KatharinaG

KatharinaG

Rezensionen
KatharinaG vor 1 Jahr 40 18
10
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Paris-Piter.
Papas Aversion gegen Paris war rätselhaft. Sonst könnte er seinem Lucifer (meiner Mutter) kaum was abschlagen, aber ihr Traum von Paris hat er mannigfach sabotiert. Man hat’s gemerkt - es ist persönlich, etwas ist zwischen ihm und Paris gelaufen.
-Papa, ich bin in Louvre und habe die Venus von Milo gesehen!
-Schön, ist die beeindruckender als die Statuen aus Eremitage?
-Papa, Versailles ist gar nicht so opulent, wie ich mir gedacht habe.
-Natürlich nicht, du bist ja mit Palästen verwöhnt, die übertreffen alles.
-Papa, mir ist so schlecht, die Jacobsmuscheln mit Sekt haben bei mir eine heftige allergische Reaktion verursacht.
-Ach Gott, ihr solltet nicht diese fancy französische Häppchen essen. Trink ein wenig Vodka.
Es war also persönlich und es war rätselhaft, weil sonst hat mein Vater nie eine Reise verschmäht, hat gerne exotisch und gefährlich gegessen (ich sage nur - selbstgefangene Barrakudas) und egal wo auf der Welt wir waren, Papa kaufte eine Enzyklopädie über das aktuelle Land/Stadt/Fluss und studierte sie von Seite 1 bis zu den Angaben über Herausgeber.
Die Existenz von Paris hat er geduldet und mit sorgfältiger Desinteresse bestraft.
Aber diesen Paris von Chanel hat er gemocht.
Ich wusste, dass die Düfte ihn nunmehr überfordern, vieles war schnell zu viel und ich habe die Düfte erst beim Verlassen des Hauses aufgesprüht, schnell, heimlich, ein wenig, damit die peitschende eisige Luft, die in dieser Metropole zur 90% aus Abgasen besteht, mich nach ein paar Stunden von den letzten Duftmolekülen befreien konnte.
Aber ein Hauch blieb in den Haaren hängen und in diesen 3 Tagen, in denen wir auf der Grenze zwischen Endlichkeit und Ewigkeit standen, hat Papa oft gesagt, dass ich wie die vereiste Rose rieche, fotografiert am Tag meiner Verlobung, und, wenn die Rosen in Paris so riechen, dann hat er etwas im Leben verpasst und wenigstens Lucifer muss Paris unbedingt besuchen.
Mehr kann ich zu diesem Duft nicht sagen - das ist eine vereiste Rose, ein Hauch Patchouli verleiht ihr Ernst, verhüllt in silbrig-grauen Schleier (ist das die Nevas Kälte? Ist das der Wind an der Seine?). Und die feinsten Zitrusnoten, die Chanel großzügig, aber mit Bedacht, verbaut hat, bringen nichts mediterranes oder sommerlich-fröhliches mit sich. Die sind eher wie Wintersonne, die sich nach Kältestarre mühsam durch die bleierne Wolken durchgekämpft hat. Sie bringt nicht gleich den Frühling und die Hoffnung, aber die Augen, erst geblendet von dem tief stehenden Stern, gewöhnen sich wieder an das Licht.
Paris-Paris ist der Duft für viele Stimmungen- belebt bei der bleiernen Müdigkeit, erdet, wenn die Seele wie der Wind rastlos ist, lässt versöhnlich eigene Melancholie und Trauer akzeptieren. Nicht la vie en rose, sondern cendres de rose - Asche der Rose.
18 Antworten
KatharinaG vor 1 Jahr 45 31
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Nirvana
Auf den Namen will ich nicht eingehen. Ich fluche wie ein Bootsmann, bei uns im Wohnzimmer steht Straßenschild Fickt-euch-Allee und ich betrachte niedere Sprachformen und Kraftausdrücke als eine Art Aggressionsabbau. Habe genug Gründe für, betreibe diese Therapie regelmäßig.
Eine andere Form der Therapie, Gegengift für die bittere Ernsthaftigkeit des Lebens sind für mich die einfachen, süßen Düfte geworden. Nachtisch zum aufsprühen, schnelle olfaktorische Kohlenhydrate. Ich möchte keine Analyse durchführen, wenn ich nicht dafür bezahlt werde, nicht zuhause, nicht in der freien Zeit.
Ich will die Leichtigkeit des Marshmallow im Kopf, „Mama, du riechst lecker“ hören, statt um unchristliche 6:45 vorwurfsvoll „Das riecht schon sehr parfümig“.
Keine verdammte Analyse, keine Reflexion und kein Duft der suggeriert „ Noblesse obliege, schalte Netflix aus, lies lieber nochmal Ulysses oder wenigstens Foucaultsches Pendel, trag mich, die hochintellektuelle Komposition mit den distinguierten Noten von brennenden Autoreifen und Mottenkugeln“
Und Fuck me tender passt zu solchen Tagen.
Einfach zu lieben. Einfach zu tragen. Tretet keine innerliche Diskussion los. Ich schalte mich ab und registriere äußerst vergnügt schwerelose Gedanken:
-Oh, riecht wie Heliotrop in Omas Garten. Und ein wenig wie Sommerflieder. Und die Farbe ist gleich. Und schon bin ich in meiner Kindheit auf der Halbinsel, die sich später als Pandoras Büchse entpuppt hat und… fort, fort mit diesen Gedanken. Marshmallow, Katharina, du bist heute Marshmallow mit Mandelmilchgeschmack.
-Oh, riecht ein wenig wie Fleur du Mâle, den ich so sehr an ihr liebe. Unschuldige weiße Blüten vereint in ein Bouquet, das man nicht in der Nähe von Novizin stehen lassen sollte. Baudelairsche Blumen des Bösen eben.
-Hm, Alien? Ja, verhasster Alien ist plötzlich zahm und sogar attraktiv, hat seine nukleare Jasmin zurück gepfiffen, mit Orangenblüte ausgeschmückt und etwas menschlicher gemacht. Nicht, dass das bei mir immer ein Kompliment wäre.
-Mandelmilchmarschmallow wird zu Amarettinis, diesen weichen, fluffigen, zyanidischen Weichkeksen. Etwas giftig, etwas penetrant, aber köstlich. Aber nicht mehr als 3, sonst Zuckerschock und Karies.
Und so in etwa geht es 4-5 Stunden. Genug Zeit um in meiner inneren Migration in die guten alten Zeiten zu erholen, Quäntchen Leichtigkeit zurück zu erobern und nicht mehr so wehmütig an die Kurt Cobain Worte zu denken: „Nobody dies a virgin... Life fucks us all.“
Ok, but fuck me tender.
31 Antworten