Gerry

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1 - 5 von 7
Gerry vor 6 Jahren 15 9
9
Flakon
1
Sillage
8
Haltbarkeit
5
Duft
Gut gedacht, schlecht gemacht
Der frühe Morgen, noch schlaftrunken zwischen den Laken an den warmen Körper neben sich geschmiegt und dessen sauber menschelnden Duft in der Nase.
Das Bild ist nicht neu, als Vorlage für einen Duft. Helmut Lang hat hieraus sein legendäres Eau de Cologne geschaffen.

Petit Matin ruft auch dieses Bild in mir hervor, allerdings eher ein Zerrbild, denn ich liege offensichtlich im falschen Bett, neben der falschen Person.

Mich kratzt ein arg synthetisch wirkender, leicht säuerlicher Sauberduft in der Nase. Er erinnert mich stark an Pradas Amber pour Homme; nicht so ausgeprägt und deutlich zurückhaltender, aber eben so, dass ich allein deshalb Petit Matin schon nicht mag. Auch bereits sehr früh im Duftverlauf nehme deutlich einen "trockenen" Duft wahr, den ich von unbehandeltem Leinen kenne oder auch so ähnlich von Hanfseilen. In der Duftpyramide suche ich allerdings vergeblich nach einer Erklärung für meinen Eindruck von Leinen. Aber auch hier stört mich dessen Aufdringlichkeit.
Zusammen mit dem synthetisch stechenden Sauberduft bildet dieser trockene Leinen- oder Hanfseilduft über eine weite Strecke eine nervende Combo.

Nach dem Abgang dieser Nervcombo bleibt ein langanhaltender und sehr körpernaher Moschus Duft zurück. Immerhin noch mit ein paar Resten der Leinenfasern, um nicht wie ein beliebiger 0815 Moschus zu wirken.

Fairerweise muss ich noch sagen, dass es einen Unterschied ausmacht, aus welcher Entfernung ich den Duft wahrnehme. Direkt mit der Nase über der Haut, wird mir die gerade beschriebene Nervcombo unerträglich. Mit einigem Abstand bzw. mit ausgestecktem Arm wedelnd, ändert sich der Duft zwar nicht, wirkt aber weniger überzeichnet.

Die Haltbarkeit ist ganz ordentlich, der Duft wird dann aber, wie schon gesagt, sehr hautnah und zeigt im Wesentlichen nur noch Moschus.
9 Antworten
Gerry vor 9 Jahren 21 10
8
Duft
Black Tie
Black Tie ist der Dresscode für den Smoking. Den Bogen zum Leather Blend werde ich im Verlauf des Kommentares spannen.

Als ich Leaher Blend in meiner Stammparfümerie testete, meinte der Verkäufer beim Aufsprühen, er fände ihn zu süß. Selbst ich, mit einer Süß-Phobie, konnte diesen Eindruck nicht teilen und interessanter Weise meinte der Verkäufer, er fände ihn jetzt, bei dem zweiten Test, auch nicht mehr so süß.
Ich denke, wenn man will, kann man hier eine subtile Süße erkennen - aber Männer, bei *süß* fallen mir aber ganz andere Kracher ein.

Ich bin von Leather Blend positiv überrascht und angetan. Ob es ein Meilenstein, wie der Zino wird, sei dahin gestellt. Der Duft vermittelt jedoch durchaus Qualität und Sorgfalt bei seine Entwicklung.
Mein erster Gedanke war, das ist mal wirklich neu. Kein Abklatsch mir bekannter Leder-Düfte und schon gar nicht die gefühlte hundertste Variante einer Leder/Himbeere Kombination. In dieser Hinsicht hat er etwas gemeinsam mit dem jüngst von Acqua di Parma herausgebrachten Lederduft, der sich m.E. auch abseits der aktuellen Lederduft Mode bewegt. Gleichwohl unterscheiden sich beide deutlich.

Der Davidoff begeistert mich durch seine samtig edle Herznote. Amber nicht klebrig fett und Rose in einer *erwachsenen* und zurückhaltenden Art. Und hier komme ich auf das Stichwort Black Tie zurück. Es gibt ja eben einen Duft mit diesem Namen der die Rose zum Thema hat und mir Rosendüfte für alle Zeiten verleidet hat - dachte ich. Ein treffenderes Wort als *erwachsen* finde ich für den Roseneindruck nicht. Es ist eine dunkle wenig florale Rose, die dem Amber die Schwere und Süße nimmt. Ich finde das zusammen recht verführerisch und es liegt so weich und vornehm auf der Haut wie ein Kaschmirschal.

Leder deutet sich aber auch schon in der Herznote an und wird zum Ende hin ausgeprägter. Kein hartes Leder, sondern eher ein feines weißes Wildleder, ähnlich wie bei Guerlain, jedoch ohne diese Vanille-Orgie. Den Ausklang finde ich dann jedoch etwas dürftig. Leather Blend verebbt *irgendwie*, in einer diffusen Melange aus dem, was zuvor schon mal auf der Bühne stand, jedoch ohne Drehbuch, wie mir scheint. Schließlich bekommt das noch einen leicht muffigen Unterton - schade. Da ist den Machern wohl die Inspiration ausgegangen.

Ach ja, die Kopfnote ist very nice. Offensichtlich ist das Zitrus-Thema in der Kopfnote nun wirklich nicht mehr zeitgemäß. Den Parfumeruren ist ohne diese Zitrus-Nummer trotzdem ein heller und erfrischend klarer Einstieg gelungen. Der Pfeffer scheint das nötige *Bizzeln* in den Safran zu bringen, fällt aber als einzelne Note nicht auf. Der Safran wirkt fruchtig, saftig, frisch, ohne dass das gleich Assoziationen mit einer Früchtekaltschale für den Kindergeburtstag erzeugt.

Die Duftnoten sind transparent und sehr fein verwoben. Ich finde, der Leather Blend ist eher ein leiserer und vornehmer Duft, jedoch mit guter Haltbarkeit. Wer ihn lauter mag, wird das durch entsprechende Dosierung steuern können.

Was ich an ihm mag ist, dass er nicht fordert und damit auch nicht überfordert. Somit wäre es in meiner Sammlung der stille und gepflegte Ledergeselle. So sehe ich ihn vielseitig einsetzbar auch zum Smoking ;)
10 Antworten
Gerry vor 11 Jahren 9 2
4
Duft
Wannabe?
Nun habe ich ihn, den Test- und Kommentarflakon des Kafka for Men.

Nach einem Besuch auf der Homepage von Kafka International machte sich bei mir zunächst Skepsis breit. Vieles dort hat Ratlosigkeit, Kopfschütteln und Fremdschämen verursacht. Ich will nicht weiter darauf eingehen, gleichwohl aber einige Passagen aus dem Werbetext für den Duft heranziehen.

„Die Quintessenz der Haute Couture Parfum Linie“ … „stellt wilde Männlichkeit, heroischen Habitus und aktuellen Stil dynamisch in den Vordergrund“. Es soll ein „ausdrucksvoller und maskuliner Zauber mit einer unendlichen Eleganz“ sein.

Gut, wir wissen wie solche Texte entstehen können, aber musste man hier so überhöht formulieren, so dick auftragen? Natürlich kann der Duft dem Geschreibe auf der Homepage nicht gerecht werden – bleibt die Frage, ist er deshalb schlecht?

Sehen wir ihn uns an.

Kafka for Men startet mit einem sehr kurzen Frucht-/Lavendelmix, den ich nur als Flash wahrnehme. Für einen sehr kurzen Augenblick sind Grapefruit und ein schwaches Schillern der Bergamotte auszumachen. Aus der Kopfnote heraus halten sich Lavendel und Beifuß am längsten und verbinden sich recht stimmig mit den floralen Herznoten.

Ich rieche in dieser Phase einen deutlichen Unterschied zischen der Duftentwicklung auf der Haut und der auf dem Teststreifen. Die Beifußnote tritt auf dem Teststreifen intensiver und krautiger in Erscheinung, als auf der Haut.

Geranium war bisher nicht meine Sache. Das wird wohl auch so bleiben. Hier sehe ich mich aber etwas versöhnlicher. Zusammen mit dem Jasmin und dem Restlavendel rieche ich eine nicht zu süße Herznote.
Floral, eine kleine Spur seifig und gediegen ist mein Eindruck. Es erinnert mich ganz entfernt an „Elegant“ von Boadicea the Victorious.

Die Herznote wirkt allerdings dominant und hält sich sehr lange. Ich möchte sogar so weit gehen und sagen, dass sie für mich am Ende „Kafka for Men“ ausmacht, diesem Duft ihren Stempel aufdrückt. Mir persönlich ist das schlicht weg zu viel und nervt mich mit der Zeit.

Nur sehr langsam mischen sich einzelne Noten aus der Basis unter die Herznote. Es beginnt mit einem leicht scharf stechenden Akkord hinter dem ich das Zedernöl vermute. Eine Holznote kann ich gleichwohl nicht ausmachen. Der Duft „dunkelt“ unter den Bestandteilen der Basis etwas ab. Patchouli kann ich schwach erkennen.

Der Duft, oder besser gesagt die Herznote hat auf der Haut eine enorme Haltbarkeit und scheint auf dem Teststreifen oder auf Stoff sogar unverwüstlich zu sein. Also Vorsicht mit Duftapplikationen auf der Kleidung.

Eine „unendliche“ Eleganz sehe ich dagegen nicht. Ich schätze Kafka for Men eher als einen Casual Friday Duft ein.
2 Antworten
Gerry vor 12 Jahren 24 12
1
Duft
Chemische Werke Kilian
Benzin, Altöl, Nitroverdünnung, angeschmortes Gummi, Aceton, verbranntes Holz … nein, meine Nase möchte nicht mehr. Das reicht!

Ist das nun Parfümeurs-Kunst oder das Ergebnis eines Chemieunfalls?

Ich kenne dieses Duftgemisch. Lolitas Kommentar hat mich wieder daran erinnert.

Ich kenne das aus der Zeit, als ich noch im Stahlwerk gearbeitet habe – an einer Walzstraße für Schienenprofile. Beim „Walzenbauen“ oder Reparieren steckten wir bis zu den Ellenbogen in einer Schmiere aus altem Öl, Lagerfett und Teerpech.

Wir haben uns anschließend in der Waschkaue mit scharfer Handwaschpaste und Seife die Haut abgeschrubbt um den Dreck und vor allen Dingen den Geruch wieder los zu werden. Die Arbeitsanzüge sind anschließend für zwei Durchgänge in die Waschmaschine gekommen. Nach dem ersten Durchgang waren sie optisch sauber, rochen aber noch nach Öl und Lösungsmittel.

Möchte ich so riechen wie nach einer anstrengen Schicht im Walzwerk? Nein, wozu auch.

Pure Oud wird in der Reihe „Arabian Nights“ verkauft. Ich rieche hier keine arabischen Nächte. Ich muss sagen, Thema verfehlt. „Steelworkers night shift“ wäre treffender gewesen.
12 Antworten
Gerry vor 12 Jahren 24 9
10
Haltbarkeit
10
Duft
Eine gotische Kathedrale
Dieser Kommentar sollte schon lange geschrieben worden sein, nur habe ich bisher alle Manuskripte verworfen weil sie immer wieder zu einer Vorlesung über Baugeschichte wurden. Außerdem hatte Igraine bereits vor mir dieses Bild gefunden – und jetzt von mir auch noch einmal?

Nun habe ich aber beginnend mit meinem Kommentar zu „Avignion“ von CdG die Analogie zu den christlichen Sakralbauten ganz gezielt gewählt. Als ich über das „Avignon“ schrieb hatte ich z. B. die Basilika San Piero a Grado in Pisa vor Augen – schwer, wuchtig, dunkel.

Was hat es nun aber mit der gotischen Bauweise und dem „Cardinal“ von Heeley auf sich?

Ich hatte vor langer Zeit einmal die Gelegenheit, mir das Freiburger Münster anzusehen. Das war noch vor meinem Architekturstudium. Damals war für mich der Unterschied zwischen Romanik und Gotik nur ein stilistischer – Romanik hat Rundbogenfenster, Gotik hat Spitzbogenfenster. Ich wusste noch nichts über die Skelettbauweise der gotischen Kirchen, wodurch die Außenmauern nichts mehr tragen mussten und jetzt Platz für große und hohe Fenster boten.

Ich saß in einer der Bankreihen, lauschte einem Organisten und folgte mit meinem Blick den Säulen und Kreuzgraten. Als ich das Münster betrat, war der Himmel draußen noch bedeckt, nun riss die Wolkendecke wohl auf, jedenfalls war es in der Kirche selbst so, als hätte jemand draußen ein paar riesige Punktstrahler angeknipst und auf die Fenster des Münsters gerichtet. Gewaltige Strahlen hellen Lichts stachen durch die Fenster, die Absiss erglühte förmlich und das Altarleinen erstrahlte blendend weiß.

Genau dieser Augenblick kam wieder in mein Bewusstsein, als ich das „Cardinal“ zu ersten Mal aufsprühte. Ein strahlend leuchtender und federleichter Weihrauch.

Angesichts der Duftpyramide von „Cardinal“ sollte man denken, es gäbe hier den klassischen Duft-Dreiakter und der Weihrauch in der Herznote wäre nur einer der Hauptdarsteller. Das ist nicht so – und ich schätze das sehr. Der Duft wechselt im Verlauf zwar geringfügig seine „Farbe“, das Thema Weihrauch bleibt aber linear vom Anfang bis zum Ende.

Ja, den Weihrauch spürt man bereits schon nach dem Aufsprühen in der Kopfnote. Aldehyde, Pfeffer und Rose rieche ich nicht, zusammen ergeben sie aber wohl diesen für mich unwiderstehleichen Flash zu Beginn in der Kopfnote - wie gesagt, als ginge die Sonne auf.

Auch die übrigen Duftbestandteile im weiteren Duftverlauf führen kein eigenständiges Duftleben. Sie stehen eher hinter der Bühne und setzten den Weihrauch als Hauptakteur in Szene. Ich sehe hier eine Gemeinsamkeit von „Cardinal“ und „Avignon“.

Nach dem Helligkeitsflash zu Beginn, bleibt der Duft durch und durch Weihrauch, aber dabei weiterhin hell, leicht und filigran. Erst weit gegen Ende wird der helle und fast schon kristallin wirkende Weihrauch runder und eine kleine Spur geschmeidiger, ohne dabei aber seine Transparenz und Leichtigkeit zu verlieren.


Ich trage Cardinal gerne bei Besuchen in Kunsthallen, bei Lesungen oder ähnlichen Anlässen. Es scheint so, als hätte ich mit Weihrauch in mir einen Anker gesetzt. Rieche ich ihn, fühle ich mich einerseits gesammelter und aufmerksamer, andererseits aber auch geistig offener und zugänglicher für Inspirationen. Ich trage ihn in der letzten Zeit daher auch ab und an im Büro. Gestört hat es bisher noch niemanden – und ich habe da so die eine oder andere, in ihren Äußerungen recht unverblümte Kolleginn.

Wer Cardinal testen möchte, sollte das nicht ausschließlich auf einem Papierstreifen oder Zellstofftuch. Dort empfand ich den Duft als kühl und distanziert.
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