Jazzbob

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1 - 5 von 119
Jazzbob vor 3 Monaten 8 4
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Patchouli in seiner schönsten Form
Als einer der zweifelsfrei wichtigsten natürlichen Rohstoffe für Parfums genießt Patchouli heutzutage einen geteilten Ruf – dabei ist das Spektrum, wie es eigentlich duften kann, äußerst groß. In der billigsten und für Viele auch unangehmsten Form riecht es muffig-erdig, wodurch oft der Vergleich mit dem Geruch eines feuchten Kellers gezogen wird, doch am anderen Ende des Spektrums wirkt Patchouli holziger, trockener und mitunter etwas kakaoartig.

Die Vision von Les Indémodables ist es, Parfums zu schaffen, die nicht nur einen hohen Anteil von qualitativ hochwertigen, natürlichen Duftstoffen haben, sondern diese auch möglichst fernab der üblichen Massenproduktion aus kleiner, nachhaltiger Produktion zu beziehen. Zu Pachouli Noisette heißt es konkret auf der Website der Marke:

"This creation revisits a mythical fragrance ingredient: patchouli. It has been combined with an exclusive ingredient used for the very first time in perfumery: the ultrasound extract of Hazelnut from Piémont Italy designed internally using a 100% green extraction technology, and the world most qualitative origin of hazelnut! An accord which provides a delicate balance between the dark and rough side of patchouli with the incomparable soft praline facets of the hazelnut from Piémont.

Patchouli oil 'Grand Cru' Aceh Indonesia & Sri Lanka 35%
Hazelnut 'Grand Cru' Piémont Italy ultrasound 20% ETOH 8%

maturation: 2 weeks
maceration: 2 weeks"

In dem Interview von Dariush Alavi – auf YouTube bekannt als Persolaise Perfumes – mit der Inhaberin Valérie Pulvérail, deren Mann Rémi – der bei Persolaise in einer sehr informativen ‚Masterclass‘-Reihe über verschiedene Rohstoffe spricht – und Parfumeur Antoine Lie erfährt man mehr Details über die Entstehung von Patchouli Noisette. Letzterer hatte zwar große schöpferische Freiheit, sollte aber einen Duft jenseits der sonst üblichen Chypre- oder einer Gourmand-Struktur kreieren. Laut eigener Aussage ging es ihm zudem darum, sowohl diejenigen zufrieden zu stellen, die Patchouli lieben, als auch jene, die es sonst ablehnen.

Mein allererster Eindruck war vor allem, dass der Duft besonders holzig ist und eine gewisse Trockenheit aufweist. Merkwürdigerweise dachte ich bei Patchouli Noisette auch anfangs, er würde relativ schnell hautnah sein, was ich nun absolut widerlegen kann. Für mich hat sich eine ganz neue Welt voll verschiedener Facetten aufgetan und mit ein paar Sprühern wird man definitiv über lange Zeit gut wahrgenommen. Neben der angenehm warm wirkenden Holzigkeit sind es zunächst auch fruchtige Nuancen, die für weitere Fülle sorgen. Eine dezente Süße macht sich zudem bemerkbar, während die Note der Haselnuss in einer in Parfums noch nie erlebten authentischen Form durchschimmert – zwar nur sehr sanft, aber eben nicht wie sonst so oft plakativ nussig-gourmandig. Eine minimal cremige Eigenschaft würde ich Patchouli Noisette im späteren Verlauf noch zuschreiben, aber es driftet, wie gesagt, nie ins Essbare ab.

Antoine Lie erklärt in besagtem Interview (und bei U Smells Good), dass er in der Tat Fruchtmoleküle, etwas Rose und Lactone verwendet hat, um diese Wirkungen zu erzeugen. Außerdem fällt mir selbst auf, dass trotzdem noch die dezent schmutzigen Facetten von Patchouli wahrnehmbar bleiben, wenn man sich genau darauf fokussiert. Folglich würde ich vermuten, dass Menschen, die sonst kein Faible für den Duftstoff haben, dieses Parfum nicht unbedingt selbst tragen würden, jedoch an anderen durchaus mögen könnten.

Patchouli Noisette hat auf mich eine Wirkung, die man nur selbst erleben kann, weil Worte allein ihr nicht gerecht werden können. Kategorien wie modern oder altmodisch kann ich hier gar nicht zuordnen, denn für mich ist der Duft zeitlos, selbstbewusst-kraftvoll, aber wie eine trostvolle Umarmung und durchaus von französischer Eleganz. Die schönste Form von Patchouli, die unabhängig von Alter und Geschlecht ist, sondern für die man sich einfach bewusst entscheidet.
4 Antworten
Jazzbob vor 1 Jahr 6 4
9
Sillage
9
Haltbarkeit
7.5
Duft
Ein eher schroffer Kristall
Es gibt Bestandteile von Parfums, auf die man empfindlicher reagiert als auf andere – und das ist natürlich auch eine individuelle Angelegenheit. Mir geht es so mit bestimmten sehr eindimensional-synthetischen, äußerst trocken riechenden Komponenten, die einen ansonsten schönen Duft kaputt machen können. Eine solche stechende Note kann ich auch bei Crystal Saffron ausmachen, aber sie bleibt gerade noch im für mich erträglichen Bereich und ist vor allem zu Beginn stark wahrnehmbar – so sehr, dass ich sie noch bis zu etwa einer Minute rieche, selbst wenn ich den Sprühkopf meiner Abfüllung nur kurz unter die Nase gehalten habe.

Obwohl mich genau das an Aurélien Guichards Kreation stört, kann ich trotzdem sagen, dass sie etwas Faszinierendes an sich hat. In der Kopfnote erinnert mich dieses Trocken-Holzige in Verbindung mit dem namensgebenden, stets präsenten Safran an Armanis Oud Royal, in stärkerer Form. Hier treten allerdings noch viel deutlicher die ledrigen und beinahe medizinischen Facetten des Safranals hinzu, sowie eine kräftige rauchige Facette, die meiner Meinung nach jedoch nichts mit einem authentischen Weihrauch-Duft zu tun hat, und Ambroxan. Letzteres ist ein spannendes Material, weil es in niedrigerer Dosierung angenehm klar und hell wirkt; bei Crystal Saffron drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass davon sehr viel enthalten ist, weil dadurch eine fast metallische Wirkung erreicht wird. Wie nun genau Habanolide riecht, weiß ich nicht. Firmenich beschreibt diesen "weißen" Moschus als sehr stark, langanhaltend und elegant. An anderer Stelle liest man von einem Duft, der an frisch gebügelten Leinenstoff erinnern soll und das passt hier durchaus ins Gesamtbild.

Was hat das Alles nun mit einer kristallinen Wirkung zu tun? Ich stelle mir hier weniger das lichtdurchlässige Material vor, sondern vielmehr dessen feste, kompakte und regelmäßige Haptik. Für mich ist Crystal Saffron null Prozent frisch und ebenso wenig süß, sondern duftet relativ linear, streng und trocken, wodurch ein ernster, erwachsener und stereotyp maskuliner Charakter evoziert wird. Eine gewisse Helligkeit kann man dem Parfum aber (besonders zu Beginn) nicht absprechen und glücklicherweise wird die Textur mit der Zeit minimal weicher. Trotzdem sollte man mit der Dosierung aufpassen, denn als wirklich angenehm erscheint mir Crystal Saffron durch seine ausdauernde, kräftige Ausstrahlung nur bei wenigen Sprühern. Wer hiervon zu viel aufträgt, sollte eventuell mit Kopfschmerzen und negativen Reaktionen rechnen.
4 Antworten
Jazzbob vor 2 Jahren 12 3
9
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Sommerliches Kaleidoskop
Viele von uns kennen das Dilemma: Will man einen richtig schönen, erfrischenden Sommerduft haben, muss man häufig Kompromisse eingehen – gerade im Bezug auf die Haltbarkeit, denn oft geht es zulasten der Frische, wenn bestimmte Duftstoffe in höheren Mengen eingesetzt werden, um eben jene zu verbessern. Xerjoff ist es jedoch gelungen, Beides in einem Duft zu vereinen. Logischerweise gibt es auch immer harschen Gegenwind, wenn etwas gehypt wird – und ich finde, dass die meisten der letzten Kreationen von Xerjoff eher schwächer waren – aber diese hier hat es meiner Meinung nach verdient, so sehr gelobt zu werden.

Die angegebenen Duftnoten kann man sich ziemlich gut vorstellen, wenn man Torino21 trägt. Allen voran sorgen Minze und Zitrone für eine tolle Frische und eine durchaus kräftige Eröffnung. Es schwingt zudem von Beginn an eine florale Note mit, die minimal süßlich unterlegt ist, jedoch nie schwer oder dezidiert feminin wirkt. Ich gehe davon aus, dass eine ordentliche Portion Hedion (→Jasmin) für diese besonders helle Wirkung verantwortlich ist. Im weiteren Verlauf wird der Duft grüner und in der Basis kommt eine leicht herbe Facette durch. Was mich hierbei fasziniert, ist die Tatsache, dass die Duftnoten eine oszillierende Wirkung haben: Mal nehme ich mehr die einen, mal die anderen stärker wahr. Wenn man ganz genau darauf achtet, lässt sich sogar eine dezent mineralische Nuance erahnen.

Torino21 ist also ein durchaus komplexes Parfum, dass absolut unisex und perfekt für den Sommer geeignet ist, sich aber natürlich auch als erfrischender Stimmungsaufheller während der kälteren Jahreszeiten anbietet. Heute trug ich es übrigens während eines sehr schwülwarmen Tages mit über 30 Grad auf Arbeit und konnte ihn nach acht bis neun Stunden immer noch in der Luft wahrnehmen, obwohl es in dem Büro, in dem ich sitze, ziemlich warm ist und ich leicht ins Schwitzen kam. Das schaffen bei mir sonst nur Sommerdüfte mit einer schwereren/dunkleren/herberen Basis.
3 Antworten
Jazzbob vor 2 Jahren 15 1
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Moderne, warme Holzigkeit
Der Begriff 'Hedonist' lässt sich auf zwei Arten deuten: Oft wird damit ein Mensch beschrieben, der sich hauptsächlich darauf konzentriert, seinen eigenen Genüssen nachzugehen und demzufolge als egoistisch wahrgenommen wird. Jedoch ist die philosophische Definition eine andere, denn im Wesentlichen liegt dem Hedonismus der Gedanke zugrunde, dass das Leben nun einmal endlich ist und sich der Fokus nicht auf ein vermeintlich existierendes Jenseits richten solle, sondern einzig und allein auf die sinnvolle Gestaltung eines erfüllten Lebens im Diesseits, zu dem das intrinsische Streben nach Lustgewinn (nicht nur des physischen) führe. Genau aus diesem Grund genießen wir ja auch so etwas wie Parfums.

Mit The Hedonist hat Ex Nihilo auf jeden Fall einen recht einfachen Weg gewählt, um genügend Menschen zu finden, die Genuss an diesem Duft haben werden, da er einem bewährten Aufbau folgt. Vorweg muss ich sagen, dass ich ihn nicht als besonders frisch einordnen würden, denn obwohl sich eine gewisse zitrisch-fruchtige Komponente und die leichte Schärfe des Ingwers bemerkbar machen, fehlt mit das Spritzige, was eine wirklich erfrischende Wirkung erzielt. Stattdessen drängen sich sehr schnell die holzigen Facetten hervor. Ambroxan ist durchgehend präsent, aber eher warm und nicht metallisch, wie es in zu hoher Konzentration häufig vorkommt, und die noch angenehm trockene Note des Zedernholzes ergänzt sich damit bestens. Akigalawood scheint gerade sehr en vogue zu sein – jedenfalls habe ich erst in meinem letzten Kommentar zu Bois Impérial von Essential Parfums Bezug darauf genommen. Diese transparente Mischung aus grünlichen und erdigen Nuancen, ohne die dunkle, teils schmutzige Wirkung von reinem Patchouliöl, passt auch hier gut ins Gesamtbild. Vetiver kann ich leider nicht herausfiltern, aber eine dezente, zur warmen Seite von The Hedonist passende Süße hingegen schon. Das Cremige, was echte Tonkabohne mitbringt, ist hier zum Glück nicht vorhanden.

Als erstaunlich langanhaltend präsentiert sich Jordi Fernández' Kreation und die Sillage ist auch nicht zu unterschätzen (was ich anfangs getan hatte). Der Preis ist hierfür sicher überzogen, doch meiner Meinung nach ist The Hedonist ein absolut vielseitig einsetzbarer, moderner Duft, der Wärme und Transparenz vereint. Allerdings muss ich zugeben, dass er bei zu hoher Dosierung zum Kopfschmerz-Kandidat für mich wird.

Und so schließt sich der Kreis um den Hedonismus: Statt immer Neuem nachzujagen und ein unglücklich machendes Gefühl, etwas zu verpassen, mit sich herumzutragen, sollten wir uns öfters an den Dingen erfreuen, über die wir schon verfügen. Wie lange das bei mir mit The Hedonist sein wird, kann ich noch nicht sagen, doch habe ich seinen Duft besonders draußen an der frischen Luft genießen können.
1 Antwort
Jazzbob vor 3 Jahren 49 7
7
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft
Synthetisch im besten Sinne (aber nicht nur)
Reine Naturdüfte haben oft den Nachteil, schon zu dicht zu wirken – Synthetik kann helfen, sie aufzuhellen, sie leichter zu machen. Und dann gibt es noch eine weite Welt dazwischen, wie etwa Akigalawood zeigt. Der Duftstoff wird aus Patchouli-Pflanzenresten* gewonnen, wobei dessen eher schmutzige Facetten entfernt werden und letztlich ein ganz anderer Eindruck entsteht. Bois Impérial wird stark von ihm und verschiedenen synthetischen Komponenten geprägt, sodass sich – wie Viele hier schon bemerkt haben – der Vergleich zu den Escentric Molecules aufdrängt. Der wichtige Unterschied offenbart sich darin, dass Letztere oftmals zu seelenlos auf mich wirken, während hier der Spagat zwischen Synthetik und Natur gelingt.

Was mir bei den ersten Tests gefallen hat, ist die Tatsache, dass der Duft zwar schon eher simpel wirkt, ich aber dennoch jedes Mal verschiedene Nuancen herausfiltern konnte, die mir vorher nicht oder kaum aufgefallen waren. Zu Beginn ist da nämlich nicht nur die Kombination aus der zitrischen Frische, die weder zu scharf, noch zu lieblich wirkt, mit der trockenen Holzigkeit (1), die sich von Anfang bis Ende durchzieht, sondern auch eine ganz dezente blumige Komponente (2). Diese lässt Bois Impérial nicht als floral erscheinen, verleiht ihm aber noch mehr Helligkeit und etwas Fülle, die sonst fehlen würde. Grüne Frische fügt sich ebenso bestens ein, wobei die Vetiver-Note überhaupt nicht klassisch-altmodisch daherkommt, wie es manchmal der Fall ist.

(1) Ambrofix = Ambroxan: Falls ihr Molecule 02 kennt, wisst ihr, was ich meine.
(2) Petalia: "rosenartig mit Nuancen von Maiglöckchen". Ich hätte daneben auch an Hedion gedacht.

Der Duft wirkt deshalb durchgehend hell und transparent, weil keine schweren Komponenten den Basis-Akkord ergänzen, sondern mit Georgywood (entspricht Iso E Super, ist aber noch holziger*) und Akigalawood immer eine luftige Textur aufrecht erhalten wird. Letztere Note ist schwer zu beschreiben, da sie schon noch leicht erdige und grüne Facetten von Patchouli besitzt, aber eben wesentlich leichter und sauberer wirkt. Bei Supræ von Aether (noch trockener) oder Nisean von Parfums de Marly (dunkler, balsamisch) kann man sie beispielsweise auch gut wahrnehmen.

Meine Freundin mag den Duft übrigens nicht, denn sie hatte sofort die Assoziation mit etwas Eingelegtem. Vielleicht kommt das durch die leichte Säure und etwas Würze. Jetzt empfinde ich den Duft als etwas weicher als am Anfang, wo ich die trocken-holzige Seite als am dominantesten angesehen habe. Eventuell braucht es etwas Zeit zur 'Eingewöhnung'. Für den Alltag ist Bois Impérial optimal, da die Haltbarkeit wirklich extrem gut ist – insbesondere auf Kleidung. Die Sillage kann man auch leicht unterschätzen und ich habe sie deshalb mit 7 bewertet, weil man durch die transparente Wirkung nicht vom Duft erschlagen wird, er aber gleichzeitig relativ weit abstrahlt.

Eine wichtige Frage bei Parfums ist außerdem, wie man sich dabei fühlt, wenn man sie trägt: Bois Impérial hat einerseits dieses Unbeschwerte, universell Tragbare, andererseits wirkt der Duft durchaus stimmungsaufhellend.

[*Vielen Dank an Ronin für die Hinweise.]
7 Antworten
1 - 5 von 119