MajorTom

MajorTom

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1 - 5 von 105
MajorTom vor 3 Monaten 1
6
Flakon
4
Sillage
6
Haltbarkeit
6.5
Duft
007? No way
Atkinsons. James Atkinsons. Ob die Ähnlichkeit der Namensgebung zum 007-Darsteller so gewollt war? Natürlich stand der Firmengründer Pate für den Namen des Duftes, dennoch ist der Vorname irgendwie beifallheischend. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Als ob man irgendeinen Link zu James Bond ziehen wolle, könnte ja dem Verkaufserfolg förderlich sein ;-)

Der Flakon steht in meiner Stammparfümerie eingesperrt in einer Vitrine etwas schüchtern und zurückhaltend da, schon rein farblich betrachtet. Keiner, der dich optisch catchen könnte, aber es kommt ja immer auf die inneren Werte an.

Also erst mal aufsprühen, bisschen umschauen, wirken lassen. Dann die Nase an den Duft führen und - ja was eigentlich. Im ersten Moment überwiegt Enttäuschung bei mir. Ich habe den Eindruck, einen Duft aus dem letzten Jahrtausend zu testen. Könnte aus den späten 70ern oder 80er stammen. Das muss nicht unbedingt negativ sein, ganz im Gegenteil. Aber für einen eigentlich modernen Duft ist das Ergebnis aus meiner Sicht schon etwas ernüchternd.

Ich mache mich auf den Weg zurück ins Büro und vergesse zunächst tatsächlich, was ich an mir trage. Erst nach einer Stunde beginne ich wieder zu schnüffeln und ich muss schnüffeln, denn von selber macht sich James nicht bemerkbar - das Ergebnis bleibt gleich. Für mich ein Vertreter der grün-würzig-erdigen Schiene. Positiv formuliert könnte man sagen, ein eleganter, unaufdringlicher, gut tragbarer Duft mit leicht holzigen und minimal frischen Akzenten. Negativ dargestellt wäre der Wortlaut eher: Unspektakulär, uninspirierend, etwas belanglos, leicht ältlich, austauschbar, mäßige Haltbarkeit und noch mäßigere Sillage.

Und sol lässt mich James etwas ratlos zurück. Obgleich kein schlechter und schon gar nicht abstoßender Duft, letztlich aber mit zu wenigen Argumenten, um bei mir einen Kaufreiz auszulösen. Schlechte Kritiken wird kein Mann mit diesem Duft ernten, aber ist das gut genug? Ein Duft muss für mich nicht den kompletten Floor einnebeln, aber eine gewisse Wahrnehmungskraft sollte dann doch vorhanden sein. Insofern untern Strich aus meiner Sicht eine verpasste Gelegenheit für Atkinsons, einem großen (Vor)Namen auch einen ebenso großen Duft nebenan zu stellen. Schade eigentlich, da hätte mehr draus werden können.
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MajorTom vor 3 Monaten 14 4
9
Flakon
3
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Der erfolgreiche Bruder
Letztlich im Drogeriemarkt mit der großen Parfümabteilung fiel mir im Vorbeigehen bei der Rubrik Boss die große Anzahl an gold-braunen Verpackungen und Testern auf. Boss Bottled Elixir, Parfum Intense Natural Spray. Ich muss vorausschicken, dass Boss Number 1 mein erster Duft überhaupt war, er legte sozusagen das Fundament für meine spätere Begeisterung, was Düfte angeht. Und ich hatte damals das komplette Sortiment: Eau de Toilette, Duschgel, After Shave. Dann kam lange nichts von den Metzingern, was irgendwie interessant gewesen wäre, bis dann über ein Jahrzehnt später Boss Bottled die Bühne betrat.

Boss Bottled ist für mich auch heute noch ein überragender Duft. Natürlich wurde er ein Stück weit Mainstream, aber ich habe förmlich darin gebadet. Mein Verschleiß an Flakons und Duschgels erreichte teilweise besorgniserregende, weil astronomische Größenordnungen. Ich liebte diesen Duft und erkenne ihn auf fünf Meter Abstand. Erst letztlich war bei einem Klassentreffen ein Kollege schwerst irritiert, als ich meinte „du trägst Boss Bottled, richtig?“. Ein Ja, irgendwo zwischen Verlegenheit und Überraschung, war die Antwort. Boss Bottled ist ein außergewöhnlicher Duft mit absolutem und hohem Wiedererkennungsfaktor. Einer, den du fast immer tragen kannst, der immer passt. Im Büro sowieso, aber auch zum shopping, zum Cappucino in der Sonne, abends zum Dinner.

Mit den nach einem Erfolg typischen Flankern wurde ich nie richtig warm. Für mich war keiner der wingman’s des großen Bruders ein echter Gewinn. Insofern war meine Erwartungshaltung an das Elixir entsprechend niedrig. Dennoch, man will ja schließlich wissen, was alles am Markt vorhanden ist, also gleich mal den Tester geschnappt und die Handgelenke beduftet.

Elixir eröffnet rauchig-würzig, bei mir auf der Haut zu meiner Überraschung aber sogar leicht frisch, wofür ich Patchouli verantwortlich mache. Im Laufe der ersten Stunde bin ich wirklich sehr angetan über das, was sich in meine Nase an Wolken bewegt, der Duft wird etwas dunkler, ich empfinde ihn als sehr männlich und ja, ich würde ihm durchaus auch leicht animalische und aphrodisierende Noten zugestehen. Erotik pur für Stunden zu zweit oder für den Auftritt des Single-Manns in einem Club. Die Mischung wirkt hochwertig, keinesfalls billig und unterscheidet sich damit wohltuend von typischen Poser-Düften, die mit synthetischen Möchte-Gern-Oud-Verschnitten oder Ambroxan-Bomben um die Ecke biegen.

Nach etwa eineinhalb Stunden beginnt bei mir der Twist, der Duft verliert seinen starken Anfangscharakter, das offenbar reichlich verbaute Labdanum gewinnt die Oberhand. Dadurch wird BBE wärmer, ich meine eine gewisse vanillige Note zu vernehmen, sogar etwas blumige Anklänge, in Summe einfach weicher und auch süßer. Das ist tatsächlich weniger meins, denn damit kommt dem Duft auch seine Maskulinität ein Stück weit abhanden und das finde ich sehr schade. Je länger je mehr wird das Elixir süßlicher, bevor es dann aber erst Stunden später eher unspektakulär ausklingt.

Und so lässt mich BBE in zwei Phasen zurück: Ein brillianter Auftakt und ein für mich etwas enttäuschender dry down. Trotzdem ist Boss hier der aus meiner Sicht bislang beste Flanker gelungen, der dry down ist einfach Geschmacksache.

DER Duft für abendliche Events, egal ob mit der Lady oder den Jungs. Schwer, dunkel, männlich, markant. Labdanum getriebene Sinnlichkeit.

Haltbarkeit und Sillage überdurchschnittlich, mein on skin test hat hier sehr ordentliche Werte abgeliefert. Was ein Parfum aber auch imstande zu leisten sein sollte, mal davon abgesehen. Auf der Haut gewinnt der Duft im Vergleich zum Teststreifen massiv an Intensität und hinterlässt wirklich Eindruck.

Der Flakon: Warum sollte man mit Gewalt versuchen, etwas wirklich Gutes zu verschlimmbessern? Es ist und bleibt ein Boss Bottled, die Wiedererkennung und Zugehörigkeit zur Familie ist klar erkennbar und das geht auch vollkommen in Ordnung so. Die Farbgebung finde ich extrem gelungen, passt perfekt zum Duft, sieht zudem einfach auch edel aus.

Preis-Leistung: In Zeiten, wo mancher Hersteller das Gefühl hat, er könne sich alles erlauben (bspw. Creed, wo jetzt gerne mal 190 Euronen für 50ml aufgerufen werden), sind die Preise hier in einem vertretbaren Rahmen gehalten. Normalerweise trägt das Elixir ein Preisschild von 110 Euro/50 ml, mit etwas Geschick finden sich aber auch Angebote mit um die 70 Euro - und das ist sehr fair für das Gebotene.

Fazit: Der beste Boss Bottled nach dem einzigartigen und unerreichbaren Original. Testempfehlung für alle, die einen Abendduft suchen. Für die Oper vielleicht too much, perfekt aber für‘s intime Dinner und die rauschende Clubnacht. Ein Duft, der seinen Weg gehen und seine Träger finden wird.

4 Antworten
MajorTom vor 6 Monaten 6 1
8
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
5
Duft
Nie ist die Nacht so dunkel wie kurz vor Tagesanbruch
Du kannst es im Leben nie allen recht machen. Das ist weder gut noch schlecht, das ist einfach so. Weil jeder von uns (zum Glück, sonst gäbe es nur eine Sorte Mensch, was für eine Vorstellung!) seine eigenen Präferenzen hat, seine eigenen Vorstellungen, seine eigenen Ziele.

Wie oft habe ich hier schon gelesen (und auch selbst geschrieben), dass ein Duft eine mäßige Haltbarkeit, noch häufiger aber eine eher schwach ausgeprägte Sillage aufweist. Wer nach einem echten Brüller in dieser Hinsicht sucht, well, boys and girls, here you go: BOCCANERA. Ein Duft, den du niemals vergessen wirst. Schon alleine deswegen, weil du ihn kaum mehr los wirst :-)) Genau das wird von manchem meiner Vorredner dem Duft auch vorgeworfen. Zu stark, zu lange haftend. Naja, wie oben gesagt, man kann es nie allen recht machen.

Aber back to square one. Die Probe, die ich erhalten habe, kommt in Form einer Blase daher, welche oben aufgebrochen werden muss, nett anzuschauen, aber in kleinster Weise darauf hindeutend, was sich in ihr verbirgt. Das Handling ist vorsichtig ausgedrückt semi-optimal, denn als ich die Sollbruchstelle der Blase nach hinten abknicke, ergießt sich schwallartig ein guter Teil des Inhalts auf meinen Schreibtisch und über meine Finger. Ich nehme ein Tempo, um die Sauerei wegzumachen und desinfiziere meine Hände mit der herumstehenden Antivirusflüssigkeit. Dennoch, der „Schaden“ ist angerichtet, denn nachdem (das wirklich klinisch scharf riechende) Desinfektionsmittel getrocknet ist, riechen meine Finger genau wie vorher. Das Tempo ist getränkt mit Boccanera und beginnt unbarmherzig mein Büro auszuduften. Ich verlasse mein Büro und wasche mir die Hände. Als ich zurückkomme, hat sich die Duftbombe schon Bahn gebrochen, mein Büro ist zu einzigem Dufttempel mutiert. Ich kann es kaum fassen und entsorge das vollgesogene Tempo in sicherer Entfernung. Wieder zurück im Büro hängt mir der Duft weiter in der Nase, aber wieso? Ich beschnüffle meine Finger und stelle fest, dass wohl ein zweiter und ggf. vielleicht sogar dritter Waschgang von Nöten wäre, um eine Entfernung sicherzustellen. Holy shit, das Zeug hat Wumms ohne Ende und eine Haltbarkeit, wie ich es noch nie erlebt habe. Also erst mal „kleben“ lassen, gespannt auf die weitere Entwicklung.

Was ist Boccanera für ein Duft? Meine erste Assoziation ging ein bisschen in Richtung Intoxicated von Kilian, der eine ähnliche Performance bietet, in Summe aber doch süßer um die Ecke biegt. Beiden gemein ist eine Dunkelheit, die ihresgleichen sucht.
Boccanera startet gewaltig, ich kann es nicht anders sagen, das Ding haut mich fast aus dem Stuhl. Ich habe das Gefühl, dass alles, was in diesen Duft reingepackt wurde, direkt im Auftakt förmlich wieder herausplatzt und mich unter einer Lawine begräbt. Ich vernehme Kaffee, Schokolade, Pfeffer, Zimt, Harz, Holz. Alles dunkel, seeeeeehr dunkel.

Nach einer halben Stunde ist die brachiale Gewalt des Anfangs etwas vorüber und ich weiß noch immer nicht, ob das Ding jetzt hammergeil oder einfach nur schlecht finden soll. Aber ich ertappe mich dabei, dass ich immer wieder an mir schnüffle. Ein bisschen verschämt, so als ob es verboten wäre. Aber alles, was verboten ist, ist ja gerade spannend. Der Kopf sagt nein, der Bauch will es aber wissen. Du kannst nicht mit, aber auch nicht ohne leben. Das Ding ist maskulin, animalisch, promiskuitiv. Auf der anderen Seite dreckig, abstoßend, irgendwie eklig. Eine ganz komische Kombi, very strange.

Stunden später hat sich am Gesamteindruck nichts geändert. Nach wie vor befinde ich mich in einer dunklen (Duft-)Wolke. Die deutlich besser geworden ist, als sie am Anfang war, die aber genauso performt wie zu Beginn, will sagen, jede und jeder, also einfach wirklich alle nehmen dich im Vorbeigehen wahr. Du spürst förmlich die Blicke, die dir folgen, die Leute sind irritiert ob dieses Duftes, wie ich selbst ja auch.

Es ist dunkel geworden. Und die Dunkelheit passt perfekt zum Duft. Als ich auf die Straße trete, kommt mir schon wieder ein Schwall in die Nase, es ist unglaublich. Zuhause rümpfen sich die Nasen am Tisch, die Kommentare sind wenig druckreif. In einem Video wäre vermutlich ein Dauerpiepton notwendig, um nicht jugendfreie Ausdrücke auszublenden. Das zum Thema soziale Akzeptanz. Wer sich Boccanera antut, sollte wissen, was er damit lostritt und sollte auch mit den Konsequenzen leben können. Ein crowd pleaser ist das DIng ganz sicher nicht.

Das liest sich speziell im letzten Absatz ziemlich negativ. Dennoch übt der Duft einen unglaublichen Reiz aus. Er ist ein Spalter, ein Polarisierer, ein Schwarz-Weiß-Maler ohne Schattierungen. Du liebst diesen Duft oder du hasst ihn, dazwischen ist nichts. Sillage und Haltbarkeit sind aus einem anderen Universum, einfach nur galaktisch. Nomen est Omen, Boccanera macht seinem Namen alle Ehre.

Mein Problem mit dem Duft: Ich weiß gar nicht, wann ich ihn tragen sollte. Im Büro? Im Leben nicht. In öffentlichen Verkehrsmitteln? Fucking hell, niemals. Beim Sport? Wenn du aus dem Gym geworfen werden willst, bitte. Bei der Shopping tour? Wäre deiner Frau/Freundin wohl eher peinlich. In Club/Bar? Da noch am ehesten, aber was machst du am nächsten Tag, dass Ding hält locker 12 Stunden!

Der Duft ist extrem, in alle Richtungen. Ich bewundere Parfümeur Gualtieri für seinen Mut, eine solche Granate zu erschaffen und damit zu zeigen, was in der Branche möglich ist - und belohne diesen Mut mit einem Extrapunkt. Ob man sich für Boccanera entscheidet oder nicht, ist eine Frage, die jeder für sich beantworten muss. Ich kennen niemanden, der diesen Duft trägt. Auffallen ist sichergestellt. Kommentare ebenfalls. Ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und psychische Stabilität sind weitere Voraussetzungen für einen potenziellen Träger. Nichts für jedermann…
1 Antwort
MajorTom vor 6 Monaten 1
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
4.5
Duft
Welcome to the modern world!
Die 80er waren meine Jugend. Dieses Jahrzehnt hat mich in vielerlei Hinsicht geprägt, was Stil angeht, was Mode betrifft und dieses Jahrzehnt war auch mit verantwortlich für meinen Hang zu Düften. Hugo Boss durfte nicht fehlen, Cool Water kam dann etwas später, Silver von Aigner fand ich den Wahnsinn schlechthin, Azarro in seiner Urform und natürlich Antaeus von Chanel, der Oberhammer per se. Viele haben den Jahrtausendwechsel nicht überlebt, aber einige haben es doch geschafft und zieren auch heute noch meine Konsole über dem Waschbecken im Bad. Selbstverständlich haben sich gerade in den Nuller-Jahren einige neue Düfte dazugesellt, aber ich hänge nach wie vor an manchem Klassiker.

Was hat das nun mit Ginger zu tun? Letztlich habe ich am Morgen Antaeus aufgesprüht und mir von meiner Kleinen anhören, dass „der Duft aber ältlich riecht“. Ich so: Was heißt denn bitte „ältlich“? Antwort: Naja, so riechen halt alte Leute, da hast du doch bessere. Das war so ein in-your-face-Moment. Natürlich bleibe ich meinem so geliebten Antaeus treu, in erster Linie trag ich einen Duft ja für mich und nicht für andere. Aber ja, zugegebenermaßen, es hat sich in den letzten Jahren viel verändert in der Branche. Was hatten wir in den 2010er Jahren nicht alles an Oud-Düften, der Markt wurde geradezu inflationär überschwemmt damit. Heute sind es vielfach Ambrox- und sonstige künstliche Bomben, mögen muss man das nicht, aber gekauft wird es ja offensichtlich. Und dann eben Ginger.

Dieser Duft startet mit einer leichten Schärfe, wobei ich nicht klar unterscheiden kann, ob es denn am Ingwer oder am mit verbauten Pfeffer liegt. Dennoch ist von Anfang auch eine Frische vernehmbar und nachdem die Schärfe sich etwas verzogen hat, fühle ich mich wie frisch gewaschen, anders gesagt, irgendwie „sauber“. Ginger ist ein sehr cleaner und angenehmer Duft, je länger er bei mir wirkt, umso femininer kommt er mir aber vor. Würde meiner Kleinen hervorragend stehen. Penetranz kann man ihm nicht vorwerfen, sowohl Sillage wie auch Haltbarkeit sind auf einem Okay-Level, ohne aber nach oben die Lichter auszuschießen. Der Flakon selbst ist nett gemacht, passt irgendwie zum Duft, auch hier kein großer Aufreger, eher eine cleane Erscheinung, temporary design auf neudeutsch. Aufgrund seiner frisch-fruchtigen Machart sehe ich den Duft von ca. April-September, also eher in den wärmeren Monaten, wenn es kalt wird, verliert er doch stark an Wirkung.

Es ist ein moderner Duft, m.E. für jüngere Ladies, die etwas an sich haben wollen, was gefällt, was nicht abschreckt, einfach da ist und umhüllt. Dezent, zeitgemäß und ja, durchaus auch mit einem gewissen Chic. Preislich aber ist das Ding schon relativ weit oben aufgehängt und damit für die generations y and z vielleicht zu hoch angesiedelt. Es sei denn, man bekommt ihn geschenkt oder ist von Beruf Tochter, soll’s ja auch geben. Testempfehlung für die holde Weiblichkeit.
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MajorTom vor 6 Monaten 1
5
Flakon
3
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Wenn die Ansprüche steigen
Meine 100. Rezension galt einem Duft, der es wirklich wert war, beschrieben zu werden: Brunello Cucinelli. Nach diesem kleinen, persönlichen Jubiläum war ich gespannt, welcher Duft mich als Nächstes zu einer Rezension verleiten würde. Denn in all den Jahren, seit ich auf diesem Portal bin, mal mehr mal weniger aktiv, haben sich meine Ansprüche hinsichtlich eines EdTs und/oder EdPs doch klar verändert. Alles ist gestiegen. Meine Ansprüche an Düfte. Meinem Gefühl nach auch die Preise für Düfte im Allgemeinen. Die schiere Anzahl an jährlichen Neuerscheinungen sowieso. Und meiner Wahrnehmung nach auch die Anzahl der Leute, die sich morgens womit auch immer mehr oder weniger vernehmbar eindieseln.

Als ich dann in einem Herrenmagazin (Tweed) auf eine Reihe mir unbekannter Düfte gestoßen bin, war klar, dass Cinematic von „Der Duft“.

Cinematic hört sich vom Wort her für mich modern an. Irgendwie digital. Gemäß dem Parfümeur „…Noten und Akkorde, die hin und her wandern…dynamisch und luftig…“. Gut, Papier ist bekanntermaßen geduldig, am Ende des Tages zählt das Endergebnis und das gefällt oder eben nicht.

Unboxing. Eine stabile Kartonage schützt den Inhalt während des Transports. Sehr unaufgeregt kommt die Schachtel daher und der Flakon selbst haut mich jetzt im ersten Moment nicht aus dem Stuhl. Eine Art Würfel, versehen mit einem Aufkleber. Das ist schon sehr sehr einfach gemacht, Puristen aber würden in Jubelstürme ausbrechen und das Design als super clean bezeichnen. Ich finde es einfach nur billig, es catcht mich überhaupt nicht, sorry. Wenn ich 120 Steine abdrücken muss, habe ich auch an den Flakon eine Erwartungshaltung. Immerhin, die Verschlusskappe besitzt einen Magnet, welcher sauber funktioniert und ähnlich wie bei den Louis Vuitton Düften eine gewisse Hochwertigkeit erkennen lässt. Auch der Sprühkopf verrichtet einen seriösen Job und verteilt den Inhalt in einem nachdrücklichen Nebel.

Der Duft. Erster Eindruck: Wow, ganz schön scharf! Ich schwanke zwischen Pfeffer und Ingwer, die Duftpyramide stellt klar, dass es sich um die krautige Pflanzenwurzel handelt. Zum Glück ist die Schärfe nicht von allzu langer Dauer, denn schnell bekommt sie die Gesellschaft von zitrischen Noten. Noch irritiert von der Schärfe zum Auftakt kann ich auch mit der neu entstandenen Kombi wenig anfangen, erinnert mich irgendwie an einen Geruch zwischen WC-Stein und Badreiniger. Also gebe ich der ganzen Mixtur erst mal Zeit sich zu entwickeln und widme mich anderen Dingen. 30 Minuten später gefällt mir Cinematic schon deutlich besser. Die irritierenden Anklänge zum Start sind verschwunden, was in meiner Nase vernehmbar bleibt, ist eine Mischung aus im wesentlichen Ingwer, Zitrone und einem Gewürz (die Duftpyramide führt Kardamon an). Und dennoch kommt der Duft jetzt irgendwie weicher daher als zu Beginn, ich bilde mir ein, Vanillenoten zu vernehmen. Mit der Vanille ist das so eine Sache, ich bin nicht zwingend ein großer Fan davon. Ich mag keinen Kaffee, der mit Vanille, Caramel oder sonstigstem geschmacklichem Beiwerk durchzogen ist. Ich habe auch meine Schwierigkeiten mit Tom Fords Vanille Fatale oder Tobacco Vanille, ganz zu schweigen von YSLs Black Opium. Warum? Weil eine zu starke Vanille-Note sehr süß, blumig und weiblich rüberkommt und das ist meins einfach nicht. Bei Cinematic finde ich die Vanille aber perfekt mit dem Ingwer ausbalanciert, man schätzt und akzeptiert sich gegenseitig, ja ich bin sogar geneigt zu sagen, beide ergänzen sich wunderbar. Stunden später hat sich vom Grundcharakter nicht mehr wirklich viel verändert, aus meiner Sicht ein angenehm würziger aber keinesfalls aggressiv auftretender Geselle. Nicht vollkommen überraschend wird die Zitrone im Verlauf der Stunden immer schwächer und die vorhandenen Gewürze, im Zaum gehalten von Vanille- und Moschusnoten, bleiben übrig, ehe der Duft nach Stunden sanft ausklingt.

Sillage: Ja, ich muss schon sagen, der anfängliche Wumms von Cinematic ist nicht von schlechten Eltern. Kommt deutlich vernehmbarer um die Ecke, als ich es erwartet hätte. Von langer Dauer ist der Auftritt allerdings nicht, bei mir ist nach etwa zwei Stunden nicht mehr viel übrig. Einen Test auf der Kleidung habe ich nicht durchgeführt, hier mutmaße ich eine klar längere Performance.

Haltbarkeit: Die geht voll in Ordnung. 7-8 Stunden, damit lässt sich leben, wenn man bedenkt, dass viele zitrische Düfte schon nach 3-4 Stunden Tschüss sagen.

Für wen und wann: Das zu beantworten fällt mir gar nicht so leicht. Zunächst, ich sehe den Duft klar unisex. Aus diesem Grund Punktabzug, ich steh einfach mehr auf die Macho-HauDrauf-EckenundKanten-HierKommIch-UltraMaskulin-Schiene wie Fetish von Roja Parfum oder Antaeus von Chanel. Cinematic ist ein Softie und wie schon Parfümeur Miguel Matos anführt, „…Basis, die einen abfedert.“ Das ist tatsächlich sehr gut auf den Punkt gebracht, weil dich der Duft über den Tag hinweg einhüllt, vielleicht sogar einlullt. Er ist dein Begleiter, er ist einfach da, aber unaufdringlich, fein, schön, hochwertig.
Mehr Latte Macchiato als Espresso. Mehr Kaschmirpullover als Lederjacke. Mehr Ugg-Boot als Cowboystiefel. Mehr Büro als Sport. Mehr ICE als U-Bahn. Mehr Jazz als Techno. Mehr Vanille- als Chili-Schote.
Ich sehe den Duft perfekt zur Geltung kommend in den Monaten Oktober-April/Mai, durch die Wärme, die er ausstrahlt. Man muss ihn tragen können und wollen. Er ist ein Charmeur und durchaus auch in der Ecke compliment fishing gut aufgehoben. Für jüngere Herren aus meiner Sicht gar nix, bei Damen schon eher die komplette Bandbreite.

Fazit: Es wird Tage geben, an denen ich ihn liebe. Und es wird Tage geben, wo er mir zu weich sein wird. Definitiv kein Blindkaufkandidat. Aber genauso definitiv eine spannende Ergänzung für diejenigen, die meinten, alles schon zuhause stehen zu haben.
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