JacSi9

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1 - 5 von 13
JacSi9 vor 3 Jahren 33 8
9
Duft
Von tobenden Kinskis und falschen Rosenblättern
Die faszinierendsten Düfte sind für mich solche, die nicht direkt einen Kaufreflex auslösen. Die sich Monate nach der ersten Begegnung ungeachtet dessen ohne äußeren Trigger wieder ins Bewusstsein schleichen und sagen: „Ich bin noch da. Du musst vielleicht einen halben Tag suchen. Aber ich bin da. Und du solltest es nochmal probieren.“ Darüber habe ich in der Vergangenheit schon mal geschrieben und ich tue es jetzt wieder. Oftmals sind das die Düfte, die nicht ins gewohnte Muster passen und das Bekannte aufbrechen. Die Macht der Gewohnheit ist am Anfang stärker als der Entdeckergeist. Doch die nach vorne preschende Lust auf das Neue findet irgendwann ihren Weg durchs Gehirn ins olfaktorische Gedächtnis.

Meine Probe von Fars habe ich bestimmt seit über zwei Jahren. Alle paar Monate kommt es aus dem Nichts. Das Bedürfnis, wieder nach Fars zu suchen. Nach der blassen Erinnerung, auf die ich wieder einen aktuellen Eindruck sprühen möchte. Bisher war neben der offensichtlichen Faszination immer auch der Zweifel anwesend, ob der Duft zu mir passt. Langsam muss ich mir aber eingestehen, dass ich mich dem Bann nicht mehr entziehen möchte. Der Entdeckergeist hat wieder einmal gesiegt. Aber warum ist das so?

Ich habe von Vergleichen mit Jubilation 25 von Amouage gelesen. Und obwohl die Duftnotenprofile wirklich weit voneinander entfernt sind, ergibt es Sinn. Bei beiden Düften sind die Inhalte extrem dicht verwoben. Einzelne Noten sind schwer herauszuriechen. Das berühmte Ganze, das mehr ist als seine Teile. Dazu kommt die Feierlichkeit des Auftretens, auch wenn die Extrovertiertheit hier eine andere ist. Und genau wie beim Amouage berührt mich hier etwas, das ich nicht ganz in Worte fassen kann. Dieser bestimmte Je-ne-sais-quoi-Vibe, den jeder Duftbegeisterte irgendwoher kennt. Den man nicht auf bestimmte Dufftnoten zurückführen kann. Die Summe macht hier die Musik.

Ob Fars wirklich in die Familie der Oud-Stars gehört, ist fraglich. Dass es dem Duft eher geschadet hat, wahrscheinlich. Wenn ich hier lese, Fars sei ein gewöhnlicher Rosen-Oud-Duft, tobt der innere Kinski. Oud ist hier eine tatsächlich nicht ganz unwichtige Note, hat aber eher eine umarmende Wirkung im Hintergrund. Rose und Rosengeranie sind olfaktorisch außerdem NICHT dasselbe (verdammt nochmal, aber Klaus beruhigt sich langsam wieder). Es ist eher der Rosenstiel inklusive der Blätter, der hier verbaut wurde. Ich bin ziemlich empfindlich bei Rosendüften - hier fügt sich alles reibungslos ins besagte Ganze ein und es riecht nicht klassisch nach Rose.

Wer sind hier also die Duft-Stars? Ganz ehrlich: Schwierig zu sagen. Der Lavendel ist definitiv präsent. Ich bin wirklich kein Lavendelfan, aber der ist hier so dermaßen elegant verbaut. So kühlend und rein. Die angegebene Bergamotte kann ich nicht gesondert wahrnehmen. Für mich ist Fars ein extrem enges Zusammenspiel aus dem kühlen Lavendel, einer holzigen Rosengeranie, in der sich ein bisschen Vetiver verheddert hat und einem dunklen, brodelndem Untergrund. Das klingt im ersten Moment nach einem nicht unbedingt gut zu vereinbarendem Gegensatz. Doch bei Fars passt einfach alles. Als könnte er auch anders, hat es aber nicht nötig. Das Ganze kommt extrem smooth und beinahe luftig daher trotz einer nicht zu verleugnenden Schwere. Bei der Dufttextur muss ich wirklich an Seide denken. So kitschig es klingt.

Wie oben schon angeschnitten, riecht Fars wirklich edel und feierlich. Im Gegensatz zu Jubilation 25 braucht Fars aber keinen barocken Palast, um sich zu entfalten. Fars übt sich in Understatement und kann niedrig dosiert sicherlich gut im Arbeitsumfeld getragen werden. Ein Duft für Menschen, die das Schöne schätzen, das aber nicht auf die Stirn tätowieren wollen. Allerdings kann Fars sicherlich verkleidend wirken aufgrund des luxuriösen Erscheinungsbildes. Einer der Gründe, warum ich mir erst nicht ganz sicher war. Fars trägt etwas sehr angenehm Kultiviertes in sich – ohne dabei allzu sehr in die eigene Ästhetik verliebt zu sein. Attraktiv und durchaus sexy. Vorausgesetzt der Duft passt zum Auftreten des Trägers oder der Trägerin. Für mich ist der Duft eher männlich, habe aber auch gegenteilige Meinungen gelesen.

Extrem arabisch wirkt Fars nicht auf mich. Bei einem Blindtest hätte ich ihn auf diese Weise wahrscheinlich gar nicht kategorisieren können. Was einen Teil des Reizes ausmacht. Entweder kenne ich mich auf dem Gebiet der arabischen Düfte zu wenig aus (möglich) oder das Marketing tut ihr übriges. Fars könnte auch eine arabische Interpretation eines französischen Dufthauses sein. Ich verstehe den Bezug grundsätzlich. Bei Oud denkt man natürlich an arabische Düfte. Die ganze Machart des Duftes erinnert mich aber eher an die französische Parfümerie. Ich mag falsch liegen, aber das ist mein Eindruck. Die Haltbarkeit ist sehr gut, die Sillage fein abgestimmt. Passt einfach.

So hat sich ein weiterer Duft seine Zeit genommen. Auch wenn das Ergebnis wahrscheinlich beim ersten Aufeinandertreffen bereits feststand. Die sanften Fesseln der Gewohnheit wollten es nicht zulassen, dafür ist es jetzt umso schöner. Deswegen ist dieses Hobby so schön: Weil eigene Vorstellungen immer wieder in Frage gestellt werden. Nur so bleibt der Entdeckergeist lebendig. In einer Welt aus tobenden Kinskis, zarten Rosenblättern und holzigen Rosenstielen. Eigentlich gar nicht so schlecht.

8 Antworten
JacSi9 vor 3 Jahren 21 5
9
Haltbarkeit
8.5
Duft
Von unheimlichen Dufterinnerungen und dem Schatten der Apfelbäume
Durch meine Parfumozeit zieht sich ein mystischer, spukhafter Faden. Er kommt aus dem Nichts. Dort wartet er offenbar auf mich, während sich die Erde vor sich hindreht und die Tage sich die Klinke in die Hand geben. Wenn er die Tür zu meinem Bewusstsein öffnet, klingelt er mit der Selbstverständlichkeit eines DHL-Boten. Dann kommt plötzlich ein Duft auf die kognitive Bildfläche, den ich monatelang nicht gerochen habe. Ich bestelle mir folglich eine Probe für einen erneuten Test und nicht selten schafft es jene Komposition als Flakon oder größere Abfüllung in meine Sammlung. Promise habe ich letzten Winter kurz in einem Kaufhaus gerochen. Das war‘s. Und jetzt steht er als 10ml-Travelspray neben meinen anderen Düften. Der Mystery-Faden hat wieder mit voller Spannkraft zugeschlagen. Verteidigung zwecklos.

Promise startet mit einem Apfel. Kein Satz, für den es Literaturpreise regnet, aber er stimmt zumindest. Kein frischer, knackiger Apfel. Weder grün-bissfest noch Teil von Edeka-Werbespots. Er lag bereits einige Zeit in Stammnähe des Apfelbaums, tiefrot und in seiner Reife auf gutem Weg ins Apfeljenseits. Doch er kann noch verzehrt werden. Warum in der Nähe eines Apfelbaums mit Holzlack experimentiert wird, weiß ich nicht. Doch so stellt sich der Sachverhalt dar – ich bin hier nur Berichterstatter. Dieser etwas scharf-metallische Geruch hält sich im Hintergrund und zieht sich in seiner Intensität im Duftverlauf zurück. Genau wie der angesprochene Apfel.

Die Sonne hat sich längst zurückgezogen. Hier ist nichts heiter, nichts süß und schon gar nichts Tutti Frutti. Es deutet sich bereits an, was später noch wichtig wird: Ein dunkler, schwerer Teppich aus erdiger Holzigkeit bahnt sich seinen Weg durch das Opening. Rauchschwaden ziehen am Horizont durch die Luft. Etwas Alkoholisches schwingt mit. Es könnte auch in unmittelbarer Nähe ein Holzfass versteckt sein, in dem lange Zeit ein Apfelbranntwein lagerte. Zu lange vielleicht.

Der Start ist in meinem Empfinden der herausfordernste Part von Malles Versprechen. Vielleicht auch ein Grund für die eher verhaltenen Bewertungen hier auf Parfumo. Die hätte ich objektiv betrachtet tatsächlich höher eingeschätzt – so objektiv man so etwas eben betrachten kann. Die Komplexität des Duftverlaufs hält sich vergleichsweise in Grenzen. Was der Komplexität des Duftes keinen Abbruch tut. In meinem Empfinden zieht sich vor allem die latent gärende Fruchtigkeit des Apfels zurück und macht Platz für einen Oud-ähnlichen Eindruck. Hierfür wird die Erdigkeit des Patchouli gepaart mit dem dunkel-holzigen Duft des Cypriols und der leicht animalischen Bibergeil-Kante verantwortlich sein. Labdanum verleiht eher verhalten Wärme. Ich finde, das ist eine sehr smarte Lösung. Im Vergleich mit Frédéric Malles The Night werden für 100ml anstelle der 1.100 Euro „nur“ 275 Euro fällig. Und das Beste: Es gefällt mir deutlich besser.

Nach der besagten Hauptentwicklung bleibt die dunkel-rauchige, etwas bittere Oud-Impression mit ordentlicher Ausdauer bestehen. Die Rosen-Bestandteile nehme ich nicht gesondert wahr. Bei diesem Duft darf mit einer gehörigen Tiefe gerechnet werden. Die „Fruchtigkeit“ schwingt als Echo mit. Eine gewisse Rauchigkeit bleibt, fügt sich aber bereitwillig ein. Ich empfinde den Duft als sehr breit, mit hohem Volumen, beinahe ein wenig saftig.

Die Dosis macht hier das Gift. Niedrig dosiert, vielleicht unter Textil, ist Promise gut tragbar für alle, die sich mit ihm nicht verkleidet fühlen. Primär am Abend und in der Nacht. Kalte Temperaturen sind hier nicht nur willkommen, sondern Teil der Jobbeschreibung. Mein Travel Spray wird dank der Kraft und Besonderheit des Duftes lange halten. Die Einsatzmöglichkeiten sind begrenzt, aber es muss auch Düfte für besondere Momente geben. Zwar bin ich kein großer Experte, was arabische Düfte angeht. Doch habe ich hier den Eindruck, dass das Marketing wirklich einmal Hand in Hand mit dem Produkt einhergeht. Der Duft zeigt Kante, verlässt das Gelände des westlichen Gewohnten und hält.

Mir gefällt Promise nach der 30-Minutenmarke am besten und ich kann nur empfehlen, dem Duft Zeit zu geben. So wie mir der spukhafte Faden Zeit gab, mich im Unterbewussten vorzubereiten. Auf im Schatten der Apfelbäume liegendes, sich von unserer Realität verabschiedendes Kernobst. Auf Holzlackexperimente. Und auf einen der interessantesten Oud-Eindrücke, den ich seit langem wahrgenommen habe.







5 Antworten
JacSi9 vor 4 Jahren 7 5
8.5
Duft
Vom Aroma des Sandelholzes
Einige Tage ist es nun schon her, dass Vientiane zum ersten Mal meine olfaktorische Realität getroffen hat. Und seitdem ist da hin und wieder eine Stimme: „Sei nicht so unverantwortlich. Da sind Sandelholzfans draußen, die nicht wissen, was sie verpassen. Erleuchte sie. Trau dich.“

80% Pathos abziehen und schon offenbart sich die Wahrheit. Das hier soll kein umfassender Kommentar werden. Aber ich will es mir nicht nehmen lassen (von wem auch?), euch über diese Sandelholzperle in Kenntnis zu setzen.

Mit Sandelholz bin ich halbbewusst zunächst dank meiner ersten hochwertigeren Parfümanschaffung in Kontakt gekommen: Green Irish Tweed. Die Basis hatte mich direkt gefesselt, aber ganz leicht zu entschlüsseln war sie nicht. Frisch und nicht wirklich holzig. Aber auch cremig, luftig, hell und – ja irgendwie in diesem Rahmen doch holzig. Später wurde mir bewusst, dass die Sandelholzkomponente eine durchaus wichtige Rolle spielt. Seitdem schaue ich immer wieder nach Sandelholzdüften, doch vermochte mich keiner bisher in seinen Bann zu ziehen.

Auf die hier vorliegende Marke bin ich zufällig online gestoßen. Der Fakt, dass 100% natürliche Rohstoffe verwendet werden, hat zu einen dafür gesorgt, dass ich mir direkt zwei Proben aus den USA beschafft habe. Zum anderen war dieser Duft ausschlaggebend – Sandelholz pur habe ich erwartet, Sandelholz pur habe ich bekommen.

Ich habe bisher kein reines Sandelholzöl gerochen, könnte mir aber vorstellen, dass man in Parfümform nicht viel näher an den richtigen Stoff herankommt wie hier. Die Reiskomponente fügt sich extrem organisch ein, als sei sie ein natürlicher Teil des Holzes. Überhaupt riecht hier alles (logischerweise) natürlich und wirklich hochwertig. Hier bekommt man, was man erwartet: Die volle Dröhnung Sandelholz. Milchiges, nicht zu kratziges Sandelholz. Vielleicht noch ganz subtile grüne Nuancen, die man aber suchen muss. Da können Tam Dao und Santal 33 wirklich einpacken. Eine großartige Entwicklung nehme ich nicht wahr. Der große Vorteil dieses Parfüms ist gleichzeitig sein Nachteil: Hier muss man Sandelholz mögen, denn der Spaß ist schon sehr monothematisch.
Nach anfänglich starker Begeisterung ist das der Grund, warum es für mich keinen Flakon geben wird. Aber als Sandelholzliebhaber sollte Vientiane definitiv auf der Merkliste stehen. Ist zumindest meine Empfehlung.

Beim Thema Haltbarkeit und Sillage bin ich nicht der beste Ansprechpartner, da mein Geruchssinn Düfte schnell ausblendet (was mich nach den flutartigen Wellen aus Proben der letzten 2+ Jahren wirklich wundert, schade Nase). Zudem habe ich nach wie vor nicht verstanden, wie man selbst Sillage misst. Liegt wahrscheinlich an mir. So viel kann ich sagen: Ich habe den Duft überdurchschnittlich lange an mir wahrgenommen und wurde immer wieder zwischendurch vom Sandelholz überrascht. Scheint also in Ordnung zu gehen.

So viel dazu. Quick & Dirty. Wer das Sandelholz liebt, sollte diesen Duft testen. Somit darf die Stimme in meinem Kopf jetzt gerne wieder verschwinden. Wobei ich da mittlerweile auch nur noch rudimentär differenziere. Egal. Hauptsache, gut riechen. Und da hilft so eine Sandelholzbombe enorm.
5 Antworten
JacSi9 vor 4 Jahren 12 4
9
Duft
Von der Reise zum persönlichen Oud-Duft
In den letzten Monaten trieb es mich vermehrt in die Welt des Ouds. Weit entfernt vom Expertentum konnte ich mich dem Thema zumindest etwas nähern. Kein Duft-Genre, das mich als Newcomer vor nunmehr 2,5 Jahren direkt angesprochen hätte. Doch die vielfältigen Attribute der dunklen Duftschwaden, die Kreativität der Natur und die abenteuerliche Herstellung des Rohstoffs trugen ihren Teil zur zunächst vorsichtigen Faszination bei.

Meine Sammlung möchte ich bewusst auf maximal 20, besser noch 15 Flakons begrenzen. So behalte ich den Überblick und muss Düfte gedanklich nicht allzu oft begraben, weil der Alltag mit der Sense vor der Tür steht. Dennoch möchte ich im Rahmen meines Geschmacks eine größtmögliche Bandbreite abdecken. Was natürlich dafür sorgt, dass Düfte wirklich einschlagen müssen, damit sie ein Fundament in meiner Sammlung bekommen.

Nun wollte ich einen Oud-Duft für mich finden. Da stellt sich zunächst die Frage: Wie riecht Oud? Das habe ich mir mit Mini-Proben eines Oudöls und einiger Attars zumindest grob beantwortet (laut meiner Recherche ist die Duftbandbreite sehr groß und reicht von fruchtig-grün bis fäkal-braun). Das Ergebnis: Nur weil etwas kostbar ist, muss ich es nicht in Reinform tragen. Zu urwüchsig, zu viel Dampf unter der Haube, zu weit weg von einem Parfüm, das ich in der Öffentlichkeit tragen möchte. Aber: Wieder etwas gelernt.

Was verspreche ich mir also von meinem Oud-Parfüm? Was sind die Parameter?

- Starker Oud-Fokus ohne viel Beiwerk (zB. Rose)
- Authentischer Eindruck, kraftvoll, tief, schwarz, sehr markant, ohne zu animalisch zu sein
- Wenig Süße
- Muss herausstechen, aber ebenfalls in einem Restaurant mit Nicht-Duft-Freaks funktionieren
- Urban-edel – evoziert also keine Bilder von Pferdeställen (Geschmackssache)

Sehr animalische Oud-Düfte wie beispielsweise Oud Luwak brodeln in meiner Wahrnehmung. Ich nehme quasi eine unruhige Bewegung beim Riechen wahr. Das soll mein Oud-Düft nicht auslösen. Viel mehr trägt er die Dynamik komprimiert in sich, deutet seine Natur an, versteckt sie viel mehr in seiner Tiefe.

In meiner Sammlung kommt Black Afgano dem noch am nächsten. Doch liegt der Fokus hier auf den dunklen Harzen, dem leicht krautigen Rauch, der von einer likörigen Süße umspielt wird (siehe Duftkommentar). Wirklich nah am Ideal war bisher nur Oud Imperial von Perris Monte Carlo in der Extrait-Ausgabe. Wirkt sehr authentisch und kraftvoll, nur den Punkt „urban-edel“ sehe ich nicht zu 100% realisiert. Ein bisschen zu viel Räucherstäbchen-Attitüde. Zumindest für mich.

Die besten Duftentdeckungen kamen meistens mit einem Lieferanten namens Zufall zu mir. Das Schöne kommt eben oft, wenn man loslässt. So auch hier. Eine kleine Zusatz-Beigabe einer Duftbestellung, 1-Tropfen-stark, gerade genug, um den Duftcharakter grob einzufangen. Und dann auch noch von Roja Dove. In meinem Kommentar zum Elysium Cologne (das ich besitze und sehr mag) habe ich mich bereits kritisch mit der gewollten Luxus-Attitüde der Marke auseinandergesetzt. Nicht aus Neid heraus – ich freue mich für jede Person, die beruflich erfolgreich ist und sich über Geld keine Gedanken machen muss. Auch der Schöpfer (wenn er es denn wirklich ist bei der Vielzahl an Neuerscheinungen) wirkt in Interviews sympathisch und durchaus charismatisch. Sondern, weil ich finde, dass Luxus für sich selbst sprechen sollte. Von den Preisen fange ich jetzt besser nicht an. Aber ich bewerte Düfte. Und der Duft kann ja nichts dafür. Man sucht sich seine Familie eben nicht aus. Habe ich zumindest gehört.

An der schnell geleerten Probe musste ich so oft schnuppern, dass ich irgendwann aufgab: Ist ja gut, Duft-Gott, hab’s ja schon verstanden. Letztlich habe ich mich getraut und mir einen 7,5ml-Atomiser direkt bei Roja bestellt.
Und ich muss sagen: Das kommt meiner Wunschvorstellung schon sehr, sehr nah, was sich da vor mit entfaltet!

Die ersten 30 Minuten können abschrecken, das sollte klar sein. Dass ich als Patchouli-Verweigerer überhaupt so begeistert bin, gleicht einem kleinen Wunder. Den dieser greift sich das Oud und macht ihn zu seinem Partner in Crime, verwandelt ihn zu seinem Clyde. Die Patchouli-Oud-Kombo bahnt sich gerade zum Start rasant ihren Weg zum Gedächtnis. Mit atemberaubender Geschwindigkeit und pointierter Konzentration. Hier geht’s ums Wesentliche. Das aber eben nach dem Motto: Reduce to the max. Da sticht gar nichts, alles ist im Rahmen der Tiefe und Dunkelheit weich und anschmiegsam. Nur kann bei größerer Dosierung das Patchouli am Anfang zunächst etwas harsch wirken. Nicht im Sinne einer Synthetik-Schärfe, es wirkt trotz der Schlagkraft wie beschrieben weich. Sondern im Sinne einer kurzen Überdosierung. Das legt sich aber – die Partner werden im Verlauf gleichberechtigt.

Die floralen Noten, die häufig in Rojas verbaut werden, nehme ich kaum wahr. Was mir sehr in die Karten spielt. Moderner und orientalischer geht es hier zu. Aber so, dass es für eine westliche Nase wie meine angenehm ist. Um ganz ehrlich zu sein: Ich rieche ausschließlich Patchouli, Oud und etwas Oregano. Bei Cypriol und Gurjunbalsam muss ich passen – habe ich allein stehend noch nicht gerochen. Mitunter steuert Benzoe Wärme bei.

Eine extrem starke Duftentwicklung nehme ich nach den 30 Minuten nicht wahr – diesen Anspruch habe ich aber auch nicht. Nach dem rasanten Start fängt sich das Ganze etwas, wird ruhiger und entspannter. Der Duft gewinnt an Trockenheit, eine sehr angenehme, zurückhaltende Süße kommt dazu. Die Haltbarkeit ist sehr gut, der Duft sehr präsent.

H – The Exclusive Aoud wirkt auf mich sehr stilvoll, stark maskulin, selbstbewusst und trifft das Attribut urban-edel bravourös. Ein waschechter Solo-Oud-Duft ist es nicht, aber das Patchouli vermengt sich derart angenehm mit dem Oud und bringt ihm eine gewisse Erdigkeit, die ja durchaus zur Natur des Adlerholz-Harzes passt, sodass ein sehr authentischer Oud-Eindruck entsteht. Dieser Duft ist ein Statement und sollte von Selbstbewusstsein getragen werden. Trotz der hohen Maskulinität und völliger Abwesenheit von Frische kam der Duft bisher in der Nicht-Duftfreak-Fraktion gut an. Was mich sehr freut. So muss ich sagen, dass meine oben genannten Parameter zu mindestens 90% erfüllt wurden. Weswegen ich gerne diese Punktzahl vergebe.

Ich lese nicht viel von diesem Duft online. Auch hier auf Parfumo wird kaum über H – The Exclusive Aoud gesprochen. Zu Unrecht, wie ich finde. Das hier ist wirklich ein Duft, den man über einen längeren Zeitraum auf der Haut lassen muss. Aber auch schön, so unerwartet eine derartige Perle zu entdecken.

Mein Flug in die Oud-Welt ist sicher noch nicht beendet. Noch oft werde ich überrascht werden und da freue ich mich drauf. Doch bin ich mit dieser Wahr sehr zufrieden und lege sie jedem ans Herz, der sich in meinen anfänglichen Worten widerspiegelt und die Tiefen des Ouds entdecken will. Ein Flakon könnte für mich langfristig zur Realität werden. Werde ich mich wohl mit den Swarovski-Kristallen anfreunden müssen.



4 Antworten
JacSi9 vor 4 Jahren 18 4
9
Duft
Von natürlicher Verknappung, Kitsch-Blockern & ungewohntem Lächeln
Jetzt nicht kitschig werden. Könnte hier die Überschrift sein. Sachlich schreiben, aber nicht trocken. Mediumtrocken eben. Wie der Penny-Wein. Emotionen vermitteln, aber professionell bleiben. Es ist Deutschland hier. Es kann ja nicht so schwer sein.

Aber der Duft ist soooo schööööön.

Ok, verdammt.

Also, ich versuche es – so sachlich wie möglich: Stellt euch einen buttergoldenen Sonnenaufgang vor in einem Land, das die Fortschrittlichkeit unserer Industrie hat und die Besonnenheit der alten Zen-Meister. Das Zeitgefüge unserer Kindheit. Als sich die Minuten noch bedeutungsschwanger hinzogen, um sich im Nostalgiespeicher einzubrennen. Die erfrischende Wärme der Sonne besteht aus einer Ansammlung bissfester Zitrusfrüchte, die vor dem Erscheinen noch im Frische-Fitnessstudio waren und nun vollaufgeladen ihr Ding machen.

Diese Sonne scheint in einen weitläufigen Raum und der Blick fliegt über das Frühstücksbuffet eines fernöstlichen Herrschers (oder Herrscherin, zeigt mich halt an). Da ist mehr als die Zitrik, die bereits viele Länder erwärmte. Dort liegen weiß-gelbe Blüten, die ein fremdes Dessert umrahmen, das an Zitronensorbet erinnert. Aus den angrenzenden Küchen strömt zudem leicht, aber präsent der Duft Gebäcks, welches soeben das Licht der Welt erblickte. Wie zart es doch durch die Luft wabert. Es ist die Stunde der Hygiene. Deswegen erheben sich die Cremes des Landes zu einem Ganzen und bringen Textur in das Spektakel. Lieb von ihnen.

Da jeder Morgen eine Vielzahl an Möglichkeiten bereithält (ich könnte morgen früh spontan entscheiden, schwerkriminell zu werden. Verrückt, oder? Lass ich aber. Ist mir zu anstrengend), ist das Thema Freiheit ebenfalls im Duft verbaut. Die Freiheit kommt in Form des Geruchs des Ozeans zu uns, der sich offenbar in der Nähe befindet. Wie das abtropfende Meersalz eines eingecremten, glücklichen Körpers, der soeben dem Wasser entstiegen ist. Die Salzigkeit fügt sich leicht und schwebend in die Szenerie ein. Sie wirkt aktivierend, lässt Bilder dunkel glitzernder Buchten aufkommen aus Zeiten, als sich der Alltag noch hinter dem Horizont tummelte. Das Land scheint fern und doch sehr nah. Vielleicht liegt es gar nicht in der Ferne, sondern in der Tiefe. Aber was interessiert das schon. Die Sonne hat ihren Aufstieg nun erfolgreich vollzogen. Sie strahlt auf meiner Haut und – ich traue es mich nicht zu sagen – bringt mich zum Lächeln. Und ich lächle wirklich wenig.

Sachlicher ging's leider nicht. Ich schäme mich auch ein bisschen, aber ich bin ein Freund der Wahrheit. Das oben beschriebene vollzieht sich im Bruchteil einer Sekunde beim Wahrnehmen des Duftes. Zumindest bei mir. Selten wollte ich einen Duft so tief einatmen. Er euphorisiert und macht die Atemwege frei. Nicht im Sinne eines Menthol-Durchatmens. Sondern in der Art und Weise wie man durchatmet, wenn man im Urlaub die Balkontür zum ersten Mal am Tag öffnet und auf das Meer blickt. Ein tiefes Einatmen, das irgendwo in den Tiefen der Brustregion verschwindet.

Als jemand, dem Düfte schnell zu feminin werden (natürlich aus subjektivem Geschmack heraus und nicht aufgrund toxischer Maskulinität. Hoffe ich jetzt einfach mal), muss ich sagen, dass das Amber Cologne wirklich unisex ist. Universell schön quasi.

Was mich sehr an Bortnikoff als Marke reizt, ist die Verwendung der Rohstoffe. Zum einen haben wir es hier mit einer sehr natürlichen Komposition zutun (laut meiner Recherche ist der Duft zu 90% natürlich). Und während andere Luxusmarken sich der künstlichen Verknappung bedienen, um Exklusivität vorzugaukeln, hat Bortnikoff quasi natürliche Verknappung gewählt. Die Rohstoffe sind zum Teil so selten, dass die Düfte von Natur aus limitiert sind. Andere Chargen der Zutaten hätten wiederum andere Charakteristika, die Balance des Duftes wäre nicht mehr gewährleistet. Hier kommen wir wieder auf die Natürlichkeit des Duftes zurück. Aus meiner Sicht ist das eine Vorgehensweise, die das Prädikat Luxus wirklich verdient hat. Hierdurch sind die Düfte limitiert, einige andere Parfüms der Marke wurden in der Vergangenheit nach der Einstellung mit geänderter Formel quasi als Flanker neu auf den Markt gebracht. Dass der Parfümeur selbst destilliert, passt zum Gesamteindruck.

Zum Preis: Amber Cologne ist der „günstigste“ Duft der Marke. Mit 180 Euro auf 50ml sicher kein Schnäppchen, doch empfinde ich den Preis als gerechtfertigt. Bei Tom Ford und Creed zahlt man im Einzelhandel für 50ml oftmals mehr, die Inhaltsstoffe werden deutlich günstiger im Einkauf sein. Hier bekommt man einen extrem gut ausbalancierten, natürlichen, handgemachten Duft. Daher geht das aus meiner Sicht in Ordnung.

Das Beurteilen der Haltbarkeit fällt mir nach wie vor allgemein schwer, da meine Nase Düfte schnell ausblendet. Vielleicht sollte ich mal eine Duftpause machen, aber ich brauche meinen Stoff. Und nein, ich bin nicht süchtig. Ich habe das alles im Griff. Und jetzt gib mir den Flakon wieder. Nein, ich zitter nicht. Ok, zurück zum Thema. Der Flakon gibt eine eher geringe Menge Duft frei. Bei fünf Sprays nimmt mich mein Umfeld zumindest in den ersten zwei Stunden gut wahr. Danach zieht er sich in Richtung Haut zurück, bleibt aber gerade für mich als Träger gut präsent. Ich bekomme den Tag über immer wieder kleine Duftschwaden ins Bewusstsein geweht. Elegant durch und durch. Präsent, aber nicht aufdringlich. Ein bisschen mehr Power wäre toll gewesen, aber es passt einfach alles zusammen.

Abschließend muss ich sagen, dass ich sehr stolz bin, doch noch ein paar Sätze zustande gebracht zu haben, die nicht durch eine Kitsch-Farbpalette gezogen wurden. Ich weiß selbst oft nicht genau, wo mich ein Text hinführen wird. Überrasche mich also quasi selbst. Umso vorhersehbarer ist aber die Freude, die mir dieses Parfüm bereitet. Ein Sonnenaufgang zum Aufsprühen. Eine Wonne, die mein Herz da erwärmt und mir die Glückseligkeit dieser Welt… (Der Kitsch-Blocker wurde aktiviert. Bitte sprühen Sie sich selbst das Amber Cologne auf, um valide Eindrücke zu generieren. Der Verfasser des Textes wurde temporär in einen Traumzustand versetzt.).

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PS: Da ich den Versand aus Thailand umgehen wollte, habe ich direkt bei Bortnikoff nachgefragt, welche Bezugsquellen es in Europa gibt. Und mit der Antwort, die ich erhalten habe, bin ich sehr, sehr zufrieden. Ecuacion Natural, eine in Malaga ansässige Nischenparfümerie. Ich bekomme (leider) kein Geld dafür, muss da aber eben eine klare Empfehlung aussprechen. Extrem schneller Versand, toll verpackt und viele hochklassige Proben. Hatte ich so vorher noch nicht. Ob der Service immer so bleibt, kann ich natürlich nicht versprechen. Hat zumindest bei mir aber sehr gut geklappt. Ein Tipp für euch - quasi als Entschädigung für den ganzen Kitsch.
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