Duft-Semantik und unser Sprachgebrauch

Düfte werden komponiert. Ähnlich den Klängen, die, zu einem Musikstück gefügt, unsere Sinne erreichen. Duftessenzen sind wie Noten, die zu einer Melodie werden: Sie klingt an, wenn wir mit unseren Fingern den Flakonknopf drücken oder ein paar Tropfen auf Haut und Haar verteilen. Manchmal schrill, manchmal lieblich, manchmal heftig, manchmal still. Wenn Musik nicht gut klingt und wir dieses Bild auf unseren erlebten Alltag übertragen, sprechen wir von Misstönen, die sich einschleichen, einem Ton, der nicht getroffen wurde oder einem Gleichklang der Gefühle. Wir sprechen unisono oder unsere Stimmung ist in Moll. Musik ist übersetztes Gefühl und wir kehren den Prozess sprachlich wieder um: Wir benennen Alltagserlebnisse vielfältiger Art mit Analogien aus der Musik, aus dem Klangbereich.



Das Gleiche machen wir mit unseren olfaktorischen Sinneserfahrungen. Wir sprechen davon, dass uns etwas stinkt, dass wir einander nicht riechen können oder etwas einen Odeur hat. Pecunia non olet – auch das Fehlen von Geruch setzen wir sprachlich um. Wenn uns etwas überrascht, behaupten wir, wir hätten das doch nicht riechen können. So mancher Platzhirsch hinterlässt eine Duftspur und wir alle kennen Vorgänge, die zum Himmel stinken. Manche Mitmenschen entpuppen sich als wahre Stinkstiefel. In einem Kräftemessen fassen wir unsere Unterlegenheit in die Worte, gegen unseren Gegner nicht anstinken zu können. Am liebsten ist es uns, wenn der dann so schnell wie möglich verduftet. Berliner und Berlinerinnen in den 1970er Jahren fanden alles, was sie klasse, cool oder nice fanden: dufte. Doch die positiven Duftkonnotationen scheinen in der Minderheit, viel öfter begegnen wir sprachlichen Umschreibungen, die Empörung oder Abwehr ausdrücken – mit der Kehrseite eines Duftes, dem Gestank.



Entwicklungsgeschichtlich verständlich, warnte ein übler Geruch doch vor Gefahr durch Giftiges oder Verdorbenes, aber trotzdem bedauerlich, denn wie gerne schnuppern wir an Blüten, Früchten oder auch an der Haut eines anderen. Wir bekommen Appetit, wenn wir der Duftspur leckerer Speisen folgen und entspannen bei aromatischen Düften nach Wiese und Wasser und Wald.



Hilft es bei der Vormacht der negativen Geruchskonotationen, sich an die philosophischen Konstrukte der Dichotomie oder der Dialektik zu halten? Diese Ideen besagen sinngemäß (und sehr vereinfacht), in jedem Gegenstand (im übertragenen Sinne) der Betrachtung stecke auch sein Gegenteil. (Mehr siehe WIKI-Auszüge unten) Doch der dem Konstrukt innewohnende Trost will nicht so recht greifen – und ist, bezogen auf unser Subjekt, den Duft, kein so recht befriedigender Abschluss, oder?



Kennt ihr noch sprachliche Umschreibungen aus dem täglichen Leben, die Schönes, Aufregendes mit Düften verbinden?



*Dichotomie bezeichnet eine Struktur aus zwei Teilen, die einander gegenüberstehen und einander ergänzen (zum Beispiel ein komplementäres Begriffspaar), oder eine Aufteilung in zwei solche Teile (zum Beispiel die Aufteilung eines ganzen Bereichs in zwei Teilbereiche). (Quelle: Wikipedia)



*Dialektik ist ein philosophischer Begriff, der eine Gesprächsführung bezeichnet. Seit dem 18. Jahrhundert setzte sich die Verwendung des Worts als die Lehre von den Gegensätzen in den Dingen bzw. den Begriffen sowie die Auffindung und Aufhebung dieser Gegensätze durch. Rein schematisch kann Dialektik in diesem neueren Sinn vereinfachend als ein Diskurs beschrieben werden, in dem einer These als bestehende Auffassung oder Überlieferung ein Aufzeigen von Problemen und Widersprüchen als Antithese gegenübergestellt wird, woraus sich eine Lösung oder ein neues Verständnis als Synthese ergibt. (Quelle: Wikipedia)



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