
Meine Duftreise - erstes Fazit nach 9 Monaten
Was im September 2024 mit Acqua di Giò Profondo (2024) Eau de Parfum seinen Anfang nahm, entwickelte sich zu einer sehr interessanten, spannenden und vorallem unterhaltsamen Reise. Nach 9 Monaten möchte ich meine Eindrücke einmal Revue passieren lassen:
1. Designer vs. Nische
Dass es abseits der bekannten Marken (Armani, Gucci, Chanel, Versace, Rabanne, Jil Sander, Prada,...) auch kleinere, eher unbekannte Dufthäuser gibt, war mir natürlich klar. Allerdings wird einem erst bewusst, wie vielfältig und unfassbar interessant diese verborgene Welt ist, wenn man sich intensiver mit Parfums befasst. Erheblich dazu beigetragen hat natürlich auch YouTube; die bekannten Parfum-Influencer nutzen beinahe jede Gelegenheit, um Nischendüfte vorzustellen oder sie mit Mainstream-Designern zu vergleichen. Meine ersten Gehversuche in der Nischenwelt wagte ich ausgerechnet mit einem Blindkauf: Bois Imperial von Essential Parfums. Der muss gut sein, dachte ich mir, wird er doch von den „üblichen Verdächtigen“ einhellig in den Himmel gelobt. Und tatsächlich: Das Risiko war es wert – der Duft zählt immer noch zu meinen Top 10 und ich würde ihn immer wieder kaufen!
2. Parfumo und der Souk
Doch wie all diese tollen Nischendüfte testen? Die hiesigen Drogerien (BIPA und DM) kann man in Österreich getrost vergessen, selbst das Designer-Angebot lässt hier mehr als zu wünschen übrig. Auftritt Souk: Die Freischaltung dieser mysteriösen Funktion hier auf Parfumo erfolgte wie aufs Stichwort. Nun konnte auch ich endlich in den Genuss der bekannten Nischenhäuser wie Xerjoff, Parfums de Marly oder Creed kommen. Der Souk ist eine geniale Erfindung – Privatpersonen bieten dir einen unverfälschten Einblick in die Nischenwelt, ohne das Marketing-Gedöns und dem damit verbundenen Glamour. Schicke, mit Strass-Steinchen verzierte Flakons? Knallige Farben? Aufwändige Metalldeckel? Nix da, hier bekommst du immer die gleichen Miniaturfiolen in 2, 5 oder 10 ml. Teste und entscheide dann – so einfach ist das. Tatsächlich hat mich der Souk nachhaltig davor bewahrt, neben Bois Imperial noch weitere, unüberlegte Blindkäufe zu tätigen. Er ist sozusagen die Stimme der Vernunft, die dich nach der anfänglichen Euphorie auf den Boden der Tatsachen zurückholt.
3. Haltbarkeit und Sillage
Ein weiteres Thema, mit dem sich Otto-Normalverbraucher eher selten befasst: Wie lange hält der Duft auf der eigenen Haut? Wie weit strahlt er ab, ist er eher hautnahe oder hinterlässt er einen Duftschweif? Schnell musste ich feststellen, dass viele meiner ehemaligen Lieblinge eine eher bescheidene H/S besitzen. So spielen die Düfte von Armani performance-technisch höchstens in der Verbandsliga, während Xerjoff ganz klar die Bundesliga darstellt. Es ist eine eigene Wissenschaft, die sowohl Fluch als auch Segen sein kann. Mit der nötigen Reife stellt man allerdings fest, dass Performance nicht alles ist und man hier durchaus auch Kompromisse eingehen kann, wenn der Duft einem ansonsten olfaktorisch zusagt.
4. Dupes, Klone, Duftzwillinge
Sind wir uns mal ehrlich: Letztendlich sind Parfums, bzw. Düfte allgemein, ein Luxusgut und somit immer eine Frage des Geldes. Für die wirklich exklusiven und seltenen Düfte sind mitunter Preise zu berappen, bei denen dir Personen außerhalb der „Duftbubble“ höchstens den Vogel zeigen. Die Parfumindustrie hat sich hier etwas ebenso geniales wie umstrittenes ausgedacht: Dupes. Zu beinahe jedem Designerduft gibt es einen passenden Duftzwilling. Dieser ist mal besser, mal schlechter, mal näher am Original, mal eher eine Eigeninterpretation. Neben den Nischenhäusern haben sich im Laufe der Jahre auch einige renommierte Klonhäuser etabliert; viele davon stammen aus den Arabischen Emiraten. Bei Lattafa, Afnan und Armaf bekommt man für vergleichsweise wenig Geld hochwertige Verpackungen, exquisite Flakons und wohlklingende Namen – hinter denen sich jedoch zu 98% ein Dupe eines bekannten (und weitaus teureren) Parfums versteckt. Doch um in den Genuss von Duftzwillingen zu kommen, muss man gar nicht so weit gehen: Bekannte Vertreter wie La Rive oder Câline findet man in jeder Drogerie. Als jemand, der viele Jahre lang Uhren gesammelt hat, erkenne ich hier eindeutige Parallelen; Die Klonhäuser sind die Pagani Designs und San Martins der Duftwelt!
5. Abkürzungen, Fachbegriffe und Kategorien
H/S, SOTD, Kopfnote, Herznote, Basisnote, Freshie, Gourmand, Chypre, Opening, DD, …
Der Einstieg in dieses Hobby ist mit vielen Rätseln und Fragezeichen verbunden. Wie ist ein Duft aufgebaut, was bedeuten die ganzen Fachbegriffe und was bitteschön meinen die User im Souk mit „Tausch gegen WL“?? Es ist, wie wenn man mit anderen Personen an einem Tisch ein kompliziertes Brettspiel spielt, ohne die Spieleanleitung gelesen zu haben. Beobachten und analysieren ist hier das A und O. Welchen Zweck die Duftpyramide erfüllt, ist wohl jedem schnell klar. Es ist eine (mal mehr, mal weniger) vollständige Auflistung der enthaltenen Dutnoten, sowie ein grober Überblick des Duftverlaufes. Eine geniale Erfindung der Parfumindustrie, um dem Käufer ein gewisses Bild vor Augen zu halten, welches er dann unweigerlich mit dem Duft verknüpft. Dass diese Noten oft einfach frei erfunden sind und lediglich Assoziationen zu bestimmten Gerüchen suggerieren sollen, weiß ich spätestens seit Herbert Strickers ernüchternder Erklärung in einem mittlerweile sehr bekannten YouTube-Video von Leni’s Scents. Wer lange genug dabei ist, lernt, sich nicht ausschließlich auf Duftnoten zu verlassen, sondern den Duft an sich in bestimmte Kategorien einzuteilen:
Freshies sind in der Regel frische, eher kühle Düfte, die oftmals Zitrusnoten wie Bergamotte, Zitrone, Limette, Orange oder Grapefruit in der Herznote enthalten und mit aquatischen Akkorden ein Gefühl von „frisch geduscht“ vermitteln. Sie eignen sich aufgrund dieses Aufbaus perfekt für den Sommer und sehr heiße Tage. Die Haltbarkeit ist meist eher bescheiden, Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel.
Gourmanden sind das krasse Gegenstück für die kalte Jahreszeit. Schwere Noten wie Zimt, Vanille, Karamell, Kardamom oder Tonkabohne dominieren den Verlauf, dazu sorgen Amber und Moschus für die meist längere Haltbarkeit.
Dazwischen gibt es noch unzählige Abstufungen wie Holzig, Harzig, Fruchtig, Blumig, Orientalisch, Würzig, Cremig, Pudrig, Chypre … Ein Duft entspricht dabei meist nicht nur einer Kategorie, sondern ist eine Mischung aus 2 oder mehreren wie bspw. Würzig-Orientalisch, Blumig-Fruchtig-Cremig usw.
6. Die Community (auch bekannt als „Die Duftverrückten“)
Last but not least, müssen wir natürlich auch über all die großartigen Menschen sprechen, die dieses Hobby für mich erst so richtig interessant gemacht haben. Die YouTuber habe ich bereits weiter oben erwähnt, hier seien konkret Eau de Fragrance, Angelina Patchouli, Miki Monumental (Pleite wegen Düfte), Cubaknow, FBFragrances, Gents Scents, Timo Loves Fragrances, Aromatix, Redolessence, School of Scent, Leni’s Scents und echtKATHRIN genannt. Doch es waren vorallem die vielen, netten Gespräche im Ticker oder per PN mit Gleichgesinnten hier auf Parfumo, die meine Duftreise und somit mein Leben bereichert haben. Ich möchte an dieser Stelle einfach mal ein herzliches DANKE aussprechen – die Parfumbubble ist eine der nettesten und herzlichsten Communitites, die ich je erlebt habe!
Was ich bei Interesse empfehlen kann ist das Buch „Parfum: Alles über die Welt der Düfte“. Hab ich mir gekauft und finds sehr gut, gerade wenn man noch nicht Jahre in der Duftwelt verbringt.
Liebe Grüße,
Chrissy 👋