Konsalik

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1 - 5 von 86
Konsalik vor 2 Jahren 23 12
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8.5
Duft
Achse "Madrid - Wien - Moskau"
Es gibt eine weithin unbekannte, europäische Duftsignatur, die von Österreich nach Spanien reicht und somit, in Ermangelung eines treffenderen Vergleiches, von einem lieben Mitparfumo als "habsburgisch" bezeichnet wurde. Aufgeflogen ist diese untergründige Linie durch den Vergleich zweier alter Granden kontinentaler Parfumeurskunst: "Knize Ten" und "Varon Dandy", die beide als Signaturdüfte ihrer jeweiligen Herkunftsländer anzusprechen sind - zumindest kann dies für weite Teile des 20. Jahrhunderts gelten.

Dieser habsburgische Abschiedsakkord (steinobstsüß, dezent blumig und glimmend-eichenholzig in vollster, beglückender Chypre-Opulenz) diente nun beiden genannten Referenzdüften als Rückgrat, das dem Rezensenten, bei allen wahrnehmbaren Unterschieden an der Oberfläche, doch eine ganz klare Verwandtschaft offenbar werden ließ; die vielbesungene "Guerlinade" drängt sich hier als Vergleich auf.

Wenige Minuten mit einem Tropfen "Rotes Moskau" auf dem Handrücken reichen aus, um diese Verwandschaftslinie im Geiste nach Nordosten zu verlängern. Dieses alte Flagschiff von Novaya Zarya zeigt sich weniger holzig, dafür mit stärkerer Rose, etwas hinzugefügter Vanille und mit einem Hauch von orangig-bitterer Frische, aber dennoch: Die dunkle, vielgestaltige, melancholische und dennoch freundliche Opulenz von Knize ist hier zu deutlich versammelt, als dass man eine Verwandtschaft abstreiten könnte. Überdies zeigt sich im späteren Duftverlauf (vielleicht durch die Vanille) eine gewisse Nähe zu "Russian Water" von Anglia Perfumery; ich habe diese Ähnlichkeit bestimmt nicht des Namens wegen gesucht, sie schien ganz unvermittelt auf. Einige Aldehyde sind hier auch eingearbeitet, aber gerade so dosiert, dass sie strahlen, um zu heben - nicht, um zu stechen. "Chanel No.5" verursacht bei mir Kopfweh, "Rotes Mokau" ist davon weit entfernt. Dabei würde man doch bei dem Gedanken an russische Opulenz genau das Gegenteil annehmen. Aber nein: "Rotes Moskau" ist, ebenso wie "Knize Ten" und "Varon Dandy", ein konservativer Duft der 1920er Jahre; dominante Aldehyde wie in besagtem Chanel-Klassiker waren (man mag es rückblickend kaum glauben) experimentell und progressiv.

Gerade ob seines hohen Alters und seiner, für heutige Nasen, nicht gerade archetypischen Femininität (nur sehr sanfte Aldehyde, kein Pfirsichgewölk o.ä.), halte ich "Rotes Moskau" somit für uneingeschränkt unisex, sofern der Herr bzw. die Dame dieser alten Interpretation eines Chypreduftes grundsätzlich zugeneigt ist.

Nun, ist die Habsburgtheorie mit diesem Duft hinfällig? Ich denke nicht. Jedoch ist sie in diesem Fall als erweiterte, kontinentaleuropäische Nachkriegsduftsignatur aufzufassen. Eine Klasse von Düften, deren farbenfrohes, dufthungriges Aufatmen nach vier Jahren Krieg nicht mit einem radikalen Bruch mit der Vergangenheit (zu teuer) erkauft wurde, sondern im Bewusstsein des Verlustes alles Gewesene noch einmal in seiner mürben Reifeform versammelt und unter den Schirm des Kommenden stellt.

Und wenn zur Zeit viel von einer immer endgültiger werdenden Abwendung Russlands von Europa die Rede ist, bleibt "Rotes Moskau" ein Zeugnis jener Epoche, als sich das komplizierte Verhältnis Russlands zu Europa ("den Westen" in unserem Verständnis gab es noch nicht) noch in schwebender Ambivalenz befand - und so wäre "Weißes Sankt Petersburg" vielleicht ein treffenderer Name gewesen.
12 Antworten
Konsalik vor 2 Jahren 16 14
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7.5
Duft
Waldgeflüster unter Birken
Gute, "anständige" Reinlichkeit aus alten Tagen scheint einer der parfumologischen Leitbegriffe in der Veröffentlichungsgeschichte des Hauses Novaya Zarya zu sein. Denn wie zuvor schon "Consul" (glorified WC-Ente bzw. Scheuermilch) und "Shipr" (blumige Textilbeduftung) umweht auch "Russischer Wald" ein Hauch von gebügelter Gardine und geklöppeltem Untersetzer für die Obstschale.

Für meine Nase ist der gesamte Waldgang, zu dem uns "Russischer Wald" dem Namen nach einladen möchte, unterlegt mit dem stabilen, hellen Duft von Gallseife. Das ist per se weder gut, noch schlecht und ich für meinen Teil schätze durchaus die Haltung, die damit ausgerückt wird: Kampf dem Kragenspeck! Aber was hat das mit "Wald" zu tun? Nadelhölzer, Harz und Ähnliches geben sich allenfalls verschämt zu erkennen, Blumiges schon eher (cremig-hochgeschlossene Iris!). Zur Entschlüsselung des spezifischen Waldcharakters kam mir in diesem Fall die Gestaltung des Flaschenetiketts in seiner derzeitigen Version zu Hilfe.

Abgebildet ist ein biedermeierliches Idyll eines mit Birken gesäumten Waldweges. Während der Rest der Familie (Dame mit kleinem Sonnenschirm, Töchterchen im rosafarbenen Rock, Vater mit Zylinder) diskret Abstand hält, flaniert im Bildvordergrund eine junge Dame in innigem Gespräch mit einem soldatisch anmutenden Herrn. Eine Jane Austen-Szene also, der Wald Panorama und Symbol abgeschiedener Aussprache und Klärung.

Das ist also mit "Russischer Wald" gemeint: Nicht die enigmatische Wildheit sibirischer Ferne, sondern ein zivilisationsnaher, erschlossener Rückzugsraum im St. Petersburger Umland. Und so, wie sich "Russischer Wald" in seiner Komposition darstellt (ähnlich verwaschen und verhalten wie schon "Shipr"), könnte es auch während des Gesprächs der beiden Verliebten im Bildvordergrund gerochen haben: Die Sonntagskleider frisch gereinigt, die widerborstigen Grasflecken an Saum und Rockschoß mit Gallseife herausgerieben, ein dezentes, florales Wässerchen hinter den Ohrläppchen der Dame, von den rückwärtigen Birken her ein schwacher Duft von Grün und trockenem Boden. Alles hochanständig und, ich meine das gänzlich unironisch, wirklich schön!

Dies ist der erste Duft des Hauses, den ich zumindest Freunden klassischer bis archaischer Duftsignaturen wirklich empfehlen möchte, nicht nur angesichts des absurd niedrigen Preises von 1,99€/100ml. Bleiben noch zwei Schwergewichte des Hauses, die es zu besprechen gilt: "Rotes Moskau" (Parfum) sowie "Or des Scythes" (EdP).
14 Antworten
Konsalik vor 2 Jahren 10 7
8
Flakon
6
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5
Haltbarkeit
7
Duft
Unbestimmte Erinnerung
Meine erste Rezension eines Duftes von Novaya Zarya offenbarte eine gewisse, nennen wir es "Rustikalität" in Sachen Komposition, und diese wurde von anderen, erfahrenen Zaryaristen als ein duftübergreifend wesensbestimmendes Merkmal dieses Hauses beschrieben. Nachdem ich mich nun über einige Wochen hinweg durch meine kleine Sammelbestellung anderer Zarya-Düfte hindurchtesten konnte, kam ich zu dem Entschluss, die Reihenfolge der Besprechungen an diesen Rustikalitätskoeffizienten zu koppeln. Heißt: Je mehr Raffinnement sich zeigt, desto später folgt das Review. Und soviel sei gesagt: so kantig und harsch wie der eingangs getestete "Consul" ist keiner meiner fünf bestellten Düfte.

"Shipr"/Chypre zeigt gleich zu Beginn, wie zuvor schon "Consul", eine leichte Tendenz zur Reinigungsmittelfrische, jedoch weniger sanitär und eher dem Bereich der Textilpflege vergangener Epochen zugehörig. Eine leicht brandige, vanillige Seife gesellt sich schnell zur grünlich-bitteren Eröffnung aus Bergamotte und "waldigem" Moos. Und wenn ich auch nicht weiß, wie alt sie ist (Novaya Zaryas Duftkatalog reicht, wenn man eine Namensänderung nicht mit einbezieht, angeblich bis ins zaristische Russland zurück), verströmt die Komposition einen Eindruck saturierter Häuslichkeit aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Betulich, reinlich und adrett scheint "Shipr" seinen Träger mit einer präsentablen, bürgerlich-akkuraten Aura ausstatten zu wollen. Da ich ein Herz für solche "aufräumenden" Funktionsdüfte habe, verzeihe ich hier gerne die formale Dissonanz, die sich im Zusammenspiel eines wenig eindeutigen, beinahe verwaschenen Duftprofils einerseits und fehlender Komplexität andererseits auftut. Auch die leicht staubige, kellerfeuchte Muffigkeit, die man im letzten Drittel des (kurzen) Duftverlaufs ausmachen kann, ist hier weniger Malus als vielmehr willkommener Assoziationsauslöser (vielbenutzte, erkaltete Tabakspfeifen riechen so ähnlich).

Gucci hat vor einigen Jahren einen Duft namens "Mémoire d'une Odeur" lanciert. Dies wäre in der Tat ein passender Untertitel für "Shipr" gewesen; scheu und verhallt steigen undeutliche Erinnerungen auf. Es müssen nicht die eigenen sein.
7 Antworten
Konsalik vor 2 Jahren 15 13
5
Flakon
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Haltbarkeit
6
Duft
Putzkolonne im Konsulat
FvSpee ist schuld! Ich wollte ja eigentlich meine Sammlung verkleinern (Ver-klei-nern!), aber dann stieß ich jüngst beim Nachholen von Besprechungen, die während meiner Abwesenheit verfasst wurden, auf Rezensionen zu Düften der (für Westler) obskuren und ziemlich alten russischen Marke Novaya Zarya.

Es war letztlich eine 9-Punkte-Lobdusche des oben genannten (und akkusierten!) Users FvSpee, die in mir den Wunsch aufsteigen ließ, Düfte dieses Hauses zu besitzen. Praktischerweise lieferte der User Kreisquadrat auch noch gleich eine unkomplizierte Bezugsquelle für diese ansonsten nur schwer erhältlichen Produkte in der Kommentarspalte. Ich mach's kurz: Am gleichen Abend war ich um knapp 30€ ärmer, durfte mich dafür aber auf einen ganzen Schwung EdCs, ein EdP und sogar ein Extrait freuen. Hossa! Leider, leider war der Auslöser meines Kaufrausches, das offenbar grandiose "Floral", zum Zeitpunkt meiner Bestellung ausverkauft. Wird (ein bitteres "hoffentlich" möchte man in diesen Zeiten einfügen) demnächst nachgeholt werden können.

Den Anfang macht eine Besprechung des EdCs "Consul". Die Nase an der Splash-Öffnung lässt Grauenvolles befürchten: WC-Ente galore! Und in der Tat, als ich mich wenige Tage später zu einem mutigen Testsplash durchringen konnte, musste sich meine Nase für einige Minuten durch eine aggressive Wand aus eindeutig sanitär wirkenden Zitronen kämpfen. Urks! Doch gemach, man ist ja erfahren und weiß zumindest, dass gerade ein zitrischer Auftakt in aller Regel eben nur das ist: ein Auftakt. Und in der Tat schlägt der Duft schon nach kurzer Zeit von einem penetranten Gelb in ein wesentlich angenehmeres Hellgrün um, ohne dass es dezidiert krautig würde. Eher erscheint mir Consul ab diesem Punkt wie ein grobschlächtiger Cousin von Muglers "Cologne", nur ohne den modernen Unterbau des beliebten Neoklassikers. Dafür behält Consul seine Putzmittel-Kantigkeit auch im weiteren Duftverlauf, ergänzt um eine Ahnung von kokelnden Holzscheiten (Weihrauch im Abgang?). Insgesamt zwar etwas eigenartig, sicherlich wenig raffiniert, aber eben auch nicht mehr schlecht.

Dennoch: Kein Auftakt nach Maß, aber es folgen ja noch einige verheißungsvolle Namen. An der Reihe wären noch: Russischer Wald, Shipr, Rotes Moskau und Or des Scythes. Hossa!
13 Antworten
Konsalik vor 2 Jahren 39 14
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9
Duft
Le nuage français
Wollte man französische und englische Duftphilosophien nach ihren zugrundeliegenden Paradigmen bestimmen, käme man kaum umhin, in grober Vereinfachung zu behaupten, dass "der Engländer" Komplexität dadurch erreicht, dass er - gleich einem Englischen Garten - die Riechstoffe arrangiert, während "der Franzose" - gleich einem Gobelin - Komplexität erreicht, indem er die Komponenten verwebt.
Vielen großen englischen Düften eignet somit, bei aller Komplexität, eine gewisse kantige Disparatheit, während sich nicht wenige französische Klassiker durch eine eher unscharfe "Wolkigkeit" auszeichnen. Die eigentliche Kunst besteht in letzterem Fall darin, diese Wolkigkeit nicht in diffuse Beliebigkeit ausfransen zu lassen, so dass der Duft bei aller Verwobenheit einen deutlich erkennbaren, einmaligen Charakter bewahrt, in einem gewissen Sinne also "einfach" bleibt. Gerade die Geschichte des Hauses Guerlain ist gespickt mit Meisterwerken, denen dieser Spagat so mühelos gelingt.

Ich habe auf Parfumo nun schon eine Reihe von Parfums besprochen, die der Familie der grünen Seifen-Fougères angehören: von hemdsärmelig-simpel (Paco Rabanne pour homme) bis kunstvoll-mehrdimensional (Van Cleef & Arpels pour homme) - und selbst Letzterer ist bei all seinem Facettenreichtum nicht wolkig im oben umrissenen Sinne; in meiner Rezension beschrieb ich ihn seinerzeit als klar geschnittenen, dunkelgrünen Saphir.
Hermès' Equipage hingegen IST wolkig (und damit im Ausdruck fast schon "chyprig"). Die strahlend eröffnenden Aldehyde sorgen dafür, dass es sich hierbei um eine helle, sonnenbeschienene Wolke handelt, in welcher jedoch der grün-seifige Dreiklang aus Nelke, Moos und Moschus nicht verwischt wird und zurücksinkt, sondern Raum erhält und atmen kann. Die Nase am Handrücken bestätigt hierbei die gelisteten Bestandteile der Duftpyramide: Ob Maiglöckchen, Jasmin, Salbei oder Patchouli - all das ist fraglos vorhanden, aber nicht in beschwerender, verklebender, sondern in stützender und distinguierender Funktion. Equipage umgibt seinen Träger mit einer mühelos schwebenden, bei aller Dichte ungemein transparent wirkenden Duftwolke, so als habe Guy Robert dem Träger mit Equipage das männliche Äquivalent eines leichten Tages-Makeups auf den Leib bzw. auf den Hals schneidern wollen.
Ein, im allerbesten Sinne, "kosmetischer" Duft also, der die Schritte seines Trägers leicht und federnd macht. Am Tage Equipage, am Abend Van Cleef & Arpels pour homme: das könnte Manchem vollauf genügen.

Epilog in eigener Sache: Dies ist meine erste Rezension seit anderthalb Jahren. Aus einem angekündigten Winterschlaf wurde ein regelrechter Rückzug, war doch mein Regal voll und meine Nase müde. Ich wollte (und will) zunächst einmal Bestände durch Gebrauch reduzieren, die Sammlung konsolidieren. Ich verspreche daher nichts, vor allem keine Rückkehr zur Regelmäßigkeit, bedanke mich aber sehr herzlich bei allen, die sich in den letzten Monaten nach mir erkundigt haben. Die Parfumo-Gemeinschaft ist eine zu gute, als dass ich ihr die Treue aufkündigen könnte.
14 Antworten
1 - 5 von 86