Inger

Gestern stand mir der Sinn nach meinem Vintage Youth Dew. Der richtige Duft für einen kalten, stürmischen und verregneten Novembertag.
Also hab ich ein wenig in der Estee Lauder- und Cliniqueecke meiner kleinen Parfumerie "herumkramurlt". Im hintersten Winkel fand ich Calyx, leicht verstaubt muss ich gestehen. Ich wußte gar nicht mehr ...

Calyx hab ich getragen, da war ich noch sehr jung, unverheiratet, kinderlos.
Mein Studenten-White Linen hab ich verräumt. Eine neue Ära war angebrochen.
Der erste Arbeitsplatz, das erste selbst verdiente Geld, eine kleine Wohnung in der Innenstadt, die Welt stand mir offen.

Schon damals hab ich mich so gern in Parfumerien herumgetrieben und Calyx passte wunderbar in mein Beuteschema. Die Samsaraproben, die ich damals zu hauf bekam, hab ich meinen Arbeitskolleginnen gern abgetreten. Damit konnte ich damals so gar nichts anfangen.

Eines Morgens kam ein ein junger Kollege, der auf Rundlauf bei uns war - ein richtiger "Ungustl" - zu mir ins Büro. "Fräulein Inger, Ihr Parfum ist schrecklich. Dieser Duft ist einfach fürchterlich!"

Das war der erste und einzige negative Kommentar zu einem Duft, den ich jemals trug. Vom Hin-Und-Wieder-Naserümpfen oder Augenrollen meiner Familie bei diversen Duftproben will ich jetzt einmal absehen.

Calyx habe ich mir allerdings nicht vermiesen lassen!

Der Duft startet bei mir leicht fruchtig, hauptsächlich aber ist er grün - ein helles, frisches, muntermachendes Grün. Die Melone kann ich erahnen, die Bergamotte und die Minze rieche ich deutlich. Vor meinem inneren Auge taucht ein Garten auf, im Frühsommer, taunass, das Gras kurz aber saftig grün.
Düfte mit Zyklame wirken für mich immer hell, frisch und klar, mit einer zart bitteren Note. Das kann ich hier auch gut erkennen.

Calyx ist schon eigenwillig, ein bissl anders. Calyx ist nicht lieblich oder kuschelig. Vielleicht wirkt er sogar ein wenig distanziert.
Der Flakon passt meiner Meinung nach sehr gut zum Duft - klar, schlicht, eigenwillig.

Die Haltbarkeit ist mittelmäßig, die Sillage eher körpernah.

Calyx passte auch gut für den heutigen sonnigen, stürmischen und kalten Novembertag.

Das Ur-Diorling und ich haben etwas Besonderes gemeinsam.
Wir feiern heuer unseren 60. Geburtstag.

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Diorling in meiner Jugend jemals getestet habe und es hätte auch so überhaupt nicht zu mir gepasst.

Als White Linen-Trägerin hat mir später ( und natürlich auch heute) Diorissimo gut gefallen. Diorling hätte mich vielleicht sogar abgeschreckt.

Diorling von 2012 startet frisch und sehr grün, es ist zurückhaltend - das sind wir beide.
Wir platzen nicht in den Raum. Wir sehen uns einmal um und haben ein Lächeln im Gesicht.

Jasmin macht Diorling so zauberhaft verträumt. Ein wenig die Gedanken in die Vergangenheit schweifen lassen, ein wenig wehmütig sein, aber doch nicht traurig. Die alten Zeiten sind vorbei!
Die elegante grüne Note hält bei mir sehr lange an.
Grün mag ich! Warte schon so schwer, bis sich das das Wintergrau verzieht und alles wieder blüht.

Die zarte Ledernote macht Diorling einzigartig schön.
Wir sind milder geworden, weicher, heller.

Wir haben uns verändert, doch nicht zum Schlechten!

Wir sind nachsichtiger geworden, 5- Gerade-Sein-Lassen, manches Wort unerwidert, dann wieder eine Antwort mit Augenzwinkern, einfach ein bissl "Über-den-Dingen-Stehen".

Die Urversion von Diorling ist noch deutlich zu spüren, sowie ich auch in mir die "alte Inger" immer noch erkennen kann.
Wir haben einiges hinter uns gelassen, die alten Zeiten sind nun endgültig vorbei.
Ballast abzuwerfen tut hin und wieder gut.
Vielleich wäre es sinnvoll gewesen an der einen oder anderen Weggabelung eine andere Richtung einzuschlagen. Doch was soll`s!

So sind wir heute an diesem Tag! So sind wir nun geworden!

Diorling wird mich begleiten - wir passen gut zusammen.

Wir kennen uns noch nicht so lange, haben keine gemeinsame Vergangenheit, keine gemeinsamen Erinnerungen über die wir lachen, weinen oder plaudern könnten.

Doch stört das - Nein! Wir starten durch - Hand in Hand in die nächsten 60 Jahre!

Wie jedes Jahr warte ich sehnsuchtsvoll auf die wärmere Jahreszeit.
Kaum hat das neue Jahr begonnen, erkenne ich überall schon Anzeichen für
den Frühling.

Und heute war es dann endlich wirklich soweit!
Schon in der Früh haben rosa Schäfchen den Himmel verzaubert und sogar
ein paar Vöglein haben schon erste Stimmübungen gemacht.

Bei einer Gartenrunde habe ich Tulpen- und Narzissenspitzerl entdeckt.

Flott habe ich mich mit den Hunden auf den Weg gemacht.
Ein solch wunderschöner Tag will genutzt sein.

Über Stock und Stein, durch Wald und Feld sind wir spaziert - hierhin - dorthin ...

Geduftet habe ich nach "In The Mood For Love".
Wie selbstverständlich habe ich morgens zu dem weißen, schlichten Flakon gegriffen.

Die leicht holzig-bittere und doch zart fruchtige Note zu Beginn war bald verflogen und
dann wurde ich in einen zarten Blütenschleier gehüllt.

Überall an den Zweigen konnte ich grüne Knospen entdecken, selbst Bienchen waren unterwegs.

Immer wieder mußte ich stehenbleiben, das Gesicht der Sonne zuwenden und tief durchatmen.
Die Hunde schauten zu mir auf. "Kehren wir etwa schon um? Jetzt wo`s erst richtig lustig wird!"
Auch sie waren richtig übermütig und scharwenzelten um mich herum.

Zu Hause angekommen wurden erst einmal acht Schmutzpfoten gereinigt und meine Stiefel schauten auch
nicht viel besser aus.

... die ganze Zeit über begleitete mich ein wunderbarer Blütenduft, zart wie ein Hauch und dennoch gut
wahrnehmbar. Frisch, sauber und adrett - eine gute Wahl für solch einen sonnigen Valentinstag.

Die Haltbarkeit von In The Mood For Love ist gut, bis zum Nachmittag deutlich wahrnehmbar.
Amber und Rose nehme ich nicht wahr. Hauptakteurin ist die Magnolie.
Der hübsche Flakon paßt ausgezeichnet zum Sauberduft.

Sobald ich ins Neue Jahr "hineingerutscht" bin, kommt in mir die Sehnsucht nach dem Frühling auf.
Das ist schon so, seit ich denken kann.
Ich liege richtig auf der Lauer, um kleine Vorboten der warmen Jahreszeit zu entdecken.
" Die Tage sind doch schon deutlich länger, die Sonne steht schon viel höher ...".

Nach den frühlingshaften Temperaturen über die Feiertage, hat mich leider der Winter doch noch erwischt.
Eiseskälte und Schnee haben mir da schon einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Infusion d'Oeillet habe ich mir letzten Sommer zugelegt.
Hat mir der zarte Nelkenhauch damals schon so gefallen!

Überwältigt hat er mich allerdings jetzt an diesen eisigkalten Jännertagen.

Ich muß nicht einmal die Augen schließen, schon sehe ich mich im Garten sitzen, grün, warm, sonnig ist's.
Die Vögel zwitschern, die Bienen und Insekten summen und brummen und vom Steingarteneck weht der liebliche zarte Duft der kleinen bunten Nägelchen zu mir herüber.
Die kleinen Köpfchen in weiß und Rosetönen strecken ihre Gesichter ebenso wie ich der Sonne entgegen.
Tief einatmen bis zu den Lungenspitzen, den lieblichen, unverwechselbaren Duft bis ins Herz aufnehmen -
das ist meine Welt!

Die feine Sandelholznote gibt Infusion d'Oeillet den letzten Schliff, läßt den Duft noch eleganter wirken.

Es scheint mir fast so, als würden die kleinen Nelkendamen in ihren zarten bunten Kleidchen grazil auf einer Holzbank sitzen und die schönen Tage genießen. Hin und wieder streicht eine von ihnen ihr Röckchen glatt, wippt mit dem kleinen Fuß und lächelt kokett. Auf geheimnisvolle Weise verzaubert ihr Anblick und ihr Duft.

Die Haltbarkeit ist mittelmäßig, die Sillage eher körpernah, Überdosierung ist meiner Meinung nach so gar nicht möglich.

Ein bisserl heißt es wohl noch warten für mich, bis ich mein Gesicht der Sommersonne zuwenden kann.
Ein bisserl träumen davon, ist aber mindestens genauso schön.

... hätte mir dieser Duft sicherlich schon gefallen!
Zum Glück habe ich ihn nun endlich kennengelernt!

Lange schon ist das Proberl in der Probierschachtel gelegen und immer wieder habe ich einem anderen Duft den Vorzug gegeben. Gut Ding braucht eben Weile!

Dieses zarte "Gebimmel" hätte mir schon als junges Mädchen gefallen, damals noch unsicher in der Duftwahl - aber Blumen fand ich immer schon sehr reizvoll.

Als junge Frau, aufgeregt, mit weißem Schleier und langem Kleid, hätte er mir gut gestanden und mich in einen neuen Lebensabschnitt begleitet.

Als junger Mutter, unsicher, oft unausgeschlafen und bemüht alles richtig zu machen, hätte er mir sicherlich gutgetan.

Später dann, als ich einer "pubertierenden Horde" gegenüberstand, hätten mir die zarten Glöckerln sicherlich immer wieder einmal ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. "Alles halb so wild! Auch diese Zeit vergeht!"

Und jetzt, mittelalterlich - oder doch schon darüber? - der Blick wieder mehr aufs Wesentliche gerichtet, ohne Weiteres "fünf gerade sein" lassend, gefallen mir die zarten Maiglöckchen umso mehr.

Frisch und grün, zart und zierlich mit dem leicht süßlichen Hauch der Rosengeranien, der mir in Düften doch so gut gefällt, läuten sie die neue Jahreszeit ein. Einen Zitronenspritzer kann ich ausmachen und einen Hauch vom Eichenmoos.
Doch die Hauptakteure sind die weißen kleinen Glockerln, die fröhlich tanzen und ihre weißen Kleider schürzen.
Sie sind nicht vorlaut, sie sind übermütig, machen gute Laune und bringen mich zum lächeln.
Sie tanzen viele Stunden lang und ruhen sich dann auf ihrem Sandelholzbett aus.

Wenn auch die Zeit vergeht, die Jahre dahinziehen - eines weiß ich sicher:
"Der nächste Frühling kommt bestimmt mit Sonneschein und all den schönen Blumen!"