Kayliz

Kayliz

Rezensionen
Kayliz vor 7 Jahren 17 5
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Cambridge Cafe
Vor langer Zeit war ich mal jung und unbeschrieben und für alles offen, da lud mich jemand nach Cambridge ein, er studierte dort.

Mit dem verträumten Blick meiner Jugend war diese Stadt ein magischer Ort. Unter anderem gab es in einer verwinkelten Gasse ein kleines Alternativ-Cafe, das echten Bohnenkaffee und selbstgemachte Kuchen mit Namen wie Chocolate Fudge Cake und Treacle Tart servierte.

Zum Teil war es der exotische Kaffee, der faszinierte und imponierte, zum Teil die Scharen aufregend intellektuell daherkommender Studenten mit ihren unglaublich langen Wollschals, aber hauptsächlich lag meine Faszination an der Tatsache, dass offenbar eine Welt existiert, in der Menschen ganze Nachmittage damit verbringen, in einem Cafe zu sitzen und über Bücher zu reden.

Camino de Azahar Oro Woman versetzt mich zurück an diesen wunderbaren Ort. Der Kaffee ist leicht bitter, er ist mit Rohrohrzucker gesüßt. Die Luft ist warm, einladend, irgendwo in einer Ecke dampft ein nasser Duffle Coat am Haken, es regnet nämlich ... oder ist es draußen neblig? Nicht wichtig, hier drin ist alles, was zählt: die Wärme, der Kaffee, die Gespräche, der Geist.

Irgendwo in diesem Duft ist eine bittere und sogar leicht muffige Gewürznote, die ihn vor banaler Gefälligkeit rettet. Der Duft bleibt warm, wohlig, einladend, aber diese mufflig-bittere Note regt auch an. Es ist so, als könnte man an einem Herbstnachmittag in einem Cafe sitzen, stundenlang über Bücher nachdenken und damit die Welt in Ordnung bringen.
5 Antworten
Kayliz vor 7 Jahren 5 2
9
Duft
Es lohnt sich, dabei zu bleiben.
Der Auftakt zu Anji Bamboo Mist ist so stark urinös, dass ich ihn fast abgewaschen hätte. Das wäre ein Fehler gewesen.
Mit der Zeit weicht der sauer-salziger Nebel, und es enthüllt sich ein Duft, wie ich ihn mir immer gewünscht habe.

Man kennt doch diese Anfragen im Forum von jungen Neuparfumos, die nach einem Duft suchen, der "Souveränität" und "Klarheit" und "Intelligenz" ausstrahlt. Was für ein Quatsch, denkt man da, und wenn man gut drauf ist, gibt man den Tipp, einfach der Nase nach zu gehen.

Tja. Ich fasse mich kurz:
Gras nach Regen, nasse Erde, Bienenwachs, Pilze und ein leiser Hauch des alten Chanel No.19 vereinen sich zu einem Umhang aus glasklarer Wachheit, Intelligenz und ruhiger Lebensfreude.
2 Antworten
Kayliz vor 8 Jahren 24 8
Uncle Bob Is Not Amused
Mein Großonkel lebte schon seit über fünfzig Jahren in der Psychiatrie, als ich ihn in der Kindheit mit meiner Mutter besuchte. Als Mitbringsel wünschte er sich immer Bananen und Condensed Milk.

Manchmal zu meiner großen Freude löffelte dieser sanfte, dünne alte Mann mit den Einsteinhaaren die Condensed Milk in unserer Anwesenheit direkt aus der Dose, da vor uns am Tisch, bis die Dose leer war. Sonst war er oft zerstreut, leicht abwesend, manchmal nervös wie ein misstrauischer Gartenvogel, der weiß, die Katze ist nie weit weg. Bei der Condensed Milk war er aber anwesend, völlig bei sich und bei uns, er war einfach wieder da. Es war wie Magie.

Condensed Milk, fällt mir gerade ein, sollte man nicht mit deutscher Kondensmilch verwechseln. Das nennt man auf Englisch evaporated milk. Condensed milk ist sehr viel dicker und fast unvorstellbar süß. Als Kind fand ich die Condensed Milk-Momente von Uncle Bob zum Teil deswegen so faszinierend, weil das etwas Verbotenes war, was er da tat. Condensed Milk direkt aus der Dose! Unerhört unartig war das. Und trotzdem hatten diese Momente etwas Heiliges an sich. Eine heilige Transgression.

Ich schweife ab... Demeter aber auch, denn das hier ist keine Condensed Milk. Es ist süß, es ist leicht karamellig, aber es hat leider auch einen großen Anteil Plastik. Das gehört zur Condensed Milk nicht dazu. Einen leichten Metallgeschmack hätte ich eher in Kauf genommen -- condensed milk findet man fast nur als Dosenkonserve --, meinetwegen auch den flüchtigen Feuchtgeruch einer Speise, die einen Tick zu lang im Kühlschrank aufbewahrt wurde. Denn es gibt nur wenige Menschen, die eine ganze Dose Kondensmilch auf einmal essen können.
8 Antworten
Kayliz vor 8 Jahren 9 6
10
Haltbarkeit
8
Duft
Verwandlungskünstler
Tau war für mich der überraschende Treffer unter den Onyrico-Proben, die uns Franfan zur Verfügung stellte. Ich habe ihn zweimal probiert – glücklicherweise, denn beim ersten Mal achtete ich vor allem auf das Herz, und dieses Herz ist nicht das, was Tau für mich besonders macht. Bei Tau sind der Kopf und die Basis auf ganz unterschiedliche Arten Oberkracher.

Beim Aufsprühen wähnte ich mich sofort im feuchten Nadelwald. Tiefgrün, erfrischend, und ein klein bisschen erdig: sehr natürlich und überhaupt nicht das, was mir der Name suggerierte, da hatte ich einen synthetisch anmutenden blaugrünen Aquaten befürchtet.

Viel zu schnell, nach 1-2 Minuten, weicht der Kieferwaldboden tatsächlich einem eindeutig synthetischen Duftgemisch. Immerhin nichts Aquatisches, sondern ein klares, sauberes, fast schon sonnencremiges Leder.

Tja, und das hätte es sein können, aber Tau stellt sich erfreulicherweise als wunderbar altmodisch konstruierter Duft heraus. Nach etwa sechs Stunden ist nichts von all dem Vorhergehenden mehr wahrnehmbar: kein Wald, kein eingecremtes Leder und vor allem keine saubere Frische. Tau hat sich in ein Labdanummonster vom Feinsten verwandelt: tief, warm, dunkel und durchaus animalisch. In dieser Phase finde ich ihn gerade noch salonfähig.

Noch kommt mir Tau wie drei verschiedene, nicht klar zusammenhängende Düfte vor. Das kann an der kurzen Kennenlernzeit liegen, oder auch nicht, aber ich möchte diese Bekanntschaft bei Gelegenheit auf jeden Fall vertiefen.
6 Antworten
Kayliz vor 10 Jahren 8
8
Flakon
4
Duft
Mata Hari, wo bist du hin?
Mir erging es ähnlich wie Florblanca. Erst hat sich eine wunderbar trocken-würzige Rose entfaltet, die aber nur kurz anhielt. Es wurde immer bitterer, bis sehr bald nur noch Cumin dominierte.

Vielleicht spielt der Name Mata Hari gerade auf dieses Abtauchen der Rose an? Ist jedenfalls nicht meins, überhaupt finde ich diesen Duft eher maskulin als feminin. Weniger Mata Hari, mehr James Bond, konkreter gesagt: ein leicht verschwitzter Daniel Craig.
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