GymBuddy

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Rezensionen
GymBuddy vor 3 Jahren 5 3
10
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Archaisch, kunstvoll, wunderschön
Attar ist selbst für Tauer-Fans ziemlich speziell - sowohl was Größe, Konzentration als auch die in Öl statt in Alkohol gelösten Duftöle anbelangt. Geruchlich ist Attar für mich kein klassischer Orientale und steht damit nicht in einer Linie mit L‘ Air du Désert und Au cœr du Désert: Keine vorhandene Süße, nichts vordergründig Schmeichelhaftes und schon sicher kein Crowdpleaser aber trotzdem wunderschön für mich.
Einen klassischen Duftverlauf mit Unterteilung in Herz- bis Basisnote lässt sich nicht ausmachen. Stattdessen drängen sich im ständigen Wechsel immer mal wieder unterschiedliche Duftbilder ins Rampenlicht - die wesentlichen darunter sind für mich:
1. Zumindest vor Corona bin ich jährlich 1-2 mal durch Indien gereist. Vor einigen Hindu-Kulttempeln (Palani etwa) wird in Paraffin gelöster Campher verbrannt und der Duft verbindet sich dabei oftmals mit den auf Stein aufgebrachten öligen Überbleibseln der Opferspenden. Vermutlich ist meine Öl-Campher-Assoziation hier eher der Zistrose geschuldet - die passenden Bilder archaischer Tempel mit entsprechenden Gerüchen vermag es bei mir zumindest auszulösen.
2. Eine alte kalte Holzhütte im Winter. Man betritt den Raum und nimmt Facetten von Harz, zerfallendem Holz, etwas leicht wachsigem und staubigem war. Natürliches Oud ist beim Duft nicht separat aufgeführt - ich würde aber mal mindestens auf eine Oud-Beimengung tippen.
3. Der Jasmin. Der ist jedoch so schwach eingewoben, dass man ihn ab und an eher nur mal erahnen kann. Kein blumig verspielter femininer Jasmin, wie man ihn vielleicht in Grasse bekommen würde, sondern eher eine würzigere, ‚orientalische‘ Jasmin-Variante.
Dass Attar kein schmeichlerischer Alltagsduft ist, sollte klar sein - mir zumindest hat es Attar mit seinen sehr natürlichen Duftbestandteile ziemlich angetan, obwohl mir etwas die Süße im Duft fehlt. Ab und an kommt der mir auch mal tags dran - dann bleibt er auch mühelos 1-2 Tage. Auf Kleidung hält er sich Wochen. Kunst/Meditationsduft.
3 Antworten
GymBuddy vor 3 Jahren 5 2
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
7
Duft
Das weite Meer vor Augen
Oh nein, endlich hatte ich einen Parfumeur gefunden, der so anachronistische - weil ganz natürliche im besten Sinne nicht-synthetische - Düfte wie „Au cœr du desert“, „Attar“ oder „L‘Oudh“ - der mir bekannte am natürlichsten nach Adlerholz riechende Oud-Verteter geschaffen hat. Und dann: Bekomme ich eine Abfüllung von „L‘ Air des Alpes Suisses“ das Andys Spielwiesenprojekt zu sein schien, auch mal einen Iso-E-Super Duft im Repertoire zu haben und jetzt bei Phtaloblue ein super-synthetischer Marine Pyridine (?) bzw Maritima (IFF) - Vertreter. Ersterer riecht nach 3 Stunden wirklich nur noch nach Iso-E-super auf der Haut bei mir, zweiterer verströmt auch noch nach einem Tag die sehr synthetische Version von Meersalz, bzw. leichte Nuancen von Meer und Iod. Wer „Vanilla Vibes“ von „Juliette has a gun“ kennt: Phtaloblue und Vanilla Vibes scheinen auf den gleichen synthetischen Meersalz-Vertreter zu setzen.
Nach all den so natürlich riechenden Vertretern, die ich von Andy kenne - und die jeweils für mich als Meisterwerke und Referenzen gelten - sind das für mich zwei neue Düfte, die so garnicht für mich zur Marke passen wollen. Bislang war Andy Tauer für mich eine Institution, bei der ich blind kaufen konnte und immer wusste, keine überbordene Synthetik im Duft zu haben. Für mich sehr schade, dass es diese Entwicklung genommen hat.

Aber kommen wir zu Phtaloblue - schließlich ist es ja doch ein Tauer - und bis auf die Synthetiknote trotzdem riechbare Parfumeurskunst.
Der Duft startet mit einem nur minimal zitrisch angehauchtem Fenchel, der über salziger Meeresluft zu schweben scheint. Die Assoziation an einen heißen Sommertag über einer Steilküste am Mittelmeer, wo einem beständig diffus ätherisch würzige Kräuteraromen zusammen mit dem Salz in der Luft entgegenschlagen, wird perfekt unterstützt durch eine schwach wahrnehmbare Süße eines sich sehr im Hintergrund haltenden Lavendels.
Im Verlauf nehme ich noch ein wenig Neroli war - zunehmend macht sich jedoch die Dominanz des obig beschriebenen Meersalz-Duftes bemerkbar. Immerhin sorgt dieser für eine sehr lange Wahrnehmbarkeit des Duftes auch noch nach einem Tag. Der Duft endet auf meiner Haut mit einer Cumarin/leicht waldmeisterhaften süßen Tonkabohne und natürlich immer noch dem Meersalzthema.
Insgesamt finde ich den Duft interessant, weil Fenchel und krautig/würzig mit Meersalz ja doch ziemlich originell ist - die synthetische Note wird mir über den Duftverlauf dann aber leider doch zuviel.
Bitte, bitte Andy - der nächste wieder ohne Iso-E und allem anderen künstlichen. Ein Duft mit natürlichem Ambra stünde auf meiner Wunschliste.
2 Antworten
GymBuddy vor 4 Jahren 6
4
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
5.5
Duft
Badfüllend dufter Cheapy
Nachdem Homme aus gleichem Hause mittlerweile einer meiner Lieblings-cheapys ist, und die Kaufhemmschwelle bei Une Histoire d‘ Homme Irréstible aufgrund von Preisen um die 20€ zum Experimentieren einlädt, wurde bestellt.
Man bekommt genau das was einem in der Duftpyramide versprochen wird. Das jedoch in einem Flacon, wie es ihn auch bei KIK auf dem Grabbeltisch geben könnte.
Der Duft startet mit einer etwas altväterlich wirkenden Cologne-Note, die eher Synthetik als Natürlichkeit vermittelt und dabei absolut raumfüllend ist.
Werbebilder von After-shave sich in die Hände reibenden Herren im fortgeschrittenen Alter, die sich damit üppig im Gesicht einreiben, schleichen sich in mein Gedächtnis.
Der Auftakt mit dem Feigenblatt und der Bergamotte ist leider überhaupt nicht so fein wie bei Un Jardin en Méditeranée von Hermès, dem einzigen Feigenblattduft, den ich so kenne, sondern eher würzig, leicht medizinisch, arg laut und synthetisch wirkend.
Nach etwa 20 Minuten wird der Duft sanft hölzern aber immer noch mit einer wahrnehmbaren zitrischen Note. Beim versprochenen Sandelholz der Duftpyramide hätte man gern etwas hochwertigeres verwenden können. Viele günstigen Sandelholznachbauten riechen waldmeisterartig nach Cumarin für mich - so leider auch dieser. Bis der Grundton einsetzt, muss ich sogar zweimal an Waldmeisterbrause denken.
Nach etwa einer Stunde dann aber Zeder pur und ich werde an die kleinen Räucherkegel erinnert, die an Weihnachten gern in Räuchermännchen entfacht werden. Dieser Grundton bleibt dann auch Stunden auf der Haut erhalten - es gibt Tage, da gefällt mir diese Zedernote durchaus. Wer Eau de Baux von L‘Occitane kennt - die Basisnoten haben durchaus Ähnlichkeiten in ihrer Anmutung.
Für den aufgerufenen Preis finde ich den Duft völlig in Ordnung - und sogar deutlich besser als den gerade zu kaufenden Mainstream. Nur sollte man für den Duft eher ein paar Jährchen älter sein...
0 Antworten
GymBuddy vor 4 Jahren 24 11
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
7
Duft
Enclave - der sehr Eigene im Fremden
Mein erster Amouage aus der Renaissance Collection. Mit „Wiedergeburt“ aus dem Französischen frei übersetzt, wird hier nochmal betont, dass man sich gern regelmäßig neu erfindet - Amouage geht seit einiger Zeit ziemlich neue, experimentelle Duftwege.
Auch Enclave hat wenig Verwechselungscharakter mit anderen Düften und startet mit einem Duftakkord, den ich so noch nie wahrgenommen habe:
Spearmint-Kaugummi, leicht zimtig angesüßt mit dem klar ledrigen Duft der rauhen Innenseite eines Wildledergeldbeutels. Diese Lederassoziation habe ich bei der Saffiano genannten Duftkomponente, die ich ab dem ersten Moment wahrnehmen kann, die im Verlauf immer stärker wird und auch nach einem Tag noch deutlich auf der Haut wahrnehmbar bleibt.
Minzdüfte bleiben für mich schwierig. Entweder man ist auf Flughöhe Saunaaufguss oder es geht in Richtung süßem After Eight oder man hat etwas stechendes gegen die Erkältung in der Nase. Eigentlich kenne ich mit „Geranium pour Monsieur“ von Malle bislang nur einen Minzduft, den ich wirklich schätze und das vor allem, weil die natürliche Krautigkeit eine unglaubliche Reinheit und frische Klarheit vermittelt. Enclave hat dies nicht. Die Minze bei Enclave vermittelt zwar zuerst Frische und Kühle wird aber schnell cremig und süßlich verfremdet.
Natürlich wirkende Duftöle können bei Enclave grundsätlich nicht das Ziel gewesen sein. Sei es die Minze, das Leder, die Rose oder der Amber - alle Düfte sind eher als Abstraktion ihrer selbst eingesetzt und erzeugen lediglich eine Assoziation an den jeweilig gewollten Duft.
Im Duftverlauf macht die süßliche Spearminze dann Platz für eine Potpourrie-Rose. Das riecht dann erstmal wiederum unbekannt, weil Minze mit Rose auch nichts ist, was ich als Duftakkord kenne. Bei schwächer werdender Minze, wenn dann die Rose mit dem Leder die Protagonisten sind, kann man für ca 2h einen doch sehr an „Myth / Amouage“ erinnernden Duft mit sich tragen, der im Vergleich zum Original jedoch cremig, milchig und nicht so brachial daherkommt.
Irgendwann bleibt nur noch die Süße eines ausgekauten Kaugummis mit etwas Wildleder auf der Haut übrig.
Die Einteilung „süß-holzig“ auf Parfumo kann ich leider nicht nachvollziehen. Holzig finde ich Enclave zu keinem Zeitpunkt „frisch-süß-ledrig“ fände ich passender.
Ist das jetzt ein großer Wurf von Amouage? Die obig erwähnte Abstraktion der einzelnen Duftbestandteile zu etwas Neuem kann man positiv betrachtet als Kunst bezeichnen oder aber auch als arges Zusammenwürfeln von synthetischen Laborneuentwicklungen, die aus den Laboren von zB IFF kommen.
Ich tendiere zu irgendwas dazwischen. Die unbekannten Duftakkorde kennenzulernen war spannend und die Minze blendet auch ganz kurz vor dem Zeitpunkt aus, ab dem es nur noch nervig wird. Gefesselt hat mich der Duft aber nicht - mir insgesamt zu synthetisch in seinen Bestandteilen. Nichtmal Natürlichkeit vortäuschen mag der Duft - das ist hier eben Konzept. Sehr kreativ und kunstvoll aber irgendwie nicht meiner. H/S befinden sich im oberen Drittel der Amouage-Reihe. Warum dieser minzige Duftfreund nicht in der milchig grünen Flasche von Meander kommt, wird wohl nur Amouage wissen - gepasst hätte es für mich deutlich besser zum Duft.
Für die Zukunft würde ich mir von Amouage einen Moschusduft wünschen. Bei der Kreativität des Hauses, würde ich mich hier gern überraschen lassen.
11 Antworten
GymBuddy vor 4 Jahren 20 3
10
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Hedonismus aus der Flasche oder der Duft des Lichts
Wie könnte man jemandem, der noch nie die Sonne gespürt hat, das Licht erklären? Ich würde ihm vermutlich Sunshine von Amouage zu riechen geben.
Der Duft strahlt zu jedem Zeitpunkt ein überreiches apollinisches Licht aus und kennt als Hedonist nur Lust und Freude.
Sunshine ist der Lenker von Apolls Sonnenwagen - und neben ihm ist ein Platz frei, man kann aufspringen und mit auf die Reise gehen....

So schwülstige Worte, so gut. Vermutlich kann ich weder verstecken, Amouage Fanboy zu sein, noch dass mein Signature Duft weniger markige Worte verdient hätte.

Im Amouage-Universum ist der Duft ziemlich unik: kein Weihrauch, kein Leder, kein Oud, keine Animalik - würde zu einem reinen Hedonisten ja auch nicht passen.
Und trotz dass klassische Duft-Antagonisten fehlen: Sunshine wird mir nie langweilig. So wie ich mich im Hochsommer auch nie beschwere, wenn das beste Badewetter nochmal eine Woche länger geht. Er ist zum Glück auch weit weg von den derzeit banalen Mainstream-Synthetik-Süßlingen - bei Douglas etc. scheint es so gut wie nur noch wabernde Synthetik-Düfte zu geben...

Wie alle Düfte von Amouage, die ich kenne, entwickelt sich der Duft fortlaufend, indem - wie in einem Schauspiel - die Duftakteure der Reihe nach vorgeführt werden und dabei Ihren „special Moment“ haben.

Die Eröffnung ballert dabei ganz schön rein: Langnese-Capri Eis (außen Orange, innen Vanille) mit einer noch zusätzlichen orangigen Süße kontrastiert von Lavendel. Gewissermaßen Strandfeeling in der Provence mit nem Orangen-Vanilleeis in der Hand. Die Kopfnote kann ganz schön süchtig machen finde ich...

Auch danach bleibt der Duft kein Leisetreter. Der Lavendel der Kopfnote kündigt sozusagen die dann folgende kräuterigere Herznote bereits an. Denn: Nach etwa einer Stunde kann ich den Muskatellersalbei als leicht seifige Note wahrnehmen - und erinnert mich in dieser Entwicklung oft an den Vintage Kouros (aber natürlich nur den Muskatellersalbei betreffend, nicht den ganzen Rest). Wacholderbeere aus der genannten Duftpyramide konnte ich dabei leider noch nicht wahrnehmen.
Das Orangen-Vanillethema des Auftaktes bleibt aber auch der Herznote weiterhin erhalten nur eben mit mehr Kräutern.

Bis dahin wäre Sunshine allein schon Wert genug, gefeiert und getragen zu werden - aber: das Beste kommt tatsächlich noch. Der Drydown von Vanille, Zedernholz und Tonka und deren Wechselspiel ist der für mich sexyste bekannte Duft - und das, obwohl er ohne Animalik a la Moschus, Zibet oder ähnlichem auskommt. Er währt wenn man will auch tagelang und klingt auf leicht vanillig angesüßter Zeder aus bei mir.

Ist das jetzt ein Winter- oder Sommerduft? Schwierig. Für mich ist er ein Immergeher - nur mit angepasster Dosierung versteht sich. Auch hier gilt für den apollinischen Weggefährten, dass Sonnenschein eigentlich immer geht, man sich bei einem Zuviel davon aber auch schnell mal verbrennt.

Definitv: den muss man mal probiert haben an sich und dann den Drydown ab ca. 3 Stunden nicht verpassen.
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