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vor 4 Jahren - 21.10.2019
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(Keine) Duft-Küsschen aus Perugia

Perugia mit seinen überschaubaren etwa 150.000 Einwohnern (einschließlich der ausgedehnten Vororte, die Innenstadt ist viel kleiner) ist die Hauptstadt der italienischen Provinz Umbrien, die das Schicksal der benachbarten Provinz Marken teilt: Beide sind nicht so berühmt und nicht so vollgestopft mit Kunstschätzen und Sehenswürdigkeiten wie die beiden Regionen, die nach Norden und Süden angrenzen: Die Toskana mit Florenz und der ehemalige Kirchenstaat, genauer Latium, mit Rom. Umbrien ist dünner besiedelt als diese, hügeliger, waldreicher und etwas rustikaler; und es hat als eine der ganz wenigen italienischen Provinzen keinen Zugang zum Meer (dafür aber den Trasimenischen See). Diese Nachteile kann man freilich auch als Vorteile verstehen: Wer als reicher (oder aussteige-williger) Römer im näheren und weiteren Umland der Metropole keine bezahlbare Immobilie mehr findet, oder wer die Toskana liebt, sie aber inzwischen über hat, nämlich über-laufen und über-kandidelt, der kann in Umbrien mit seiner wundervollen Natur, der bodenständigen, ziemlich deftigen Küche und den (paar wenigen) schönen alten Städten (neben Perugia z.B. Gubbio) für (noch) überraschend kleines Geld höchstes weltliches Glück finden.

Die Stadt Perugia ist sehr alt, nämlich fast 3000 Jahre. Vor den Römern siedelten hier schon die Etrusker, aus deren Zeit noch ein paar Artefakte erhalten sind, unter anderem ein schönes prächtiges Stadttor, das die Römer allerdings ein bisschen umfrisiert haben. Begeistert war ich auch von einer anderen, etwas neueren Sehenswürdigkeit: Der Minimetrò. Ein im wahrsten Sinne des Wortes einmaliges öffentliches Verkehrsmittel: eine führerlose, von einem Drahtseil gezogene, nur einen einzigen Waggon aufweisende und enorme Höhenunterschiede überwindende U-Bahn, sozusagen eine Kreuzung aus U-Bahn, Achterbahn und Seilbahn. Wenn man jetzt denkt: Nur ein Waggon, ist das nicht zu wenig? Nein, denn etwa alle 30 Sekunden kommt wieder einer! Man könnte also auch sagen, es ist eine U-Bahn mir sehr vielen Waggons, nur mit mehr Platz dazwischen als normal. Wirklich enorm spannend und spaßig. Und praktisch, da die Minimetrò das historische Stadtzentrum, den Busbahnhof, den Hauptbahnhof und einen riesigen kostenfreien Park-and-Ride-Parkplatz vor den Toren der Stadt miteinander in einer einzigen Linie verbindet. Das ist mal Köpfchen.

Die Stadt ist Sitz der "Ausländer-Uni", einer speziellen Universität, an der ausländische Studierende italienisch lernen (und daneben wohl auch ein normales Studium absolvieren) können. Das bringt internationales und junges Flair in die Stadt. Natürlich gibt es die für eine alte italienische Stadt typischen Gassengewirre und viele architektonische Sehenswürdigkeiten: Kirchen, und - obwohl in Umbrien in der Renaissance nicht so viel los war wie in der Toskana - Paläste. Besonders beeindruckend fanden wir eine frühchristliche (spätantike, d.h. vor-romanische) Rundkirche, die noch heute in Betrieb ist, und ein ehemaliges Mönchskloster, das heute die Botanische Fakultät der Uni beherbergt. Die Studenten haben den alten Klostergarten, der zugleich Uni-Campus und Touristenattraktion (aber nicht überlaufen) ist, wundervoll neu belebt.

Die Altstadt ist ziemlich klein und liegt auf einem Berg. Auch wenn der nicht ganz so steil und hoch ist wie der von San Marino, so hat man doch ebenfalls eine schöne Weit-Sicht aufs Umland (z.B. von der Piazza Italia); und der Berg trennt doch ziemlich deutlich umrissen die kleine historische Oberstadt von den teils ebenfalls historischen, aber dann in die Vororte und ins Umland "auslaufenden" Stadtteilen weiter unten. In Perugia hatten wir etwas mehr Zeit als in San Marino, allerdings auch mehr (familiäre) Termine, weshalb wir uns im Wesentlichen auf den historischen Kern, durch den als Hauptader der Corso Vannucci verläuft, beschränken mussten. Das gilt auch für meine Duft-Ausflüge.

Im so definierten Zentrum Perugias gibt es - neben ein paar Modegeschäften, die auch vereinzelte Düfte führen und Läden mit Nippes und Cricri fürs Haus, die neben Duftkerzen vielleicht auch irgendwelche Duftöle im Programm haben - genau drei Parfümerien, nämlich Bottini, Lys und Limoni. Sie liegen alle ultrazentral; man kann sie innerhalb von 10 Minuten "ablaufen". Von der Wertigkeit und Altehrwürdigkeit der Einrichtung und der Nischigkeit des Angebots her gilt die vorstehende Reihenfolge (absteigend); im Übrigen sind die drei Läden sich überraschend ähnlich. Alle sind klein bis mittelgroß, alle führen ein solides Standardprogramm mit für mich enttäuschend wenigen italienischen oder gar lokalen Besonderheiten. Natürlich jeweils das volle Acqua-di-Parma-Programm, aber meine Fragen z.B. nach Tuttotondo stießen eher auf Unverständnis. Bottini scheint alteingesessen und inhabergeführt; Limoni ist eine italienische Kette, die 2017 von Douglas übernommen wurde, was sich in dem fraglichen Laden aber nur dadurch zeigt, dass unter das Schild "Limoni" zusätzlich eine Plastikfolie "Douglas" geklebt wurde. Lys scheint eine kleine örtliche Mini-Kette zu sein; wie auch immer, alle drei Geschäfte wirken, im Guten wie im Schlechten, ein bisschen wie kleine deutsche Parfümerien vor dreißig, vierzig Jahren. Wie überhaupt Italien nach meinem (oberflächlichen) Eindruck sowohl auf die Chancen als auch auf die Zumutungen des Kapitalismus in den Bereichen Einzelhandel und Dienstleistungen merkwürdig retardiert reagiert. Zu diesem Eindruck trägt in den drei besuchten Parfümerien auch bei, dass diese je eine Regalwand mit Drogerie-Gebrauchsware wie einfachen Shampoos und Duschgels haben. Vielleicht deshalb, weil Drogeriemärkte wie "dm" sich anscheinend in Italien nicht durchgesetzt haben und man sein Shampoo dann eben in der Parfümerie "nebenbei" kauft.

Hier übrigens der Link zu Bottini:

https://www.bottiniprofumi.it/

Ein besonderer Besuch, den ich vor der Reise durch Recherchen vorbereitet hatte, kam leider nicht zustande. Nämlich den in dieser Einrichtung:

https://www.profumidiperugia.com/

"Profumi di Perugia" scheint der "Harry Lehmann von Perugia" zu sein; eine kleine, ortsverwurzelte und traditionsreiche Manufaktur, die nur selbst gemischte Düfte verkauft. Dem Klischee von Italien entsprechend stilvoller, aber auch weniger organisiert als das deutsche Pendant. Irritierend wirkte schon im Vorfeld, dass auf der Internetseite alle Düfte bis auf zwei als "ausverkauft" gekennzeichnet sind, das sieht verdächtig nach "Geschäft kurz vor der Schließung" aus. Kurz vor der Abreise aus Perugia fand ich mich doch noch an der ultrazentralen Piazza Matteoti (direkt an der Endhaltestelle der Minimetrò) ein, die im Internet als Sitz der Firma genannt wird. Dort aber große Überraschung: "Profumi di Perugia" hat sein "Schaufenster" in der ersten Etage, im Erdgeschoss ist eine Bar. Und einen Aushang interpretiere ich so, dass in diesem "Wohnzimmer-Laden" nur Workshops, Führungen und Sondertermine stattfinden, der normale Verkauf ist wohl in einem anderen Etablissement (in der Unterstadt). Ich hab noch ein Foto gemacht; aber es ist nicht besonders scharf geworden, vielleicht lade ich es später noch hoch. Für weitere Detektivarbeit hat die Zeit dann leider nicht mehr gereicht.

Vielleicht war einer von euch mal dort - oder schafft es in Zukunft, zu diesem versteckten (hoffentlich) Kleinod vorzudringen. A propos vordringen: Wer mit dem Lesen bis hierher vorgedrungen ist, dem sei angeboten, Parfumo-Punkte zu sammeln, indem er die Düfte von "Profumi di Perugia" in die Datenbank einpflegt - ich bin diesmal zu faul dazu, mich der Prozedur zu unterziehen.

Zur Überschrift und gleichzeitig zum süßen Ausklang (sozusagen das Blog-Dessert): Wie fast alle italienischen Städte, hat auch Perugia seine Süßigkeits-Spezialitäten. Fast schon weltweit bekannt sind die "Baci di Peruigia" (Peruginer Küsse), eine Pralinenspezialität. Die Firma wurde vor Kurzem von Nestlé gekauft, der Konzern hat aber einstweilen nichts verändert. Interessanter finde ich "Sandri", die erste Konditorei und Schokoladenmanufaktur am Platz, seit 1860 mehr oder weniger unverändert, und so stilvoll sieht es dort auch wirklich aus. Ein paar Sitzplätzchen im Inneren gibt es auch:

http://www.sandridal1860.it/

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