniger prominenter Stelle des Ladens platziert war. Die Verkäuferin schien diese Düfte auch selbst sehr zu mögen, und ich würde sagen, zu Recht! Die "Blanc"-Variante war mir etwas zu blass (sollte vielleicht so sein), aber insbesondere "vert" und "bleu" (letzterer war ja der Grund meines Kommens) sind tatsächlich ganz famos. Ich testete ausführlich, wurde mit Proben (u.a. von Thé Vert und von einigen der Mainstream-Bulgaris wie Man in Black und Aqua Pour Homme) versorgt - ferner mit Hinweisen darauf, dass einige der Tee-Düfte, u.a. "mein" Bleu, in Kürze ganz eingestellt würden, sodass sich bei ernstem Interesse ein Notkauf anbiete, sowie auf eine demnächst bevorstehende Duftvernissage.

Da kann man nicht meckern, wie das größtmögliche Lob des Berliners lautet. Obwohl mir der Stil des Schmucks von Bulgari immer noch nicht gefällt, verließ ich den Laden ("Arrividerci, Signore") gut gelaunt. Die Marke hat durch dieses Erlebnis bei mir einen spektakulären Image-Sprung nach oben hingelegt. Und wenn ich diesen blauen Tee noch kaufen sollte (was wahrscheinlich ist, so gut hat er mir und meiner Frau gefallen), dann nur in diesem Flaggschiffladen und nirgends sonst.

Fortsetzung geplant - Für Teil 7 der Duftspaziergänge ist u.a. ein Besuch bei der Berliner Filiale von "Le Labo" vorgesehen.

Bereits besucht:

Mekkanische Rose (Teil 1)
Harry Lehmann (Teil 1)
Belle Rebelle (Teil 2)
The English Scent (Teil 2)
Manufactum (Teil 3)
Parfumsalon Berlin (Heinz Schlicht) (Teil 3)

Urban Scents (Teil 4)
Diptyque (Teil 4)
Wheadon (Teil 5)
The Different Scent (Teil 5)
Parfümerie Delfi (Teil 6)
Die Flagshipstores der Mode- und Schmuckhäuser am Ku'damm (Teil 6)
13 Antworten

Weitere Artikel von FvSpee