Ganduin

Ganduin

Rezensionen
Ganduin vor 10 Jahren 9 5
4
Duft
Etikettenschwindel
Wenn man mal so spaßeshalber, etwa nachdem man den Duft hier gerochen hat und deswegen nun schwer verwirrt ist, nach Bedeutungen des Wortes "Abenteuer" googlet, findet man immer wieder Definitionen im Sinne von "etwas riskantes, etwas gefährliches, etwas außergewöhnliches, etwas außerhalb des alltäglichen". Abenteuer haben etwas mit Entdeckern zu tun, mit Menschen, die in Gegenden vordringen, die andere nicht einmal kennen, mit Dingen die sie sich trauen, von denen andere Albträume bekämen. Es gibt so etwas wie einen Geist des Abenteuers, einen Reiz, eine Faszination hin zu den Grenzen, zum Unbekannten, zum Ungewissen, zur Gefahr, zum Tanz auf der Rasierklinge, zum Segeln am Rande der Welt. Und nicht zuletzt gibt es so etwas wie erotische Abenteuer. Zu letzteren empfehle ich die Kommentare von LoveAstaire, etwa zu Midnight Poison oder zum Angel Liqueur de Parfum (alte Version, nicht die 2013er).
Es ist ein gewagtes Experiment, diesen Komplex an Bedeutungen in einen Duft gießen zu wollen, und einigen Parfüms gelingt es. Diesem hier allerdings leider nicht. Die stärkste Assoziation, die ich bei dem Wässerchen habe, ist "ganz nett", die zweite "unaufdringlich, harmlos". Und ganz nett ist so ziemlich das Gegenteil von Abenteuer. Was soll das sein, ein ganz nettes, harmloses Abenteuer? Die persönliche Erstbesteigung des Berliner Teufelsbergs (immerhin 120 Meter hoch)? Eine Großwildsafaritour in der Lüneburger Heide? Den USB-Stick rausziehen, ohne ihn vorher sicher zu entfernen?
Der Name führt meilenweit am Thema vorbei, geht sogar in die falsche Richtung. Der Duft ist kein Abenteuer, sondern biederer Mainstream. Es ist auch nicht der Duft eines Abenteurers. Indiana Jones, Han Solo, Jack Sparrow, Aragorn, die alle würden selbst nach zwei Wochen Wellnessurlaub noch dreckiger riechen als Adventure. Und man selbst riecht damit auch nicht so, als wäre man ein Abenteuer, auf das sich die Damenwelt in Scharen einlassen würde. Das würde mit dem Duft vermutlich nicht einmal der James Bond von Sean Connery schaffen. Ganz abgesehen davon, dass die schlappe Ausdauer des Duftes nichts gutes für die Ausdauer in anderer Hinsicht vermuten ließe...
Ich weiß nicht, was man bei Davidoff für ein Abenteuer hält. Vielleicht verstehen die Leute im Marketing dort darunter die krasse Selbstironie, einen so harmlosen Duft mit so einem gefährlichen Namen zu versehen. DAS wäre ganz großes Abenteuer. Aber ich fürchte, die meinen das leider ernst, und daher gibt es für den Etikettenschwindel von mir ordentlich Punktabzug. An und für sich, mit einem weniger verheißungsvollen Namen, wären auch 60 bis 70% drin gewesen. Wer einen passablen, annehmbaren, unauffälligen Duft sucht, wird hier ganz gut bedient. Da ein Parfüm aber ein Gesamtkunstwerk ist (man lese sich nur mal die fünf Fragen an Serge Lutens auf der Seite hier durch, welcher Bedeutung er dem Namen gibt!), gebe ich nur 50%.
5 Antworten
Ganduin vor 10 Jahren 6 1
2.5
Sillage
4
Duft
Ein sanfter Hauch von... nichts
Vor ein paar Wochen habe ich die - skandalös kleine - Parfümsammlung meiner Schwester geplündert, und dabei ist mir eine Probe von Selection Men in die Hände gefallen (wortwörtlich übrigens, um ein Haar wäre das Röhrchen im Waschbeckenabfluss gelandet). "Sieh an, Herrenparfüm, das braucht die eh nicht", dachte ich mir, und nahm das Wässerchen an mich. Bisher scheint sie es nicht vermisst zu haben...
Oder es ist ihr einfach egal, denn effektiv verloren hat sie, naja, praktisch nichts. Ich habe ihn heute Abend mal wieder aufgelegt, und wenn ich nicht wüsste, dass ich das getan habe, würde ich mich über mich selbst wundern, warum ich denn derzeit kein Parfüm trage. Euphemistisch betrachtet könnte man den Duft definitiv als "unaufdringlich" bezeichnen, aber man kann TerFum weiter unten nicht wirklich widersprechen, wenn er den Duft kaum gefunden hat. Mein rechter Arm ist derzeit massiv damit zugedieselt, ungefähr die Hälfte der 1,6ml-Probe ging drauf, und außer einer massiven Alkoholexplosion am Anfang ist kaum etwas zu verspüren, mehr zu erahnen. Die Synthetik, die auch bei mir leicht kopfschmerzerregend war (könnte aber auch einfach an der schieren Menge Parfüm liegen), ist anfangs noch das stärkste Element, verfliegt aber glücklicherweise nach ein paar Minuten. Zurück bleibt ein dezenter Hauch von "Fastnichts", völlig harmlos und unspektakulär, sowohl für die Umwelt, als auch für einen selbst. Das "Fastnichts" ist immerhin ziemlich angenehm, was den Duft für mich noch ins Mittelmaß hievt, aber angesichts der Duftpyramide (Salbei! Muskat! Patchouli! Vetiver!) bin ich ziemlich enttäuscht. Da war viel mehr drin. So fühlt sich der Duft an wie Radio auf der Arbeit in einem großen Raum, einer Fabrikhalle etwa, oder einem Versandlager. Er ist zwar irgendwie schon da, und auch ganz nett, aber wahrnehmen tut man ihn nicht wirklich - und anders als beim Radio kommt nichtmal ab und zu ein gutes Lied.
1 Antwort
Ganduin vor 10 Jahren 36 5
9.5
Duft
Die Quintessenz alles Guten
Dieses Semester habe ich montags zwei Veranstaltungen, eine am Campus Bockenheim, eine im Westend, und eine große Pause von zweieinhalb Stunden dazwischen. Normalerweise nutze ich die Zeit, um zum Frankfurter Palmengarten zu schlendern und je nach Wetter irgendwo draußen oder im Tropicarium irgendwas zu lesen.
Vor ein paar Wochen hatte ich jedoch erstmals ein merkwürdiges Gefühl, dass ich irgendetwas verpassen würde. Ich war den Abend davor mal wieder lange auf der Seite hier unterwegs, und hatte etliche Kommentare zu mir bisher unbekannten Düften gelesen (wen wunderts, dass mir so viel unbekannt ist, so lange habe ich Parfüm als Hobby noch nicht für mich entdeckt), und irgendwie beschlich mich der Verdacht, dass ich eigentlich in irgendeiner Parfümerie sein sollte, um dort Geld liegen zu lassen, das ich für Luxus eigentlich nicht habe sollte. Zumal das türkise D auf der Zeil auch noch das größte Europas ist, und ich noch nicht ein einziges Mal drin war. Diese Scharte galt es auszumerzen!

Also habe ich mein Buch zugeklappt, und mich aufgemacht zur umsatzstärksten Fußgängerzone Deutschlands, und rein in den Laden der türkisen Mafia, der im Herzen der Zeil liegt. Misstrauisch beäugt vom Ladendetektiv verlaufe ich mich natürlich erst einmal elegant in die Damenkosmetik-Ecke, statt einfach direkt ins Untergeschoss zu gehen, wo die Herrendüfte warten. Meinen Fehler korrigierend, fahre ich die Rolltreppe hinab, und noch ehe ich unten ankomme, werde ich von einem der Douglas-Engel angesprochen, ob sie mir denn helfen könne - angesichts der Leere im Untergeschoss hatte sie wohl Langeweile. Ich verneine zunächst, spekuliere dann aber doch auf mein Glück, und frage nach dem Tonka impériale, von dem mir insbesondere der Kommentar von Louie (zurecht der vielleicht am höchsten bewertete Kommentar auf ganz Parfumo) noch im Gedächtnis ist. Eigentlich rechne ich mit einer Absage, immerhin ist das keiner der Düfte, die Guerlain flächendeckend vertreibt. Doch zu meiner Überraschung ist er tatsächlich verfügbar. Mit dem Personalaufzug fahren wir nach oben in den Stock mit den "etwas" teureren Produkten, und tatsächlich, nach längerer Suche schafft die Dame es, noch einen Tester aufzutreiben.
Ich bekomme ihn natürlich zunächst auf einen Teststreifen gesprüht, Ersteindruck ist bombatisch, ab damit auf die Haut. "Ich übertreibe mal etwas", spricht sie, und naja, das tut sie dann auch. Schnell den Alkohol weggeschüttelt und WÄMS... verwächst mein Arm mit der Nase. Naja, nicht direkt, sieht ja doof aus, aber es kostet schon ziemliche Überwindung, ihn wieder wegzuziehen. Unfassbar!

Man stelle sich vor, man steht auf einem Weihnachtsmarkt, und zwar vor einem dieser Süßigkeitenstände, mit seinem üblichen Süßgeruch. Diesen Geruch nehme man, und splitte ihn in zwei Teile. Einer der beiden Teile sei das ganze widerliche, was es da so gibt - die übertriebene, billige, klebrige Süße von Zuckerwatte etwa, oder das Fett von der Würstchebude nebenan. Diesen Teil nehme man... und werfe ihn weg.
Der zweite Teil, der dann noch verbleibt, das konzentrierte gute Gefühl von Genuss, von (kulinarischer) Verführung, von unendlichem Wohlbehagen, genau DAS in Tonka impériale. Ein unfassbarer Wohlgeruch, die konzentrierte Essenz aller guten und edlen Leckereien, vielleicht das Gefühl in der Kindheit, wenn man irgendwas wirklich Gutes von seinen Eltern spendiert bekam. Der Duft nimmt dich, umarmt dich, lässt dich nicht mehr los. Absolut traumhaft!

Zum Glück für mein rationales, denkendes Ich war das Parfüm an diesem Tag ausverkauft, sonst hätte ich ohne mit der Wimper zu zucken die 180 Euro ausgegeben, obwohl ich mir das eigentlich nicht leisten kann. Aber die übrigen Düfte waren an diesem Tag dann natürlich gelaufen, und das zweite Seminar am Nachmittag auch. Ich kriege kaum was mit, ich bin völlig in der Welt gefangen, die Guerlain mit diesem Meisterwerk geschaffen hat, und als ich sie kurz verlasse, um etwas zu Bourdieus Kapitaltheorie in den Raum zu werfen, merke ich, dass das heute nichts wird, nichts werden kann. Es gibt wichtigeres als Unikram, und dieses wichtigere strömt von meinem rechten Arm aus!

Ein paar Wochen später komme ich über den Souk hier endlich an eine Abfüllung heran (danke an dieser Stelle noch einmal an Kati54!). Ich komme irgendwann relativ spät abends heim, meine Mutter meckert, dass SCHON WIEDER Duftpost gekommen ist - "wie viel von dem Zeug willst du den noch?" - und wedelt mit einem Großbrief in der Luft herum. Ich habe schon einen leisen Verdacht, was das ist, und beim Blick auf die Absenderadresse ist es klar. Ich nehme den Brief an mich, stürze die Treppen zu meiner Wohnung hoch und ins Bad, um den Duft, den ich an dem Tag bisher getragen habe, runterzuwischen (das ist beim A*Men Pure Malt gar nicht so einfach). In einer Plastikröhre mit Sprühkopf wartet schließlich der goldene Schatz, und zwei Sprühstöße später bin ich wieder im Traumland. Endlich! Leck mich, Welt, für heute bin ich weg!

Stunden später will ich schlafen gehen, aber ich kann nicht. Wenn ich meine Arme unter die Bettdecke packe, ist die Lage zu unbequem, und wenn ich sie, wie üblich, über meinem Kopf verschränke, ist er da. Der Tonka impériale. Und er ist zu gut, um ihn einfach wegzuschlafen. "I don't wanna close my eyes, I don't wanna fall asleep, cause I'd miss you babe, and I don't wanna miss a thing" singt Steven Tyler in der Aerosmith-Überschmalzballade, dem Titelsong zum Blockbuster "Armageddon". Er meinte keinen Duft, aber nichts passt besser zu dem Moment.
Irgendwann übermannt mich die Müdigkeit, und ich nicke doch ein. Träume vom Schlaraffenland. Wache frühmorgens auf, und ein zarter Hauch von süßer Verführung hängt noch am Kissen. Er lockt schon wieder, doch dieses Mal nicht! Tonka impériale ist zu gut, um ihn täglich zu tragen, sage ich mir. Den musst du dir aufheben, für die besonderen Anlässe, und du hast noch Unmengen an anderen Düften, die allesamt kennen gelernt werden wollen. Irgendwie werde ich das meiner Nase schon noch beibringen...
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