(Olfaktorischer) Streifzug durch Edinburgh
Vor 4 Wochen war ich das erste Mal in Schottland, in Edinburgh, um genau zu sein. Die Stadt stand schon sehr lange auf meiner Wunschliste möglicher Reiseziele und ich wollte unbedingt im Herbst hin, weil ich mir dachte, dass dann die "Moodyness" (mir fällt hier leider wirklich keine adäquate deutsche Beschreibung ein), die diese Stadt für mich hat, noch besser unterstrichen wird. Gedämpfte Farben (bis auf die bunten Bäume), Regen, frühe Abende...dass es die 3 Tage kein einziges Mal regnen würde, sondern wir mit wirklich viel Sonnenschein beschenkt werden würden, war nicht abzusehen, aber so zeigte sich die Stadt im goldenen Oktoberlicht und ich war nicht allzu traurig darüber, dass uns das typische schottische Wetter verwehrt wurde.
In den 3 1/2 Tagen Aufenthalt legen wir 50km zu Fuß zurück, ich trinke viel Cider (mein Freund Bier), wir essen Fish'n'Chips, unterhalten uns mit den ausgesprochen netten Schotten und erkunden die Stadt ganz gemütlich in unserem Tempo.
Am ersten vollständigen Reisetag machen wir uns morgens auf den Weg durch die Altstadt auf zum Schloss und die Stadt präsentiert sich mir genauso charmant, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Alte Backsteingebäude, überall Pubs und süße kleine Lädchen und ja, auch die obligatorischen Dudelsackspieler. Ich entscheide mich an dem Tag für einen kleinen Affront und trage bewusst Inverness statt Paris - Édimbourg. Letzteren liebe ich zwar sehr, er passt für mich jedoch eher in die warme Jahreszeit und mir war morgens nach etwas weniger Spritzigem, sondern eher etwas Einhüllendem. Inverness macht diesen Job ausgezeichnet und begleitet mich mit seiner holzigen Cremigkeit während unseres Streifzugs durch die kopfsteingepflasterten Gassen. Überall gibt es etwas zu entdecken und ich merke gar nicht, dass die Stadt recht hügelig ist, weil ich so begeistert bin von den verschiedenen Ausblicken, die sich uns bieten.
Zwar bin ich kein großer Whiskytrinker, aber da uns die Whisky Experience von unserem ausgesprochen netten Host empfohlen wurde, buchen wir uns eine Tour. Und eine Experience ist es wirklich! Man erfährt sehr schön visuell aufbereitet, wie Whisky entsteht (der schottische Whisky kommt übrigens ohne ein zusätzliches "e" aus wie sein amerikanisches Pendant), woher die Zutaten dafür kommen und an welchen Orten in Schottland er hergestellt wird. Mein Highlight: Man erhält eine "Riechkarte" mit verschiedenen Duftpunkten. Wenn man an diesen reibt, setzen sie einen Duft frei, der anzeigt, wie der jeweilige Whisky aus der Region riecht. Ich erschnüffle Vanille, Zitrus, Rauch und etwas Blumiges und bin mächtig stolz auf mich, als sich all das als wahr herausstellt. Insofern auch für mich höchstgradig interessant, obwohl ich mit der Spirituose nichts am Hut habe. Aber auch der Whiskytest danach ist spannend, da man deutlich die Unterschiede der jeweiligen Arten herausschmecken kann.
Danach besuchen wir das zauberhafte Dean Village und spazieren dann bei herrlichstem Herbstwetter am Water of Leith zurück in die Innenstadt.
Am nächsten Tag gönnen wir uns nach einem Aufstieg zum Calton Hill zur Feier des Tages (mein Freund hat Geburtstag) einen fancy Afternoon Tea im Balmoral Hotel. Als leidenschaftliche Teetrinkerin stand ein authentischer britischer Afternoon Tea schon ebenfalls lange auf meiner Wunschliste und meine Erwartungen werden nicht enttäuscht. Ich kann sogar Keemun Tee probieren, etwas, worüber ich meiner Rezension von Keemun vor ein paar Wochen noch geschrieben hatte. Der Tee schmeckt wirklich außergewöhnlich, wenn auch weniger nach Kakao, als ich durch das Parfum erwartet hatte. Aber dennoch für mich ein ganz besonderes Erlebnis.
Zum Afternoon Tea begleitet mich Unknown Pleasures, den ich aufgrund seiner Tee- und Kuchennote als sehr passend dafür erachte (und ja, ich suche meine Parfums nach Stimmung, Jahreszeit, Outfit und auch Anlass aus). Da ich mir aber sehr gerne auch noch ein Duftmitbringsel aus dieser schönen Stadt mitnehmen möchte, machen wir uns danach noch auf eine kleine Shoppingtour auf. Wie immer werde ich magisch angezogen, als wir durch Zufall an einem Jo Malone Store vorbeikommen. Die Marke war meine erste große Duftliebe und noch immer verfolge ich gespannt jede Limited Edition. So teste ich natürlich Fir & Artemisia, der mir zwar im Auftakt ganz gut gefällt, mich aber irgendwie nicht komplett abholt. Von Orange Bitters bin ich von der Kopfnote total geflasht, liiieebe ich doch Zitrusfrüchte, aber der recht schnell einsetzende Drydown enttäuscht mich dann ziemlich, weil ich nur noch undefinierbares Geblümel wahrnehme. Der Hinoki & Cedarwood gefällt mir hingegen sehr, ich rieche hier hauptsächlich Zimt, der zwar offiziell nicht gelistet ist, der nette Mitarbeiter bestätigt aber, dass das Gewürz enthalten ist. Ein sehr unaufgeregter Duft, ziemlich Zen und damit tatsächlich etwas japanisch (wo Hinokiholz wohl ursprünglich herkommt). Aber dann erblicken meine Augen Huntsman - Assam & Grapefruit. Ich kann meinen Augen kaum trauen, weil es sich hierbei um zwei meiner bevorzugten Duftnoten handelt und der Duft schon lange eingestellt ist, scheinbar wurde er in der Huntsman Kollektion aber neu aufgelegt. Ich bin allerdings etwas zögerlich, weil es nur die 100ml Flaschen gibt, die natürlich 1) teurer sind, 2) schwerer (was ja bei einem Flug mit begrenztem Gepäck nicht ganz unwichtig ist) und ich an sich auch keine so großen Flakons mag, ich fühle mich bei meiner großen Sammlung mit 30ml bedeutend wohler. Also entschließe ich, die Entscheidung zu vertagen und wir machen uns wieder auf den Weg. Unsere Route führt uns direkt an Penhaligon's vorbei und auch hier muss ich natürlich rein (mein Freund kann übrigens nichts mit Parfum anfangen, aber liebt einen Duft heiß und innig, wegen meiner Lakritz-Aversion leider sehr zu meinem Leidwesen: Legacy of Petra. Und so ist er zwar nicht begeistert, als ich direkt wieder Düfte schnüffeln möchte, aber begleitet mich dann doch ins Geschäft.) Ich sprühe den neuesten Zugang The Dandy auf und komme mit dem sehr netten Verkäufer ins Gespräch, der erzählt, ebenfalls eine große Sammlung zu besitzen und jeden Tag einen anderen Duft zu tragen. Direkt sympathisch :). Als wir dann noch über The Dandy fachsimpeln und er meint, dass der Duft seiner Meinung nach sehr gut zur Stadt Edinburgh passen würde (der ist durch den Patchouli nämlich ebenfalls moody), bin ich vollends begeistert, dass wir so ähnlich ticken. Der Duft darf dann aber dennoch nicht mit, da ich mittlerweile meinen Duftgeschmack kenne und ich The Dandy einfach nicht häufig genug tragen würde, als dass ein Flakon gerechtfertigt sei. Und so siegt die Vernunft.
Unseren letzten vollen Tag beschließen wir dann, den öffentlichen Nahverkehr auszuprobieren, was einwandfrei funktioniert. Ein Bus bringt uns unkompliziert an den Strand und wir lassen uns etwas Nordseewind um die Nase wehen. Meine Begleitung für den Tag ist Santal Austral Eau de Parfum, stand mir doch der Sinn nach etwas warm-würzigen, aber ohne Nervpotential. Auf dem Rückweg machen wir dann noch Halt bei Dr. Neil's Garden und genießen die Herbstsonne, ehe wir uns auf den Weg zurück in die Stadt machen, weil ich mich (nachdem wir unser Gepäck extra nochmal gewogen haben), final für Huntsman - Assam & Grapefruit als Duftsouvenir entschieden habe. Im Jo Malone Store werden mir dann sogar kostenlos meine Initialen auf den Deckel graviert und ich stelle erst danach fest, dass sie lustigerweise auch auf dem Flakon selbst zu finden sind. Das versöhnt mich etwas mit dem Design der Huntsman Kollektion, das nicht ganz meinen Geschmack trifft.
Danach statten wir noch dem Botanical Garden einen Besuch ab, etwas, das wir in fast jeder Stadt machen, die wir gemeinsam besuchen. Sehr zu meinem Leidwesen sind die Palmenhäuser wegen umfangreicher Umbauarbeiten geschlossen, aber wir genießen den Aufenthalt in der grünen Oase dennoch sehr. Als wir danach noch an einer kleinen Buchhandlung vorbeikommen, in der es einen Kamin gibt (der auch an ist, wie gemütlich ist das!) , bin ich der Stadt vollends verfallen. Und wie passend, dass mir ein Buch in die Hände fällt, welches in Edinburgh im Botanical Garden spielt und von einer Parfümeurin handelt...Full Circle Moment, ich sag's euch!
Und so neigt sich nach einem frühen Abendessen in einem weiteren urigen Pub unser wunderbarer Aufenthalt leider auch schon dem Ende zu. Ich bin mir aber sicher, dass wir nicht das letzte Mal dort waren, die Highlands reizen mich ebenfalls noch sehr und ich bin mir sicher, dass die Stadt auch beim zweiten Besuch nichts von ihrem Charme eingebüßt haben wird. Sie hat sich sofort in die Top 5 meiner bisherigen Lieblingsstädte katapultiert und ich würde liebend gern einmal mit meinem Hund hierherkommen, sind die Schotten doch ausgesprochen hundefreundlich. Und schließlich kommen Golden Retriever aus Schottland, das wäre ja auch wieder sehr passend.
Top beschrieben .
In Edinburgh war ich noch nie, ist schon lange auf meiner Wunschliste - Du hast es wieder ganz nach oben gerückt.
Danke fürs Mitnehmen auf die Reise :)
Und dann noch dein passender Buchfund, echt toll.
Vielen lieben Dank dafür!