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vor 4 Jahren - 20.01.2020
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Summa Bohemicorum oder der große Tschechen-Report (Teil 1 Rasierwässer)

Auch diejenigen, die meine Textbeiträge hier nur gelegentlich lesen, wissen, dass ich großer Fan der tschechischen Rasier- und Kölnischwässer bin. Ich habe mich bereits in meinem älteren Blog-Beitrag "Aus Böhmens Hain und Flur" (der nach meiner Erinnerung auch mal ein Foto enthielt, irgendwie scheint das verschwunden zu sein) und in etlichen Kommentaren zu den einzelnen Produkten dazu verbreitet. Nun kann ich sagen, dass ich mit dieser Gruppe an Duftwässern durch bin. So ziemlich alle in Frage kommenden Produkte habe ich getestet, von den Rasierwässern habe ich in der Regel sogar jeweils mindestens eine ganze Pulle aufgebraucht. Die Zeit des Entdeckens und Forschens ist also vorbei, die des ruhigen Genießens ist gekommen. Dies nehme ich zum Anlass zu einer zusammenfassenden Würdigung.

Ich hoffe, es ärgert sich niemand, dass ich das Thema totreite und dass es vielleicht einzelne Wiederholungen gibt: Es geht mir darum, den ganzen Stoff noch einmal (ein)zuordnen (einige Bewertungen haben sich auch bei mir noch einmal verschoben) und zugleich durchaus auch die Werbetrommel zu rühren. Ich halte die Produktpalette einheimischer, jahrzehntealter böhmischer Label von wirklich herausgehobener Qualität und lächerlichen Preisen (um die 2 Euro pro Flakon) für ganz und gar ungewöhnlich. Ich wüsste keinen anderen kleinen europäischen Staat, der so etwas bietet (gut, in Portugal und Irland z.B. kenne ich mich nicht so aus), und ich würde mich freuen, ein bisschen dazu beizutragen, dass diese Tradition trotz der harten Konkurrenz durch die großen weltweiten Marken noch ein wenig weiterleben kann.

Wenn ihr euch durchprobieren wollt, gibt es dafür zwei Wege: Entweder ihr fahrt nach Tschechien und besucht dort eine x-beliebige Drogerie - auch die kleinen Städte und größeren Ortschaften haben fast alle noch mehrere Drogerien, nette verkramte inhabergeführte oder Ketten wie die einheimische "Teta Drogerie" oder den tschechischen Ableger von "dm" und bisher hat noch jede, in der ich war, mindestens einen Teil des hier vorgestellten Sortiments geführt. Oder ihr bestellt im Internet, zum deutlich höheren aber immer noch günstigen Preis bei "Pomadeshop" (andere deutsche Anbieter kenne ich nicht).

Das Angebot konzentriert sich auf die zwei Marken "Alpa" und "Astrid". Beide Marken sind tschechische Traditionsmarken, die noch auf die Zeit vor dem Krieg zurückreichen; beide bieten in unterschiedlichen Nuancen auch alle möglichen anderen Körperpflege- und Drogerieprodukte an. Die heutige Eigentümerstruktur ist mir nicht ganz klar, sie scheinen aber zu keinem der großen internationalen Konzerne zu gehören. Alle anderen tschechischen (und slowakischen) Wässer (von anderen Marken), die ich kenne (und ich habe ziemlich alles abgegrast was erhältlich war) kann man m.E. vergessen, da dürfte es sich in der Regel auch eher um chinesische Produkte handeln als um autochtone Produktion.

Fangen wir mit den Rasierwässern an: Das von mir noch fast euphorisch kommentierte "Windsor" von Alpa habe ich inzwischen verschenkt und würde es nicht mehr empfehlen. Ich weiß nicht, ob mein Geschmack sich geändert hat oder der Duft zu seinen Ungunsten nachgereift ist, jedenfalls stört mich auch im Rasierwasser inzwischen (im Kölnischwasser von Anfang an) eine Note von nassem Holz. Davon abgesehen ist die Bilanz aber wirklich nachhaltig erfreulich:

Einer meiner beiden Top-Favoriten ist "378" von Alpa. Ein nicht nur vom farblichen aussehen her grüner, sehr waldig-moosiger, aber zugleich blumig-freundlicher Duft ganz eigener Art, den ich in einem Kommentar, den ich heute noch genauso schreiben würde, näher vorgestellt habe. Für mich außerdem das perfekte Reise-Rasierwasser, weil in der sehr kleinen, handlichen, 50-ml-Flasche verkauft. Für das Näschen an meiner Seite eine glatte 10, und von den hier vorgestellten Düften der haltbarste (ca. 3 Stunden). Etwa auf gleicher Stufe würde ich "Farao - Voda po holení" (das letzte heißt "Rasierwasser") ebenfalls von Alpa einordnen, und auch hier schließt sich meine Frau ("glatte 10", sie betont immer, der Duft sei so schön retro, ich hoffe, sie meint damit nicht, dass ich damit alt aussehe) an. Ein wunderbar kerniger, schön männlicher, holziger Chypre. Im Fließverhalten etwas viskoser als "378", in einer ungewöhnlichen 100-ml-Flasche verkauft, mit einer Haltbarkeit von etwa 2 Stunden, ebenfalls mit einem Kommentar von mir gewürdigt.

Ebenfalls etwa 2 Stunden haltbar ist "Diplomat Classic" von Astrid, ein hochorigineller seifig-mineralischer Duft mit extrem hohem Wiedererkennungswert (Kommentar vorhanden). Der bei Parfumo abgebildete Flakon ist nicht mehr ganz aktuell, er hat eine Verjüngungskur durchgemacht. Das farblose Wässerchen ist, wohl wegen der vielen Pflegesubstanzen, sehr viskos. Den Flanker "Diplomat Forever" kann man überspringen, ohne etwas zu verpassen. Allerdings gibt es zwei farbige Flanker, die ich sehr mag, nämlich "Diplomat Fresh" (in grün) und, als de-facto-Flanker, "Adam" (in hellblau). Beide haben die gleichen Fließ- und Pflegeeigenschaften wie Classic, jedoch eine extrem geringe Haltbarkeit von eher unter 30 Minuten, sodass sie sich gut als Instant-Duftshot nur für nach dem Rasieren eignen - bevor man aus dem Haus geht, kann man dann noch den richtigen Tagesduft auftragen. "Diplomat Fresh" geht dabei in die würzig-holzig-frische Richtung, und "Adam" ist ein sehr straighter, nicht süßer Aquate. Ich habe beide mit einem Kommentar gewürdigt aber mit den Punkten etwas gegeizt, ich würde beide heute eher mit 8,0 bis 8,5 bewerten.

Teil 2 zu den Colognes folgt.

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