JoHannes

JoHannes

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JoHannes vor 6 Monaten 22 11
5
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Dicht gewebter Herbst [Stoff]
[Assoziationen] dunkelgrün / torfig / warme, feuchte Erde / komplexe Tiefe / archaisch / frisches Holz / bemooste Bäume im spätsommerlichen Wald / Isle of Skye / alte Ledersessel im Herrenhaus / Kaminfeuer / Whiskey—Verkostung in der Torabhaig Distillery / Arturo Toscanini, Ernest Hemingway und Charlie Chaplin, Pfeife rauchend in Harry's Bar / Tabakernte im Westen Kubas / verbranntes Karamell im Kaminfeuer / Vanillemark / Zimtkonfekt / würzige Süsse / warm—klebriges Oudöl / kratzig—süss

[Versuche] Ein Komposition, die für mich die spätsommerliche/frühherbstliche Natur draussen und die nachfolgenden Zeiten drinnen, vor dem Kamin sitzend, eine Pfeife rauchend und mit einem Single Malt im Glas, verbindet. Wärme, Feuer, Rauchschwaden, knisterndes Holz, süssliche Gewürze. Ein alter, warmer, weicher Ledersessel und als Basis: Oud. Erdiges, warm—würziges Oud.

[Herkunft] Ein Duft, der aus einer anderen Zeit/Welt kommt. Gediegen, archaisch, komplex, herrschaftlich. Gut tragbar. Präsent, aber niemals laut. Umhüllend wie eine schwerer, alter Wollquilt aus einer Weberei in Schottland. Geerdet. Berührend.

[Lyrik] Herbsttag

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

(Rainer Maria Rilke, 21.9.1902, Paris)

[Musik] 'Fantasia on a Theme by Thomas Tallis' Ralph Vaughan Williams
11 Antworten
JoHannes vor 7 Monaten 23 24
Kōya-san
Wann — an den Rändern der Tage, wenn sich der Sommer in den Laubschlaf glüht.

Jetzt — in den kommenden Zeiten des Rauches, des Fallens, der Heimat, der Sammlung, jetzt flüstert es aus allen Poren der Sehnsucht, leise, wärmend, tröstend: ich wiege dich, ich nähre dich, ich leite dich.

Hier — Kōya-san, der Tempel, die Mönche, die grosse Stille.

Dort — der alte ZEN-Mönch, den ledernen Griff des hölzernen Besen fest umklammernd. Wie er das feuchte Laub durch den wogenden Wald fegt. Der warme Nebelschleiher duftet: heiliger Rauch, edle Hölzer. Grüne Gräser verschenken ihren Duft an Fremde. Ein grosses Locken, ein stilles Sein.

Der Tempel ist jetzt Schutzort, wärmend, Heimat.

Hört — die Gesänge der Stille. Und all diese Gerüche - voller Trost. Die Wärme klingt jetzt tiefer. Haut sehnt sich zu Haut. Ruhe. Liebende, wortlos schweigen sie sich in den Schlaf.

Dorthin — lade ich dich ein. Kōya-san.
24 Antworten
JoHannes vor 8 Monaten 31 21
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
tête–à–tête mit marina
kurt schwitters tête —à—tête mit marina abramović
in dieser hochsommernacht: "es ist 1984, george"
in der basilica di san pietro, piazza san pietro, 00120 città del vaticano
in durchgetanzten zimtlatschen
ohne stühle ohne tisch
dada? da da da?

ratzinger zückt sein iphone, playlist:
"psychedelique kolophonium in paradise"
uno due tre: jesus in chains in d—moll, mit "lazarus" bowie
adriano celentano trällert "prisencolinensinainciusol"
die callas tritt auf: hochamt!
norma? kinderschreie!

derweil:
brennende autoreifen
werden von ministranten mit myrrhe getauft
in nomine patri!
berauschte nonnen räuchern blumen gras würzzeugs
alles alles alles im tabernakel
amen?

die purpurnen kardinäle
lutschen verknallt an lakritzhostien: MEA CULPA?
ratzinger glotzt aus der sakristei ins offertorium
lallt kräuterschnapstrunken ein ave maria. mutter gottes!
der camerlengo schwingt sich aufs weihrauchfass
singt schreit wütet über dem altar
in nomine patri? MAXIMA!

schwitters schläft an der brust der madonna
zu viele blicke zu viele tränen zu viel verzweiflung
die abramović, sie: schaut schaut schaut
fleht flüstert weint schwitters ins ohr:
"IO NON HO MANI CHE MI ACCAREZZINO IL VOLTO"
sie spannt den bogen
warum schweigt er?

schwitters holt eine box:
zigarren, eingeschlagen in vergilbtes papier, von fidel
gerächt!

draussen:
diese endlose dada—weihrauch—blumen—myrrhe—messe
dann: rauch (kokelnd, aber endlich: weiss) steigt auf
auf dem petersplatz tanzen die schwestern salsa

die abramović tritt auf den balkon, winkt
"ich habe keine hände, um mein gesicht zu streicheln."
der geruch von verbrannten autoreifen weht herüber
von der via della conciliazione
21 Antworten
JoHannes vor 9 Monaten 27 22
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
10
Duft
Drei Klänge / Dreiklang
Das grün-flächig-kühle des Vetivers wird mit zerstossenem rosanen Pfeffer gewürzt [und ja: es muss genau dieser saftig-scharfe rosa Pfeffer sein]. Das Patchouli klingt sich mit seinem grünen Erdton ein.

Alles auf Erde. Alles auf grün. Dur-Tonart.

Und aus irgendeinem Hintergrund bahnt sich ein fast schon mentholischer Klang seinen Weg. Bringt jeden einzelnen Ton - erdenes, ungruftiges Patch/grüngrünes Vetiver/saftiges Pfefferrosa - zum Leuchten. Mentholig. Minzig fast. Und freundlich. Unwirklich freundliches Grün. Strahlend. Feurig? Schwingend.

Das Bourree aus Händels Wassermusik. Die Aufnahme mit Neville Marriner und seiner Academy. Wenn sich die Bläser und Streicher die Töne hin und her werfen. Ein fulminantes Spiel. Was für ein Tanz über dem Wasser. Feurig!

Ein strahlendes Kunst-Stück.
22 Antworten
JoHannes vor 9 Monaten 25 17
Ex Voto | Aufgrund eines Gelübdes
[Votivgabe | künstlicher oder natürlicher Gegenstand, den der Votant gemäß einem Gelübde (ex voto) an heiliger Stätte als Zeichen des Dankes für die Rettung aus einer Notlage darbringt.]

Pfeffer — rot, fruchtig, hell
Harz | Weihrauch — dunkel, feucht
Hölzer — saftig

Ex Voto ist ein harziger—hölzerner Weihrauchduft, der mit einem rot—fruchtigen Pfeffer hell, fast strahlend eröffnet. Keine Dunkelheit, kein sakraler Klang. Der Vorplatz der Kathedrale, Sonne. (Noch) kein sakraler Raum.

Ex Voto beginnt dann eine sanfte Wandlung ins Dunkel: wie eine Votivgabe wird der Duft durch den Eingang und die Kathedrale in die Krypta getragen. Der Weihrauch wird jetzt präsenter. Die Harze tropfen aus dem Duft. Es wird tiefer.

Ex Voto gewinnt dort in der Tiefe, abgerundet mit den feuchten Hölzern, an Volumen und verliert seine Schärfe. Der Amber bringt süssliche Wärme. Die Hölzer blühen.

Ex Voto ist ein stiller, aber präsenter spiritueller Begleiter für Wege, die zu gehen sind. Wie ein freundlicher Begleiter hat er meinen Weg gekreuzt.

Und geht mit: aufgrund eines Gelübdes?

+
[Antonio Vivaldi | In exitu Israel]
https://youtu.be/W83Cdyfj4N0
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