Mamue
Mamues Blog
vor 3 Jahren - 13.02.2021
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Frust oder Lust?

Jahrzehntelang trug ich kein Parfum. Ich habe es nie vermisst. Es hatte einfach keine Bedeutung, weder im Alltag, noch zu besonderen Anlässen. Vielleicht mal eine gut riechende Körpercreme – mehr nicht. Dann bahnte sich aus mir heute nicht mehr erklärbaren Gründen plötzlich der Wunsch an, einen Duft tragen zu wollen. So entschied ich vor ca. einem Jahr, mich auf die Suche nach einem geeigneten Parfum zu begeben, meinem Signaturduft, wobei ich diesen Begriff damals noch gar nicht kannte.

Es sollte ein Vanilleduft sein. Pure Vanille, nicht nur irgendwie beigemischt. Dabei wollte ich keinen Mainstream-Duft, sondern etwas Besonderes. Das war der Start für mein Interesse an Nischendüften, wobei auch dieser Begriff vor wenigen Monaten noch nicht zu meinem Alltagsvokabular gehörte. Wie bei so vielen Dingen und anstehenden Entscheidungen in meinem Leben, begann ich zu googlen - das kann ich stundenlang - und stieß das erste Mal auf Parfumo. Zwei Vanilledüfte stachen aus all den Parfums hervor, ich entschied mich für Vanille West Indies. Damals noch schweren Herzens bezahlte ich mehr als 100 Euro für diesen Duft. Noch wenige Wochen vorher hätte ich diese Summe für ein Parfum im Leben nicht ausgegeben. Nicht, weil ich am Hungertuch nage, nein – weil ein Duft es nicht wert gewesen wäre.

Ich liebte und liebe immer noch Vanille West Indies, trug es tatsächlich über Wochen täglich und erntete viele Komplimente. Das war der Beginn meiner momentanen Duftleidenschaft. Inzwischen haben einige Flakons und ca. 150 Abfüllungen Einzug gehalten. Dieses neue Hobby erfüllt mich, gleichwohl sehe ich diese Leidenschaft auch kritisch. Ich bin hin und hergerissen zwischen dem Motto „Das Leben ist zu kurz für nur einen Duft“ und „Weniger ist mehr“. Noch genieße ich es, immer wieder Neues zu erschnuppern und einzelne Duftkomponenten zu ergründen, zumal ich immer noch so wenig Ahnung habe und Neues entdecke. Gleichzeitig verlieren alle Duftkompositionen jedoch an Bedeutung, weil sie irgendwie beliebig und austauschbar werden, ähnlich wie ein Foto durch die Erfindung der digitalen Fotografie. Es fällt mir schwer, eine Balance zwischen dem Zulassen einer gewissen Dekadenz, der verschwenderischen kurzfristigen Beachtung eines Duftes, und der wahrhaftigen Wertschätzung einzelner Düfte zu finden. Vanille West Indies hat daher immer noch eine besondere Bedeutung für mich, nicht wegen des Duftes, sondern wegen des Alleinstellungsmerkmales, welches dieses Parfum in einer Zeitspanne für mich hatte.

Frust oder Lust? Emotionale Abstumpfung oder Bereicherung? Wie erlebt ihr es?

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