Jo13579

Jo13579

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1 - 5 von 6
Jo13579 vor 3 Jahren 25 20
8.5
Duft
Von brennenden Flößen und dampfenden Dampfern
Wie so oft, vernahm Huck lautes Geschrei, als er entspannt die Hecke entlangschlenderte. Heute waren die Zeugnisse ausgegeben worden, und vor ihm schlüpfte sein Freund Tom durch eine Lücke im Gebüsch, verfolgt von Tante Pollys schimpfender Stimme. Von der Kirche kamen laute Stimmen und leise Schwaden, und so wandten sie sich in die andere Richtung und rannten gemeinsam dem Fluss entgegen. Sie bogen die trockenen Äste des Wacholders zur Seite, und schoben das Floß ins Wasser. Herbe Zeder schwamm, und die beiden sprangen auf die zusammengebundenen Stämme, um sich sofort vom Ufer abzustoßen, und der Strömung zu folgen - dem Abenteuer nach. Vom trägen Treiben mitgezogen, hatten sie einen Moment der Ruhe. Während die dünnen Schwaden der geweihten Rauches aus dem Städtchen auf den Fluss hinauswehten, erhitze die Mittagssonne auch das Floß. Die rotzedrige Oberseite war staubtrocken, und auch die geteerten Taue, welche die dünnen Stämme verbanden, begannen ihren eigenen Dunst abzusondern. Tom und Huck ließen die Füße ins Wasser baumeln, winkten einem langsamen Dampfer zu, der trotzdem stetig an ihnen vorbeizog, und hatten den Rauch seines Schornsteins in der Nase. Um dieser schönen Melange noch etwas hinzuzufügen, zog Tom einen kleinen Umschlag aus der Tasche - „Tabaco aromatizado con Cascarille“ - den er zuvor Jim, in einem seltenen Moment der Unaufmerksamkeit, geklaut hatte. Die beiden Jungen drehten sich zwei Fluppen, und pafften den ätherischen Rauch auf das Wasser hinaus, als Huck die Seine fallenließ, und das Stroh, welches das trockene Holz des Floßes bedeckte, Feuer fing. Am Ufer entlangtreibend, hielten sie sich an einer der Sumpfzypressen fest. Diese waren hier selten, und eigentlich weiter im Süden beheimatet. Sie zogen sich zum Ufer, und löschten das Schwelen. Auch das Zedernholz war schon ein bisschen angekokelt, und sie banden das Floß fest, um es später zu holen. Auf dem Weg stromaufwärts, an schönen, verdorrten Kiefern vorbei, vernahmen sie den Duft brennender Räucherstäbchen. Die letzten Abkömmlinge der Sioux, oder nur ein paar Kinder, die auf dem Markt der verrückten Alten ein paar Pennys gönnten? Sie hielten kurz inne, hörten jedoch schon die ersten Stimmen aus St. Petersburg hinausschallen, und machten sich fröhlich auf nach Hause, wo zumindest Tom sich seine verdiente Tracht Prügel abholen durfte...

Danke an Medianus. Ein toller Duft, monoton rauchig, und doch in seiner Art ständig changierend. Facettenreich und spannend...heller, weißer, fast schon frischer Rauch in seiner schönsten Form. Und danke an Mark Twain für die entliehenen Charaktere ;)
20 Antworten
Jo13579 vor 3 Jahren 15 14
8
Flakon
7.5
Duft
Die wilde Jagd
Seit Tagen strich der alte Jäger durch den Wald, seine kleine Hütte am Waldrand hatte er seit Tagen nicht betreten. Seit langem lebten sie dort alleine, er und sein Sohn, denn seine Frau war verschieden, als ihr Sohn noch halbwüchsig und jung an Jahren war. Ein Fieber hatte sie hingerafft, als einmal die Herbststürme früher kamen, und der unerbittliche Regen alle Kraft aus den Geschöpfen der Ebene und der Wälder zu peitschen versuchte. Der Junge war schnell erwachsen geworden. Er musste, denn die unwirtliche Einsamkeit der unendlichen Taiga forderte erbarmungslos und tödlich Tribut von jedem, der ihren Gefahren nicht eisern zu widerstehen vermochte. Nun war der Alte auf der Suche nach Selbigem, einsam und verzweifelt, den Geruch eines kleinen Feuers in der Nase. Obgleich schon länger erloschen, wies der scharfe Hauch ihm den Weg durch das Unterholz, dorthin, wo sein Junge, bei einer seiner ersten Jagden alleine, gelagert zu haben schien. Er brach auf eine kleine Lichtung hinaus, auf der er die verloschenen Reste des Feuers zu sehen waren. Der Geruch des Räucherwerks, welches die Männer der Wüsten und der Steppen alljährlich in den kleinen Dörfern im Süden verkauften, drang in seine Nase. Vom Winde weichgezeichnet - und doch roch der Alte, dass seinem Sohn zuvor versehentlich zu viel auf die Glut gefallen war. Nicht viel weiter fand er ihn. Von gewaltigen Pranken grausam ausgeweidet, lagen die Reste seines verblichenen Sohnes zwischen den Gräsern und Büschen des Waldbodens. Der Alte begann zu graben, tiefer und tiefer, bis die Wurzeln der Lärchen und Birken seinen Weg behinderten. Er hob den Leichnam an, schloss die leeren Augen des jungen Mannes, setze einen letzten Kuss auf die Stirn des bizarr verrenkten Kopfes, und faltete die zerfetzten Hände. Eingewickelt in seinen eigenen alten Mantel, und mit dem Bogen seines Vaters auf der Brust, begrub er ihn. Ein kleines Kreuz aus Zweigen schmückte die aufgewühlte Erde. Erst jetzt brach der Alte weinend und schmerzerfüllt auf dem Grab zusammen, zog sein Messer durch die Handfläche, und schwor Rache auf das in der Erde versickernde Blut. Er blickte um sich, und sah sofort einige blutige Fellbüschel an der Rinde eines nahe stehenden Baumes. Bärenfell. Die süßlichen Schwaden des Räucherwerks waren seinem Jungen zum Verhängnis geworden, die Tatzen und Zähne des Bären erbarmungslos. Der Alte pirschte los, blutrünstig und mit geschärften Sinnen. Der waidmännische Geist war den Instinkten eines Tieres gewichen. Das Summen von Bienen schreckte ihn auf. Ein Loch im Baumstamm, prall gefüllte Waben. So viel verlockender als das täuschende Räucherwerk des Jungen. Doch die Richtung des Windes hatte dem Bären die Entscheidung abgenommen, die Geister des Waldes das Schicksal seines Sohnes besiegelt. Dunkelheit senkte sich über die Umgebung, nur noch vereinzelt brach der Schein des Mondes durch die dürrem Wipfel der Bäume. Ein Rascheln, das Krachen kleiner Äste. Ein kreideweißer Strahl traf auf das Tier. Mit blutunterlaufenen Augen blickte es den Alten an. Die Verletzungen, Strafen eines ungerechten Kampfes, und der Hunger hatten aus Meister Petz ein blutrünstiges Monster gemacht. Er erhob sich auf die Hinterpfoten, reckte den Kopf gen Mond, und ließ ein infernalisches Brüllen ertönen. Der Alte lehnte an der Rückseite des Baumstamms, ließ den Bären auf sich zukommen. Sie sahen einander nicht, doch beide spürten die Gegenwart des Todes. Grausam und unerbittlich sollten die Bestien aufeinandertreffen, als sich der Alte aus der Deckung drehte, und verzweifelt in Richtung des Herzes stach. Der einzige Stich, den er hatte, denn während das Messer durch die Rippen glitt, zerrissen die Krallen die Brust des Mannes. Zusammen fielen sie zu Boden. Während sich die Lungen des Mannes mit jedem keuchenden Atemzug mit Blut füllten, strömte auch das warme, süße Blut des Bären über ihn. Das selige Lächeln des Alten erstarrte. Vergeltung.

Ein warmer, holziger Duft mit sehr schön eingebundenem Weihrauch. Young Hunter in ruhiger und besser, mögen sie trotzdem beide Frieden finden ;).
14 Antworten
Jo13579 vor 3 Jahren 17 14
8.5
Duft
Ausflug durch die Nacht
'Gut', dachte Eugene, 'Genug für heute'. Er stand an einer Laderampe am Dock, beobachtete einige Gestalten, die große Kisten auf ein zwielichtiges Boot trugen. "Vorsicht!", bellte er. Einer seiner Männer hatte eine Kiste fallen lassen, und ein Karabinerlauf blitzte hervor. Ein leicht metallischer Dunst stieg in seine Nase, als warme Tropfen des nächtlichen Sommerregens auf die Erde und den Asphalt prasselten. Ein Mann kam auf ihn zu, mittelamerikanisch. Ein leichter Hauch von Koriander wehte von diesem zu ihm herüber. Das Abendessen war nicht lange her, aber er selbst hatte dafür keine Zeit gehabt. 'Mexikanisch wäre toll, wenn es doch nicht schon so spät wäre...' - mit knurrendem Magen blickte er ihm entgegen, und hob fragend eine Braue. Der Mann holte einen Umschlag heraus, dick gefüllt. Eugene öffnete ihn, ließ die grünen Scheine durch die Finger rauschen, nickte zufrieden. "Passt." Ein fester Händedruck, und der Mann war zwischen den Containern des Hafens verschwunden. Eugene drückte seine Mentholzigarette aus, drehte sich um, winkte die Männer zurück. Er selbst ging hinüber zu seiner Harley, strich über den Sitz. Hier in New Orleans war das Wetter schwül, das hochwertige Kunstleder nach sowjetischer Art dagegen widerstandsfähig. Das Gewebe aus Baumwolle war von dünnen Fäden süßlichen Harzes durchzogen. Es glänzte, getränkt und versiegelt durch dunkelstes Patchouliöl. Seine schwarze Lederjacke war echt. Das Leder atmete besser in der warmen Feuchte, und es musste authentisch bleiben. Die zwei Zylinder brummten, aus dem verchromten, hochgebogenen Auspuff stieg der leichte Geruch verbrannten Benzins. Sie fuhren los, und als sie vom Hafengelände in Richtung Stadt abbogen, kamen sie an einer kleinen Straßenbaustelle vorbei. Die Arbeiter hatten erst spät Feierabend gemacht, und der Regen nieselte zischend auf den noch warmen Asphalt. Kurz darauf sahen sie einen Zebrastreifen in der Ferne. Das trübe, gelbe Licht der Straßenlaterne warf seinen Schein auf eine kleine, alte Frau. Der Bingoabend war spät geworden, und, in Richtung der herannahenden Motorräder blickend, setzte sie einen Fuß auf die Straße. Ihre kleine Wohnung war gleich auf der anderen Straßenseite, und ein dumpf beleuchtetes Fenster verriet, wo ihr Mann geduldig auf ihre Heimkehr wartete. Hoffentlich war er nicht schon wieder über den letzten Artikeln der Morgenzeitung eingeschlafen. Eugene hob im Fahren schweigend die Faust, die anderen verstanden. Sie wurden langsamer, hielten an. Das Licht ihrer Scheinwerfer spiegelte sich auf dem nassen Asphalt. Gemütlich überquerte die lächelnde Greisin die Straße, während Eugene sich eine weitere seiner Mentholzigaretten ansteckte. Auch er hatte ein Herz, und der sanfte, warme Geruch seiner Umgebung ließ ihn ruhig und zufrieden werden. Auch er freute sich auf sein warmes Bett, und vielleicht war noch genug Zeit, seinen Kindern eine kleine Geschichte vorzulesen.
14 Antworten
Jo13579 vor 3 Jahren 20 14
7
Flakon
9
Duft
Eine erholsame Entführung
Ein träger, schaler Nachmittag. Der Regen hat ihm jegliche Energie ausgespült. Kein Regen, der Leben bringt, der duftet und nur das Unwesentliche fortschwemmt. Ein feiger Regen, der nicht spricht, sondern die Konturen des Seins zu einer blass umrissenen Trägheit ausgewaschen hat. In einem solchen Nachmittag sieht sich auch unser werter Tagonist, aus Gründen der Sympathie zu sich selber eher prositiv dargestellt denn unsympathisch antanzend, gefangen. Als er, schwermütig und resigniert, mit dem fünften Glockenschlag den Tag verabschieden will, reißt ihn ein kleiner Ast, im naheliegenden Wald abgebrochen, aus dem Halbschlaf. Er öffnet das Fenster, und ein grüner Jungspund springt hinein. Der junge Grünspund, dem Schein nach ein dem Nimrod entronnener Numro, loyfd aufgeregt durch das Zimmer, bannt unseren Protagonisten mir seiner Waldmagie, und zieht in mit in eine andere Welt. Das Haus und die Straßen verschwinden in den Schwaden, die dem bleischweren Boden nach dem regelrecht reizlosen Regen entfliehen. Das lethargische Nass weicht saftigem Gras und leicht leuchtender Kamille, und Numro und ich rollen uns durch feuchten Lavendel, dem die heimelige Humidität die trockene Krautigkeit genommen hat. Wir liegen auf dem Rücken, blicken in den Himmel, und sehen die agruminale Aura der sanften Sonne durch die Wolken blitzen, während uns die aromatischen Tropfen vom Indument des Salbeis in die Münder rinnen. Als wir dann weiter die Wiese hinabkullern, werden die Gräser kräftiger und herber, weniger von Stängeln der Blumen umschmeichelt als von Stämmen der bemoosten Bäume durchbrochen. Als wir mit hohlen Köpfen gegen die Stämme krachen, platzen sie auf und geben einen Schwall goldener, süßer Harze frei, der wie ein elektrisierender Strom in unsere Körper fließt, und die belebenden Rische der Äthers auf unsere Haut galbanisiert. Auch die Stämme haben einige Kratzer abbekommen, und wir rappeln uns auf, nur um gleich wieder im weichen grünen Bett des Waldes zu versinken, und mit verkampferten Gliedmaßen im rauchigen Nebel des dämmernden Waldes einzuschlafen. Unser liebenswerter Protagonist wird bestimmt am nächsten Morgen glücklich die Augen aufschlagen, auch wenn sein Freund Numro nur ein Produkt fremder Fantasien war, und sich zum Frühstück an Kaffee, schönen Kommentarantworten, Grünspan und anderen Chemikalien laben.

Mit liebem Dank an Susan für die erholsame Entführung. Meine erste Begegnung mit einem durch und durch grünen Duft, und es wird nicht die letzte gewesen sein - Großartig.

Den Kommentar bitte mehr als inspiriertes Komple- und Kompliment verstehen, denn als Nachahmung. Die Lektüre des ersten Kommentars zu Verdigris sei daher empfohlen!
14 Antworten
Jo13579 vor 3 Jahren 19 11
8
Duft
Von Möbeln und mutierten Mandarinen...
...welche eigentlich Pflaumen sind, aber was tut man nicht alles für eine mittelmäßige Alliteration. Am Pröbchen gerochen hat mich der Duft nämlich an etwas Bestimmtes erinnert. Mir ist lange nicht eingefallen, was genau es war. Völlig abwegig, erinnert mich dieser Oudduft an den Geschmack einer bestimmten Praline, ein klassisches Konfekt, welches bereits in der Sowjetunion beliebt und verbreitet war: eine Masse aus getrockneten Pflaumen und gehackten Walnüssen, die mit Schokolade überzogen ist. Auf die Haut aufgetragen entfaltet sich der Duft (Zum Glück? Leider?) anders.
Inmitten einer Erzählung meines Großvaters vom Krieg, mache ich mich auf die Suche nach einigen alten Dokumenten seines Onkels. An der Kellertreppe bleibe ich stehen, schaue hinab. Dunkelheit, nach einem schnellen Drücken des Schalters von einer alten Glühbirne erhellt, deren mattes Licht die Schwärze nicht vollständig zu verdrängen vermag. Zweite Tür rechts, erinnere ich mich, und sehe in einer Ecke des dahinter liegenden Raumes, was ich suche. Ein vor Jahren zuletzt geölter, antiker Sekretär. Sein Geruch bleibt ständig untermalt vom erdigen, aber trockenen, und keinesfalls modrigen Atem des Kellers. Als ich die Arbeitsplatte herunterklappe, sehe ich dahinter verwelkte, weiße Blumen aus dem Garten liegen. Ich fange an zu suchen, und öffne die linke der drei Schubladen. Einige Zigarren liegen darin, nur eine von Ihnen an der Spitze angekokelt, und eine halboffene Büchse alten Pfeifentabaks. Ich lasse sie offen, und öffne die rechte Schublade: Nicht viel, nur eine verstaubte Dose mit längst abgelaufenen Vanillekaramellen, die einen cremigen, süßlichen Duft verströmen. In der mittleren Schublade, welche gegen die Feuchtigkeit mit Birkenpech abgedichtet ist, werde ich endlich fündig. Neben einer Pfeife mit aus Guajak geschnittenem Kopf, liegt ein Mäppchen aus brüchigem Leder, darin mehrere gefaltete Blätter aus vergilbtem Papier, mit seltsamen Stempeln darauf...
Die Mappe in der Hand, gehe ich nach oben, lasse die matte Glühbirne erlöschen, und bin gespannt auf das Ende der Geschichte.

Herzlichen Dank an Medianus. Ein interessanter, auf seine Art unglaublich harmonischer Duft, der mir sehr gefällt.
11 Antworten
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