FvSpee
FvSpees Blog
vor 7 Jahren - 18.07.2017
25 50

Hautchemie, Hunde in der Diagnostik und Wohlgeruch der Heiligkeit - Gedanken zu unserem "natürlichen" Duft

I. Der Beitrag „Mythos Hautchemie“ von Ronin

In meinen ersten Kommentaren hier habe ich gelegentlich arglos den Topos von der „Hautchemie“ verwendet, etwa als mögliche Erklärung dafür, dass gewisse Düfte zu mir persönlich nicht so gut zu passen scheinen. Dieses „nicht so gut passen“ ist dabei weniger zu verstehen im Sinne von „passt nicht zu meinem Typ, meinem Geschlecht, Alter, meinem Kleidungsstil usw.“, sondern eher im Sinne von „riecht an mir nicht so gut wie an anderen Menschen oder auf Papier“ (wobei ich durchaus kritisch reflektiere, dass die beiden Aspekte sich nicht sauber trennen lassen).

Inzwischen habe ich bemerkt, dass die Verwendung des Begriffs „Hautchemie“ hier bei Parfumo gelegentlich Aufregung produziert und mit der Bemerkung quittiert wird, spätestens seit Ronins Beitrag „Mythos Hautchemie“ aus dem Jahre 2011 sollte klar sein, dass es so etwas wie Hautchemie nicht gebe.

Liest man den naturwissenschaftlich äußerst fundierten und dazu noch unterhaltsam geschriebenen Beitrag Ronins (er findet sich im Netz an mehreren Stellen innerhalb und außerhalb der Parfumo-Seite, ich empfehle, ihn auf Ronins persönlicher Seite bei den Blogs zu lesen, dort ist nämlich auch ein editorischer Zusatz von 2013 beigefügt), stellt man folgendes fest: Ronins „Widerlegung“ des „Hautchemie-Mythos“ bezieht sich vor allem auf eine vermeintliche „Hautchemie“ in dem Sinne, dass das Parfüm nach dem Aufsprühen auf der Haut mit dieser in bestimmte chemische Reaktionen eintrete und sich damit, je nach Individuum in unterschiedlicher Weise, der Duft „objektiv“ ändere. Dies sei, so Ronin, wissenschaftlich nicht haltbar. Richtig sei vielmehr, dass der Duft auf der molekularen Ebene unverändert bleibe; bedeutsam seien auf objektiver Ebene Faktoren wie die Körpertemperatur (wegen der Verdunstungsgeschwindigkeit) und dergleichen, im Übrigen handele es sich um subjektive Faktoren auf der Seite desjenigen, der den Duft wahrnimmt.

Diesen Überlegungen bin ich bereit, vollständig oder jedenfalls ganz überwiegend zuzustimmen. Allerdings meinte (und meine) ich mit „Hautchemie“ auch etwas ganz anderes, und ich vermute, dass viele, die den Begriff benutzen, dasselbe meinen wie ich. Ich benutze den Begriff der „Hautchemie“ nämlich (vielleicht terminologisch unpräzise) zur Beschreibung dessen, dass der Duft des Parfums nicht mit dem subtilen Eigengeruch des Körpers harmoniert, der bei jedem Menschen vorhanden und bei jedem Menschen unterschiedlich ist.

Ronin geht auch auf diesen Aspekt ein und meint dazu im Kern, dass der Eigengeruch eines Menschen im Vergleich zu der hammermäßigen Intensität eines Parfüms derart schwach sei, dass bei identischer Dosierung eines Parfums kein signifikant unterschiedlicher Endergebnis-Duft denkbar sei, egal auf welche Person das Parfum gesprüht werde.

In seiner editorischen Notiz aus dem Jahre 2013 zieht Ronin genau diese Bemerkung jedoch zurück; er würde diesen „Punkt 5e“ seines Blogs heute so nicht mehr formulieren, nachdem er durch verschiedene kritische Anmerkungen (die nicht im Einzelnen wiedergegeben sind) davon überzeugt worden sei, dass sein Ansatz hier vielleicht zu objektivistisch-naturwissenschaftlich gewesen sei.

Damit besteht zwischen dem Gebrauch des Topos „Hautchemie“ (in dem von mir gemeinten Sinn) und dem Beitrag Ronins (in seiner revidierten Fassung) kein Widerspruch. Genau diesem Aspekt des natürlichen Körper- und insbesondere Hautgeruchs und seiner Wechselwirkung mit der Parfümnutzung möchte ich nachfolgend einige Gedanken widmen. Dabei gehe ich lediglich von Alltagsbeobachtungen und von (hoffentlich zutreffender) Allgemeinbildung aus und greife nicht auf chemisches oder biologisches Spezialwissen zurück.

II. Individueller Körpergeruch: Alltagserfahrungen

Es scheint unabweisbar, dass einzelne menschliche Individuen einen spezifischen Körper-Eigengeruch haben. Dabei wird nicht geleugnet, dass dieser Geruch selbstverständlich nicht konstant von der Geburt bis zum Tod ist, im Gegenteil, die Alltagserfahrung lehrt uns, dass es sogar einen spezifischen „Babygeruch“ und einen spezifischen „Altengeruch“ gibt. Ebenfalls wird nicht abgestritten, dass der „spezifische Individualgeruch“ sich in Teilen aus äußerlichen Faktoren wie dem üblicherweise benutzten Haarshampoo, Duschgel, Waschmittel, Weichspüler sowie auch der bevorzugten Kleidung (Eigengeruch von Leinen, Baumwolle oder Wolle, stärkere Schweißentwicklung bei Synthetik) und dergleichen zusammensetzen mag. Dennoch halte ich dafür, dass auch nach Abzug dieser Faktoren ein nicht abzustreitender signifikanter „Eigengeruch“ verbleibt.

Das vielleicht markanteste (und schönste) Beispiel dafür ist der spezifische Eigengeruch des geliebten Partners, den wir genießen und von dem wir sicher sind, ihn unter Millionen anderen Körpergerüchen jederzeit wiederzuerkennen. Und vielleicht kennen wir auch Berichte aus unserem Freundes- und Bekanntenkreis von Menschen, die sich aus einer Beziehung lösen oder eine solche mit einem Kurzzeit-Partner dann doch nicht eingehen, weil sie, obwohl sonst in der Beziehung alles passt, den Partner „nicht riechen können“, also seinen spezifischen Eigengeruch nicht mögen.

Auf der anderen Seite haben wir sicher bereits Erfahrungen mit Arbeitskollegen oder anderen Bekannten gemacht, von denen ein spezifischer Geruch ausgeht, der sie uns auch „mit geschlossenen Augen“ erkennen lässt, wobei keinesfalls immer die „unsympathischen“ Typen „schlecht“ und die „netten Kollegen“ „gut“ riechen. Und wobei ich dafür halte, dass hier eben nicht nur das benutzte Deo oder Eau de Cologne oder grob mangelnde Körperhygiene, sondern mindestens auch ein spezifischer, von einer Vielzahl von Einzelfaktoren wie genetische Prägung, Lebensgewohnheiten, Alter und Gesundheitszustand determinierter Eigengeruch eine Rolle spielt.

Es gibt also doch wohl einen individuellen Eigengeruch; genau darauf basiert im Übrigen auch das Prinzip des Einsatzes von Polizeispürhunden bei der Suche vermisster Personen oder geflüchteter Verdächtiger.

Welche einzelnen Faktoren (ohne hierbei Vollzähligkeit anzustreben) könnten nun (mit-) bestimmend für diesen Eigengeruch sein?

III. Schweiß- und Hautgeruch im „Grundzustand“

Allgemein bekannt dürfte sein, dass „frischer“ Schweiß relativ geruchslos ist; jedenfalls verbreitet er nicht den penetranten, übelkeitserregenden Schweißgestank, wie er von tage- oder wochenlang ungewaschenen Personen bekannt ist. Dieser rührt erst von den Zersetzungsprodukten des Schweißes unter dem Einfluss von Hautbakterien her.

Gleichwohl ist die Annahme abwegig (und würde der Alltagserfahrung widersprechen), dass die Haut an sich und der auf ihr befindliche Schweiß, bzw. die Überreste des getrockneten Schweißes, absolut, sozusagen klinisch, geruchslos wären.

Es dürfte vielmehr auf der Hand oder eher auf der Haut liegen, dass auch bei gesunden Menschen mit regulärer Körperpflege, insbesondere dann wenn seit dem letzten Duschen schon die ein oder andere Stunde verstrichen sind und wenn die Person seither bereits ein wenig oder sogar schon stark geschwitzt hat, ein gewisser (jedenfalls leichter) und auch individuell variierender Eigengeruch vorliegt.

Dieser dürfte sich im Wesentlichen unterscheiden nach:

- der natürlichen Anlage der Person, stark oder weniger stark zu schwitzen

- den natürlich bedingten (z.B. Alter, Geschlecht, Besonderheiten im Hormonstatus wie Pubertät oder Schwangerschaft) individuelle Besonderheiten in der Schweißzusammensetzung (Konzentration und Relation der Salze, Fette und anderen Schweißbestandteile)

- den individuell bei der jeweiligen Person vorherrschenden Kulturen von Hautbakterien

- natürlich bedingten, aber noch nicht krankhaften leichten individuellen Schwankungen im pH-Wert der Haut (saurer oder weniger sauer).

IV. Ernährung und Verdauung, Genussmittel, Alkohol, Drogen

Sollte hierdurch schon klar geworden sein, dass selbst bei einer gesunden und hygienisch lebenden Person im absoluten „Normalzustand“ ein gewisser Eigengeruch vorliegt, der von besonders geruchsempfindlichen Menschen oder bei besonderer emotionaler Aufladung (Eigengeruch des Partners oder bei Kindern eines Elternteils) wohl auch regelmäßig erkannt werden kann (erst recht von Tieren mit stärkerem Geruchssinn wie Hunden), akzentuiert sich das Bild noch einmal, wenn wir die Ernährung (und Verdauung) der jeweiligen Person mit einbeziehen, und zwar sowohl die langfristigen, oft lebenslang anhaltenden Ernährungsgewohnheiten (die für den Komplex „Eigengeruch und Parfüm“ besonders interessant sind) als auch die kurzfristigen Einflüsse der letzten paar Mahlzeiten.

Geradezu trivial und aufgrund der Alltagserfahrung selbstevident ist, dass es bestimmte Lebensmittel wie Knoblauch oder Zwiebeln, aber auch verschiedene scharfe Gewürze gibt, die sich nicht nur über den Mund-, sondern auch über den Hautgeruch massiv und auch für geruchlich nicht besonders sensible Menschen bemerkbar machen. Analog dazu gibt es bestimmte Lebensmittel, die an sich nicht stark riechen, aber über Stoffwechselvorgänge im Körper zu sehr stark riechenden Ausscheidungen führen. Zu denken ist hier etwa an den enorm deutlichen spezifischen Harngeruch nach Spargelgenuss. Eine gewisse Plausibilität streitet dafür, dass solche Nahrungsmittel mit starker Auswirkung auf den Harn- oder Kotgeruch vermutlich auch eine wenigstens leichte Auswirkung auf den Hautgeruch haben könnten.

Darüber hinaus haben mir geruchsempfindliche vegetarisch und vegan lebende Menschen glaubhaft versichert, dass sie „starke Fleischesser“ (in unangenehmer Weise) am Körpergeruch erkennen. Dies scheint mir auch sehr plausibel zu sein. Wer selbst über bestimmte Perioden Fleisch gegessen und über bestimmte Perioden vegetarisch gelebt hat, wird wohl bestätigen können, dass sich z.B. der Stuhlgang in Konsistenz und Geruch bei vegetarischer Ernährung deutlich unterscheidet. Es scheint naheliegend, dass dies Unterschieden im Verdauungsprozess, in der Darmflora, im Stoffwechsel entspricht, die Gewiss nicht zu 100% ohne Auswirkungen auf den Körper- bzw. Hautgeruch bleiben.

Zusammenfassend dürfte hinreichend sicher feststehen, dass Ernährungsgewohnheiten und Besonderheiten der Verdauung und Darmflora ebenso wie die natürliche Anlage, mehr oder weniger zu schwitzen und wie Besonderheiten der Hautflora zu dem spezifischen „Geruchsmix“ beitragen, der uns olfaktorisch individuell unverwechselbar macht.

Was zuvor über Nahrungsmittel gesagt worden ist, gilt zweifellos entsprechend auch für Genussmittel wie Kaffee, Tee oder Tabak und darüber hinaus auch für Alkohol und illegale Drogen. Dass ein starker Trinker auch Besonderheiten im Körpergeruch aufweist, dürfte z.B. nicht ernstlich streitig sein. Das gleiche gilt für Arzneimittel. Wer regelmäßig Medikamente einnimmt, insbesondere solche, die stark sind und systemisch wirken, dessen Körperfunktionen (Stoffwechsel, Blutdruck, Hormonstatus usw.) werden massiv beeinflusst. Die Annahme, nur der Körpergeruch bliebe davon völlig unberührt, wäre m.E. fernliegend.

V. Krankheiten

Aber nicht erst Arzneimittel, sondern auch schon Krankheiten selbst, besonders chronische, können schon der allgemeinen Lebenserfahrung nach „geruchsrelevant“ sein. Ich z.B. rieche es bei meiner Partnerin im Gesichts-, insbesondere im Stirnbereich immer sehr markant, wenn dort entzündliche Prozesse vorgehen. Es dürfte naheliegen, dass ganz allgemein (jedenfalls für sehr sensible und/oder geschulte Nasen) stark entzündliche, etwa rheumatische Krankheiten ein eigenes Geruchsbild haben. Auch dürfte es evident sein, dass z.B. bei Hautkrankheiten, bei bestimmten Organleiden wie Nieren- oder Leberkrankheiten, oder bei Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes ein sehr spezifischer, z.B. saurer, bitterer oder süßlicher Körpergeruch auftreten kann.

In der chinesischen Medizin ist für den Arzt die Geruchsdiagnostik (und zwar bezüglich des Hautgeruchs, nicht bezüglich des Mundgeruchs o.ä.) schon seit der Antike üblich. In der westlichen Medizin war zwar schon im griechischen Altertum die Harn-Diagnostik (einschließlich der nach Geruch und Geschmack des Urins) üblich; soweit mir bekannt jedoch nicht die nach dem Geruch der Haut. Wie auch immer, vor einigen Wochen hörte ich in einem Radiobeitrag, dass auch westliche Schulmediziner, insbesondere solche mit langer klinischer Erfahrung, berichten, dass es gewisse typische „Krankheitsgerüche“ gebe. Zwar würden sie nie nur aufgrund eines bestimmten Geruchsbilds eine Arzneitherapie oder gar eine Operation veranlassen. Aber ein bestimmter Körpergeruch sei doch oft (selbst bei sonst völlig unauffälligem Befund) ein Anlass, sich z.B. bestimmte Organe mit maschineller Diagnostik einmal „etwas genauer anzusehen“. Mit anderen Worten, die ärztliche Nase erschnüffelt oft den Weg zu einer Krankheitsdiagnose und damit zu einer Therapie, die ohne den Geruch nie oder zu spät bekannt geworden wäre.

In derselben Radioreportage wurde berichtet, dass es starke Hinweise auf einen spezifischen „Krebsgeruch“ gebe, mittels dessen künftig womöglich auch sehr leichte Frühformen von Krebs oder sehr verborgene Tumore entdeckt werden könnten. Es gebe derzeit mehrere Ansätze, diese Erkenntnis über speziell trainierte „Krebshunde“ oder über Geruchserkennungsmaschinen praktisch und standardisiert diagnostisch nutzbar zu machen.

Wenn es aber, und dies scheint mir sehr sicher festzustehen, bestimmte „Krankheitsgerüche“ gibt, dann scheint mir die Überlegung auch sehr naheliegend, dass es bestimmte (leichtere) Gerüche für bestimmte subklinische Besonderheiten im Gesundheitszustand einer Person gibt. Es ist zu postulieren, dass jemand, der zwar nicht direkt rheumatisch ist, aber eine gewisse Neigung zu erhöhten Entzündungswerten hat, oder jemand, der zwar nicht leberkrank ist, aber zu gewissen „grenzwertigen“ Leberwerten tendiert, für sehr feine Nasen einen leicht differierenden Körpergeruch hat im Vergleich zu einer vorgestellten „ideal gesunden“ Person.

VI. Gefühle und Erregung

Ebenfalls sowohl mit der Alltagserfahrung im Einklang als auch Gegenstand wissenschaftlicher Veröffentlichungen ist das Phänomen des „Angstgeruchs“. Der „kalte Angstschweiß“ unterscheidet sich offenkundig auch geruchlich von normalem Hitzeschweiß.

Sprichwörtern und Berichten nach können Raubtiere ebenso wie psychopatische Kriminelle, die auf der Suche nach „geeigneten“ Opfer sind, „Angstschweiß“ besonders riechen. Ob und inwiefern dies im Einzelnen korrekt ist und wissenschaftlich genau untermauert werden kann, sei hier einmal dahingestellt.

Für gesichert halte ich aber, dass starke Veränderungen im Gefühls- und Gemütsleben, vermutlich ebenfalls über den sich im Schweiß auf der Haut wiederspiegelnden Hormonstatus, Einfluss auf den Eigengeruch eines Menschen haben.

Ob auch der sprichwörtliche „sinnliche Geruch“ oder gar „Geruch nach Sex“ hierher gehört, dürfte schwer abzugrenzen sein. Empfinden wir den Geruch eines anderen Menschen als besonders sinnlich und erotisch anziehend, mag das oft weniger an der „objektiven Qualität“ dieses Geruchs liegen als z.B. an einer List der Evolution (eine uns bis dahin unbekannte Person riecht für uns erregend gut, weil ihre Gene besonders gut zu unseren passen; es soll Forschungen zu so etwas geben) oder an Dufterinnerungen (eine uns bekannte Person riecht für uns erregend gut, schlicht weil wir mit dieser Person schon guten Sex hatten und uns daran erinnern).

Dass darüber hinaus ein besonders „sexbereiter“ oder sogar schon akut sexuell erregter Mensch jedoch auch eine bestimmte Duftnote verströmt, dürfte aber jedenfalls keine abwegige Vermutung sein. Viele würden sogar beschwören, dass es genauso ist.

Wenn wir aber annehmen, dass akute Angst oder akute sexuelle Erregung oder andere starke Emotionen einen kurzfristigen Einfluss auf den Geruch eines Menschen haben, dann liegt jedenfalls die Vermutung nicht fern (auch wenn ich das hier nicht beweisen kann), dass auch gewisse längerfristige Gemütsstimmungen einen Einfluss auf die „persönliche Grund-Duftnote“ einer Person haben. Die Vermutung, dass z.B. eine von der Grundgemütsverfassung her eher lebenslustige, fröhliche und sexuell oft aktive Person anders riecht als ein Mensch, der zu depressiver, ängstlicher Stimmung neigt und sexuell eher lustlos ist, liegt jedenfalls nicht ganz fern.

VII. Spiritualität

Konnten mir viele Leser bis hierhin vielleicht noch folgen, werden jetzt möglicherweise die meisten abwinken und denken, dass der Autor dieses Blogs nunmehr völlig abdreht. Ich bin mir auch selbst nicht sicher, was ich von diesem Thema halten soll und bin weit davon entfernt, hier Behauptungen oder auch nur Plausibilitätspostulate aufzustellen. Dazu fehlt mir auch, über einzelne Ereignisse und Zeugnisse eher indirekter Art hinaus, eigene Lebenserfahrung. Der Vollständigkeit halber will ich den Punkt aber nicht unerwähnt lassen.

Mehrere Religionen kennen Aussagen über einen „Duft der Heiligkeit“, und zwar nicht nur im metaphorischen, sondern durchaus auch im direkten Sinn. Es wird berichtet, dass lebende Heilige einen eigenartigen Wohlgeruch um sich verbreiten; und dasselbe wird dann auch von Reliquien (sowohl Kleidungsreliquien als auch Körper-, z.B. Knochenreliquien) behauptet.

Aus der Zen-Geschichte ist ein Ausspruch überliefert, in dem der Spieß umgedreht wird: Im Einklang mit dem zen-mäßigen Streben nach völliger Leerheit, in der auch „heilig“ und „nicht heilig“ Dinge sind, die hinter sich zu lassen sind, wurde dort einmal von „Gestank nach Heiligkeit“ gesprochen.

Ich will nicht ausschließen, dass es sich hier letztlich nur um bildliche Rede und/oder um die bei Heiligenviten durchaus üblichen nicht wörtlich zu nehmenden Übertreibungen und Wundergeschichten handelt.

Ausschließen möchte ich einen „Duft der Heiligkeit“ bei besonders spirituellen Personen aber nicht. Denn soweit reicht meine eigene Lebenserfahrung, dass ich behaupte, gelingende religiöse und spirituelle Praxis kann zweifellos einen Einfluss auf den geistig-körperlichen Status der betreffenden Person haben, etwa auf die abnehmende Anfälligkeit für Krankheiten, auf die Schärfung von Sinneswahrnehmungen und vieles mehr. Warum dann nicht auch auf den „Duftstatus“?

VIII. Zurück zu Ronin – Machen sich solch geringe Duftmengen denn bemerkbar?

Wie verhält es sich nun mit Ronins Argument, dass es zwar einen „spezifischen Eigengeruch“ eines Menschen geben mag, dass dieser aber von den messbaren Quantitäten her so schwach ist, dass er keine Chance hat, den Duft eines Parfüms spürbar zu beeinflussen. Bildlich gesprochen, ob ich eine Million Moschus-Moleküle über zehn Angstgeruch-Moleküle oder über zehn Glücksgeruch-Moleküle kippe, das Ergebnis ist dasselbe, weil der Moschus alles andere platt macht.

Ich glaube nicht, dass das zwingend so ist. Zum einen möchte ich schon bezweifeln, dass dieser Eigengeruch immer objektiv so enorm schwach ist.

Zum anderen, und das ist m.E. das entscheidendere Argument, sind wir vermutlich durch die Evolution darauf getrimmt, Eigengerüche als relevant einzustufen und damit sehr deutlich (wenngleich als heutige Stadtmenschen meist nur „unbewusst“) wahrzunehmen. Essen, Sex, Krankheit, Angst, das sind schließlich Überlebensfragen!

Dagegen sind z.B. Rosen- und Zitrusdüfte fürs Überleben eher uninteressant, sodass die Vermutung nicht fernliegt, dass selbst dann, wenn dem ersten Anschein nach ein Körpergeruch völlig von einem Parfum überdeckt wird, unsere Nase und unser Gehirn doch die Geruchsinformationen mit rausschnuppern, „auf die es ankommt“.

IX. Schlussfolgerungen

Wenn wir es für gegeben ansehen, dass es einen spezifischen Eigengeruch des Menschen gibt, der (maßgeblich) auf seiner genetischen Prägung, seiner Ernährung, seinem Gesundheitszustand, seiner Gemütsverfassung und vielleicht auch seiner spirituellen Verfasstheit beruht, dann fragt sich, was wir mit dieser Information anfangen sollen.

Eine radikale Schlussfolgerung wäre die, dass wir alle unsere Parfums entsorgen, die Mitgliedschaft bei Parfumo kündigen und ab sofort danach streben, lediglich unseren Eigengeruch zu optimieren, indem wir z.B. gesund leben und uns gesund ernähren. Wenn alle das tun und ihre Nasen entsprechend trainieren, würden wir in Zukunft vielleicht nicht mehr sagen: „Hmmmm…, ist das No. 5?“, sondern „Hmmmm, du hast in letzter Zeit aber gut geschlafen, vielen anderen Menschen total selbstlos geholfen und heute früh leckere Bio-Tomaten gegessen!“. Vielleicht wäre das eine Option, und vielleicht wird man in Zukunft unsere Neigung, uns mit schönen Düften einzusprühen und damit unseren Eigengeruch tendenziell zu überdecken, ebenso abschätzig beurteilen wie wir die Neigung der Reichen im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit, sich zu parfümieren statt zu waschen, oder die Neigung gewisser Menschen, selbst auf die erlesensten seltenen Speisen Ketchup zu schütten, das den subtilen Eigengeschmack erstickt.

Die andere, moderatere und jedenfalls für den Moment auch von mir favorisierte Schlussfolgerung wäre, dass wir mit unsere Nase und mit unserem Geist sensibler dafür werden, wie wir eigentlich selber riechen. Diese Sensibilität sollte es auch umfassen, dass wir nicht achtlos Gifte (körperliche und geistige) in uns reinstopfen und gar nicht daran denken, dass das vielleicht Auswirkungen auf unseren persönlichen Duft haben könnte (oder wir denken, selbst wenn’s so ist, scheißegal, ich diesel mich ja sowieso ein, da merkt das keiner). Und wenn wir dann ein Gespür für „unseren eigenen Duft“ entwickelt haben, dann können wir vielleicht auch leichter und treffsicherer entscheiden, welches Parfum (generell oder in bestimmten Situationen) zu uns passt!




25 Antworten