Warum trage ich Parfüm?
Einer meiner liebsten
Parfüm-Journalisten, Dariush Alavi aka Persolaise hat neulich einen
Blogbeitrag verfasst, in dem er sich die Frage stellte: Warum trage
ich Parfüm? Er kam zu sehr interessanten Einsichten, und das hat mich
inspiriert, mir die gleiche Frage zu stellen – warum trage ich
Parfüm?
Weil es meine Stimmung unterstützen und manchmal sogar ändern kann
Es gibt Düfte, die machen mir
zuverlässig gute Laune. En Passant zum Beispiel, ein Duft wie ein
schöner Frühlingstag, den man sich zu jeder Jahreszeit gönnen
kann. Es ist mir daher auch unverständlich, warum man leichte Düfte
nur im Sommer und schwere Düfte nur im Winter tragen sollte, zumal
die Witterung nachweislich Einfluss darauf hat, wie sich Düfte
entwickeln, und warum sollte man auf bestimmte Nuancen eines Duftes
verzichten, nur weil grade die „falsche“ Jahreszeit ist? Leichte,
frühlingshafte Düfte, im Winter getragen, können einen ganzen Tag
verändern, so wie sowieso jeder richtige Duft zur richtigen Zeit.
Weil ich ein anderer Mensch sein
kann
Gerade erst wieder so geschehen beim
Tragen von Dia Man: besonders die Düfte, die laut Deklarierung für
das (vermeintlich) entgegengesetzte Geschlecht gedacht sein sollen,
erwecken in mir immer eine besondere Heimeligkeit. Ich kann dann
anders durchs Leben gehen, weil ich eine Seite an mir betone, die
meist nicht besonders betont wird. Da geht dufttechnisch gesehen
jemand neben mir, der ganz augenscheinlich nicht ich selbst bin,
nicht mein tagtägliches Selbst, und mit dem ich den Tag verbringen
kann.
Weil es mich an die vergessene
Kindheit erinnert
Es gibt Dinge,
an die erinnern wir uns, ohne es zu wissen. Es schlummert in uns, und
erst ein Geruch erweckt es zum Leben (ja, Marcel Proust, keiner hat
das so gut beschrieben wie du). Und ich liebe es, wenn das passiert.
Beispiel White Suede von Tom Ford: Als ich ihn das erste Mal auf die
Haut sprühte, war ich zurückversetzt in meine Kindheit und blickte
in die Handtasche meiner Mutter, in der sie jede Menge Krams (kann
man nicht anders nennen) mit sich rumtrug – Lippenstift, Bonbons,
Taschentücher, lederne Geldbörse etc. Und genau dieser Duft kam mir
von meiner eigenen Haut wieder entgegen. Es war faszinierend, und
wird es immer wieder sein.
Weil es mich an vergangene Momente und Orte erinnert
Es gibt Parfüms, die mich sofort
wieder an die Orte zurückversetzen, an denen ich sie das erste Mal
getragen habe. Dior Homme Intense zum Beispiel trug ich zum ersten
Mal bei einer Reise nach Prag und in den ersten Stunden dort, und das
wird Duft und Stadt (und die Jahreszeit: Herbst!) für mich immer
miteinander verbinden. Aus diesem Grund überlege ich manchmal auch
sehr genau, welches Parfum ich in einer bestimmten Situation
tatsächlich auflegen möchte, denn es ist mir klar, dass der Ausgang
des Ereignisses eine nicht mehr rückgängig zu machenden Auswirkung
auf meine Wahrnehmung des Duftes in der Zukunft haben kann.
Weil es mich an Orte versetzt, an
denen ich noch nie war
Reisen ist im Moment eine schwierige
Sache, aber auch schon vorher konnte ich nicht behaupten, schon
besonders viel in der Welt herumgekommen zu sein (wenn man den
Maßstab einer privilegierten Westeuropäerin anlegt). Umso besser,
wenn man auch mir Düften auf die Reise gehen kann. Mit ACDD zum
Beispiel fühle ich mich tatsächlich, als wäre ich in einer
afrikanischen Wüste und würde heißen Wüstensand atmen.
Weil es mich an die Zukunft erinnert
Ganz toll ist es auch, wenn Düfte uns
an die Zukunft erinnern. Was meine ich damit? Nun, Düfte wie die von
Oliver Perfumes (sie sind einfach das beste Beispiel) geben mir den
Eindruck, so könnte die Zukunft riechen – etwas metallischer,
synthetischer, künstlicher als jetzt. Das muss ich im Zweifelsfall
noch nicht mal mögen, um es dennoch faszinierend zu finden.
Weil ich damit in der Zeit reisen
kann
Dieser Aspekt ist ein bisschen verwandt
mit den vorhergegangenen. Wenn ich manche Düfte rieche, dann reise
ich in eine Vergangenheit vor meiner Geburt, und dazu muss der Duft
noch nicht einmal vor mir geboren worden sein. Carner Barcelonas
Sandor 70s entlässt mich in eine Bar in den 70ern, als man dort noch
rauchen durfte und das auch reichlich tat. Die Ledersessel knarzen
unter dem Gesäß und man gönnt sich starke Drinks.
Weil ich Parfum genießen kann wie
einen guten Whisky
Attars sind wie gemacht für die ganz
besonderen Momente, die man nur für sich allein genießen will.
Durch ihre ölige Konzentration und das Fehlen des Alkohols sind sie
– so jedenfalls meine bisherige Erfahrung – stark, aber hautnah,
sodass man selbst ihr bester Nutznießer ist. Daher liebe ich es, mir
an Abenden einen Attar aufzulegen und diesen ganz für mich selbst zu
genießen, der Parfümkunst auf die Spur zu kommen.
Weil ich damit ein Statement setzen
kann
Na klar, ich werde nicht verhehlen, dass auch das mit eine Rolle spielt und Spaß macht. So wie andere ihren schönsten Schmuck zur Schau stellen oder ihre feine Garderobe rausholen, so lege ich an manchen Tagen einen Duft auf, von dem ich weiß, dass man ihn wahrnehmen wird und dass man damit meiner Präsenz schon von Weitem und noch Minuten später gewahr sein wird. Ich finde es schön (manchmal zumindest), wenn meine Kolleg*innen zu mir kommen und sagen: "Ich wusste schon, dass du da bist, es riecht hier so gut!" Oder wenn sie offensichtlich meiner Spur gefolgt sind und dann vor mir stehen: "Boah, was trägst du denn heute Geiles? Kannst gerne heute noch ein paar mal an mir vorbeilaufen!"
Und ihr? Was sind eure Gründe, Parfüm
zu tragen?