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vor 5 Jahren - 21.01.2019
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Duft-Grundausstattung für junge Herren (mit begrenztem Budget) - Teil 3 und Abschluss

Nachdem nun fünf von zehn Plätzen im Duftschrank besetzt sind, ist zu konstatieren, dass bereits 300 Euro verbraten sind. So kann es nicht weitergehen, wenn wir uns der einleitenden Worte erinnern, dass dies eine Empfehlung für diejenigen männlichen Berufseinsteiger sein soll, die mit kleinem Geld weit duften wollen.

Hol schon mal die Düfte, Harry

Es muss eine Kostenbremse her und die heißt, wie sollte es anders sein, Harry. Es ist schon oft gesagt worden, auch schon von mir, und trotzdem will es hier (kurz jedenfalls) wiederholt werden: Die Berliner Duftmanufaktur "Harry Lehmann - Parfüm nach Gewicht", seit fast 100 Jahren in Familienbesetz, bietet Weltklassedüfte zum Spottpreis an. Neben exzellenter Qualität und sehr geringem Preis bietet sie seit der Weimarer Republik Vorteile, die heute in aller Munde und auf aller Haut sind, nämlich "lokale Produktion" (in Berlin) und damit kurze Transportwege und "Nachhaltigkeit" (keine Verpackungskartons, keine Werbematerialien, Flaschen zum Nachfüllen). Außerdem kann man Misch-Abfüllungen in Auftrag geben und zwischen Größen von 10, 15, 30, 50 und 100 ml, teils auch noch jeweils mit und ohne Sprühkopf, wählen.

Legt sich unser junger Freund von dieser Marke (Erwerb nur möglich im Geschäft in Berlin oder per Direktbestellung dort) gleich mehrere Düfte zu, dann hat er nach dem Kapitel "Klassiker" (Teil 2 dieses Blogs) auch das Kapitel "meine persönliche Marke" mit erledigt. Es macht sich nämlich zweifellos recht weltmännisch, wenn man bei passender Gelegenheit fallen lässt, von den Düften eines bestimmten Hauses so angetan zu sein, dass man sich gleich eine ganze Auswahl davon zugelegt habe. Und das geht vom Preis- / Leistungsverhältnis er nirgends besser als bei Harry.

Welche Düfte schlage ich nun vor? Beginnen möchte ich mit zwei Kreationen, denen hoffentlich auch die ärgsten Mäkler nicht absprechen können, "jung" zu sein. Da ist zunächst

Duft Nr. 6: New York Eau de Cologne 100 ml im Sprühflakon. 5 Euro zzgl. Mehrweg-Flakon (4 Euro?).

Einer meiner absoluten Lieblingsharrys, ein sehr freundlicher, jugendlicher und doch klassischer Duft fürs Büro und heitere Freizeitvergnügungen. Frisch und würzig, aber ganz licht und hell, von der Leichtfüßigkeit eines Cologne, niemanden bedrängend (gut auch für Situationen, bei denen man eigentlich nicht parfümiert riechen oder für die Gesellschaft von Leuten, die man dufttechnisch nicht übertrumpfen will), und doch sehr besonders und von einer für ein Cologne unerhörten, nämlich ganztägigen Haltbarkeit.

Sodann kommt ebenso fraglos

Duft Nr. 7: Lindenblüte Eau de Parfum 15 ml im Sprühflakon ca. 8 Euro zzgl. Mehrweg-Flakon (3 Euro?).

Dieser Duft hat hier auf Parfumo viele begeisterte Rezensenten gefunden, und ich finde (wie auch sonst, ich bin ja selbst darunter), zu Recht. Ein Lindenblütenduft, der so authentisch ist, dass man denkt, Lindenblüten würden nach diesem Parfüm duften und nicht umgekehrt, obwohl unverkennbar auch andere frische und grüne Noten beigemischt sind. Trotz einer gewissen Süße niemals nicht klebrig-süß-pappig, sondern geradezu kühlend und belebend. Duftkunst mit Alleinstellungsmerkmal! Ein Herzhüpf-Duft für den Frühling, für nach dem guten Geschäftsabschluss, der Antrittsvorlesung als Juniorprofessor oder der bestandenen Gesellenprüfung, oder um der Sekretärin ein überschwängliches Kompliment zu machen. Bei diesem Duft wie bei den nächsten beiden empfehle ich die 15-ml-Abfüllung. Sie ist angesichts der enormen Kraft der Lehmänner, die eine niedrige Dosierung ausreichen lässt, absolut genügend, damit die Düfte ein Jahr oder sogar mehrere Jahre halten, wenn man eine Zehner-Duftsammlung mehr oder weniger gleichmäßig in der Benutzung durchrotieren lässt.

Wem - aber wirklich GANZ wider Erwarten - die Lindenblüte nicht zusagt, der kann an ebenso leichten, fröhlichen Alternativen aus demselben Hause auch "Neroli", "Orange", "Tulpe" (obwohl etwas feminin) und "Springfield" (sehr charaktervoll) probieren.

Und zur Abrundung dann zwei Lehmann-Klassiker:

Duft Nr. 8: Fougère Eau de Parfum 15 ml im Sprühflakom ca. 8 Euro zzgl. Mehrweg-Flakon (3 Euro?)
Duft Nr. 9: Russisch Juchten Eau de Parfum 15 ml im Sprühflakon ca. 8 Euro zzgl. Mehrweg-Flakon (3 Euro?).

Mit dem Fougère begegnet uns ein sehr trockener, herber, männlicher Vertreter dieses Genres, das bislang in unserer Duftsammlung nicht vertreten war. Und Russisch Juchten (der trotz des Namens, Juchten ist eine Lederart, gar nicht nach Leder riecht), der erste Duft, den ich hier auf Parfumo kommentiert habe, ist - was ich damals nicht wusste, weil ich diese Duftfamilie noch nicht kannte / erkennen konnte - ein Chypre. Und zwar ein vielleicht nicht so subtil-vielschichtiger, aber genauso guter wie der gefühlte Fantastilliarden teurere Chypre Palatin und ein fast genauso guter (fast, aber der wird auch heute nicht mehr hergestellt) wie der Vintage-Dioressence, seit kurzem mein Zehn-Punkte-Chypre. Beide Düfte, der Fougère und der Russisch Juchten, wirken auf mich enorm energetisierend und stimulierend. Wenn also mal Nächte durchgearbeitet werden muss, die gesündere Alternative zu literweise Energy-Drinks (oder Schlimmerem).

Das Geschenk der alten Dame

Es fehlt noch die Nummer 10. Als Schlussstein der Sammlung, meine ich, darf es ein einziger Duft aus der Kategorie "teure Nischendüfte" sein. Diesen lassen wir uns zwecks Einhaltung des Budgets zu Weihnachten oder Geburtstag von einer Großmutter, Tante oder anderen geeigneten Person mit ausreichender finanzieller Durchschlagkraft schenken. Dabei wäre ein 500- oder 1000-Öre-Duft unangemessen, wie ich finde. Nicht nur, weil wir gegenüber der Großmutter nicht gierig erscheinen wollen, sondern auch, weil so vollkommen übertrieben teure Düfte mir außer für Jungscheichs und für Kriminelle sowieso nicht so ganz passend für Menschen in ihren frühen Zwanzigern scheinen. Wir sollten eher die Preisklasse zwischen 150 und 350 Euro je 100-ml-Flakon anpeilen, wobei wir gerne auch - soweit existierend - einen etwas billigeren (leider sind die ja immer nur ETWAS billiger) 50- oder 30-ml-Flakon auf die Wunschliste setzen können.

Die Nischenmarken dieser Preisklasse sind Legion, von jeder Marke gibt es etliche Düfte und in einem Forum wie Parfumo hat jede Marke und jeder Einzelduft Dutzende bis Tausende von Liebhabern und Hassern. Deshalb, und damit dieser Blog auch mal endet, will ich gar nicht erst zur Einleitung meine ganze Zehner-Shortlist präsentieren oder sorgfältig alle möglichen denkbaren Richtungen gegeneinander abwägen, sondern ziemlich schnell zur Sache kommen, denn ich kann es hier niemandem recht und es daher sowieso nur falsch machen.

Zur Einleitung nur so viel: Wer das Risiko scheut, mag einen Duft von Creed oder Tom Ford wählen (gewissermaßen als Inbegriffe der Nobel-Mainstream-Nische). Mir liegen die beiden Marken generell nicht so, aber wenn jemand meint, dass bei den bisherigen neun Düften die Richtung "frische zitrische Sommerdüfte mit italienischem Charme" für seinen Geschmack noch zu unterrepräsentiert war, der könnte zu Tom Fords "Mandarino di Amalfi" greifen. Ein Ausnahmeduft, wie ich finde, und man besitzt, wenn man denn so statusorientiert ist, einen Tom Ford. Wer auf der anderen Seite die lokalen, eher unbekannten Düfte zu schätzen weiß und Harry noch nicht Berlin genug ist, der kann es mit einer der Kreationen aus dem Hause Urban Scents, einer deutsch-französisch-österreichischen Kleinunternehmung mit großem Zauber und Sitz in Berlin versuchen. Hier würde ich einen der dunkleren Düfte, namentlich Singular Oud, Dark Vanilla oder Sensual Blend bevorzugen wollen, der Ausgewogenheit des Gesamtsortiments willen.

Meine eigentliche Empfehlung geht aber dahin, einen Duft zu wählen, der in jeder Richtung auf dicke Hose macht. Wenn das schon finanziell das Flaggschiff unserer Sammlung wird, dann sollte es auch ein Duft sein, der kompromisslos ist, der möglichst auch einen irgendwie geilen Namen hat und bei dem auch sonst alles, Flakon, Hersteller, Image, was weiß ich, derber als bei den anderen neun rüberkommt. Es soll ja die Krönung der Sammlung sein. Und bei "Krönung", da dachte ich zuerst an Monarch von Boadicea the Victorious. Ein Duft wie Pizza mit Alles, noch überbordender und opulenter als Jubiläum XXV von Amouage (das wäre auch so eine Marke wie Creed oder Tom Ford...), genial großkotziger Name, das wäre was. Leider kann man den Namen der Firma aber nicht richtig aussprechen und die historische Boadicea, eine britische Fürstin, hat in Wirklichkeit, entgegen ihrer Titulierung als "Victorious", nach Anfangserfolgen von den Römern böse eins auf die Zwölf bekommen. Daher scheidet der aus. Stattdessen empfehle ich, jawohl, trotz der höchst kontroversen und oft vernichtenden Kommentare und Statements hier im Forum

Duro von Nasomatto, 100 ml irgendwas um die 200 bis 300 Euro, aber gibt es auch in kleiner und zahlt ja sowieso die Oma

Eine italienisch-holländische Produktion, womit Italien doch noch zum Zuge kommt. Ein viel schlankerer Duft als "Monarch", aber genauso kompromisslos brutal, da wird man mit Holz niedergeknüppelt und mit Leder gepeitscht, dass es donnert und die Schwarte kracht. Dazu ein nachvollziehbarer Firmenname "naso matto = verrückte Nase" und ein an Klarheit nicht zu überbietender Duftname. Duro. Hart. So einfach, dass man ihn auch im Stress oder nach vielen Cocktails oder Klaren noch aussprechen kann. Verschafft im beruflichen Kontext das gewünschte Image des "harten Geschäftsmanns". Wenn man ihn allerdings beim Date trägt und nach dem Duft gefragt wird, sollte man sich bei der Antwort ein Grinsen tunlich verkneifen.

Damit haben wir

10 (zehn!) Düfte, die mehrere Jahre halten dürften

für den Preis 1 (eines) (preiswerten) Anzugs, nämlich 350 Euro

zuzüglich der Kosten einer Nachhilfestunde in französischer Aussprache (siehe Teil 2)

und eines Geschenks von der Oma.

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